Sexuelle Belästigung im Arbeitsverhältnis – arbeitsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein gravierender Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. In vielen Fällen handelt es sich zugleich um eine strafbare Handlung, die sowohl arbeitsrechtlich als auch strafrechtlich verfolgt werden kann. Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen. Zugleich ist eine sachgerechte rechtliche Einordnung erforderlich, da vorschnelle Maßnahmen ohne Beweislage oder Anhörung zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen führen können.


Was versteht man unter sexueller Belästigung im Arbeitsverhältnis?

Die Definition der sexuellen Belästigung ergibt sich aus § 3 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG):

„Sexuelle Belästigung ist ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird, insbesondere wenn ein einschüchterndes, anstößiges, beleidigendes oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.“

Beispiele für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz:

  • Sexuelle Anspielungen, zweideutige Bemerkungen, anzügliche Witze
  • Unerwünschte körperliche Berührungen, Umarmungen, Annäherungen
  • Zeigen oder Versenden pornografischer Inhalte
  • Sexuell konnotierte E-Mails oder Chatnachrichten
  • Drohung mit arbeitsrechtlichen Nachteilen bei Ablehnung sexueller Handlungen
  • Stalking im betrieblichen Kontext

Die Abgrenzung zu „sozial unangemessenem Verhalten“ liegt in der Unerwünschtheit und sexuellen Bezogenheit der Handlung.


Sexuelle Belästigung als Straftat

Je nach Intensität und Ausgestaltung kann sexuelle Belästigung zugleich eine Straftat darstellen. Die wichtigsten Strafnormen sind:

§ 184i StGB – Sexuelle Belästigung

  • Tatbestand: körperliche Berührung in sexuell bestimmter Weise gegen den erkennbaren Willen der betroffenen Person
  • Strafe: Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe

§ 177 StGB – Sexueller Übergriff / sexuelle Nötigung / Vergewaltigung

  • Bei Ausnutzen eines Überraschungsmoments, Drohung oder Gewalt
  • Schwere Fälle mit Freiheitsstrafen von mehreren Jahren

§ 238 StGB – Nachstellung (Stalking)

  • Relevanz, wenn die Belästigung systematisch erfolgt (z. B. über Telefon, E-Mail, soziale Netzwerke)

§ 185 StGB – Beleidigung

  • Relevanz bei sexuellen Äußerungen oder Verhaltensweisen ohne körperlichen Bezug

Arbeitsrechtliche Konsequenzen für Täter

Ein Arbeitnehmer, der sexuell belästigt, verletzt schwerwiegend seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Die arbeitsrechtlichen Maßnahmen hängen von der Schwere des Vorwurfs und dem Einzelfall ab.

Mögliche Reaktionen des Arbeitgebers:

  • Abmahnung bei einmaligem Fehlverhalten mit geringerer Intensität
  • Versetzung oder Umsetzung
  • Ordentliche Kündigung bei wiederholtem Fehlverhalten
  • Fristlose Kündigung (§ 626 BGB) bei gravierenden oder strafbaren Übergriffen
  • Verdachtskündigung, wenn ein nachvollziehbar begründeter Verdacht besteht

Eine Kündigung ist auch ohne vorherige Abmahnung möglich, wenn das Verhalten das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört.


Schutzpflichten des Arbeitgebers (§ 12 AGG)

Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, ihre Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen (§ 12 AGG). Sie müssen:

  • Vorfälle ernst nehmen und unverzüglich prüfen
  • Gegenmaßnahmen ergreifen (z. B. Versetzung, Ermahnung, Kündigung)
  • Beschwerdeverfahren ermöglichen (§ 13 AGG)
  • Bei Untätigkeit kann der Arbeitgeber Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen (§ 15 AGG) ausgesetzt sein

Rechte der Betroffenen

Betroffene von sexueller Belästigung haben das Recht auf:

  • Beschwerde beim Arbeitgeber (§ 13 AGG)
  • Verweigerung der Arbeitsleistung, wenn keine Abhilfe erfolgt (§ 14 AGG)
  • Entschädigung und Schadensersatz gemäß § 15 AGG
  • Kündigungsschutz, wenn sie sich gegen Belästigungen wehren
  • Strafanzeige bei sexueller Belästigung im Sinne des Strafgesetzbuchs

Betroffene sollten die Vorfälle dokumentieren (Datum, Uhrzeit, Zeugen, Inhalte) und rechtzeitig rechtliche Beratung einholen.


Wie sollten Arbeitgeber bei einem Vorwurf reagieren?

Ein Vorwurf sexueller Belästigung erfordert besonnenes, aber entschlossenes Handeln:

  • Vertrauliches Gespräch mit der beschwerdeführenden Person
  • Dokumentation der Vorwürfe und mögliche Beweissicherung
  • Anhörung des beschuldigten Mitarbeiters
  • Information des Betriebsrats bei geplanter Kündigung
  • Juristische Prüfung der arbeits- und ggf. strafrechtlichen Konsequenzen
  • Ergreifen geeigneter Maßnahmen zur Konfliktlösung und Prävention

Fehler im Umgang mit solchen Vorfällen können erhebliche Haftungsrisiken für das Unternehmen mit sich bringen.


Wann sollte ein Fachanwalt für Arbeitsrecht eingeschaltet werden?

Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht sollte in allen Situationen hinzugezogen werden, in denen:

  • eine Anhörung oder Kündigung wegen sexueller Belästigung im Raum steht,
  • eine Beschwerde über sexuelle Übergriffe erfolgt,
  • eine Strafanzeige droht oder eingegangen ist,
  • Schadensersatzansprüche nach AGG geprüft werden müssen,
  • ein rechtskonformes Beschwerdeverfahren aufgesetzt werden soll.

Die arbeitsrechtliche Bewertung hängt oft von der Beweisbarkeit, der Schwere der Handlung und dem Verhalten der Beteiligten ab. Ein erfahrener Fachanwalt kann risikominimierend beraten, geeignete Maßnahmen vorschlagen und im Konfliktfall rechtssicher vertreten.


Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist kein Einzelfallthema – sie ist rechtlich relevant, sozial folgenreich und unter Umständen strafbar. Arbeitgeber sind zur Prävention und Intervention verpflichtet, Arbeitnehmer sollten sich gegen jede Form ungewollter sexueller Annäherung zur Wehr setzen. Ob Betroffener oder Beschuldigter: Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht ist der richtige Ansprechpartner, um rechtliche Risiken zu bewerten, Ansprüche durchzusetzen oder eine sachgerechte Verteidigung zu ermöglichen.


Gerne – hier ist ein ergänzendes FAQ-Modul zum Thema Straftaten im Bereich sexueller Belästigung im Arbeitsverhältnis, optimiert für die juristische Webseite eines Fachanwalts für Arbeitsrecht. Der Stil ist sachlich, rechtlich fundiert und für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen verständlich.


FAQ – Häufige Fragen zur sexuellen Belästigung im Arbeitsverhältnis

Was gilt rechtlich als sexuelle Belästigung?

Sexuelle Belästigung ist nach § 3 Abs. 4 AGG jede sexuell bestimmte, unerwünschte Handlung, die die Würde der betroffenen Person verletzt. Dazu gehören z. B. anzügliche Bemerkungen, unerwünschte Berührungen, zweideutige E-Mails oder die Zurschaustellung pornografischer Inhalte.


Ist sexuelle Belästigung im Arbeitsverhältnis strafbar?

Ja. Je nach Einzelfall kann sexuelle Belästigung eine Straftat darstellen, etwa nach:

  • § 184i StGB (Sexuelle Belästigung),
  • § 177 StGB (Sexueller Übergriff/Nötigung) oder
  • § 185 StGB (Beleidigung).

Muss sexuelle Belästigung körperlich sein, um strafbar oder kündigungsrelevant zu sein?

Nein. Auch verbale, schriftliche oder visuelle Handlungen können den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen – etwa sexistische Bemerkungen, doppeldeutige Nachrichten oder das Zeigen pornografischen Materials.


Reicht ein bloßer Verdacht für eine Kündigung aus?

In besonders schweren Fällen kann bereits ein begründeter Verdacht eine sogenannte Verdachtskündigung rechtfertigen. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber den Sachverhalt sorgfältig geprüft und den Beschuldigten angehört hat.


Welche Pflichten hat der Arbeitgeber bei einem Vorwurf sexueller Belästigung?

Der Arbeitgeber muss:

  • den Vorfall ernst nehmen und unverzüglich prüfen,
  • ggf. den Betriebsrat einbeziehen,
  • geeignete Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen ergreifen,
  • arbeitsrechtliche Schritte gegen den Täter einleiten,
  • eine Wiederholung verhindern (§ 12 AGG).

Was sollten Betroffene tun, wenn sie sich sexuell belästigt fühlen?

  • Den Vorfall dokumentieren (Zeit, Ort, Beteiligte, Zeugen)
  • Eine Beschwerde beim Arbeitgeber oder der zuständigen Stelle (z. B. Gleichstellungsbeauftragte) einreichen
  • Beweise sichern (z. B. E-Mails, Nachrichten)
  • Einen Fachanwalt für Arbeitsrecht oder – bei Straftaten – zusätzlich einen Strafrechtler kontaktieren

Dürfen Arbeitgeber den Täter ohne Anhörung kündigen?

Nein. Vor einer Kündigung – auch bei schweren Vorwürfen – muss der Arbeitnehmer angehört werden (§ 102 BetrVG bei Betriebsratspflicht). Eine unterlassene Anhörung kann die Kündigung unwirksam machen.


Welche Rechte haben fälschlich beschuldigte Arbeitnehmer?

Beschuldigte haben das Recht auf:

  • Anhörung vor Maßnahmen
  • Verteidigung gegen unzutreffende Vorwürfe
  • ggf. Wiedereingliederung, wenn sich der Vorwurf nicht bestätigt
  • Geltendmachung von Schadenersatz bei rufschädigenden Falschbeschuldigungen

Können sexuelle Belästigungen auch unter Kollegen oder durch Dritte erfolgen?

Ja. Der Begriff „sexuelle Belästigung im Arbeitsverhältnis“ umfasst auch Vorfälle durch:

  • Kollegen auf gleicher Hierarchiestufe,
  • Vorgesetzte („Bossing“),
  • externe Dritte wie Kunden, Lieferanten oder Dienstleister.

Auch in diesen Fällen ist der Arbeitgeber zum Schutz der Betroffenen verpflichtet.


Wann sollte ein Fachanwalt für Arbeitsrecht eingeschaltet werden?

Ein Fachanwalt sollte hinzugezogen werden bei:

  • Vorwürfen oder Verdachtsmomenten auf sexuelle Belästigung
  • drohender Kündigung
  • Unsicherheiten im Umgang mit Beschwerden (z. B. Anhörungspflicht)
  • Bedarf nach interner Compliance-Beratung oder Mitarbeiterschulung