Hitzefrei am Arbeitsplatz – rechtliche Grundlagen und Pflichten bei Sommerhitze

Sommerhitze im Arbeitsalltag

Wenn im Hochsommer die Temperaturen kräftig steigen, stellen sich viele Beschäftigte und Arbeitgeber die Frage, ob es „Hitzefrei“ am Arbeitsplatz geben kann. In Schulen ist es üblich, dass ab einer bestimmten Temperatur der Unterricht verkürzt oder ganz ausfällt – doch gilt das auch im Berufsleben? Dieser Artikel beleuchtet die Rechtslage in Deutschland zum Thema hohe Temperaturen am Arbeitsplatz. Er erklärt, welche Gesetze und Regeln gelten, was Arbeitgeber tun müssen und welche Rechte Arbeitnehmer haben. Außerdem räumen wir mit verbreiteten Mythen auf und geben praktische Empfehlungen für beide Seiten.

Kein gesetzlicher Anspruch auf Hitzefrei

Zunächst die wichtigste Klarstellung: Ein allgemeines „Hitzefrei“ gibt es im Arbeitsrecht nicht. Arbeitnehmer können sich nicht einfach aufgrund hoher Temperaturen von der Arbeitspflicht befreien, denn ein gesetzlich verbrieftes Recht darauf existiert nicht. Arbeitgeber haben jedoch eine Fürsorgepflicht und müssen Arbeitsbedingungen schaffen, die die Gesundheit der Beschäftigten schützen. § 618 Abs. 1 BGB etwa verpflichtet den Arbeitgeber, Arbeitsräume so bereitzustellen und zu unterhalten, dass Arbeitnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind, soweit es die Natur der Dienstleistung zulässt. Diese allgemeine Pflicht wird durch spezielle Vorschriften konkretisiert – insbesondere durch das Arbeitsschutzgesetz, die Arbeitsstättenverordnung und die entsprechenden Technischen Regeln.

Wichtig zu wissen: Selbst wenn es unerträglich heiß wird, können Beschäftigte nicht ohne Weiteres eigenmächtig nach Hause gehen. Ein Recht zur Arbeitsverweigerung wegen Hitze besteht nur ausnahmsweise, nämlich wenn der Arbeitgeber seine Schutzpflichten grob verletzt und die Temperaturen objektiv unzumutbar sind. Dazu unten mehr – in der Praxis sind solche Fälle äußerst selten, und meist wird eine einvernehmliche Lösung gefunden. Es gibt keine Gerichtsurteile, die Arbeitnehmern erlauben, einfach wegen Hitze der Arbeit fernzubleiben. Dennoch müssen Arbeitgeber ab bestimmten Temperaturen aktiv werden, um ihre Belegschaft zu schützen. Die folgenden Abschnitte erläutern die Rechtsgrundlagen und Handlungspflichten.

Rechtsgrundlagen: ArbSchG, ArbStättV und ASR A3.5

Mehrere Vorschriften regeln das Arbeitsklima im wahrsten Sinne des Wortes. An vorderster Stelle steht das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Nach § 4 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit vermieden und verbleibende Risiken möglichst geringgehalten werden. Diese Grundpflicht umfasst selbstverständlich auch das Klima am Arbeitsplatz, also z.B. Schutz vor extremer Hitze.

Arbeitsstättenverordnung – „gesundheitlich zuträgliche Temperatur“

Konkretisiert wird die Pflicht durch die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Diese verlangt im Anhang, dass in Arbeitsräumen eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur herrschen muss. Zudem schreibt die ArbStättV wirksamen Sonnenschutz vor, um übermäßige Aufheizung durch Sonneneinstrahlung zu verhindern. Was genau als „zuträgliche Temperatur“ gilt, wird durch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten präzisiert – insbesondere durch die ASR A3.5 „Raumtemperatur“.

Die ASR A3.5 definiert Richtwerte und Schwellen für Temperaturen in Arbeitsräumen. Grundsätzlich soll die Lufttemperatur 26 °C nicht überschreiten. Steigt die Außentemperatur über 26 °C, soll der Arbeitgeber zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um die Belastung zu begrenzen. Ab einer Innenraumtemperatur von über 30 °C muss der Arbeitgeber wirksame Maßnahmen zum Hitzeschutz treffen. Die Technischen Regeln sehen hier ein Stufenmodell vor: Zunächst (über 26 °C) freiwillige bzw. präventive Maßnahmen, ab 30 °C verpflichtende Maßnahmen, und oberhalb von 35 °C gilt ein Arbeitsraum ohne Gegenmaßnahmen als ungeeignet.

Anders formuliert: Bei mehr als 35 °C Raumlufttemperatur darf ohne spezielle Schutzmaßnahmen nicht mehr gearbeitet werden. Oberhalb dieser Grenze ist das normale Arbeiten unzumutbar – es sei denn, der Arbeitgeber setzt besondere technische oder organisatorische Hilfsmittel ein (zum Beispiel Kühlung durch Luftduschen, Hitzeschutzkleidung, Extra-Pausen wie an extremen „Hitzearbeitsplätzen“). Wichtig: Wird dieser Extremwert erreicht, heißt das nicht automatisch, dass alle Beschäftigten nach Hause geschickt werden können. Es bedeutet nur, dass in dem betreffenden Raum in der aktuellen Situation nicht weitergearbeitet werden darf. Gelingt es, die Temperatur wieder unter diese Schwelle zu senken (z.B. durch Lüften, Abkühlung in den Abendstunden), muss die Arbeit anschließend wieder aufgenommen werden. Ein genereller Arbeitsausfall ist also möglichst zu vermeiden.

Keine starren Temperatur-Grenzwerte im Gesetz

Wichtig zu verstehen ist, dass die genannten Temperaturwerte (26 °C, 30 °C, 35 °C) nicht direkt im Gesetz stehen, sondern in technischen Regelwerken. Sie dienen als anerkannte Richtlinien, an denen sich Arbeitgeber orientieren müssen. Verstöße gegen die ArbStättV (z.B. dauerhaft überhitzte Büros ohne Schutzmaßnahmen) können behördlich beanstandet werden. Feste gesetzliche Maximaltemperaturen (etwa „ab 30 °C ist Arbeit verboten“) existieren aber nicht. Stattdessen verlangt das Gesetz einen angemessenen Gesundheitsschutz – was angemessen ist, bestimmt sich nach den genannten Regeln, der konkreten Arbeitssituation und dem Grundsatz der Zumutbarkeit.

Übrigens regelt die ASR A3.5 auch Mindesttemperaturen im Winter: Für sitzende Bürotätigkeiten etwa mindestens 19 °C, für mittelschwere stehende Arbeiten mindestens 17 °C usw.. Dies verdeutlicht, dass das Gesetz sowohl extreme Kälte als auch extreme Hitze als gesundheitliches Problem anerkennt. Unser Fokus liegt hier aber auf dem sommerlichen Hitzeschutz.

Rechtsprechung: Urteile zu großer Hitze am Arbeitsplatz

Gerichtsentscheidungen zum Thema Hitze am Arbeitsplatz sind bislang selten, was wohl daran liegt, dass extreme Situationen in Deutschland nicht täglich vorkommen und viele Streitigkeiten betrieblich gelöst werden. Klagefälle wegen „Hitzefrei“ gibt es kaum – weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer suchen oft den Rechtsweg, wenn die Sonne einmal erbarmungslos scheint. Die Rechtslage ist aber auch ohne umfangreiche Rechtsprechung relativ klar vorgezeichnet.

Ein grundlegender Anknüpfungspunkt ist wie erwähnt § 618 BGB, der eine sichere Arbeitsumgebung verlangt. Darauf basierend können Arbeitnehmer im Ernstfall verlangen, dass der Arbeitgeber Abhilfe schafft oder (theoretisch) sogar vor Gericht Kühlungsmaßnahmen einklagen. In der Praxis setzen jedoch die wenigsten Beschäftigten dieses Recht gerichtlich durch – oft wird intern eine Lösung gefunden oder ein Betriebsrat wirkt vermittelnd.

Höchstrichterlich wurde bereits anerkannt, dass es keinen generellen Anspruch auf Hitzefrei gibt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte z.B. fest, dass es keine starren Höchsttemperaturen als Arbeitsbedingung gibt, sondern der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht tätig werden muss. Konkrete Temperatur-Grenzen aus dem Gesetz lassen sich nicht ableiten, vielmehr kommt es auf die Einhaltung der Arbeitsschutzvorgaben und eine Abwägung im Einzelfall an.

Beispielhafte Urteile: In einem Fall aus dem Jahr 2015 hat ein Betriebsrat erfolgreich durchgesetzt, dass bei über 30 °C Raumtemperatur die Krawattenpflicht für die Mitarbeiter aus Gesundheitsgründen ausgesetzt wird. Das BAG bestätigte, dass hier ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zum Gesundheitsschutz greift und eine Lockerung der Kleiderordnung zulässig ist. In einem anderen besonderen Fall (betrifft eine Werkstatt für behinderte Menschen) wurde behördlich angeordnet und vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass bei Überschreiten bestimmter Temperaturen die Arbeit vorübergehend eingestellt werden muss, weil die Beschäftigten besonders schutzbedürftig waren. Diese Entscheidung betraf allerdings einen Extremfall und ist nicht ohne Weiteres auf jedes Büro übertragbar.

Wichtig festzuhalten ist: Kein Gericht hat bislang Arbeitnehmern das Recht zugestanden, eigenmächtig bei Hitze der Arbeit fernzubleiben. Stattdessen liegen die Pflichten zur Abkühlung beim Arbeitgeber, und Arbeitnehmer können im Zweifel nur unter sehr engen Voraussetzungen die Arbeit niederlegen (siehe nächster Abschnitt).

Pflichten des Arbeitgebers bei Sommerhitze

Arbeitgeber stehen bei hohen Temperaturen in der Verantwortung, aktiv für erträgliche Bedingungen zu sorgen. Ihre Pflichten ergeben sich aus dem Arbeitsschutz und der oben erwähnten Arbeitsstättenverordnung. Konkret bedeutet das:

  • Gefährdungsbeurteilung: Der Arbeitgeber muss im Rahmen der Arbeitsschutzorganisation eine Gefährdungsbeurteilung durchführen (§ 5 ArbSchG) und dabei auch Klimagefahren berücksichtigen. Wenn im Betrieb regelmäßig sommerliche Hitze auftritt, sollten entsprechende Schutzmaßnahmen geplant sein.
  • Schutzpflicht ab 26 °C: Spätestens wenn es in Arbeitsräumen über 26 °C warm wird, sollte der Arbeitgeber gegensteuern. Bei steigenden Temperaturen ist es seine Fürsorgepflicht, das Wohl der Beschäftigten im Auge zu behalten. Dazu zählen einfache Maßnahmen wie z.B. Jalousien schließen, Lüften in kühleren Stunden oder das Bereitstellen von Trinkwasser.
  • Maßnahmen ab 30 °C: Ab 30 °C Raumtemperatur ist der Arbeitgeber verpflichtet, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Er darf die Situation nicht einfach laufen lassen. Welche Maßnahmen geeignet sind, hängt vom Einzelfall ab – wichtig ist, dass überhaupt etwas unternommen wird, um die Hitzebelastung zu verringern. (Beispiele für konkrete Maßnahmen siehe unten.)
  • Überschreiten der 35 °C: Wird die kritische Marke von 35 °C (ohne Schutzvorkehrungen) erreicht, darf dieser Arbeitsraum nicht weiter genutzt werden. Hier muss der Arbeitgeber reagieren, z.B. die Arbeit in diesem Raum unterbrechen, die Leute in kühlere Bereiche verlegen oder technische Maßnahmen einsetzen. Einfach weiterarbeiten lassen wäre ein Verstoß gegen die ArbStättV.
  • Besondere Risikogruppen: Arbeitgeber müssen besonders gefährdete Mitarbeiter bei Hitze extra schützen. Dazu gehören Jugendliche, ältere Arbeitnehmer, Schwangere, stillende Mütter sowie Beschäftigte mit schweren körperlichen Tätigkeiten. Für schwangere Frauen schreibt das Mutterschutzgesetz z.B. vor, dass sie bei gesundheitlichen Problemen durch Hitze einen kühleren Arbeitsplatz erhalten oder im Extremfall freigestellt werden müssen. Gleiches gilt sinngemäß für Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen – hier ist Rücksicht geboten.

Mögliche Hitzeschutz-Maßnahmen des Arbeitgebers

Wie kann der Arbeitgeber für Abkühlung sorgen? Die Technischen Regeln geben hier keine starren Vorgaben, aber es gibt gängige Mittel und Good-Practice-Beispiele, die auch Gerichte im Zweifel erwarten. Unter anderem kommen in Betracht:

  • Sonnenschutz an Fenstern anbringen (Jalousien, Rollos, Sonnenschutzfolien), um direkte Sonneneinstrahlung zu reduzieren. Wichtig ist auch, dass vorhandener Sonnenschutz effektiv genutzt wird (z.B. Rollläden rechtzeitig schließen, ggf. auch nach Feierabend geschlossen lassen, um die Morgenhitze draußen zu halten).
  • Nachts oder frühmorgens Lüften und Kühlen: Der Arbeitgeber sollte dafür sorgen, dass nachts kühle Luft in Büros und Hallen gelangen kann. Beispielsweise kann eine automatische Lüftung in den frühen Morgenstunden die Räume herunterkühlen, bevor die Arbeit beginnt. Auch eine steuerbare Kernlüftung in der Nacht ist möglich.
  • Klimaanlagen oder Ventilatoren einsetzen: Technische Kühllösungen wie raumlufttechnische Anlagen (Klimaanlagen) oder Ventilatoren können die Situation deutlich verbessern. Nicht jeder Arbeitsplatz hat eine fest installierte Klimaanlage – als Zwischenlösung können mobile Klimageräte oder zusätzliche Ventilatoren helfen. (Hinweis: Bei Ventilatoren ist wegen Zugluft Vorsicht geboten, aber grundsätzlich sind sie zulässig und fördern die Verdunstungskühlung.)
  • Wärmequellen im Büro reduzieren: Elektrische Geräte erzeugen zusätzliche Wärme. Arbeitgeber können anordnen, dass unnötige Wärmequellen wie Drucker, Kopierer, Beleuchtung etc. ausgeschaltet oder in andere Räume verlegt werden, um die Temperatur nicht weiter steigen zu lassen.
  • Arbeitszeit anpassen (Gleitzeit/Siesta): Organisatorisch kann viel erreicht werden, indem man die Arbeitszeiten flexibilisiert. Beispielsweise kann früher angefangen und dafür die heiße Nachmittagszeit frei gemacht werden. Einige Betriebe vereinbaren eine längere Mittagspause („Siesta“) während der größten Hitze und verlängern dafür den Arbeitstag am Abend, wenn es abgekühlt ist. Wichtig: Solche Änderungen unterliegen der Mitbestimmung (siehe nächster Abschnitt).
  • Lockern der Kleiderordnung: Falls im Unternehmen strenge Kleidungsvorschriften gelten (Anzug, Krawatte, geschlossene Kleidung), sollte der Arbeitgeber diese bei großer Hitze entschärfen. In vielen Firmen ist es inzwischen selbstverständlich, dass z.B. Krawatten oder Jacketts an sehr heißen Tagen nicht verlangt werden. Tatsächlich hat ein Gericht entschieden, dass das Weglassen der Krawatte bei >30 °C aus Gesundheitsgründen erlaubt sein muss. Natürlich dürfen Sicherheitskleidungen (Helme, Schutzschuhe etc.) nicht weggelassen werden, aber ansonsten ist eine luftigere Kleidung sinnvoll.
  • Getränke bereitstellen: Der Arbeitgeber kann und sollte bei hohen Temperaturen ausreichend Trinkwasser oder Erfrischungsgetränke kostenlos bereitstellen. Ab Temperaturen über 26 °C sollen, ab über 30 °C müssen laut Arbeitsstättenregelung geeignete Getränke angeboten werden. Genügend zu trinken hilft, Kreislaufproblemen vorzubeugen.
  • Zusätzliche Pausen ermöglichen: Insbesondere bei körperlich anstrengender Arbeit oder Arbeit im Freien sollten zusätzliche kurze Erholungspausen eingeräumt werden, sobald die Temperaturen stark ansteigen. In extremer Hitze (über 35 °C) können auch spezialisierte Maßnahmen wie „Hitzepausen“ erforderlich sein, wie man sie aus Gießereien oder Stahlwerken kennt. Dabei verlassen die Beschäftigten regelmäßig für einige Minuten den heißen Arbeitsbereich, um sich zu erholen.

Diese Liste ist nicht abschließend – jeder Arbeitgeber muss anhand der Umstände entscheiden, welche Kombination von Maßnahmen angemessen und zumutbar ist. Untätig bleiben ist jedoch keine Option, wenn die 30-Grad-Marke deutlich überschritten wird. Arbeitgeber sollten im Zweifel lieber frühzeitig reagieren, bevor die Situation eskaliert.

Rechte der Arbeitnehmer bei unerträglicher Hitze

Auch Beschäftigte haben im Kontext von Sommerhitze gewisse Rechte, sollten aber mit übereilten Aktionen vorsichtig sein. Grundsätzlich besteht weiterhin die Arbeitspflicht, solange der Arbeitgeber seine Schutzpflicht ernstnimmt. Dennoch können Arbeitnehmer folgende Rechte bzw. Schritte wahrnehmen:

  • Recht auf Beschwerde: Arbeitnehmer dürfen sich bei ihrem Vorgesetzten oder dem Betriebsrat über unzumutbare Hitze am Arbeitsplatz beschweren. Nach § 17 ArbSchG müssen Arbeitgeber die Beschwerden prüfen und – sofern berechtigt – für Abhilfe sorgen. Beschäftigte dürfen wegen einer solchen Beschwerde keine Nachteile erleiden.
  • Beteiligung des Betriebsrats: Gibt es einen Betriebsrat, kann dieser eine starke Rolle spielen. Maßnahmen des Arbeitgebers zum Arbeitsklima unterliegen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (betrieblicher Gesundheitsschutz). Das heißt, der Betriebsrat kann mitentscheiden, welche Hitzeschutz-Maßnahmen ergriffen werden. Ebenso ist die Verlegung der Arbeitszeit (z.B. früher Feierabend wegen Hitze) nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Arbeitnehmer können also über den Betriebsrat darauf hinwirken, dass z.B. Gleitzeitregelungen angepasst oder Kleiderordnungen gelockert werden. Im Idealfall schließen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung für Hitzeschutz, um jedes Jahr im Sommer klare Regeln zu haben.
  • Verweigerung der Arbeitsleistung als letztes Mittel: In extremen Fällen dürfen Arbeitnehmer die Arbeit tatsächlich niederlegen, ohne dafür abgemahnt oder gekündigt zu werden – aber nur unter strengen Voraussetzungen. Dies kommt nach § 273 BGB (Zurückbehaltungsrecht) in Betracht, wenn der Arbeitgeber seine Schutzpflicht gravierend verletzt und die Temperaturen eine erhebliche Gesundheitsgefahr darstellen. Praktisch heißt das: Hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf die unhaltbaren Zustände hingewiesen und passiert trotzdem nichts, kann er als ultima ratio sagen: „Ich arbeite erst weiter, wenn es hier sicher/erträglich ist.“ Dabei muss sorgfältig abgewogen werden: Das Temperaturniveau muss wirklich unzumutbar sein (etwa deutlich über 35 °C ohne Schutzmaßnahmen). Sobald die Gefahr vorbei ist oder Maßnahmen ergriffen wurden, muss der Arbeitnehmer die Arbeit wieder aufnehmen. Eine solche Selbstbeurlaubung auf Zeit sollte gut dokumentiert und idealerweise dem Arbeitgeber angekündigt sein. Wichtig: Bei nur kurzen Überschreitungen (z.B. Klimaanlage fällt für eine Stunde aus) wäre eine Arbeitsverweigerung überzogen und möglicherweise vertragswidrig. Daher raten Experten, dieses Recht nur im echten Notfall zu nutzen und lieber zunächst das Gespräch zu suchen.
  • Mitwirkung an Lösung: Arbeitnehmer können selbst zur Verbesserung beitragen – z.B. indem sie Kühlschrank, Ventilator oder Getränke organisieren, soweit erlaubt, oder Homeoffice vorschlagen, falls das im Betrieb möglich ist. Oft zeigen sich Arbeitgeber kooperativ: Wenn das Büro zur Sauna wird, leidet schließlich auch die Führungskraft selbst darunter. Ein offenes Gespräch kann zu pragmatischen Lösungen führen (etwa früher Feierabend oder Arbeit von zu Hause, solange die Hitzewelle anhält).
  • Besuch beim Arzt: Sollte ein Arbeitnehmer körperliche Symptome durch die Hitze entwickeln (z.B. Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen, Übelkeit), ist das nicht hinzunehmen. Im Akutfall kann man sich beim Betriebsarzt oder Hausarzt vorstellen. Stellt der Arzt fest, dass die weitere Arbeit bei der Hitze unzumutbar ist, könnte der Arbeitnehmer krankgeschrieben werden. In diesem Fall gelten die üblichen Regeln der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Für Schwangere gilt wie erwähnt: ein ärztliches Attest, dass die Hitze Mutter oder Kind gefährdet, verpflichtet den Arbeitgeber zu Schutzmaßnahmen (kühlerer Raum oder Freistellung).

Zusammengefasst: Arbeitnehmer haben ein Recht auf gesunde Arbeitsbedingungen, aber kein Freibrief zum Fernbleiben. Ohne Rücksprache einfach nach Hause zu gehen, weil es heiß ist, ist riskant – im schlimmsten Fall drohen Abmahnung oder Lohnverlust. Besser ist es, zuerst intern auf Abhilfe zu drängen, den Betriebsrat einzubeziehen und nur im äußersten Notfall die eigene Arbeitskraft zurückzuhalten, wenn die Gesundheit ernsthaft auf dem Spiel steht.

Entgeltfortzahlung und Betriebsrisiko bei Hitzefrei

Ein wichtiger Punkt ist die Bezahlung, falls es doch zum Arbeitsausfall wegen Hitze kommt. Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Wenn ein Arbeitnehmer also die Arbeit verweigert oder früher geht, besteht zunächst kein Anspruch auf Vergütung für die ausgefallene Zeit. Ausnahme: Ist der Ausfall vom Arbeitgeber zu vertreten, greift das sogenannte Betriebsrisiko des Arbeitgebers. Nach § 615 BGB muss der Arbeitgeber das Gehalt fortzahlen, wenn er die Arbeitsleistung aus betrieblichen Gründen nicht abrufen kann. Experten sind sich einig, dass zu hohe Temperaturen, die einen Raum unbenutzbar machen, ins Risiko des Arbeitgebers fallen. Kann also wegen großer Hitze nicht gearbeitet werden (und liegt das nicht in der Person des Arbeitnehmers begründet), darf der Arbeitnehmer finanziell nicht der Leidtragende sein.

Konkret bedeutet das: Wenn der Arbeitgeber den Betrieb schließt oder die Mitarbeiter nach Hause schickt, bleibt der Lohnanspruch bestehen. Entscheidet sich der Chef etwa um 14 Uhr, alle ins „Hitzefrei“ zu entlassen, kann er nicht verlangen, dass die ausgefallene Zeit unbezahlt nachgearbeitet wird – er trägt dieses Risiko. Anders sieht es aus, wenn ein Arbeitnehmer eigenmächtig geht, ohne dass der Arbeitgeber dazu Anlass gegeben hat. Dann fehlt es an einem Annahmeverzug des Arbeitgebers und der Lohnanspruch entfällt in der Regel für diese Zeit. Auch wenn Kinder „hitzefrei“ bekommen und ein Elternteil deshalb die Arbeit vorzeitig verlassen muss, besteht grundsätzlich kein bezahlter Freistellungsanspruch, da dies als objektives Hindernis (Witterung) und nicht als persönlicher Grund im Sinne des § 616 BGB gewertet wird. Eltern können in so einem Fall allenfalls unbezahlt freigestellt werden, sofern das Kind noch betreuungsbedürftig ist, oder müssen Urlaub nehmen.

Zusammengefasst: Arbeitgeber sollten bei freiwilligem Hitzefrei die Lohnfortzahlung einplanen, während Arbeitnehmer wissen müssen, dass eigenmächtiges Fernbleiben finanziell riskant ist. Im Zweifel empfiehlt es sich, eine einvernehmliche Lösung (Überstundenausgleich, Gleitzeitabbau, Urlaubstag) zu finden, statt in Konflikte zu gehen.

Praktische Handlungsempfehlungen

Abschließend geben wir einige praktische Tipps, damit beide Seiten – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – gut durch heiße Tage kommen:

Für Arbeitgeber:

  • Vorbeugend planen: Unternehmen sollten bereits vor dem Sommer einen Hitzeschutz-Plan haben. Dazu gehört die technische Ausstattung (z.B. Ventilatoren anschaffen, Jalousien warten) und organisatorische Überlegungen (etwa Gleitzeitregelungen für den Sommer vereinbaren). Eine Gefährdungsbeurteilung sollte das Thema Hitze abdecken.
  • Kommunikation mit Mitarbeitern: Chefs tun gut daran, bei Hitzewellen offen mit der Belegschaft zu kommunizieren. Hinweise wie „Bitte trinken Sie genug“ oder „Wir lockern die Kleiderordnung ab morgen“ zeigen, dass der Arbeitgeber die Situation ernst nimmt. Ebenso sollten Beschäftigte wissen, an wen sie sich wenden können, wenn es zu heiß wird (Ansprechpartner im Betrieb).
  • Maßnahmen pragmatisch umsetzen: Statt auf eine Beschwerde der Mitarbeiter zu warten, sollten Arbeitgeber selbständig Maßnahmen ergreifen, sobald die Temperatur steigt. Einfache Dinge wie morgens lüften, Wasser bereitstellen oder Bürozeiten anpassen, können viel ausmachen. Wichtig ist, die Schwellenwerte (26/30/35 °C) im Blick zu behalten und spätestens ab 30 °C aktiv zu werden.
  • Mitbestimmung beachten: Wenn es einen Betriebsrat gibt, sollten Arbeitgeber ihn frühzeitig einbeziehen, z.B. um eine Betriebsvereinbarung „Umgang mit Hitze“ abzuschließen. Darin kann etwa geregelt werden, ab welchen Temperaturen welche Maßnahmen greifen (z.B. Lockerung der Kleiderordnung, zusätzliche Pausen, Schichtverschiebungen). Das verhindert Streit und sorgt für klare Verhältnisse.
  • Flexibilität zeigen: Kein Arbeitnehmer „schwänzt“ gerne – wenn jemand bei 38 °C im Büro vorschlägt, lieber vom Homeoffice aus zu arbeiten oder früher zu gehen, sollte der Arbeitgeber das wohlwollend prüfen. Oft steigert etwas Flexibilität die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter insgesamt (jemand, der wegen Hitze fast kollabiert, arbeitet nämlich gar nicht produktiv weiter). Vertrauensarbeitszeit oder kurzfristige Homeoffice-Lösungen können Win-Win-Situationen sein.

Für Arbeitnehmer:

  • Regelmäßig trinken und Pausen machen: Dies mag banal klingen, ist aber zentral. Achten Sie auf sich und Ihre Kollegen – genügend Wasserzufuhr (idealerweise stellt der Arbeitgeber etwas, aber notfalls selbst mitbringen) und kleine Pausen im Schatten oder am offenen Fenster helfen, die Körpertemperatur zu regulieren.
  • Kleidung anpassen: Nutzen Sie den Spielraum, den Ihr Arbeitgeber Ihnen lässt. Ist kein Kundenkontakt gegeben, wählen Sie leichte, atmungsaktive Kleidung. Fragen Sie im Zweifel nach, ob z.B. kurzärmlige Hemden statt Anzug okay sind. Bei vorgeschriebener Uniform oder Schutzausrüstung kann man eventuell zusätzliche Unterkleidung (wie Funktionsshirts) tragen, die Schweiß besser absorbiert. Wichtig: Sicherheit geht vor – Schutzhelm oder -schuhe darf man nicht weglassen, nur weil es heiß ist.
  • Frühzeitig melden, wenn es zu heiß wird: Warten Sie nicht, bis Sie fast ohnmächtig werden. Informieren Sie Ihren Vorgesetzten rechtzeitig, dass die Temperatur kritisch wird, und fragen Sie nach möglichen Maßnahmen. Oft lassen sich Kleinigkeiten sofort ändern (z.B. Fenster öffnen, Ventilator holen). Dokumentieren Sie für sich grob die Temperatur, falls es wiederholt zu Problemen kommt – so haben Sie im Zweifel Anhaltspunkte für das Gespräch.
  • Betriebsrat einschalten: Gibt es Missstände und der Arbeitgeber reagiert nicht, ziehen Sie den Betriebsrat hinzu (falls vorhanden). Dieser hat Mitbestimmungsrechte und kann Ihren Anliegen mehr Gewicht verleihen. Gemeinsam lässt sich meist Druck ausüben, damit der Arbeitgeber aktiv wird.
  • Keine Alleingänge ohne Not: Verlassen Sie nicht einfach den Arbeitsplatz, ohne Bescheid zu sagen. Sollte die Situation tatsächlich gesundheitlich unerträglich sein, informieren Sie umgehend Ihren Vorgesetzten (oder Personalabteilung) und schildern Sie die Symptome. Im Ernstfall kann man sich krankmelden – aber „ins Blaue hinein“ die Arbeit abzubrechen, kann ein Eigentor sein. Bedenken Sie, dass Sie im Zweifel nachweisen müssten, dass es unzumutbar war. Nutzen Sie dieses Mittel nur, wenn akute Gesundheitsgefahr besteht, und idealerweise nachdem alle anderen Schritte (Beschwerde, Betriebsrat, Arzt) ausgeschöpft sind.

Hitzefrei in der Schule vs. im Betrieb – Mythen und Unterschiede

Zum Schluss ein Blick auf den Begriff „Hitzefrei“ selbst: In Schulen bedeutet Hitzefrei meist, dass ab einer bestimmten Raum- oder Außentemperatur der Unterricht früher endet oder ganz ausfällt. Das ist jedoch kein bundesweites Gesetz, sondern eine schulorganisatorische Regel, die von Bundesland zu Bundesland oder sogar von Schule zu Schule unterschiedlich gehandhabt wird. Viele erinnern sich: Bei drückender Hitze hat der Direktor beschlossen, dass nach der vierten Stunde Schluss ist.

Im Arbeitsleben gibt es so eine pauschale Regel nicht. Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, ab einer festen Gradzahl automatisch den Betrieb einzustellen. Einige verbreitete Mythen in diesem Zusammenhang lauten zum Beispiel:

  • „Ab 30 Grad im Büro dürfen alle nach Hause gehen.“ – Das stimmt nicht. Zwar müssen ab ca. 30 °C Maßnahmen ergriffen werden, aber ein Recht auf Arbeitsbefreiung ab 30 °C gibt es nicht. Ohne entsprechende Vereinbarung kann man nicht einfach um 14 Uhr den Stift fallen lassen.
  • „Über 35 °C ist Arbeiten verboten.“Jein: Über 35 °C ohne Gegenmaßnahmen gilt ein Raum tatsächlich als nicht mehr geeignet. Das heißt, der Arbeitgeber darf die Mitarbeiter dort nicht mehr weiterarbeiten lassen, wenn er keine besonderen Schutzmaßnahmen ergreift. In der Praxis würde man den Arbeitsraum verlassen müssen (oder technische Hilfsmittel einsetzen). Allerdings heißt das nicht automatisch bezahlte Freizeit – der Arbeitgeber könnte z.B. eine andere Tätigkeit in einem kühleren Bereich zuweisen oder eine Pause anordnen, bis die Temperatur sinkt. Verboten ist Arbeit nur, wenn keine Schutzmaßnahmen möglich sind; ein generelles gesetzliches Verbot “über 35 °C muss Betrieb schließen” existiert nicht.
  • „Wenn Schüler Hitzefrei haben, können Eltern auch zu Hause bleiben.“ – Das ist leider kein Automatismus. Wie oben erläutert, stellt Hitzefrei in der Schule kein persönliches Leistungshindernis des Arbeitnehmers dar, sondern ein allgemeines (Wetter-)Problem. Eltern kleiner Kinder, die betreut werden müssen, können natürlich mit dem Arbeitgeber reden – viele zeigen Verständnis und ermöglichen spontanen Urlaub oder Überstundenausgleich. Ein rechtlicher Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht dafür aber nicht. Es ist ratsam, für solche Fälle z.B. Gleitzeitguthaben oder Homeoffice-Möglichkeiten zu haben.
  • „Der Chef muss eine Klimaanlage bereitstellen.“Nein, einen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme (z.B. Klimaanlage) gibt es nicht. Der Arbeitgeber muss geeignete Maßnahmen treffen, aber welche das sind, entscheidet er – notfalls in Abstimmung mit dem Betriebsrat. Mitarbeiter können also nicht darauf bestehen: „Ich will aber einen Ventilator auf meinem Schreibtisch“, wenn der Arbeitgeber stattdessen z.B. durch nächtliches Lüften und Lockerung der Kleidungspflicht das Klima erträglich hält. Nur wenn gar nichts unternommen wird und die Bedingungen gesundheitsgefährdend sind, kann man Schritte einleiten (siehe oben).
  • „Hitze ist höhere Gewalt, da gibt’s keinen Lohn.“Falsch. Wie gezeigt, zählt extreme Hitze am Arbeitsplatz zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers. Wenn also z.B. die Klimaanlage ausfällt und deshalb die Arbeit eingestellt werden muss, darf der Chef nicht einfach die Löhne kürzen. Höhere Gewalt mag draußen herrschen, aber der Arbeitgeber trägt das Risiko, den Arbeitsplatz trotzdem sicher zu gestalten. Umgekehrt: Wenn ein Arbeitnehmer wegen Hitze zu Hause bleibt ohne Absprache, trägt er das Risiko, seinen Lohnanspruch zu verlieren.

„Hitzefrei“ wie in der Schule gibt es im Arbeitsrecht nicht – statt pauschaler Freistellung gelten differenzierte Schutzpflichten. Arbeitgeber müssen alles Zumutbare tun, um die Gesundheit der Beschäftigten auch bei Sommerhitze zu schützen. Arbeitnehmer sollten wissen, dass sie grundsätzlich weiter arbeiten müssen, aber natürlich auf ihr Wohl achten dürfen und sollen. Im Idealfall begegnen sich beide Seiten mit Verständnis: Flexibilität und Prävention seitens des Arbeitgebers, Offenheit und Umsicht seitens der Arbeitnehmer. Dann kommt man auch durch die heißesten Tage, ohne dass die Stimmung (oder jemand im Büro) kippt.