Verspätet bei der Arbeit – das sind die Folgen

24. Mai 2025 -

Zugausfälle, mehrtägige Baustellen oder erhebliche Staus auf der Autobahn – immer wieder stehen Arbeitnehmer vor dem Problem, ungeplant zu spät zur Arbeit zu kommen. Für Arbeitgeber sind Verspätungen ein Ärgernis, für Mitarbeiter eine Stresssituation mit möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Dieser Beitrag erläutert, welche rechtlichen Pflichten Arbeitnehmer in solchen Fällen treffen, welche Spielräume und Gestaltungsmöglichkeiten Arbeitgeber haben und wie beide Seiten zu einer pragmatischen Lösung finden können.


Rechtliche Grundlagen

  • Arbeitspflicht und Entgeltanspruch: Der Arbeitsvertrag begründet die Pflicht des Arbeitnehmers zur pünktlichen Arbeitsaufnahme (§ 611a BGB). Im Gegenzug entsteht der Anspruch auf Vergütung (§ 611a Abs. 1 BGB).
  • Höhere Gewalt und Leistungshindernis: Gerät der Arbeitnehmer durch unvorhersehbare Umstände unverschuldet in Verzug, liegt zwar ein Leistungsverhinderungsfall vor. Nach § 615 Satz 1 BGB bleibt der Vergütungsanspruch grundsätzlich bestehen („Annahmeverzugslohn“), es sei denn, der Arbeitnehmer trägt die Begründung des Hindernisses (z. B. grobe Unvorsichtigkeit).

Pflichten des Arbeitnehmers

Pünktliche Arbeitsaufnahme

Der Arbeitnehmer muss grundsätzlich die im Arbeitsvertrag oder der Betriebsvereinbarung festgelegte Anfangszeit einhalten. Verspätungen müssen vermieden werden, z. B. durch frühere Abfahrt oder Alternativrouten.

Mitteilungspflicht

Rechenbare Störungen im Arbeitsweg (Zugausfall, Streik, Extremwetter) sind dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, sobald absehbar ist, dass die vereinbarte Zeit nicht einzuhalten ist. Eine telefonische oder elektronische Nachricht (Anruf, E-Mail, Messenger) genügt.

Nachweispflicht

Auf Verlangen des Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer das Hindernis nachweisen – etwa durch Fahrtausfallbestätigung der Bahn, Baustellenankündigung oder „Staufoto“. Ohne Nachweis kann der Arbeitgeber die Lohnzahlung verweigern und Abmahnungen aussprechen.


Rechte und Pflichten des Arbeitgebers

Kulanz und Mitwirkungspflicht

Betriebsvereinbarungen oder Gleitzeitregelungen können Puffer schaffen: Flexible Anfangs- und Endzeiten reduzieren den Druck bei unvorhergesehenen Verkehrsproblemen. Manche Unternehmen erlauben im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit eine tägliche Toleranz- („Gleit-“)-Spanne von 15–30 Minuten.

Sanktionen bei wiederholten Verspätungen

Bleiben Verspätungen trotz Abmahnung hartnäckig, können folgende arbeitsrechtliche Maßnahmen greifen:

  • Abmahnung – schriftlicher Hinweis auf Pflichtverletzung und Warnfunktion
  • Kürzung des Entgelts – bei schuldhafter Nichtleistung, wenn der Arbeitnehmer das Hindernis fahrlässig herbeigeführt hat (§ 615 S. 1 BGB).
  • Kündigung – in Extremfällen (betriebsstörende, wiederholte Verspätungen ohne Aussicht auf Besserung) kann eine ordentliche oder gar fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.

Dokumentationspflicht

Arbeitgeber sollten Verspätungen und Nachweise lückenlos dokumentieren, um im Streitfall die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen belegen zu können.


Praxistipps und Lösungsansätze

Für Arbeitnehmer

  • Frühzeitige Planung: Verkehrs-Apps und Bahn-Apps geben aktuelle Informationen zu Staus und Zugausfällen.
  • Alternative Verkehrsmittel: Fahrrad, Mitfahrgelegenheiten oder Car-Sharing können im Notfall aushelfen.
  • Homeoffice: Wo möglich, kann kurzfristiges mobiles Arbeiten eine Lösung sein – vorausgesetzt, die Tätigkeit und der Arbeitsvertrag erlauben dies.

Für Arbeitgeber

  • Vertrauensarbeitszeit einführen: Ermöglicht den Mitarbeitern, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten.
  • Kommunikationswege definieren: Klare Anweisungen, wie und bis wann Verspätungsmitteilungen erfolgen müssen (z. B. spätestens 15 Minuten vor Arbeitsbeginn).
  • Kulanzregelungen: Einmalige, geringfügige Verspätungen nachweisen lassen, aber nicht sanktionieren. So bleibt das Betriebsklima positiv.

Zusammenfassung

Aspekt Pflichten und Optionen Arbeitnehmer Pflichten und Optionen Arbeitgeber
Pünktlichkeit Einhalten der vertraglich festgelegten Zeit Arbeitsbeginn verbindlich festlegen
Mitteilung Unverzügliche Info bei Verspätung Festlegen von Meldewegen und Fristen
Nachweis Vorlage von Belegen (z. B. Fahrtausfall) Anerkennen oder Prüfen der vorgelegten Nachweise
Sanktionen Risiko: Abmahnung, Lohnkürzung, Kündigung Dokumentation, verhältnismäßige Sanktionen
Gestaltungsspielraum Homeoffice, alternative Anfahrt, Apps Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Kulanz

Wichtig ist eine transparente Regelung und offene Kommunikation. Verspätungen lassen sich nie völlig ausschließen, doch klare Vorgaben und ein partnerschaftlicher Umgang schaffen Vertrauen und halten den Betriebsablauf stabil.


Unvorhersehbare Verkehrsstörungen entbinden Arbeitnehmer nicht automatisch von ihrer Pflicht zur Arbeitsaufnahme – mindestens die rechtzeitige Mitteilung und Nachweisführung sind unerlässlich. Arbeitgeber wiederum sollten durch flexible Arbeitszeitmodelle und Kulanz Regelungsspielraum schaffen, um Konflikte zu vermeiden. So können beide Seiten eine praxisgerechte Balance zwischen betrieblichen Erfordernissen und den Herausforderungen des Berufsverkehrs herstellen.