Betriebsübergang

Der Rechtsbegriff des Betriebsübergangs kennzeichnet den Wechsel des Inhabers eines Betriebs oder Betriebsteils durch eine im weitesten Sinne rechtsgeschäftliche Vereinbarung. Die entsprechenden europarechtlichen Richtlinien aus den Jahren 1977 und 2001 haben zu einer weitgehenden Vereinheitlichung dieses Begriffs im gesamten Rechtsraum der EU geführt und zu einer Angleichung der einzelnen nationalen Rechtsvorschriften, die die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei einem Betriebsübergang regeln. Im deutschen Arbeitsrecht wurde erstmals im Jahr 1972 mit § 613a BGB eine entsprechende Regelung aufgenommen, die dann später im Wege der Umsetzung der Richtlinie 77/187/EWG vom 14. Februar 1977 und vor allem zuletzt durch die Richtlinie 2001/23/EG vom 23. März 2001 ergänzt wurde.

Sinn und Zweck

Der Betriebsübergang führt nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber übertragen wird. Sinn und Zweck der Regelung des § 613a BGB ist vielmehr, einen lückenlosen Bestandsschutz für die betroffenen Arbeitnehmer zu gewähren. Deren Arbeitsverhältnisse gehen „automatisch“ (per Gesetz) auf den neuen Unternehmensträger über. Ferner wird der soziale Besitzstand in gewissem Umfang erhalten (siehe unten bei Rechtsfolgen). Die Bestimmung enthält ferner Haftungsregelungen für Arbeitnehmeransprüche gegen den alten und den neuen Betriebsinhaber. Wichtig sind auch die zum 1. April 2002 in § 613a BGB eingefügten Regelungen der Abs. 5 u. 6 mit den ausführlichen Informationsrechten, um den von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern eine Entscheidungsgrundlage für die Ausübung ihres Widerspruchsrechts zu gewähren.

Hintergrund dieser Regelung war die bis 1972 bestehende Lücke im Kündigungsschutz: So konnte ein Betriebsinhaber nach altem Recht seinen Betrieb an ein eigens dazu gegründetes Tochterunternehmen veräußern oder verpachten und sich so ganz oder teilweise von seiner Belegschaft trennen, um unter Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes Arbeitsplätze abzubauen.

Anwendungsbereich

Anwendbar ist § 613a BGB auf alle im Zeitpunkt des Betriebsübergangs rechtlich bestehenden Arbeitsverhältnisse, also alle Arbeitnehmer (auch die leitenden Angestellten). Freie Mitarbeiter, Handelsvertreter, Organmitglieder (Geschäftsführer und Vorstände) und Beamte fallen nicht in den Schutzbereich des Gesetzes. Umstritten (und in der deutschen Rechtsprechung eher abgelehnt) war die Auffassung, ob auch die Arbeitsverhältnisse der im Unternehmen eingesetzten Zeit- oder Leiharbeitnehmer im Rahmen des § 613a BGB zu berücksichtigen seien, bzw. ob diese eben auch mit übergehen müssen. Eine neuere Entscheidung des EuGH lässt nunmehr daran zweifeln, ob man diese Arbeitsverhältnisse zukünftig auch unberücksichtigt lassen darf.

Voraussetzungen eines Betriebsübergangs

Inhaberwechsel

Ein Betriebsübergang liegt nur vor, wenn eine Änderung in der Person desjenigen erfolgt, der arbeitsrechtlich die Organisations- und Leitungsmacht über den Betrieb ausübt, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine natürliche oder eine juristische Person handelt. Anwendbar ist die Regelung auch bei Übernahmen von Einrichtungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung, bei der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen oder bei der Rückübertragung privatisierter Einrichtungen auf einen öffentlichen Träger. Nicht ausreichend ist eine bloße Veränderung in der Rechtsform eines Betriebsinhabers oder ein Wechsel von Gesellschaftern einer GmbH. Auch in Fällen der Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung von Unternehmen findet in der Regel § 613a BGB Anwendung (nach § 324 UmwG).

Betrieb

In der Rechtsprechung lange umstritten war die Definition des zweiten Tatbestandsmerkmals des Betriebs- beziehungsweise Betriebsteilübergangs. Auf Grundlage der Definition der Richtlinie 2001/23 EG gilt als Übergang i. S. d. Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit i.S. einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit. Auf Grundlage dieser Definition hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Rechtsprechung entscheidend darauf abgestellt, ob eine wirtschaftliche Einheit vorhanden ist, die trotz des Inhaberwechsels ihre Identität bewahrt hat. Für die Prüfung dieses Merkmals wurden vom Europäischen Gerichtshof sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung berücksichtigt. Er hat dabei seine frühere Rechtsprechung nach der Christel-Schmidt-Entscheidung aufgegeben und stellt nun im Rahmen des sog. Sieben-Punkte-Test im Wege einer Gesamtbetrachtung auf

  • die Art des betreffenden Unternehmens oder des Betriebs,
  • den Übergang oder Nichtübergang der materiellen Vermögenswerte (Gebäude, bewegliche Güter),
  • den Wert der immateriellen Vermögenswerte zum Zeitpunkt des Übergangs,
  • die Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft,
  • den Übergang oder Nichtübergang der Kundschaft, sowie auf
  • den Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit und
  • die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit ab.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte in seiner früheren Rechtsprechung im Wesentlichen darauf ab, ob der Erwerber die wesentlichen materiellen Betriebsmittel übernahm. Die Arbeitnehmer sah es selbst dabei nicht als Betriebsmittel an. Erstmals mit seiner Entscheidung vom 22. Mai 1997 schloss das BAG sich der Rechtsprechung des EuGH an. An die Stelle des früheren Betriebsbegriffs ist damit auch in der deutschen Rechtsprechung das Merkmal der auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit getreten und als entscheidendes Kriterium für die Rechtsfolgen des § 613a BGB die Wahrung der Identität dieser Einheit nach dem Inhaberwechsel.

In welchen Fällen danach ein Betriebsübergang anzunehmen ist, hat das Bundesarbeitsgericht bis in die jüngste Zeit in zahlreichen unterschiedlichste Branchen und Betriebe betreffenden Einzelentscheidungen im Rahmen einer jeweils im Einzelfall vorzunehmenden wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des jeweiligen Betriebes herausgearbeitet. Dabei geht die Rechtsprechung des BAG davon aus, dass ein Betriebsübergang nicht vorliegt, wenn beim Erwerber lediglich eine bestimmte Tätigkeit fortgeführt wird, ohne dass eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit mit einer bestimmten Organisationsstruktur übernommen wird. In diesen Fällen liegt dann eine bloße Funktionsnachfolge vor, die keinen Betriebs- beziehungsweise Betriebsteilübergang darstellt.

Rechtsgeschäft

Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 613a BGB ist, dass der Übergang durch einen rechtsgeschäftlichen Akt (also einen zivilrechtlichen Vertrag) zustande kommt. Wenn der Übergang auf einem Gesetz oder einem Verwaltungsakt beruht (wie in Fällen der öffentlich rechtlichen Funktionsnachfolge und der gesetzlichen Erbfolge), soll § 613a BGB nicht anwendbar sein. Nicht erforderlich ist allerdings, dass der Betriebsübergang nur durch ein einziges Rechtsgeschäft ausgelöst wird, der Inhaberwechsel kann sich vielmehr auch aus einem Bündel von Rechtsgeschäften, auch von mehreren Rechtsgeschäften mit mehreren Dritten ergeben (wenn etwa Namens- und Markenrechte in einem Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber übergehen, Betriebsanlagen über zwischengeschaltete Maschinenhändler erworben werden und das Betriebsgrundstück durch einen Pachtvertrag mit dem Grundstückseigentümer). Es bedarf nicht einmal eines Vertrages zwischen dem alten und dem neuen Betriebsinhaber; der Erwerb des Betriebes durch irgendein Rechtsgeschäft genügt (beispielsweise: Pacht einer früher von einem anderen Pächter betriebenen Gaststätte ausschließlich durch Vertrag mit dem Eigentümer).

Rechtsfolgen des Betriebsübergangs

Übergang des Arbeitsverhältnisses (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB)

Wichtigste Rechtsfolge ist nach § 613a BGB, dass das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes in seinem gesamten Bestand, also mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber übergeht und die bisherige Betriebszugehörigkeit auch für den neuen Arbeitgeber gilt. Es muss kein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen werden. Dieser Bestandsschutz wird zusätzlich durch ein Verbot der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen des Betriebsübergangs abgesichert.

Nach einem Betriebsübergang können die arbeitsvertraglichen Bestandteile jederzeit – auch zum Nachteil der Arbeitnehmer – einzelvertraglich im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden. Die einjährige Veränderungssperre aus § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB steht dem nicht entgegen, denn sie bezieht sich nur auf solche Arbeitsbedingungen, die zuvor kollektivrechtlich in einem unmittelbar geltenden Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt waren und die nicht durch kollektivrechtliche Regelungen beim Erwerber verdrängt werden.

Die Angehörigen eines Betriebes, der infolge einer Insolvenz auf einen neuen Eigentümer übertragen wird, können nach höchstrichterlicher Entscheidung nicht zum Lohnverzicht als Bedingung für die Übernahme angehalten werden. Eine solche Regelung wäre eine unzulässige Umgehung zwingenden Gesetzesrechts.

Fortgeltung von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung (§ 613a Abs. 1 S. 2 – 4 BGB)

Fortgeltung von Tarifverträgen

Individualrechtlicher Bezug auf einen Tarifvertrag

Zu den Rechten und Pflichten, in die der Erwerber eintritt, zählen ebenfalls die Ansprüche aus einem Tarifvertrag, der aufgrund einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme anzuwenden ist, und zwar in demselben Umfang wie vor dem Betriebsübergang. Eine statische Verweisung (z. B. „auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Tarifvertrag XY in der zum Vertragsschluss geltenden Fassung Anwendung“) gilt statisch weiter, für eine kleine dynamische Verweisung (z. B. „auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen Tarifvertrags XY in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung“) gilt entsprechendes.

Enthält der Arbeitsvertrag eine große dynamische Verweisung (z. B. „auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen der jeweils im Betrieb angewandten Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung“) und gilt bei dem Erwerber ein anderer Tarifvertrag als beim Veräußerer, gelten ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs die Tarifverträge des Erwerbers, selbst wenn sie für den Arbeitnehmer ungünstiger sind.

Kollektivrechtlicher Bezug auf einen Tarifvertrag

Arbeitsbedingungen, die bis zum Betriebsübergang kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit zwingend und unmittelbar gegolten haben, gelten weiter, wenn auch der Erwerber an dieselben Tarifverträge gebunden ist. Gleiches gilt, wenn und soweit der Betrieb in den Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags fällt.

Transformation des Tarifvertrags in den Arbeitsvertrag

Ist der Betriebserwerber nicht tarifgebunden, werden die Inhalte des zuvor wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit zwingend geltenden Tarifvertrags nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in den Arbeitsvertrag transformiert. Die Inhalte des Tarifvertrags werden Bestandteil des Arbeitsvertrags.

In diesen Fällen wirkt die Veränderungssperre von einem Jahr. Die in den Arbeitsvertrag transformierten kollektivrechtlichen Ansprüche dürfen vor Ablauf eines Jahres nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers verändert werden.

Überwechseln von einem Tarifbereich in einen anderen

Ist der Erwerber an einen anderen Tarifvertrag gebunden, der mit einer Gewerkschaft geschlossen wurde, der auch der Arbeitnehmer angehört, so gilt dieser Tarifvertrag, auch wenn sich dadurch Arbeitsbedingungen zuungunsten des Arbeitnehmers verschlechtern sollten. Die Veränderungssperre greift nicht.

Das Gleiche geschieht, wenn mit dem Betriebsübergang zugleich ein Branchenwechsel des Unternehmens verbunden ist. Ist das übergegangene Unternehmen tarifgebunden und die vertragsschließende Gewerkschaft die gleiche, die bereits für die frühere Branche zuständig war, dann wirken die unter Umständen schlechteren Bedingungen des neuen Branchentarifs sofort für die Mitglieder der vertragsschließenden Gewerkschaft.

Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen

Soweit übergehende Arbeitsverhältnisse durch Regelungen von Betriebsvereinbarungen bestimmt sind, verlieren diese Regelungen mit dem Betriebsübergang ihre unmittelbare und zwingende Wirkung und gehen mit dem Inhalt in die Arbeitsverträge der übergehenden Arbeitnehmer ein, den sie im Zeitpunkt des Betriebsübergangs hatten. Vor Ablauf eines Jahres nach dem Betriebsübergang ist eine Veränderung solcher übergegangener Regelungen zum Nachteil des Arbeitnehmers weder im Wege einer Änderungskündigung noch durch Änderungsvertrag möglich. Derartige Vereinbarungen sind nichtig. Diese individualrechtliche Fortgeltung dieser kollektivrechtlichen Regelungen ist aber ausgeschlossen, wenn zu den entsprechenden Fragen beim Betriebserwerber bereits eine andere Betriebsvereinbarung besteht. Soweit im aufnehmenden Betrieb bereits ein Betriebsrat existiert und entsprechende Betriebsvereinbarungen vorhanden sind, verdrängen diese Betriebsvereinbarungen unabhängig davon, ob sie günstiger oder ungünstiger sind, die früheren Betriebsvereinbarungen im Betrieb des Veräußerers.

Haftung für Arbeitnehmeransprüche beim Betriebsübergang (§ 613a Abs. 2, 3 BGB)

Haftung des Betriebserwerbers

Der Betriebs(teil)inhaber haftet als neuer Arbeitgeber (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB) für alle offenen Forderungen des Arbeitnehmers – auch für Forderungen die bereits vor dem Betriebsübergang entstanden und fällig waren.

Haftung des Betriebsveräußerers

Der Betriebs(teil)veräußerer haftet nach § 613a Abs. 2 S. 1 BGB für alle Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitnehmer, wenn sie vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstanden und vor Ablauf eines Jahres nach Betriebsübergang fällig werden, neben dem Betriebserwerber als Gesamtschuldner. Der Veräußerer haftet als Gesamtschuldner voll für Forderungen, die vor dem Betriebsübergang fällig wurden. Für vor dem Betriebsübergang entstandene, aber erst nach Betriebsübergang fällige Verpflichtungen haftet er nur anteilsmäßig in dem Umfang des im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teils des Bemessungszeitraums (§ 613a Abs. 2 S. 2 BGB).

Für erst nach dem Betriebsübergang entstehende Verpflichtungen haftet der Veräußerer nicht schon aus § 613a BGB, sondern allenfalls auf Grund anderer Anspruchsgrundlagen.

§ 613a Abs. 2 BGB gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt (§ 613a Abs. 3 BGB).

Bei der Anwendbarkeit des § 613a BGB ist zwischen einem Erwerb vor Insolvenzeröffnung und einem Erwerb nach Insolvenzeröffnung zu unterscheiden: Im Fall des Erwerbs vor der Insolvenzeröffnung findet § 613a BGB uneingeschränkt Anwendung. Bei einem Betriebsübergang nach Insolvenzeröffnung findet § 613a BGB nach der gemeinschaftsrechtskonformen Rechtsprechung des BAG zwar grundsätzlich auch Anwendung, in teleologischer Reduktion des § 613a BGB haftet der Betriebserwerber im Fall des Betriebserwerbs nach Insolvenzeröffnung jedoch nicht für Altverbindlichkeiten aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung.

Das Innenverhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber

§ 613a BGB regelt nicht die Frage, wer im sogenannten Innenverhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber letztlich für die Verbindlichkeiten gegenüber dem Arbeitnehmer aufzukommen hat. Dies ist der privatautonomen Vereinbarung zwischen Erwerber und Veräußerer überlassen.

Kündigungsverbot wegen des Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 4 BGB)

Von dem Verbot, wegen des Betriebsüberganges zu kündigen, werden zulässige Beendigungs- oder Änderungskündigungen aus anderen Gründen nicht berührt, etwa bei einem Rationalisierungskonzept, das vom Betriebsveräußerer im Vorfeld eines geplanten Betriebsübergangs umgesetzt wird. Im Falle einer Insolvenz soll es nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sogar zulässig sein, dass der Betriebsveräußerer mit einem Rationalisierungskonzept, das erst der Betriebserwerber realisieren kann, trotz eines geplanten Betriebsübergangs betriebsbedingte Kündigungen begründet. Voraussetzung ist allerdings, dass die Durchführung des Konzepts im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits greifbare Formen angenommen hat.

Unterrichtungspflicht und Widerspruchsrecht (§ 613a Abs. 4, 5 BGB)

Überblick

Gemäß dem mit Wirkung zum 1. April 2002 neu in das Gesetz aufgenommenen § 613a Abs. 5 BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer über den Betriebsübergang, seinen Zeitpunkt, den Grund des Übergangs und die Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer zu unterrichten. Jeder Arbeitnehmer kann innerhalb eines Monats nach dieser Unterrichtung dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses schriftlich widersprechen. Widerspricht ein Arbeitnehmer rechtzeitig, geht sein Arbeitsverhältnis nicht auf den Betriebserwerber über, sondern er bleibt weiterhin Arbeitnehmer des Betriebsveräußerers. Das Widerspruchsrecht besteht jedoch nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge des Erwerbers in das gesamte Vermögen des Betriebsveräußerers übergeht, weil der Betriebsveräußerer mit der Vermögensnachfolge nicht mehr besteht. Die fehlende oder auch nur unzureichende Unterrichtung setzt die Monatsfrist nicht in Lauf, sodass in diesem Fall betroffene Arbeitnehmer auch noch lange Zeit danach wirksam dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen können (auch wenn sie etwa tatsächlich vom Betriebserwerber weiterbeschäftigt wurden). Weil die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtssehr hohe Anforderungen an die Unterrichtung stellt, liegen hier erhebliche Risiken für einen den Betrieb veräußernden Arbeitgeber.

Die Unterrichtung des Arbeitnehmers (§ 613a Abs. 5 BGB)

„Eine Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB erfordert eine verständliche, arbeitsplatzbezogene und zutreffende Information. Sie muss unter anderem Angaben über die Identität des Erwerbers, den Gegenstand und den rechtlichen Grund des Betriebsübergangs sowie eine korrekte Darstellung der rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für den Arbeitnehmer enthalten“.

In der Praxis sind Unterrichtungen von Arbeitgebern nach § 613a Abs. 5 BGB häufig nicht ordnungsgemäß und damit unwirksam. Die Anforderungen des Gesetzes bzw. des BAG sind kaum zu erfüllen. Entscheidend ist daher meist, ob der Arbeitnehmer das Risiko eines Widerspruchs eingehen möchte oder nicht.

Das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers (§ 613a Abs. 6 BGB)

Wirksamkeit eines Widerspruchs

Ein Arbeitnehmer darf gemäß § 613a Abs. 6 BGB kraft Gesetz einem Betriebs(teil-)übergang widersprechen, es sei denn, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts im Ausnahmefall verwirkt ist oder sonst wie rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) oder dass der Arbeitnehmer darauf wirksam verzichtet hat. Ein Widerspruchsrecht kann auch dann bestehen, wenn das Arbeitsverhältnis schon beendet worden ist.

Ein Widerspruch muss schriftlich erfolgen. Damit ist die gesetzliche Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB gemeint. Diese kann durch die elektronische Form nach § 126a BGB ersetzt werden. Ein für den Arbeitnehmer zu Protokoll des Gerichts erklärter Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber ist jedenfalls dann gemäß §§ 125 Satz 1, 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nichtig, wenn er nicht vorgelesen und genehmigt worden ist. Ein Widerspruch kann auch konkludent erfolgen. Er kann auch darin zu sehen sein, dass der Arbeitnehmer Ansprüche gegen den Veräußerer verfolgt, die einen Widerspruch voraussetzen. Dann kann die anwaltliche Beglaubigung auf einem entsprechenden Schriftsatz der Schriftform genügen. Einen Begründungszwang gibt es bei Ausübung des Widerspruchsrechts nicht.

Der Widerspruch muss fristgerecht erfolgen, d. h. nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB „innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Abs. 5“. Die Frist beginnt nicht, wenn keine oder keine ordnungsgemäße Unterrichtung erfolgt. Dann besteht das Widerspruchsrecht bis zur Grenze der Verwirkung (§ 242 BGB).

Beruft sich der Arbeitnehmer auf einen fristgerechten Zugang seines Widerspruchs, muss er diesen darlegen und beweisen.

Der Widerspruch muss dem richtigen Adressaten zugehen. Diese sind – wahlweise (zur Sicherheit auch kumulativ möglich) – nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber. Gab es mehrere Betriebsübergänge, ist nur der letzte Vertragsarbeitgeber, nicht ein Arbeitgeber zuvor, richtiger Adressat eines Widerspruchs.

Gefahren eines Widerspruchs

Für den widersprechenden Arbeitnehmer birgt ein wirksamer und rechtzeitiger Widerspruch das Risiko einer betriebsbedingten Kündigung, da, unabhängig von der Frage, ob das konkrete Arbeitsverhältnis übergegangen ist, jedenfalls der Arbeitsplatz mit übergeht. D.h. der bisherige Arbeitgeber kann häufig wegen Wegfall des Arbeitsplatzes kündigen. Ein Widerspruch gegen einen Betriebsübergang will daher wohl überlegt sein. Hier findet mitunter auch eine falsche anwaltliche Beratung statt. Im Fall eines Teilbetriebsübergangs, hängt die Beurteilung der Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung vor allem von Fragen der Sozialauswahl unter den verbleibenden Arbeitnehmern ab.

Betriebsbedingte Kündigung nach einem Widerspruch

Widerspricht ein Arbeitnehmer einem Betriebsübergang, so steht das Verbot einer Kündigung wegen eines Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 4 BGB) einer betriebsbedingten Kündigung durch den Betriebsveräußerer nicht entgegen.

Bei Geltung des KSchG bedarf eine betriebsbedingte Kündigung der sozialen Rechtfertigung, d. h. hier des Fehlens einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und – so gerügt und erforderlich – einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG gibt es keine eingeschränkte Sozialauswahl in Abhängigkeit von den Gründen des Widerspruchs mehr: bei der Sozialauswahl kommt es auf den Grund des Widerspruchs nicht an, also nicht etwa darauf, dass der Arbeitnehmer seinen alten, nunmehr beim Veräußerer befindlichen Arbeitsplatz „unnötig“, „nicht nachvollziehbar“ etc. aufgegeben hat.

Nunmehr vom BAG entschieden ist, dass im Fall der betriebsbedingten Kündigung durch den Veräußerer nach einem Widerspruch durch den Arbeitnehmer der auf Grund des Betriebsübergangs „mitgewanderte“ Betriebsrat keine Zuständigkeit, insbesondere kein Restmandat (§ 21b BetrVG) oder Übergangsmandat (§ 21a BetrVG) für eine Veräußererkündigung hat. Der Betriebsveräußerer muss also seinen alten, übergegangenen Betriebsrat nicht zu einer Kündigung des widersprechenden Arbeitnehmers nach § 102 BetrVG anhören.