Arbeitslosengeld 2

Das Arbeitslosengeld 2 (kurz Alg II oder ALG II, umgangssprachlich meist Hartz IV) ist in Deutschland die Grundsicherungsleistung für erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Es soll Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Allerdings kann es durch zulässige Sanktionen um bis zu 30 % gekürzt werden. Das Existenzminimum wird nicht bedingungslos gezahlt.

Das ALG II wurde zum 1. Januar 2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz IV“) eingeführt und hat – wie im zugrunde liegenden Hartz-Konzept (2002) vorgesehen – die frühere Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige zu einer Grundsicherung für Arbeitsuchende auf dem Leistungsniveau des soziokulturellen Existenzminimums zusammengeführt. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, das in vielerlei Hinsicht nach denselben Regeln berechnet und gewährt wird wie ALG II.

Die amtliche Bezeichnung ist (anders als diejenige der früheren Arbeitslosenhilfe) dreifach irreführend:

  • Das ALG II ist keine Variante eines übergeordneten Arbeitslosengeldes, sondern etwas ganz anderes neben dem Arbeitslosengeld. Im Vordruck zur Einkommensteuererklärung steht unter den Beispielen für Lohnersatzleistungen auch „Arbeitslosengeld“; hier ist ALG II jedoch nicht einzutragen.
  • Um ALG II zu beziehen, muss man nicht vorher ein anderes Arbeitslosengeld bezogen haben; amtlich gibt es kein „Arbeitslosengeld I“.
  • Um ALG II zu beziehen, muss man nicht arbeitslos sein. ALG II kann auch ergänzend zu Arbeits- und anderem Einkommen bezogen werden (auch ergänzend zum Arbeitslosengeld).

Ziele

Vor der Einführung des ALG II gab es zwei parallel existierende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts: die vom Bund finanzierte Arbeitslosenhilfe für Menschen, die nach einem vorherigen Bezug von Arbeitslosengeld weiterhin arbeitslos waren, und die von den Kommunen finanzierte Sozialhilfe für alle sonstigen Personen, insbesondere solche, die noch nie erwerbstätig waren. Dieses Nebeneinander zweier Sozialleistungen verursachte in der Praxis zahlreiche Probleme:

  • Die Integrationsleistungen für Arbeitslose waren häufig unzureichend und es gab keinerlei Abstimmung zwischen den verschiedenen Trägern, insbesondere weil ein Datenaustausch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich war.
  • Da die Arbeitslosenhilfe vom vorher erzielten Einkommen abhängig war, konnte die Höhe stark unterschiedlich sein; teilweise auch so niedrig, dass ergänzende Sozialhilfe notwendig wurde. Insgesamt unterschieden sich die Kriterien hinsichtlich Einkommens- und Vermögensanrechnung sowie der Zumutbarkeit von Arbeit erheblich zwischen den beiden Sozialleistungen.
  • Während Bezieher von Arbeitslosenhilfe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung pflichtversichert waren, waren Bezieher von Sozialhilfe grundsätzlich nicht rentenversichert und nur dann kranken- und pflegeversichert, wenn sie bereits durch eine vorherige Erwerbstätigkeit pflichtversichert waren. Ansonsten waren Bezieher von Sozialhilfe nicht krankenversichert und konnten lediglich über die Hilfen zur Gesundheit Leistungen zur Gesundheitsfürsorge erhalten.
  • Ein großes Problem war auch der „Verschiebebahnhof“ zwischen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, weil ein Träger jeweils den anderen für zuständig hielt.
  • Beide Leistungen verursachten hohe Kosten, die nicht durch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgedeckt waren und aus Steuergeldern finanziert werden mussten. Die Sozialhilfe belastete dabei vor allem Kommunen in strukturschwachen Regionen mit vielen Arbeitslosen.
  • Für beide Sozialleistungen waren unterschiedliche Gerichtsbarkeiten zuständig: die Arbeitslosenhilfe fiel unter die Sozialgerichtsbarkeit, für die Sozialhilfe hingegen war die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig.

Mit dem ALG II sollte eine Sozialleistung für alle erwerbsfähigen Arbeitslosen geschaffen werden, die alleine vom Bund über die Bundesagentur für Arbeit getragen wird. Die Sozialhilfe verblieb für solche Personen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosen­geld II haben, insbesondere weil sie nicht erwerbsfähig sind. Doch werden heute (2018) die Unterkunftskosten von den Kommunen getragen, und anzurechnende Einnahmen verringern vorrangig die Zahlungen des Bundes.

Grundsätze

Das ALG II soll erwerbsfähige Menschen in die Lage versetzen, ihre materiellen Grundbedürfnisse zu befriedigen, soweit sie diese nicht aus eigenen Mitteln oder durch die Hilfe anderer decken können. Damit soll den Leistungsberechtigten ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und somit dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes Rechnung getragen werden (§ 1 SGB II).

Grundsatz ist das Prinzip „Fördern und Fordern“: Die Sicherung der Existenz wird nicht bedingungslos erbracht, sondern die Leistungsbezieher sind verpflichtet, alles zu tun, um ihre Hilfsbedürftigkeit zu beenden und an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt mitzuwirken. Im Gesetz findet sich noch die Pflicht, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, ein Verstoß gegen diese Pflicht kann jedoch seit 2011 nicht mehr sanktioniert werden (§ 2 SGB II). Im Gegenzug kann der Grundsicherungsträger Leistungen erbringen, um Leistungsbezieher in Arbeit zu vermitteln. Er muss diese Leistungen erbringen, sofern Leistungsbezieher entweder jünger als 25 Jahre oder älter als 58 Jahre sind. Leistungsbezieher, die keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache haben, sind in einen Integrationskurs zu vermitteln (§ 3 SGB II).

Rechtsgrundlagen

Die gesetzliche Grundlage für das ALG II bildet das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Es ist seitdem eines der am häufigsten geänderten Gesetze.

Daneben gibt es verschiedene Verordnungen wie u. a. die Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) und die Unbilligkeitsverordnung (UnbilligkeitsV).

Kostenträger

Träger des ALG II sind im Regelfall die Agenturen für Arbeit und die kreisfreien Städte oder die Kreise (Kommunen). Hierbei trägt die Agentur für Arbeit den Regelbedarf einschließlich Mehrbedarfe und die Eingliederungsleistungen, die Kommune hingegen die Kosten der Unterkunft, die Leistungen für Bildung und Teilhabe, die einmaligen Leistungen und die flankierenden Dienstleistungen (§ 6 SGB II). Die Träger bilden nach § 44b SGB II eine gemeinsame Einrichtung, die nach § 6d SGB II den Namen Jobcenter trägt.

Daneben können einzelne Kommunen nach § 6a SGB II die Trägerschaft auch komplett alleine übernehmen. Sie werden landläufig Optionskommune genannt. Die Kosten, die ihnen durch die Übernahme der Aufgaben entstehen, einschließlich der Verwaltungskosten, werden vom Bund erstattet (§ 6b Abs. 2 SGB II). Die Liste aller zugelassenen Optionskommunen findet sich in der Kommunalträger-Zulassungsverordnung.

Die bisherige ARGE wurde mit dem 1. Januar 2011 abgeschafft, nachdem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts diese für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärte. Mit der Einführung des Art. 91e GG legitimierte der Gesetzgeber diese Form der Zusammenarbeit im Falle des Jobcenters. Damit entfiel auch der seltene Fall der getrennten Trägerschaft.

Leistungsvoraussetzungen

Leistungsberechtigte Personen

Leistungen nach dem SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte (§ 7 SGB II). Dies sind Personen, die

  • mindestens 15 Jahre alt sind und die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben,
  • erwerbsfähig sind,
  • hilfebedürftig sind und
  • ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, etwa deren Kinder.

Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II).

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen (zum Beispiel Wohngeld oder Kinderzuschlag), erhält (§ 9 SGB II). Hilfebedürftig können somit auch Erwerbstätige sein, die aufgrund ihres geringen Erwerbseinkommens ohne ALG II als zusätzliche Sozialleistung nicht existieren können (Working Poor), oder Arbeitslosengeldempfänger mit geringem Arbeitslosengeld, so genannte „Aufstocker“. Nicht hilfebedürftig ist, wer lediglich Zuschüsse zu den Krankenversicherungsbeiträgen nach § 26 SGB II bezieht.

Dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass dieser dazu körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist, die Ausübung der Arbeit die Erziehung seines Kindes oder des Kindes seines Partners gefährden würde oder mit der Pflege eines Angehörigen nicht vereinbar wäre, oder wenn der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht (§ 10 SGB II).[10][11] Ein solcher Grund muss von der Bedeutung den vorgenannten konkreten Gründen für eine Unzumutbarkeit gleichkommen. Ob der Inhalt einer Tätigkeit den Vorstellungen und Ansprüchen des zu Vermittelnden entspricht, ist an sich unerheblich. Die Gründe für eine geltend gemachte Unzumutbarkeit sind der Behörde stets nachzuweisen.

Keine Leistungen nach dem SGB II erhalten:

  • erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die sich ohne vorherige Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten und deshalb nicht für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen, (§ 7 Abs. 4a SGB II)
  • Personen, die in einer (voll-)stationären Einrichtung untergebracht sind (Ausnahmen: Krankenhaus-/Rehaaufenthalt von voraussichtlich weniger als 6 Monaten oder Freigänger) (§ 7 Abs. 4 SGB II)
  • Menschen im gesetzlichen Rentenalter sowie absehbar für mehr als 6 Monate Erwerbsunfähige (§ 7a, § 8 Abs. 1 SGB II)
  • Personen, die eine Altersrente, Knappschaftsausgleichsleistung oder eine ähnliche öffentlich-rechtliche Leistung beziehen (§ 7 Abs. 4 SGB II)

Ausländer haben grundsätzlich den gleichen Anspruch auf ALG II wie Deutsche. Keine Leistungen nach dem SGB II erhalten jedoch Ausländer,

  • die keinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, z. B. Touristen oder Saisonarbeiter (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II),
  • die eine Arbeitserlaubnis weder besitzen noch rechtlich erhalten könnten. Die vorhandene rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung der Agentur für Arbeit nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes (Arbeitsmarkt- bzw. Vorrangprüfung) aufzunehmen, ist dabei für den Anspruch auf ALG II ausreichend (§ 8 Abs. 2 SGB II),
  • die nicht erwerbstätig sind, und ihre (ausländischen) Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II), außer sie haben einen Aufenthaltstitel aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (§ 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II); nicht hierunter fallen ausländische Familienangehörige deutscher Staatsbürger[15],
  • die Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes sind, insbesondere Asylbewerber und Ausländer mit einer Duldung (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II), und
  • deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II).

Berechnung

Die individuelle Höhe des zu bewilligenden Arbeitslosengeldes II wird durch die Kostenträger anhand mehrerer Faktoren berechnet und ist abhängig vom aktuellen Regelbedarf sowie den Ausgaben für die Unterkunft, von der Anzahl der Kinder, sowie vom Einkommen des Antragstellers und der Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft. Die Regelbedarfe werden jeweils zum 1. Januar eines Jahres auf Grundlage der bundesdurchschnittlichen Preisentwicklung für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Mischindex) vorgenommen und im Bundesgesetzblatt bekanntgegeben.

Bedarfsgemeinschaft, Haushaltsgemeinschaft

Eine Bedarfsgemeinschaft bilden nach § 7 SGB II die Mitglieder eines Haushalts, deren individuelle Bedarfe unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft festgestellt werden. Auch ein alleine wohnender erwerbsfähiger Leistungsberechtigter wird als Bedarfsgemeinschaft angesehen. Zu der Bedarfsgemeinschaft gehören (Aufzählung abschließend):

  1. erwerbsfähige Leistungsberechtigte
  2. die im Haushalt lebenden Eltern oder ein im Haushalt lebender Elternteil eines unverheirateten, erwerbsfähigen Kindes, das noch nicht 25 Jahre alt ist und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils
  3. als Partner der leistungsberechtigten Person
    • der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
    • der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner
    • eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,
  4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder von den in den Nummern 1. bis 3. genannten Personen, wenn die Kinder noch nicht 25 Jahre alt sind und ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können.

Eine Haushaltsgemeinschaft liegt vor, wenn mehrere Personen, die keine Bedarfsgemeinschaft bilden, auf familiärer Grundlage auf Dauer zusammen wohnen und wirtschaften. Die Beweislast hierfür liegt beim Grundsicherungsträger. Eine Auskunftsverpflichtung der in Haushaltsgemeinschaft lebenden Verwandten und Verschwägerten, von denen Leistungen nach § 9 Abs. 5 SGB II vermutet werden, besteht nicht. Untermietverhältnisse, (studentische) Wohngemeinschaften oder die Wohnungsstellung durch Arbeitgeber (etwa im Gastgewerbe), sind keine Haushaltsgemeinschaften.

Auszubildende

Schüler und Studenten sind seit dem 1. August 2016 nur noch von ALG II ausgeschlossen, wenn sie studieren und außerhalb des Haushalts der Eltern wohnen oder ihr Bafög-Antrag aus einem anderen Grund als zu hohes eigenes Einkommen oder Einkommen der Eltern abgelehnt wurde. In allen anderen Fällen, auch wenn der Antrag noch in Bearbeitung ist, sind Schüler und Studenten leistungsberechtigt. Auszubildende können in jedem Fall ALG II beziehen.

Wer eine allgemeinbildende Schule (Gymnasium, Fachoberschule, Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr) besucht und von Leistungen nach BAföG deswegen ausgeschlossen ist, weil er noch bei den Eltern lebt, hat ebenfalls einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (§ 7 Abs. 6 Punkt 1 SGB II). Dies gilt auch für Personen, die eine Abendschule besuchen und älter als 30 Jahre sind, sodass kein Anspruch auf Leistungen nach BAföG besteht (§ 7 Abs. 6 Punkt 3 SGB II).

Nachrangigkeit der Hilfe

Die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II sind grundsätzlich nachrangig gegenüber anderen Sozialleistungen. Deshalb muss, wer andere Sozialleistungen in Anspruch nehmen und dadurch seine Hilfsbedürftigkeit vermeiden, beseitigen, verkürzen oder verringern kann, diese Sozialleistungen auch beantragen. Dies gilt nicht für das sogenannte „Kinderwohngeld“ (Wohngeld ausschließlich für die Kinder, wenn diese etwa durch Unterhalt ihren eigenen Lebensunterhalt sicherstellen können) (§ 12a SGB II). Weigert sich ein Leistungsberechtigter, den für den Bezug der anderen Leistung erforderlichen Antrag zu stellen, so kann nach § 5 Abs. 3 SGB II auch die Behörde den Antrag stellen oder Rechtsbehelfe gegen versagende Bescheide einlegen.

Auf diese Weise ist auch eine „Zwangsverrentung“ möglich, also die Beantragung einer Altersrente gegen den Willen des Hilfeempfängers. Das ist für den Hilfeempfänger unter Umständen dann nachteilig, wenn mit der vorzeitigen Altersrente ein dauerhafter Rentenabschlag verbunden ist. Dies gilt nicht, solange der Leistungsberechtigte noch nicht 63 Jahre alt ist (§ 12a Satz 2 SGB II) oder eine der in der Unbilligkeitsverordnung abschließend geregelten Ausnahmetatbestände zutrifft.

Antragserfordernis

Das ALG II wird nur auf Antrag und erst ab Antragstellung gewährt. Einmalige Leistungen nach § 24 SGB II sowie die Leistungen für Bildung und Teilhabe müssen ausdrücklich gesondert beantragt werden. Es besteht grundsätzlich kein Formbedürfnis, auch eine mündliche Vorsprache ist als gültige Antragstellung zu werten. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück und berücksichtigt automatisch alle Regelbedarfe und die Kosten der Unterkunft (§ 37 SGB II). Es wird davon ausgegangen, dass der Antragsteller berechtigt ist, die gesamte Bedarfsgemeinschaft zu vertreten (§ 38 SGB II). Die Entscheidung über den Antrag wird dem Antragsteller durch einen Bescheid bekanntgegeben, gegen den innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden kann.

Örtlich zuständig ist das Jobcenter, in dessen Bereich der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist kein gewöhnlicher Aufenthalt feststellbar, etwa bei Obdachlosen, ist das Jobcenter zuständig, in dessen Bereich des Antragsteller sich tatsächlich aufhält (§ 36 SGB II).

Antragsteller haben gegenüber dem Grundsicherungsträger eine Mitwirkungspflicht gemäß § 60 SGB I. Daneben haben auch Arbeitgeber (§ 57, § 58 SGB II) und bestimmte Dritte, wie dem Antragsteller unterhaltspflichtige Personen (§ 60 SGB II) eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht gegenüber dem Grundsicherungsträger. Kommen Arbeitgeber oder Dritte ihren Mitwirkungspflichten nicht nach, kann der Grundsicherungsträger gegen sie nach § 63 SGB II ein Bußgeld von bis zu 2000 Euro verhängen, außerdem kann er Schadensersatz nach § 62 SGB II geltend machen. Wenn ein Leistungsbezieher nach Antragstellung eine Änderung in den Verhältnissen nicht bekanntgibt, kann der Grundsicherungsträger gegen ihn ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro verhängen (§ 63 Abs. 6 SGB II).

Die Leistungen sollen für einen Zeitraum von sechs Monaten gewährt werden. Allerdings kann dieser Bewilligungszeitraum bei voraussichtlich nicht eintretenden Veränderungen der Verhältnisse auf zwölf Monate verlängert werden. Wenn der Anspruch nicht für einen vollen Monat besteht, werden die Leistungen nach Tagessätzen ausgezahlt, wobei ein Monat mit 30 Tagen berechnet wird (§ 41 SGB II). Die Leistungen werden auf das Konto des Leistungsbeziehers überwiesen. Fordert der Leistungsbezieher stattdessen eine Auszahlung als Scheck, sind die dadurch entstehenden Kosten von den auszuzahlenden Leistungen abzuziehen, es sei denn, der Leistungsbezieher kann nachweislich kein Konto bei einer Bank eröffnen, etwa aufgrund einer Privatinsolvenz (§ 42 SGB II).

Gemäß § 67 SGB II in der Fassung des Sozialschutz-Pakets vom 27. März 2020 werden Leistungen, deren Bewilligungszeitraum in der Zeit vom 31. März bis 30. August 2020 endet (sog. Bestandsfälle), ohne erneuten Antrag von Amts wegen für weitere 12 Monate erbracht. Die gesetzliche Verpflichtung, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unaufgefordert mitzuteilen (§ 60 SGB I), besteht dagegen fort, ebenso das Recht, zu Unrecht gewährte Leistungen zurückzufordern (§ 45, § 48, § 50 SGB X).

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts

Die Höhe des ALG II richtet sich nach der Bedürftigkeit des Antragstellers. Das Arbeitslosengeld II umfasst nach § 19 Abs. 1 SGB II:

  • den Regelbedarf nach § 20 SGB II,
  • Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und
  • Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II

Darüber hinaus werden unter bestimmten Voraussetzungen folgende Leistungen erbracht:

  • Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden neben dem Regelbedarf Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft gesondert berücksichtigt (§ 28 SGB II).
  • Tragung der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung für Leistungsberechtigte, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 2a SGB XI versicherungspflichtig sind (§ 251 Abs. 4 SGB V, § 59 Abs. 1 SGB XI)
  • Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen für eine private Kranken- und Pflegeversicherung nach § 26 SGB II
  • Einmalige Leistungen (§ 24 Abs. 3 SGB II)
  • Ergänzende Darlehen bei unabweisbarem einmaligem Bedarf, der vom Regelbedarf umfasst ist (§ 24 Abs. 1 SGB II)

Seit dem 1. Januar 2011 werden für Bezieher von ALG II keine Beiträge zur Rentenversicherung mehr gezahlt. Zeiten des Leistungsbezugs sind seitdem nach § 58 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI Anrechnungszeiten bei der Rentenversicherung.

Nach Berechnung des Bedarfes wird anhand des anrechenbaren Einkommens und Vermögens geprüft, ob der Antragsteller und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihren Bedarf selbst decken können oder hilfebedürftig sind und Leistungen erhalten. Im einfachsten Fall bekommt eine Person Leistungen in Höhe des Regelbedarfs und der Kosten der Unterkunft, weil sie weder anrechenbares Vermögen noch Einkommen hat.

Nach § 19 Abs. 3 SGB II deckt anzurechendes Einkommen und Vermögen die Bedarfe in der oben aufgeführten Reihenfolge. Sind Leistungsbezieher nur aufgrund der Leistungen für Bildung und Teilhabe hilfebedürftig, decken Einkommen und Vermögen die einzelnen Leistungen in der Reihenfolge, in der sie im Gesetz aufgeführt sind.

Seit dem 1. August 2016 ist der Anspruch auf ALG II und Sozialgeld grundsätzlich unpfändbar (§ 42 Abs. 4 SGB II). Zuvor galt dies nur für Leistungen der Sozialhilfe für voll erwerbsgeminderte Personen, während Arbeitslosengeld II wie Arbeitseinkommen ab einer bestimmten Pfändungsfreigrenze voll pfändbar war.

Im gleichen Rahmen sind die auf das Girokonto des Leistungsberechtigten überwiesenen Geldleistungen automatisch vor Kontopfändungen geschützt, wenn es sich bei dem Konto um ein Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO handelt. Wird einem Pfändungsschutzkonto ALG II oder Sozialgeld gutgeschrieben, darf das Kreditinstitut dieses Geld für die Dauer von 14 Tagen nur mit Kontoführungsgebühren verrechnen. Der Kontoinhaber muss im Übrigen 14 Tage lang auf die überwiesene Sozialleistung zurückgreifen können, selbst wenn sein Konto dadurch ins Minus geraten sollte (§ 850k Abs. 6 ZPO).

Regelbedarf

Regelbedarf Stufe ab 2013 ab 2014 ab 2015 ab 2016 ab 2017 ab 2018 ab 2019 ab 2020
Erwachsene alleinstehende Person 1 382 € 391 € 399 € 404 € 409 € 416 € 424 € 432 €
Erwachsene alleinerziehende Person 382 € 391 € 399 € 404 € 409 € 416 € 424 € 432 €
Erwachsene Person mit minderjährigem Partner 382 € 391 € 399 € 404 € 409 € 416 € 424 € 432 €
Erwachsene Partner einer Ehe, Lebenspartnerschaft, eheähnlichen oder
lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, jeweils
2 345 € 353 € 360 € 364 € 368 € 374 € 382 € 389 €
Alleinstehende Personen bis zum Alter von 24 oder
erwachsene Personen bis zum Alter von 24 mit minderjährigem Partner,
die ohne Zusicherung des kommunalen Trägers umgezogen sind
3 306 € 313 € 320 € 324 € 327 € 332 € 339 € 345 €
Kind bzw. Jugendlicher im Alter zwischen 14 und 17 4 289 € 296 € 302 € 306 € 311 € 316 € 322 € 328 €
Kind im Alter zwischen 6 und 13 5 255 € 261 € 267 € 270 € 291 € 296 € 302 € 308 €
Kind, das jünger als 6 Jahre alt ist 6 224 € 229 € 234 € 237 € 237 € 240 € 245 € 250 €

Die Höhe des Regelbedarfs richtet sich nach § 20 Abs. 2 bis 4 SGB II und § 23 SGB II in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz. Die Regelbedarfe werden jeweils zum 1. Januar eines Jahres aufgrund der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Mischindex) vorgenommen und im Bundesgesetzblatt bekanntgegeben.

Abweichend von den gesetzlichen Regelungen (und entsprechend dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz) ist bei Ehepartnern, die keinen gemeinsamen Haushalt führen, etwa weil ein Ehepartner dauerhaft in einem Heim untergebracht ist, der Regelbedarf für alleinstehende Personen heranzuziehen.

Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU)

Neben dem Regelbedarf werden nach § 22 Absatz 1 SGB II die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt, soweit sie angemessen sind. Dabei sind die Verhältnisse, insbesondere die Höhen der Mieten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zu berücksichtigen. Kosten für eine unangemessene Wohnung werden nach § 22 Absatz 1 SGB II nur so lange anerkannt, wie es Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Kosten zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Bei unter 25-Jährigen, die ohne Zusicherung des Leistungsträgers umziehen, wird nach § 20 Absatz 3 SGB II nur 80 % des Regelbedarfs anerkannt und sie haben nach § 22 Absatz 5 SGB II im Regelfall keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft, außerdem wird nach § 24 Abs. 6 SGB II keine Erstausstattung gewährt. Ausnahmsweise müssen die Unterkunftskosten von dem Leistungsträger jedoch getragen werden, wenn ein schwerwiegender Grund vorliegt, der den Umzug erforderlich macht. Unter den gleichen Voraussetzungen kann von der Voraussetzung der vorherigen Zusicherung abgesehen werden.

Kosten der Unterkunft und Heizung gelten für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. März bis 30. Juni 2020 beginnen, für die Dauer von sechs Monaten in der tatsächlichen Höhe als angemessener Bedarf (§ 67 SGB II in der Fassung des Sozialschutz-Pakets vom 27. März 2020).

Mehrbedarfe

Mehrbedarfe sind nicht vom Regelbedarf umfasst. Sie werden nach Maßgabe von § 21 SGB II anerkannt. Die Summe der ersten vier genannten anerkannten Mehrbedarfe darf die Höhe der Regelleistung nicht überschreiten (§ 21 Abs. 8 SGB II).

Mehrbedarf für Alleinerziehende

Der Mehrbedarf für Alleinerziehende wird als prozentualer Aufschlag von 12 % pro Kind (50,88 €) erbracht. Der Aufschlag beträgt maximal 60 %. Ist ein Kind unter sieben Jahre alt oder zwei Kinder unter 16 Jahre alt, so beträgt der Aufschlag mindestens 36 % (152,64 €) (§ 21 Abs. 3 SGB II).

Das Kind muss hierbei nicht das leibliche Kind sein, auch für die Erziehung von Pflegekindern und Enkelkindern kann der Mehrbedarf in Anspruch genommen werden.

Bei der Frage, ob jemand alleinerziehend im Sinne des Gesetzes ist, kommt es allein auf die tatsächlichen Verhältnisse an, wer das Sorgerecht innehat, ist nicht von Bedeutung. Einer Person steht auch dann der Mehrbedarf zu, wenn sie in einer Großfamilie lebt, sofern die anderen Familienmitglieder tatsächlich keine Erziehungsleistungen am Kind erbringen.

Leben die Eltern getrennt voneinander und übt jeder von ihnen das Umgangsrecht abwechselnd aus, steht der Mehrbedarf demjenigen Elternteil zu, der prozentual einen höheren Anteil an der Erziehung des Kindes ausübt. Üben beide Eltern einen exakt gleichen Anteil an der Erziehung des Kindes aus, steht beiden Elternteilen der hälftige Mehrbedarf zu.

Mehrbedarf für Schwangere

Werdende Mütter ab der 13. Schwangerschaftswoche haben einen Anspruch auf einen Mehrbedarf in Höhe von 17 % des Regelbedarfs (67,83 €, § 21 Abs. 2 SGB II).

Mehrbedarf für Behinderte

Behinderte erwerbsfähige Personen, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen für Schule und Ausbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII oder sonstige Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes erhalten, haben Anspruch auf einen Mehrbedarf in Höhe von 35 % des Regelbedarfs (148,40 €, § 21 Abs. 4 SGB II). Behinderte Kinder haben keinen Anspruch auf den Mehrbedarf, behinderte erwerbsgeminderte Personen nur im Rahmen der schulischen Bildung (§ 23 Punkt 2 SGB II).

Das Bundessozialgericht hat den Mehrbedarf insofern konkretisiert, dass der Mehrbedarf nur dann gewährt wird, wenn tatsächlich eine Maßnahme stattfindet, aufgrund dieser der behinderten Person Mehrkosten entstehen. Eine reine Vermittlungs- und Beratungsleistung reicht hierzu nicht aus. Hingegen ist es nicht erforderlich, dass es sich bei der Maßnahme um eine behindertenspezifische Maßnahme handelt.

Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung

Mehrbedarfe für kostenaufwändige Ernährung werden in angemessener Höhe anerkannt (§ 21 Abs. 5 SGB II). Es müssen aus medizinischen Gründen höhere Kosten für die Krankenkost anfallen. Grundlage ist stets ein ärztliches Attest, aus dem die Erkrankung, die Erforderlichkeit der besonderen verordneten Kost und der ursächliche Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Krankenkost hervorgehen muss. Eine rückwirkende Gewährung von Leistungen auf die Zeit vor der ärztlichen Diagnose ist ausgeschlossen. Der Deutsche Verein hat zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe Empfehlungen abgegeben, auf die die Behörde zurückgreifen kann. Darin werden für einige stoffwechselbezogene Erkrankungen Empfehlungen für den Regelfall gegeben. Die Empfehlungen stellen aber nach der neueren Rechtsprechung kein sogenanntes antizipiertes Sachverständigengutachten dar. Deshalb muss die Behörde im Streitfall von Amts wegen untersuchen (ermitteln), ob und in welchem Umfang ein Bedarf im Einzelfall vorliegt. Zur Versagung von Leistungen reicht es daher nicht aus, wenn sich die Behörde lediglich auf „aktuelle ernährungsmedizinische Empfehlungen“ beruft. Der Mehrbedarf darf nicht nur kurzfristig in unwesentlicher Höhe anfallen (sog. Bagatellbedarf). Auf den Mehrbedarf besteht ein Rechtsanspruch, die Behörde hat bei der Gewährung kein Ermessen, bei der Festsetzung der angemessenen Höhe kommt ihr kein Beurteilungsspielraum zu. Der Bescheid ist deshalb in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar. Zu ersetzen sind die „tatsächlich erforderlichen Mehrkosten“.

Mehrbedarf bei dezentraler Warmwasserversorgung

Ist der Energiebedarf für die Erzeugung von Warmwasser nicht bereits bei den Heizkosten berücksichtigt, weil das Warmwasser getrennt von der Heizung durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (z. B. Durchlauferhitzer), wird nach § 21 Abs. 7 SGB II zunächst ein Mehrbedarf anerkannt, dessen Höhe zwischen 0,8 und 2,3 % des Regelbedarfs liegt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkannt wird. Dort heißt es in Satz (1): Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Wie dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Mai 2019 zu entnehmen, sind jährlich pro Person 700 kWh Strom für die dezentrale Warmwassererzeugung mittels elektrischem Durchlauferhitzer angemessen. Nach einem Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 31. Januar 2020 sind jährlich 800 kWh Strom für eine Person angemessen. Bei einem Preis von 0,30 Euro je kWh Strom stehen danach jedem Erwachsenen jährlich 240 Euro für die dezentrale Warmwassererzeugung zu, nicht nur die bisher gezahlten Mindestbeträge.

Der Mehrbedarf für die Warmwassererzeugung gehört zu den Kosten der Unterkunft und ist nicht aus der Regelleistung zu zahlen, weil darin kein Anteil für die Warmwassererzeugung enthalten ist. Bereits dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 29. März 2007 war zu entnehmen, dass in der Regelleistung noch nie ein Anteil für die Warmwasserbereitung enthalten war. Diese Tatsache führte ab 1. Januar 2011 erstmals zur Einführung einer Mehraufwandsentschädigung für die Warmwasserbereitung.

Im Einzelfall zu berücksichtigender unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Mehrbedarf

Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (§ 21 Abs. 6 SGB II). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Eine pauschale Bagatellgrenze von 10 % des Regelbedarfs ist unzulässig.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 seien auch unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige Sonderbedarfe zu berücksichtigen, die nicht von den Regelleistungen erfasst sind, jedoch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken sind. Dies können z. B. sein:

  • Pflegeprodukte bei Neurodermitis, Hygieneartikel bei ausgebrochener HIV-Infektion;
  • Putz- und Haushaltshilfe für Rollstuhlfahrer
  • Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts
  • Sonstige vergleichbare Härtefälle

Keine Sonderleistungen sollte es nach der Geschäftsanweisung zur Deckung der Praxisgebühr, für Bekleidung und Schuhe in Übergrößen oder für einen besonderen krankheitsbedingten Ernährungsaufwand geben.

Einmalige Leistungen

Nicht vom Regelbedarf nach § 20 SGB II umfasst sind Bedarfe für

  • Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
  • Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
  • Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.

Diese Bedarfe werden auf Antrag gesondert erbracht. Auch Personen, die kein ALG II beziehen, können die einmaligen Leistungen in Anspruch nehmen, wobei von ihnen in diesem Fall eine angemessene Kostenbeteiligung erwartet werden kann (§ 24 Abs. 3 SGB II).

Erstausstattung Wohnung

Ein Bedarf für die erste Ausstattung einer Wohnung, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist („Erstausstattung“), ist – anders als ein Ersatz- oder Reparaturbedarf – nicht vom Regelsatz gedeckt und muss gesondert beantragt werden. Dies betrifft etwa Mehrbedarfe nach Trennungen von Ehegatten oder nichtehelichen Lebensgefährten, wenn aus den Haushaltsgegenständen eines Haushaltes zwei neue Haushalte ausgestattet werden müssen.

Aber auch der Auszug eines Kindes aus dem Elternhaus kann zu einem Erstausstattungsbedarf an Haushaltsgegenständen führen. In besonderen Fällen kann aber auch ein Ersatzbedarf berücksichtigungsfähig sein. Neben Fällen wie Inhaftierung und Obdachlosigkeit kann das auch dann der Fall sein, wenn ein Leistungsbezieher aus dem Ausland zugezogen ist. Ebenso ist eine Erstausstattung zu gewähren, wenn bereits vorhandene Möbel durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug unbrauchbar werden.

Die Erstausstattung einer Wohnung soll eine geordnete Haushaltsführung und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Zu der Erstausstattung für die Wohnung gehören Einrichtungsgegenstände (Möbel, Gardinen, Lampen) und Haushaltsgeräte (Waschmaschine, Herd, Kühlschrank, Staubsauger, Bügeleisen). In einem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf aus dem Jahre 2007 wurden einzelne Kosten für Gegenstände wie Bett, Auflage, Bettzeug, Kleiderschrank, Lampen usw. ausdrücklich genannt.

Einem Vater, der zusammen mit seiner Tochter bei seiner Frau auszog, wurde Geld für eine Waschmaschine gewährt. Auch in einem anderen Fall wurde einem Leistungsempfänger eine Waschmaschine zugesprochen.

Nicht hierzu zählen Unterhaltungsgeräte wie etwa ein Fernseher, die nicht im Rahmen der Erstausstattung übernommen werden können. Ein PC wird nicht finanziert. Der Bodenbelag wird als nicht zu fördernde Zusatzausstattung verstanden.

Es steht im Ermessen des Grundsicherungsträgers, ob er den Erstausstattungsbedarf als Sach- oder Geldleistung gewährt. Entscheidet er sich für eine Geldleistung, kann er den Anspruch pauschalisieren, sofern die Herkunft und Berechnung der Pauschalbeträge nachvollziehbar dargelegt ist und der Leistungsbezieher davon seinen Bedarf tatsächlich decken kann.

Aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten kann ein sozialhilferechtlicher Bedarf auch durch gebrauchte Gegenstände und Gebrauchtmöbel gedeckt werden.

Der Bedarf ist nicht zeitgebunden, ein Leistungsbezieher ist nicht verpflichtet, sofort und unverzüglich eine Erstausstattung zu beantragen und verwirkt seinen Anspruch nicht durch Zögern. Ebenso kann sich eine Erstausstattung auch auf einen einzelnen Einrichtungsgegenstand beziehen und nicht zwingend auf einen kompletten Hausstand.

Bekleidung

Ein Bedarf für die Erstausstattung von Bekleidung wird nur unter bestimmten Umständen erbracht. Dazu zählt etwa eine starke Gewichtszu- oder -abnahme, die eine Nutzung der alten Kleidung unmöglich macht.

Schwangerschaft und Kind

Die Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt umfassen Kosten für Umstandskleidung zum einen, zum anderen Kosten für die erstmalige Bekleidung des Neugeborenen und notwendige Möbel wie ein Schrank, ein Kinderwagen und ein Kinderbett. Das Bundessozialgericht entschied dazu am 23. Mai 2013, dass eine erneute Erstausstattung beantragt werden kann, wenn das Kind zu groß für das Kinderbett wird und ein neues Jugendbett benötigt.

Orthopädische Schuhe und therapeutische Geräte

Der Bedarf an orthopädischen Schuhen umfasst den Eigenanteil, den gesetzlich krankenversicherte Personen für die Beschaffung von orthopädischen Schuhen zu entrichten haben. Therapeutische Geräte sind alle Geräte, die einem medizinischen Zweck gelten wie etwa Beatmungsgeräte; nach einem Urteil des Bundessozialgerichts zählen hierzu auch Brillen, sodass die Kosten für eine Brillenreparatur nach dieser Vorschrift als Einmalleistung zu übernehmen sind.

Sonstige Leistungen

Dem Leistungsempfänger kann unter bestimmten Umständen ein Darlehen gewährt werden, wenn ein einmaliger nach den Umständen unabweisbarer Bedarf, der vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst ist, nicht gedeckt werden kann (§ 24 Abs. 1 SGB II). Dies ist etwa der Fall, wenn aufgrund von während des Leistungsbezugs aufgelaufenen Stromschulden die Stromsperrung droht.

Außerdem kann ein Darlehen gewährt werden, um die Zeit von der Aufnahme einer Beschäftigung bis zur ersten Lohnzahlung zu überbrücken (§ 24 Abs. 4 SGB II).

Leistungen für Bildung und Teilhabe

Kinder und Jugendliche sowie Schülerinnen und Schüler erhalten neben dem Regelbedarf unter den Voraussetzungen des § 28 SGB II Leistungen für Bildung und Teilhabe, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII haben. Die Bildungs- und Teilhabeleistungen müssen gesondert beantragt werden (§ 37 SGB II). Dies gilt nicht für den persönlichen Schulbedarf in Höhe von 70 € im August und 30 € im Februar je anspruchsberechtigtes Schulkind nach § 28 Abs. 3 SGB II.

Sozialgeld

Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II erhalten leistungsberechtigte Personen, die

  • nicht erwerbsfähig sind,
  • mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, der selbst dem Grunde nach Leistungen nach dem SGB II beanspruchen kann, in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II leben und
  • keinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII haben.

Daneben haben auch nicht erwerbsfähige, minderjährige Kinder von nach dem BAföG förderungsfähigen Auszubildenden Anspruch auf das Sozialgeld.

Durch die Gewährung von Sozialgeld durch das Jobcenter anstelle von Sozialhilfe (HLU) nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch durch den Sozialhilfeträger soll vermieden werden, dass für die einzelnen Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft unterschiedliche Behörden zuständig sind.

Krankenversicherung

Die Krankenversicherungsbeiträge für Bezieher von ALG II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V pflichtversichert sind, werden in Höhe von rund 100 Euro monatlich aus Steuermitteln vom Bund gezahlt, die weiteren Kosten werden auf die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen verteilt. Der Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung wird nach § 242 Abs. 3 SGB V nur in Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitrags nach § 242a SGB V erhoben und auch in dieser Höhe übernommen. Der Beitrag wird ferner für Personen übernommen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind und die allein durch den Krankenversicherungsbeitrag hilfebedürftig würden.

Bezieher von ALG II oder Sozialgeld, die in der gesetzlichen Krankenversicherung weder versicherungspflichtig noch familienversichert sind, erhalten einen Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen für eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung oder für eine private Krankenversicherung bis zur Höhe des halben Beitrags zum Basistarif nach § 152 Abs. 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Dieser Zuschuss ist nicht auf die Höhe des ermäßigten Beitragssatzes für Bezieher von ALG II in der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt. Nicht von diesem Zuschuss abgedeckt wird der Selbstbehalt einer privaten Krankenversicherung, er kann jedoch in Ausnahmefällen als Mehrbedarf geltend gemacht werden.

Auch die Beiträge zu einer privaten Pflegeversicherung sind bis zur Höhe des halben Beitrags zum Basistarif zu übernehmen. Um eine planwidrige Regelungslücke zu schließen, sind zudem die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung bei Leistungsbeziehern zu übernehmen, die freiwillig Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung und damit nach § 20 Abs. 3 SGB XI versicherungspflichtig in der Pflegeversicherung sind.

Anrechnung von Einkommen und Vermögen

Einkommen muss, soweit es zu berücksichtigen ist, vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhaltes eingesetzt werden. Einkommen ist das, was die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft während des Bezugs der Leistung wertmäßig hinzugewinnen. Das bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung Vorhandene, ist Vermögen. Welches Einkommen in welcher Höhe zu berücksichtigen ist, ist in den §§ 11 bis 11b SGB II sowie in der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V – geregelt. Die Bilder rechts zeigen Beispiele für eine alleinstehende Person ohne Kinder und für ein Ehepaar mit einem Kind.

Zu berücksichtigendes Einkommen

Als Einkommen sind alle Einnahmen in Geld zu berücksichtigen. Seit 1. August 2016 sind keine Einnahmen mehr in Geldeswert zu berücksichtigen außer Sachbezügen, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Es darf nur solches Einkommen berücksichtigt werden, das tatsächlich als „bereites Mittel“ zur Verfügung steht. Dies ist etwa bei Zinsen aus einem Bausparvertrag nicht der Fall, wenn der Leistungsberechtigte nicht auf die Zinseinnahmen zurückgreifen kann. Fiktives Einkommen darf grundsätzlich nicht angerechnet werden. Gepfändetes Einkommen ist nur dann zu berücksichtigen, wenn die Pfändung rechtlich ohne weiteres rückgängig gemacht werden kann. Ein Darlehen ist kein Einkommen, da es zurückgezahlt werden muss und somit dem Leistungsberechtigten nicht auf Dauer zur Verfügung steht. Als Einkommen zu berücksichtigen sind aber darlehensweise gewährte Sozialleistungen, wenn und soweit sie dem Lebensunterhalt dienen (z. B. Bafög). Gehört ein Kind zur Bedarfsgemeinschaft und kann es seinen Lebensunterhalt aus seinem eigenen Einkommen und Vermögen nicht sicherstellen, ist das Kindergeld, obwohl es den Eltern zusteht, Einkommen des Kindes. Diese Regelung ist nicht analog anzuwenden, wenn nicht die Eltern, sondern z. B. die Großeltern das Kindergeld erhalten.

Laufende oder einmalige Einnahmen werden in dem Kalendermonat berücksichtigt, in dem sie zufließen (Zuflussprinzip). Zum 1. August 2016 wurde die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts größtenteils revidiert: Einnahmen, die monatlich regelmäßig zufließen, sind laufende Einnahmen, alle anderen Einnahmen sind einmalige Einnahmen, somit auch etwa Nachzahlungen auf ausstehende Leistungen. Würde durch die Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme in einem Monat der Leistungsanspruch entfallen, wird die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufgeteilt und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag berücksichtigt. Verbraucht der Leistungsberechtigte die einmalige Einnahme bereits vor Ablauf des sechsmonatigen Anrechnungszeitraumes, kann er nur noch ein Darlehen nach § 24 Abs. 4 SGB II beantragen.

Vom Einkommen sind nach § 11b SGB II bestimmte Beträge im Rahmen der Einkommensbereinigung abzusetzen. Einen Überblick über anzurechnendes Einkommen gibt der Freibetragsrechner SGB II des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Für Einkommen aus Erwerbstätigkeit gilt ein Freibetrag von 100 €; darüber hinaus bleiben 20 % des Einkommens zwischen 100 und 1000 € sowie 10 % des Einkommens zwischen 1000 und 1200 € unberücksichtigt (§ 11b), insgesamt also bis zu 300 €.

Nicht zu berücksichtigendes Einkommen

Nach § 11a SGB II werden bestimmte Einkommensarten nicht berücksichtigt. Dazu zählen:

  • alle Leistungen nach dem SGB II (hierzu zählen auch systemähnliche Sozialleistungen wie das AsylbLG)
  • die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und anderer Gesetze, die auf die entsprechenden Regelungen verweisen.
  • Renten und Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz, die für Schäden am Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der entsprechenden Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz
  • bürgerlich-rechtliches Schmerzensgeld
  • Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege, sofern diese die Lage des Leistungsbeziehers nicht wesentlich beeinflussen (z. B. Lebensmittelspenden der Tafel)
  • Schenkungen Dritter, sofern die Berücksichtigung grob unbillig wäre und sie die Lage des Leistungsbeziehers nicht wesentlich beeinflussen, etwa eine Aufwandsentschädigung für eine Blutspende oder Leistungen eines Entschädigungsfonds.
  • Verletztenrente, wenn durch die Zahlung ein Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz aufgrund von § 65 BVG ruht, bis zur Höhe der entsprechenden Grundrente.

Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ausdrücklich zu einem Zweck erbracht werden, der nicht der Sicherung des Lebensunterhalts dient, sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Dazu zählen etwa sämtliche Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung oder die Wohnungsbauprämie.[79] Ausnahmen gelten hier jedoch für:

  • den erzieherischen Teil des Pflegegeldes nach § 39 SGB VIII, hier wird für das dritte Pflegekind 75 %, ab dem vierten Pflegekind der komplette Betrag berücksichtigt
  • die Tagespflegeleistungen nach § 23 SGB VIII.

Darüber hinaus legt § 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung weitere Regeln zur Anrechnung und Nichtberücksichtigung von Einkommen fest. So sind beispielsweise Bagatelleinnahmen bis 10,00 Euro pro Monat anrechnungsfrei. Die Bagatellgrenze besteht auch dann, wenn ansonsten Einkommen erzielt und angerechnet wird, und sie besteht auch für laufende Einnahmen.

Vermögensanrechnung und Freibeträge

Haben der Leistungsberechtigte oder die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen verwertbares Vermögen, besteht nach § 12 SGB II kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II, soweit der Wert des Vermögens gewisse Freibeträge überschreitet, es sich nicht um Schonvermögen handelt und die Verwertung nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Das Vermögen ist ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen (§ 8 Alg II-V).

Kein Vermögen, sondern Einkommen, sind die Erträge (Zinsen, Dividenden) aus dem Vermögen, weil der Leistungsberechtigte die Erträge erst in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält.

Freibleibendes Vermögen nach § 12 SGB II
Vermögensfreibeträge Freibetrag je vollendetes Lebensjahr Mindestbetrag Höchstbeträge
Grundfreibetrag
(für volljährige Leistungsberechtigte und deren Partner)
150 €¹ 3.100 € 9.750 € (Geburtsjahrgang bis 1957)

9.900 € (Geburtsjahrgang 1958–1963)
10.050 € (Geburtsjahrgang ab 1964)

Grundfreibetrag
(für minderjährige Leistungsberechtigte)²
3.100 € 3.100 €
Freibetrag für Altersvorsorge für erwerbsfähige Hilfeempfänger ab ihrem 15. Geburtstag und deren Partner³ 750 € 48.750 € (Geburtsjahrgang bis 1957)
49.500 € (Geburtsjahrgang 1958–1963)
50.250 € (Geburtsjahrgang ab 1964)
Freibetrag für notwendige Anschaffungen
(für jeden Leistungsberechtigten)
750 € 750 €

¹ Für Leistungsberechtigte, die bis zum 1. Januar 1948 geboren waren, galt ein Freibetrag in Höhe von 520 Euro und ein Höchstbetrag von 33.800 Euro.
² Vermögen von Kindern bleibt bei der Berechnung der Leistungen der Eltern unberücksichtigt.
³ Das Vermögen muss vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer unwiderruflichen vertraglichen Vereinbarung nicht verwertet werden dürfen. Bundesrechtlich ausdrücklich geförderte Altersvorsorge wie die „Riester-Rente“ fällt nicht in diesen Vermögensbestandteil

Schonvermögen

Als Vermögen ist nicht zu berücksichtigen:

  • angemessener Hausrat,
  • ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, nach einer Entscheidung des BSG vom 6. September 2007 ist ein Kfz bis zu einem Verkehrswert von 7.500 EUR als angemessen anzusehen. Über teurere Fahrzeuge muss im Einzelfall entschieden werden.
  • Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge (Riester-Rente, Rürup-Rente, Betriebsrente)
  • vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist,
  • ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung,
  • Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe bestimmt ist, soweit dieses zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
  • Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Für die Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend.

Sozialschutz-Paket

Bei der Entscheidung über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II und Sozialgeld wird für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. März bis 30. Juni 2020 beginnen, ein bei dem Antragsteller vorhandenes Vermögen für die Dauer von sechs Monaten ausnahmsweise nicht berücksichtigt, es sei denn, das Vermögen ist „erheblich“ (§ 67 SGB II in der Fassung des Sozialschutz-Pakets vom 27. März 2020).

Eingliederungshilfe und Arbeitsvermittlung

Unterstützung der Eingliederung

Das Jobcenter soll nach § 15 SGB II mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person eine Eingliederungsvereinbarung abschließen, in der die für die Eingliederung erforderlichen Leistungen bestimmt werden und festgelegt wird, welche Bemühungen der Leistungsberechtigte mindestens unternehmen muss, um eine Arbeit zu finden, und wie er seine Bemühungen nachzuweisen hat. Lehnt der Leistungsberechtigte den Abschluss der Eingliederungsvereinbarung ab, liegt kein Sanktionstatbestand vor; jedoch kann das Jobcenter die vorgesehenen Maßnahmen einseitig durch einen (anfechtbaren) Verwaltungsakt festsetzen. Das Instrument der Eingliederungsvereinbarung gab es bereits im Job-AQTIV-Gesetz aus dem Jahr 2001.

Weitere Eingliederungsleistungen

Beziehern von ALG II stehen größtenteils die Eingliederungsleistungen aus dem SGB III zur Verfügung, wie Vermittlung in Arbeit, Förderung aus dem Vermittlungsbudget oder auch die Zuweisung zu Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 16 SGB II). Daneben sind speziell im SGB II zusätzliche Leistungen vorgesehen:

  • Flankierende Dienstleistungen wie Kinderbetreuung und -pflege, Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung, Suchtberatung (§ 16a SGB II)
  • Einstiegsgeld (§ 16b SGB II)
  • Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen (§ 16c SGB II)
  • Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, auch Ein-Euro-Job genannt (§ 16d SGB II)
  • Vermittlung im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (§ 16e SGB II)
  • Freie Förderung (§ 16f SGB II)

Es besteht kein Rechtsanspruch auf bestimmte Eingliederungsleistungen; die jeweils notwendigen und zweckmäßigen Instrumente werden durch den persönlichen Ansprechpartner ausgewählt. Über eine Antragstellung des Leistungsempfängers muss daher eine individuelle Ermessensentscheidung getroffen werden (Kann-Regelungen). Es besteht jedoch ein Anspruch auf eine sachliche Begründung der getroffenen Ermessensentscheidung.

Sanktionen

Nach § 31 SGB II können Leistungsbezieher für bestimmte Pflichtverletzungen sanktioniert werden. Während einer Sanktion besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (§ 31b Abs. 2 SGB II). Eine Sanktion muss innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung ausgesprochen werden. Sie dauert in der Regel drei Monate und tritt mit dem Ersten des Kalendermonats, das auf den Zugang des Sanktionsbescheides beim Leistungsbezieher folgt, in Kraft (§ 31b Abs. 1 SGB II). Geschäftsführer der Jobcenter erhalten vierstellige Prämienzahlungen, wenn sie vorgegebene Sanktionsquoten annähernd erreichen oder übertreffen.

Unterschieden wird zwischen zwei Fällen:

Sanktion wegen einer Pflichtverletzung (große Sanktion)

Eine Sanktion wegen einer Pflichtverletzung wird nach § 31 Abs. 1 SGB II dadurch begründet, dass Leistungsbezieher trotz vorheriger Rechtsfolgenbelehrung gegen Regelungen aus einer Eingliederungsvereinbarung verstoßen, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit ablehnen oder eine zumutbare Maßnahme nicht antreten oder abbrechen. Eine Rechtsfolgenbelehrung im Sinne des Gesetzes muss konkret, richtig, vollständig und verständlich sein. Sie muss verdeutlichen, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen die Pflichtverletzung haben kann. Erfüllt eine Rechtsfolgenbelehrung diese Anforderungen nicht, kann der Leistungsbezieher nicht sanktioniert werden. Eine Sanktion ist außerdem ausgeschlossen, wenn ein wichtiger Grund für das Verhalten des Leistungsbeziehers vorliegt.

In bestimmten anderen Fällen ist nach § 31 Abs. 2 SGB II auch ohne vorherige Rechtsfolgenbelehrung eine Sanktion möglich, etwa dann, wenn ein Leistungsberechtigter seine Hilfebedürftigkeit vorsätzlich herbeigeführt hat, aufgrund einer Sperrzeit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist oder Anlass für das Eintreten einer Sperrzeit gibt, etwa indem er seine Arbeit aufgibt.

Das Verhältnis zwischen den direkten Tatbeständen des SGB II in Abs. 1 und denen, die sich auf die Regelungen zur Sperrzeit im SGB III beziehen, im Abs. 2, ist so ausgestaltet, dass Letztere nachrangig sind und nur dann Anwendung finden, wenn Erstere von vornherein nicht anwendbar sind. Das liegt zum Beispiel dann vor, wenn dem Leistungsbezieher durch den Arbeitgeber (fristlos) gekündigt wird, da nach Abs. 1 nur die Eigenkündigung, nicht aber die (fristlose) Kündigung des Arbeitgebers sanktionsbewehrt ist. Die Tatbestände des Abs. 2 setzen allerdings voraus, dass der Leistungsbezieher versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung ist bzw. war; sie decken nur Fälle ab, in denen die Sperrzeit bereits von der Agentur für Arbeit festgestellt ist oder dies allein an fehlenden Anwartschaftszeiten für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld scheitert. Übte der Leistungsbezieher keine versicherungspflichtige Beschäftigung aus, kann nicht nach Abs. 2 sanktioniert werden.

Die Leistungskürzungen bei einer Sanktion belaufen sich nach § 31a Abs. 1 SGB II wie folgt:

  • Bei einer einfachen Pflichtverletzung wird das ALG II um 30 % des Regelbedarfs gemindert.
  • Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung wird das ALG II um 60 % des Regelbedarfs gemindert. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt dann vor, wenn seit der letzten Pflichtverletzung weniger als ein Jahr vergangen ist.
  • Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung entfällt das ALG II vollständig, einschließlich der Kosten der Unterkunft. Da nur Bezieher von ALG II pflichtversichert sind, entfällt durch diese Sanktion der Krankenversicherungsschutz, sofern der Betroffene keine Lebensmittelgutscheine beantragt und auch erhält.

Nach § 31a Abs. 2 SGB II gelten für unter 25-Jährige verschärfte Bedingungen. Hier entfällt bereits bei der ersten Pflichtverletzung der komplette Regelbedarf; bei einer wiederholten Pflichtverletzung entfällt das ALG II einschließlich der Kosten der Unterkunft vollständig. Allerdings kann sich der Grundsicherungsträger bei einer vollständigen Streichung des Arbeitslosengeldes II bereit erklären, die Kosten der Unterkunft wieder zu erbringen, falls der Leistungsbezieher sich nachträglich zur Einhaltung seiner Pflichten bereit erklärt. Aus dem gleichen Grund kann die Dauer der Sanktion auf den Regelbedarf auf sechs Wochen verkürzt werden (§ 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II).

Wird durch Sanktionen das ALG II um mehr als 30 % gekürzt, kann der Grundsicherungsträger auf Antrag ergänzende Sachleistungen wie Lebensmittelgutscheine gewähren. Er muss diese Leistungen gewähren, wenn minderjährige Kinder im Haushalt des Sanktionierten leben (§ 31a Abs. 3 SGB II).

Leben mehrere Personen in einer Bedarfsgemeinschaft und sind durch eine Sanktion eines Mitglieds die anteiligen Kosten der Unterkunft betroffen, müssen diese durch eine entsprechende Erhöhung bei den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft ausgeglichen werden, da ansonsten eine rechtswidrige Sippenhaftung entstehen würde.

Sanktion wegen eines Meldeversäumnisses (kleine Sanktion)

Eine Sanktion wegen eines Meldeversäumnisses tritt nach § 32 SGB II ein, wenn ein Leistungsbezieher trotz vorheriger Rechtsfolgenbelehrung einer Meldeaufforderung zum Grundsicherungsträger oder zu einer amtsärztlichen Untersuchung nicht nachkommt.

Bei einer solchen Sanktion wird das ALG II um 10 % gemindert, diese wird auf eine eventuelle bereits bestehende Sanktion aufgrund einer Pflichtverletzung aufaddiert. Da es in diesem Fall keine wiederholten Pflichtverletzungen gibt, können durch mehrere Meldeversäumnisse mehrere Sanktionen mit jeweils 10 % der Regelleistung ausgesprochen werden, die jede für sich jeweils nach drei Monaten ablaufen. Hier hat jedoch das Bundessozialgericht entschieden, dass Meldeaufforderungen nicht missbräuchlich eingesetzt werden dürfen, um die Leistungen mehr als 30 % zu senken.

Häufigkeit von Sanktionen

Im Jahr 2015 wurden insgesamt 978.809 Sanktionen verhängt. Der überwiegende Teil davon waren kleine Sanktionen aufgrund von Meldeversäumnissen (rund 75 %). 131.520 Arbeitslosengeld-II-Empfänger waren von mindestens einer Sanktion betroffen (3,0 % aller Arbeitslosengeld-II-Empfänger). Die durchschnittliche Leistungskürzung unter diesen betrug 19,4 %. 6.963 Alg-II-Empfänger waren von Vollsanktion betroffen. Die Sanktionshäufigkeit ist regional unterschiedlich; sie ist in Berlin am höchsten.

Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2019

Kürzungen von Leistungen nach § 31 SGB II bei Pflichtverletzungen seitens der Betroffenen sind vom Bundesverfassungsgericht im November 2019 für teilweise verfassungswidrig befunden worden. Bei Verstößen sei eine Absenkung der Leistungen zwar möglich, jedoch sei die bisherige Ausgestaltung nicht verfassungskonform, urteilte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im November 2019 (AZ: 1 BvL 7/16). Die bisher möglichen Abzüge bei Verletzung um 30 Prozent seien zulässig, während darauffolgende noch härtere Sanktionen bei wiederholten Pflichtverletzungen um 60 oder sogar 100 Prozent nicht mehr verhältnismäßig und daher mit dem Grundgesetz unvereinbar seien, erklärte Vizepräsident Stephan Harbarth bei der Verkündung des Urteils. Das Gericht lehnte auch die starre Frist der Absenkung für drei Monate ab. Wenn der Betroffene seinen Mitwirkungspflichten wieder nachkommt, müsse es möglich sein, die vollen Leistungen auch zu einem früheren Zeitpunkt wieder zu erhalten. Zudem müssten Härtefälle stärker berücksichtigt werden können; das war bis dahin gar nicht möglich. Das Urteil geht zurück auf eine Vorlage des Sozialgerichts im thüringischen Gotha.

Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ordnete das Verfassungsgericht an, dass alle Abzüge auf maximal 30 Prozent zu beschränken seien. In Härtefällen sei auf Leistungskürzungen zu verzichten.

Die Entscheidung betrifft nicht alle möglichen Sanktionen nach dem SGB II, sondern nur solche, die wegen einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II erteilt werden, nicht jedoch Kürzungen wegen Meldeversäumnissen (das waren über 77 Prozent aller Sanktionen im Jahr 2018) oder Regelungen für Personen unter 25 Jahren.

Die Reaktionen auf das Urteil waren geteilt. Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) sprach von einem „sehr weisen“, „sehr ausgewogenen“ Urteil, das die „Riesenchance“ biete, den gesellschaftlichen Konflikt um die Arbeitsmarktreformen zu befrieden. Die Entscheidung sorge für „Rechtssicherheit“. Die Grundsicherung müsse weiterentwickelt werden. Sozialverbände, Wissenschaftler, Gewerkschaften und Politiker der SPD, der Grünen und der Linken verlangten dagegen in einer gemeinsamen Erklärung die vollständige Abschaffung der Sanktionen. Die Parteivorsitzende der Linken Katja Kipping begrüßte zusammen mit der Oppositionspartei Die Grünen die Karlsruher Entscheidung als historisches Urteil hin zu sozialen Garantien, das Netzwerk Grundeinkommen sieht in den Leistungen ein Minimum zur Sicherung von Existenz und Teilhabe und fordert ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Der Konstanzer Sozialwissenschaftler Stefan Sell sah dagegen eine tiefe Rechtsunsicherheit infolge des Urteils voraus. Durch die Verwendung vieler unbestimmter Rechtsbegriffe würden die Mitarbeiter der Jobcenter viel mehr Arbeit bekommen. Durch das Abstellen auf die Bedürfnisse des Einzelfalls werde die Ungleichheit verstärkt. Das Gericht habe „die Systemfrage … erkennbar umschifft, also die Letztfrage der Bedingungslosigkeit eines existenziellen Minimums“. Der Rechtsanwalt Roland Rosenow, der für den Wuppertaler Verein Tacheles als Sachverständiger in dem Verfahren bestellt war, sprach dagegen nach der Urteilsbegründung von einem uneinheitlichen Bild. Zwar halte er weiterhin Sanktionen für nicht verfassungsgemäß, das Urteil enthalte aber auch positive Ansätze. Obgleich das Urteil einstimmig ergangen war, gebe es mehrere Hinweise auf Meinungsunterschiede im Ersten Senat. Erste rechtswissenschaftliche Einschätzungen kritisierten die Entscheidung als rückwärtsgewandt und schwach begründet, weil das Gericht nicht die Grundrechtsdogmatik und den Gehalt der Grundrechte selbst weiterentwickelt habe, sondern sich allein auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als begrenzendes Element gestützt habe. Den Paradigmenwechsel weg vom Neoliberalismus habe das Gericht nicht mitvollzogen, das Urteil lese sich deshalb im Anschluss an Andreas Reckwitz „eher wie ein letztes Aufbäumen des noch herrschenden apertistischen Liberalismus.“ Der DStGB begrüßt das Urteil, aber sieht darin einen Anlass das gesamte Sanktionssystem zu überdenken.

Verwaltungsverfahren

Nach § 40 SGB II gelten für das Verwaltungsverfahren im Bereich des Arbeitslosengeldes II die Regelungen des SGB X mit einigen kleineren Anpassungen.

Rechtsbehelfe

Gegen einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X ist nach § 62 SGB X der Weg zu den Sozialgerichten gegeben, da Streitigkeiten im Bereich des Arbeitslosengeldes II unter die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallen (§ 51 Abs. 1 SGG). Dies gilt auch bei Streitigkeiten um ein Hausverbot, das von einem Jobcenter gegen einen Leistungsbezieher ausgesprochen wurde, ein Verweis auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist in diesem Fall unzulässig. Vor einer Klage ist zunächst ein Vorverfahren durchzuführen (§ 78 SGG).

Bedürftige Leistungsbezieher können Beratungshilfe beim zuständigen Amtsgericht beantragen. Die Beratungshilfe darf nicht mit der Begründung versagt werden, dass der Leistungsbezieher die Beratungspflicht nach § 14 SGB I bei genau der Behörde in Anspruch nehmen kann, gegen die er Rechtsbehelfe einlegt.

Aufgrund von § 39 SGB II entfalten Widerspruch und Klage gegen die allermeisten Verwaltungsakte keine aufschiebende Wirkung. Diese muss im Zweifelsfalle beim Sozialgericht beantragt werden (§ 86b SGG).

Ist die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen, kann dennoch ein Überprüfungsantrag gestellt werden (§ 44 SGB X). Bei begünstigenden Verwaltungsakten besteht Vertrauensschutz, sodass die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nur in bestimmten Fällen möglich ist (§ 45 SGB X).

Rückforderung vonseiten der Behörde

Ändern sich die maßgebenden Verhältnisse des Leistungsbeziehers während des Bezugs, kann die Behörde das Einkommen oder Vermögen nach § 48 SGB X, § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III rückwirkend ab dem Beginn der Einkommenserzielung anrechnen und den Bewilligungsbescheid entsprechend aufheben und ändern. Zu viel gezahlte Leistungen müssen erstattet werden. Dabei ist aber zu beachten, dass nach § 40 Abs. 4 SGB II 56 % der Kaltmiete zu belassen sind als Ersatz für das Wohngeld, das der Leistungsempfänger aufgrund des Vorranges des SGB II nicht beantragt hat, die Leistungen können insoweit also nicht zurückgefordert werden. Dies gilt jedoch nicht bei einer vorläufigen Entscheidung nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 328 SGB III; hier muss auch der Wohngeldanteil zurückgezahlt werden.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Verwaltungsakten im Bereich des SGB II entfalten Widerspruch und Klage gegen eine Rückforderung bei einem vorläufigen Bescheid, der sich ausschließlich auf Zeiträume in der Vergangenheit bezieht, eine aufschiebende Wirkung.

Zudem definiert § 34 Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten.

Aufrechnung

Ansprüche gegen den Leistungsbezieher können nach § 43 Abs. 1 SGB II mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgerechnet werden. Die Aufrechnung ist grundsätzlich schriftlich per Verwaltungsakt zu erklären. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre; Zeiträume, in denen die Aufrechnung durch eingelegte Rechtsmittel nicht vollziehbar ist, verlängern die Verjährungsfrist (§ 43 Abs. 4 SGB II). Ein Anspruch darf erlassen werden, wenn dessen Einziehung unbillig wäre (§ 44 SGB II). Hieran sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Eine subjektive Unbilligkeit kann gegeben sein, wenn der Leistungsbezieher durch die Aufrechnung in eine Notlage gerät, die existenzgefährdend oder -vernichtend ist; die reine Unterschreitung des Regelbedarfs ist aber noch keine Existenzgefährdung. Eine objektive Unbilligkeit kann gegeben sein, wenn die Ansprüche durch Fehlverhalten des Grundsicherungsträgers mitverursacht wurden.

Bei Erstattungsansprüchen aufgrund zu viel gezahlter Leistungen, etwa aufgrund eines vorläufigen Bescheids, beträgt die Aufrechnungssumme 10 % des Regelbedarfs, bei Ersatzansprüchen aufgrund sozialwidrigen Verhaltens 30 %. Insgesamt darf die Aufrechnungssumme höchstens 30 % des Regelbedarfs betragen. Wird durch mehrere Ansprüche diese Grenze überschritten, entfallen die älteren Ansprüche (§ 43 Abs. 2 SGB II). Würde die Höchstgrenze aufgrund eines zeitgleich laufenden Rückzahlungsanspruchs eines Darlehens überschritten, entfällt die Rückzahlung des Darlehens (§ 43 Abs. 3 SGB II). Sind verschiedene Leistungsträger betroffen, etwa die Arbeitsagentur für Leistungen des Regelbedarfs und die Kommune für Kosten der Unterkunft und Heizung, wird der Aufrechnungsbetrag entsprechend der Höhe der Forderungen aufgeteilt (§ 43a SGB II).

Erhält ein Leistungsbezieher während einer laufenden Anrechnung eine Sanktion, ist nach den fachlichen Hinweisen der Arbeitsagentur die Aufrechnung auszusetzen, da sich sonst das rechtswidrige Ergebnis ergäbe, dass 60 % des Regelbedarfs entfielen, der Leistungsbezieher aber trotzdem keinen Anspruch auf ergänzende Sachleistungen in Form von Lebensmittelgutscheinen hätte.

Nach § 65e SGB II können Ansprüche eines Trägers der Sozialhilfe aufgerechnet werden, sofern der Leistungsbezieher wieder in den Zuständigkeitsbereich des SGB II fällt, allerdings nur in den ersten zwei Jahren der Leistungserbringung.