Anspruch auf Zeugniskorrektur nach Vergleichsabschluss

17. Juni 2025 -

Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Köln – 9 Ca 658/25 verlangte der Kläger – vertreten durch Fachanwalt Dr. Usebach – die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses.

Korrektur der Leistungsbeurteilung

Das Arbeitsgericht entschied, dass das Arbeitszeugnis des Klägers bezüglich der Tätigkeitsbeschreibung und der Leistungsbeurteilung teilweise berichtigt werden müsse. Der Kläger hatte Anspruch darauf, dass die wesentlichen Aufgaben seiner Tätigkeit im Zeugnis detaillierter beschrieben werden. Zudem wurde das Gericht der Ansicht, dass die von der Beklagten verwendete Formulierung „sehr gut“ hinsichtlich der Leistung nicht den an ein „sehr gutes“ Zeugnis zu stellenden Anforderungen entsprach. Ein „sehr gutes“ Zeugnis erfordere eine noch differenziertere Formulierung, etwa „stets“, „jederzeit“ oder „vollkommen“, die das überdurchschnittliche Niveau der Leistung verdeutlichen. Die Beklagte hatte lediglich die Gesamtleistung des Klägers als „sehr gut“ bewertet, ohne weitere Qualifikationen oder Details.

Verhaltensbeurteilung

Im Gegensatz zur Leistungsbeurteilung konnte der Kläger bei der Verhaltensbeurteilung nicht vollends überzeugen. Die von der Beklagten verwendete Formulierung, dass das Verhalten des Klägers „korrekt und ohne Beanstandungen“ war, entsprach einer „ausreichenden“ Bewertung, nicht jedoch einer „sehr guten“ Beurteilung. Das Gericht stellte fest, dass der Kläger nicht die Voraussetzungen für eine „sehr gute“ Verhaltensbeurteilung darlegen konnte. Insbesondere konnte er nicht belegen, dass sein Verhalten überdurchschnittlich gut war. Da auch die Beweisführung der Beklagten zur Verhaltensbeurteilung unzureichend war, wurde die Verhaltensbeurteilung mit der Note „befriedigend“ zugebilligt.

Auslegung des Vergleichs

Das Arbeitsgericht prüfte außerdem den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich und kam zu dem Schluss, dass aus diesem keine überdurchschnittliche Verhaltensbeurteilung resultiere. Der Vergleich bezieht sich lediglich auf die Leistungsbeurteilung und eine Schlussformel, nicht jedoch auf die Verhaltensbewertung. Das Gericht wies darauf hin, dass der Vergleich im Rahmen der allgemeinen Auslegung nicht dahingehend auszulegen sei, dass er auch eine „sehr gute“ Verhaltensbeurteilung umfasse, wie der Kläger es beantragt hatte.

Anspruch auf Arbeitszeugnis (§ 109 GewO)

Nach § 109 GewO hat jeder Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Arbeitszeugnis. Das einfache Zeugnis enthält mindestens Angaben zur Art und Dauer der Beschäftigung. Wünscht der Arbeitnehmer zusätzlich eine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung, steht ihm ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu. In der Praxis sollten im Zeugnis deshalb der Beschäftigungszeitraum und die wesentlichen Aufgaben genannt werden; auf Verlangen ergänzt der Arbeitgeber eine Bewertung von Leistung und Verhalten. Bei Auszubildenden gilt der Zeugnisanspruch nach § 16 BBiG, bei leitenden Angestellten ggf. nach § 630 BGB, die Grundanforderung ist aber vergleichbar.

Das Zeugnis dient dem Arbeitnehmer als Referenz für künftige Bewerbungen. Deshalb gilt das gesetzlich normierte Wahrheits- und Klarheitsgebot: Nach § 109 Abs. 2 GewO muss das Zeugnis „klar und verständlich“ formuliert sein. Es darf keine „Geheimcodes“ enthalten, d.h. Formulierungen, die eine versteckte negative Botschaft vermitteln, sind unzulässig. Außerdem verlangt der Grundsatz der Zeugniswahrheit, dass alle wesentlichen Tätigkeiten des Arbeitnehmers „so vollständig und genau beschrieben“ werden, dass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann. Daneben gilt der Wohlwollensgrundsatz: Ein Zeugnis muss den Arbeitnehmer nicht falsch loben, aber es darf sein berufliches Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren. Persönliche Dankes- oder Bedauerns-Formeln sind nur unter Umständen, nicht per Gesetz vorgeschrieben. Das BAG hat klargestellt, dass § 109 GewO den Arbeitgeber gerade nicht verpflichtet, ausdrücklich Dankes- oder Bedauernsformeln aufzunehmen.

Formale Anforderungen

Ein Arbeitszeugnis muss außerdem bestimmte Formanforderungen erfüllen. Es sollte auf dem üblichen Firmenbriefpapier des Arbeitgebers ausgestellt werden. Dort gehört außerdem der vollständige Firmenname und – falls vorhanden – Firmenstempel hin. Das Zeugnis muss handschriftlich unterzeichnet sein (eine elektronische Unterschrift genügt nicht). Unter der Unterschrift sollte die Funktion oder Amtsbezeichnung des Unterzeichners stehen, damit der Leser sofort das Hierarchieverhältnis erkennt. Der Arbeitsgerichte und die Fachliteratur betonen, dass der Ausstellende (z.B. Geschäftsführer, Personalleiter) klar erkennbar sein muss. Datum und Ort des Zeugnisses gehören an den Anfang oder das Ende – korrekt ist in der Regel das tatsächliche Austrittsdatum des Arbeitnehmers. Rechtsprechung verlangt, dass ein Zeugnis das richtige Austrittsdatum ausweist.

Auch auf Rechtschreibung und Formatierung ist zu achten: Formale Fehler mögen für sich genommen meist harmlos sein, können aber bei Häufung den Gesamteindruck schmälern. Das Bundesarbeitsgericht hält kleinere Schreibfehler für tolerabel, solange sie das Zeugnis nicht „ins Gewicht“ fallen. Größere Fehler oder widersprüchliche Angaben (z.B. falsches Datum, unleserliche Formulierungen) sollten korrigiert werden. Arbeitgeber müssen hier Sorgfalt walten lassen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Benotung im Arbeitszeugnis und die Darlegungs- und Beweislast

In Deutschland wird das Gesamturteil eines Arbeitszeugnisses traditionell mit einer „Schulnote“ ausgedrückt, indem bestimmte Formulierungen im Schlusssatz verwendet werden. Nach ständiger Rechtsprechung bildet die Wendung „(stets) zu unserer vollen Zufriedenheit“ den Maßstab für eine durchschnittliche Leistung – das entspricht der Schulnote „befriedigend“ (3). Das Arbeitsgericht Köln hat mit seinem Urteil 9 Ca 658/25 diese grundsätzliche Regel nicht geändert; sie ist weiterhin gültig. Das Bundesarbeitsgericht stellt klar: Sobald ein Arbeitnehmer „eine bessere Bewertung“ als befriedigend anstrebt, trägt er selbst die Darlegungs- und Beweislast. Das heißt: Will er im Zeugnis eine Note 2 (gut) oder 1 (sehr gut) erreichen, muss er dem Arbeitgeber bzw. Gericht konkret darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er wirklich überdurchschnittlich gute Leistungen erbracht hat.

Umgekehrt muss der Arbeitgeber eine negative Abweichung begründen: Gibt er eine schlechtere Gesamtnote als befriedigend an (z.B. ausreichend/mangelhaft), muss er dies konkret darlegen und beweisen. In der Praxis bedeutet das: Eine durchschnittliche Leistungsbeurteilung („zu unserer vollen Zufriedenheit“) ist die Regel. Nur bei besonderen Anhaltspunkten kann und darf ein Arbeitgeber schlechter bewerten – etwa wenn Vorgaben systematisch verfehlt wurden. In der Entscheidung des BAG 2014 wurde ausdrücklich festgehalten, dass aus Studien über Zeugnisverteilungen keine neue Rechtsgrundlage entsteht: Der Maßstab bleibt die mittlere Note 3.

Typische Formulierungen und Notenzuordnung

In der Zeugnissprache haben sich bestimmte Formulierungen etabliert. Im Klartext stehen oft folgende Wendungen für die Schulnoten:

  • Note 1 (sehr gut): Beispiele sind Formulierungen wie „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ oder „stets äußerst effizient und engagiert“. Dies signalisiert das bestmögliche Urteil.
  • Note 2 (gut): In der Praxis wird hierfür etwa „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ verwendet. (Ein klassisches Prüfbeispiel: Das BAG-Urteil 2014 bezeichnete diesen Zusatz „stets“ als Unterschied zwischen Note 3 und 2.)
  • Note 3 (befriedigend): Formulierungen wie „zu unserer vollen Zufriedenheit“ oder „er erfüllte die Aufgaben zu unserer Zufriedenheit“ entsprechen nach wie vor dem Durchschnitt.
  • Note 4 (ausreichend): Hier finden sich häufig zurückhaltende Formulierungen, die noch gerade nicht schlecht sind, z.B. „hat die Aufgaben in zufriedenstellender Weise erledigt“ oder „… wurde mit Sorgfalt ausgeführt“.
  • Note 5 (mangelhaft): Negativ formulierte Wendungen wie bemüht sich stets, die Aufgaben zu erfüllen“ oder „hervorgetan hat er sich nicht“ gelten als „Kodiersprache“ für sehr ungenügend. Solche Formulierungen sollten Arbeitgeber nur verwenden, wenn sie ihre Bewertung wirklich gerichtlich belegen können.

Die obigen Beispiele sind nur grobe Anhaltspunkte. In der Praxis kann je nach Branche und Unternehmen die Wortwahl variieren. Wichtig ist, dass der Eindruck stimmt: Auch ein Schlussformel mit Dank oder guten Wünschen kann den Gesamteindruck abmildern. Generell trägt der Arbeitnehmer jedoch das Risiko für seine gewünschte Benotung – er muss zeigen, dass sie gerechtfertigt ist.

Zeugnisvereinbarungen in Vergleichen und Aufhebungsverträgen

Immer wieder werden Zeugnisinhalte auch in Kündigungsaufhebungen oder gerichtlichen Vergleichen geregelt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten bei solchen Klauseln besonders sorgfältig formulieren. Eine lediglich generische Klausel wie „Der Arbeitgeber erteilt ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis beschreibt im Wesentlichen nur den gesetzlichen Anspruch. Solche unpräzisen Klauseln führen fast zwangsläufig zu Streit, weil sie keinen klaren Inhalt vorgeben. In diesem Fall bleibt der Arbeitgeber formal frei in der konkreten Formulierung, muss aber die üblichen Zeugnisregeln (Wahrheit, Klarheit, Wohlwollen) beachten.

Anders ist die Lage, wenn der Vertrag eine konkrete Leistungsbewertung oder sogar den Zusatz „förderlich für den weiteren beruflichen Werdegang“ enthält. Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urt. v. 8.9.2011 – 8 Sa 509/11) entschied etwa: Ist im Vergleich genau vereinbart, dass ein Zeugnis erteilt wird, das den beruflichen Werdegang fördert, und wurde z.B. die Note „gut“ zugesagt, so muss der Arbeitgeber ein durchweg positives Zeugnis mit der geforderten Abschlussformel abgeben. Das Gericht begründete dies damit, dass bei einer solchen Wunschklausel dem Zeugnisleser ein „zweifelsfrei positiver Eindruck“ vermittelt werden müsse. Fehlt dann z.B. die übliche Schlussformel („Wir danken für die geleistete Arbeit…“), kann das als Hinweis auf eine schwächere Bewertung ausgelegt werden. Arbeitgeber sollten solche Forderungen also nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Praxis-Tipps und Empfehlungen

Für Arbeitgeber: Gestalten Sie Arbeitszeugnisse sorgfältig und rechtssicher. Verwenden Sie qualitativ hochwertiges Firmenpapier und achten Sie auf klare Struktur (Überschrift „Arbeitszeugnis“, Datum, Betreff). Beschreiben Sie die Tätigkeiten vollständig und objektiv, ohne zu viel Branchenslang oder Abkürzungen. Notieren Sie sich im Zweifel die Aufgaben und Erfolge des Mitarbeiters, bevor er ausscheidet. Verwenden Sie die übliche Zeugnissprache: Sprüche wie „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ haben eine klare Bedeutung. Vermeiden Sie geheime Codes oder Bemerkungen, die als abwertend verstanden werden können, es sei denn, Sie können sie im Streit nachweisen. Denken Sie an die Funktionsbezeichnung des Unterzeichners unter der Unterschrift und prüfen Sie Rechtschreibung und Grammatik sorgfältig.

Für Arbeitnehmer (und Personalverantwortliche): Prüfen Sie Ihr Zeugnis auf Vollständigkeit und Richtigkeit, sobald Sie es erhalten. Achten Sie darauf, dass Ihre Position, Austrittsdatum und Tätigkeiten korrekt wiedergegeben sind. Fehlende geforderte Leistungsangaben können Sie beim Arbeitgeber höflich nachfordern. Wenn Sie inhaltliche Mängel (z.B. falsche Daten oder negative Formulierungen) entdecken, können Sie Korrektur verlangen – notfalls auf dem Rechtsweg (§ 109 GewO). Gerichte haben mehrfach Zeugnisberichtigungen angeordnet, wenn das Original „inakzeptable“ Fehler enthielt. Zwar kann der Arbeitgeber versuchen, Einwände wie Verwirkung geltend zu machen (z.B. verspätete Klage), aber Gerichte setzen das Zeugnis im Zweifel inhaltlich richtig und wohlwollend auf. Aktuell entschied das LAG Baden-Württemberg (2023), dass ein Arbeitnehmer Anspruch auf Berichtigung hatte, um sein Zeugnis zu entfernen, das unzulässige Vorwürfe enthielt. Allerdings erhielt er letztlich nur ein Durchschnittszeugnis, weil er keine überdurchschnittlichen Leistungen glaubhaft gemacht hatte. Dies unterstreicht: Wenn Sie eine bessere Note anstreben, müssen Sie konkrete Erfolge belegen.

Bei Verhandlungen (Abfindung/ Vergleich): Klären Sie frühzeitig im Gespräch, wie das Zeugnis aussehen soll. Je konkreter eine Vereinbarung ist (Note, Formulierungen, Schlüsselbegriffe), desto eindeutiger ist der Auftrag für den Arbeitgeber. Eine unpräzise Klausel („ein wohlwollendes Zeugnis“) schafft viel Interpretationsspielraum und damit Konfliktpotenzial. Haben Sie im Vergleich bereits bestimmte Schlussformeln oder Noten festgelegt, können Sie diese im Streit notfalls gerichtlich durchsetzen lassen (vgl. LAG Hamm 8 Sa 509/11).

Zusammenfassung: Das Urteil 9 Ca 658/25 veranschaulicht, dass ein Zeugnisanspruch rechtlich unabhängig von anderen Ansprüchen besteht. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gilt daher: Ein Zeugnis muss nach § 109 GewO erteilt werden, klar und wohlwollend formuliert sein, die Tätigkeiten vollständig wiedergeben und auf Nachfrage auch Leistungen und Verhalten bewerten. Wer eine bessere Note als „befriedigend“ wünscht, muss sie konkret begründen. Umgekehrt muss ein Arbeitgeber schlechtere Bewertungen im Streit belegen. In jedem Fall lohnt es sich, im Unternehmen klare Standards für Zeugnisse zu etablieren und im Zweifel rechtzeitig auf eine korrekte Formulierung hinzuwirken.