Die Wettbewerbsklausel, auch Konkurrenzklausel genannt, ist eine vertragliche Vereinbarung, die Arbeitnehmer daran hindern soll, ihrem (ehemaligen) Arbeitgeber Konkurrenz zu machen. Solange ein Arbeitsverhältnis besteht, ist jede Konkurrenzierung des Arbeitgebers ohnehin aufgrund der gesetzlichen Treuepflicht untersagt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hingegen endet dieses automatische Wettbewerbsverbot – ohne besondere Abrede dürften Arbeitnehmer unmittelbar zur Konkurrenz wechseln. Genau hier setzt die nachvertragliche Wettbewerbsklausel an: Sie soll für eine bestimmte Zeit nach dem Ausscheiden verhindern, dass Know-how, Geschäftsgeheimnisse oder Kundenbeziehungen abwandern. Solche Klauseln sind in der Praxis insbesondere in wissensintensiven Branchen und bei Schlüsselpositionen verbreitet – zum Beispiel in der IT-Branche, im Vertrieb, in der Beratungs- und Finanzbranche oder überall dort, wo Arbeitnehmer Zugang zu sensiblen Informationen und wichtigen Kunden haben. Im Folgenden erfahren Sie, was Wettbewerbsklauseln sind, auf welcher gesetzlichen Grundlage sie beruhen und welche Voraussetzungen für ihre Wirksamkeit gelten. Wir beleuchten typische Vertragsformulierungen aus der Praxis, stellen Gerichtsentscheidungen zur Wirksamkeit und Unwirksamkeit solcher Klauseln vor und erläutern die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern – sowohl beim Abschluss als auch bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Schließlich geben wir Handlungstipps, wie Arbeitgeber Wettbewerbsklauseln rechtssicher gestalten und Arbeitnehmer ihre Verträge überprüfen können.
Was ist eine Wettbewerbsklausel und wann wird sie eingesetzt?
Eine Wettbewerbsklausel ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die dem Arbeitnehmer Wettbewerbstätigkeiten untersagt, entweder während des Arbeitsverhältnisses oder nach dessen Beendigung. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses ist ein solches Wettbewerbsverbot gesetzlich verankert (§§ 60–61 HGB) und muss nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag stehen. Es ergibt sich aus der allgemeinen Treuepflicht: Arbeitnehmer dürfen ihrem Arbeitgeber keine Konkurrenz machen, etwa durch Abwerben von Kunden oder Kollegen oder durch nebenberufliche Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen. Ein Verstoß kann arbeitsrechtliche Konsequenzen haben (bis hin zur fristlosen Kündigung).
Anders ist die Lage nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer nach dem Ende des Jobs zum Wettbewerber wechseln oder selbst in Konkurrenz treten. Das heißt, ohne besondere Abrede kann ein Mitarbeiter sofort nach dem Ausscheiden bei einem Konkurrenzunternehmen anfangen oder eigene Konkurrenzgeschäfte eröffnen. Für Arbeitgeber bedeutet das ein Risiko: Firmenwissen und Kundenkontakte könnten zur Konkurrenz gelangen. Deshalb ist es in vielen Unternehmen üblich, bereits im Arbeitsvertrag oder durch separate Vereinbarung ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot (Konkurrenzklausel) zu vereinbaren. Gerade in Branchen mit starkem Wettbewerb oder bei Mitarbeitern in Schlüsselpositionen (etwa F&E, Vertrieb, Management) erscheint dies sinnvoll, um sich vor Know-how-Abfluss und Kundenverlust zu schützen. Beispielsweise möchte ein Softwareunternehmen verhindern, dass ein Entwickler mit Insiderwissen sofort zur Konkurrenz wechselt, oder ein Verlag will vermeiden, dass ein Vertriebsleiter wichtige Kunden unmittelbar abwirbt.
Definition: Eine typische Wettbewerbsklausel verbietet dem Ex-Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit (meist bis zu 2 Jahre) eine Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen oder eine selbständige Konkurrenztätigkeit. Oft wird der räumliche Geltungsbereich eingeschränkt (z. B. nur innerhalb Deutschlands oder einer Region) und der sachliche Bereich genau definiert (z. B. bestimmte Produkte oder Dienstleistungen, die direkt mit dem Arbeitgeber konkurrieren). Beispiel: In einem Vertrag kann stehen, „Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder selbständig noch unselbständig für ein Unternehmen tätig zu werden, das mit dem Arbeitgeber in direktem oder indirektem Wettbewerb steht.“. Ohne weitere Vereinbarung wäre ein solcher Wechsel zwar erlaubt, aber durch die Klausel wird er untersagt – freilich nur unter bestimmten Voraussetzungen, auf die wir gleich eingehen.
Zusammengefasst: Die Wettbewerbsklausel ist ein rechtliches Instrument, um Abwanderung von Wissen und Kunden nach dem Ausscheiden zu verhindern. Sie beschränkt die berufliche Freiheit des Arbeitnehmers für einen begrenzten Zeitraum, weshalb der Gesetzgeber strenge Grenzen und Kompensationspflichten vorgibt. Im nächsten Abschnitt betrachten wir die gesetzlichen Grundlagen solcher Klauseln, insbesondere § 74 des Handelsgesetzbuches (HGB), der das nachvertragliche Wettbewerbsverbot regelt.
Gesetzliche Grundlagen: § 110 GewO und §§ 74 ff. HGB
Die rechtliche Grundlage für nachvertragliche Wettbewerbsverbote findet sich vor allem in § 110 Gewerbeordnung (GewO) in Verbindung mit §§ 74 bis 75f HGB. § 110 GewO ermächtigt Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Vertragsende zu vereinbaren, und ordnet an, dass die §§ 74 ff. HGB entsprechend gelten. Diese Vorschriften stammen zwar ursprünglich aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) für sogenannte Handlungsgehilfen (altmodisch für kaufmännische Angestellte), gelten aber heute für alle Arbeitnehmer entsprechend. Im Kern regeln sie, unter welchen Bedingungen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot verbindlich ist und welche Rechte beide Seiten haben.
Wichtigste Norm ist § 74 HGB, der zwei Grundvoraussetzungen festlegt:
- Schriftform und Aushändigung (§ 74 Abs. 1 HGB): Die Wettbewerbsabrede muss schriftlich getroffen sein und der Arbeitnehmer muss ein unterzeichnetes Exemplar erhalten. Ohne Schriftform ist die Vereinbarung unwirksam. Eine bloß mündliche Abrede oder ein Verweis im Arbeitsvertrag ohne schriftliche Aushändigung genügt nicht. (Unklar ist derzeit, ob elektronische Form zulässig ist – bis zur Klärung ist klassische Schriftform zu empfehlen.) In der Praxis wird die Aushändigung der Urkunde an den Mitarbeiter gerne übersehen. Fehlt sie, ist das Verbot zumindest für den Arbeitnehmer unverbindlich (dazu später mehr).
- Karenzentschädigung (§ 74 Abs. 2 HGB): Das Verbot ist nur verbindlich, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, dem Arbeitnehmer für die Dauer der Karenz eine Entschädigung von mindestens 50 % der zuletzt bezogenen vertraglichen Leistungen zu zahlen. Diese sogenannte Karenzentschädigung muss für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte des letzten Jahresgehalts betragen. Fehlt eine solche Zusage oder liegt sie unter 50 %, ist das Verbot gesetzlich nicht bindend (Details dazu im nächsten Abschnitt).
Daneben enthalten §§ 74a–74c HGB weitere wichtige Bestimmungen. § 74a HGB verlangt zum Beispiel, dass das Verbot „zur Sicherung eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers“ dienen muss und den Arbeitnehmer nicht unbillig in seinem Fortkommen behindern darf. Außerdem begrenzt § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB die Dauer auf maximal 2 Jahre nach Ende des Arbeitsverhältnisses. Längere Verbotsdauern sind nicht zulässig. Ist trotzdem eine längere Zeit vereinbart, so ist das Verbot für den überschießenden Zeitraum unverbindlich – es reduziert sich faktisch auf 2 Jahre. Interessant: Nach der Rechtsprechung wird sogar eine extrem kurze Dauer (unter ~6 Monaten) kritisch gesehen – hier fehle es oft am berechtigten Interesse, sodass derartige Minimalfristen unzulässig sein können.
Weitere gesetzliche Punkte: § 74a HGB stellt auch klar, dass ein Wettbewerbsverbot gegenüber Minderjährigen unzulässig ist. Arbeitnehmer unter 18 Jahren können nicht wirksam verpflichtet werden; eine Konkurrenzklausel mit einem Minderjährigen ist nichtig. Zudem nennt § 74a Abs. 2 HGB einige Beispiele für sittenwidrige Verbote (etwa wenn der Arbeitnehmer durch das Verbot gezwungen wäre, das Bundesland zu wechseln, um Arbeit zu finden – dann wäre es nichtig). Allerdings sind solche extremen Fälle selten, weil meist schon vorher die Unangemessenheit greift.
Schließlich regeln §§ 74b und 74c HGB die Fälligkeit der Karenzentschädigung und die Anrechnung anderweitigen Verdienstes: Die Entschädigung ist monatlich am Monatsende zu zahlen. Verdient der Ex-Mitarbeiter während der Karenz anderweitig etwas, muss er sich das zum Teil auf die Entschädigung anrechnen lassen – aber nur soweit sein neues Einkommen plus Karenzentschädigung 110 % des früheren Gehalts übersteigen (bzw. 125 % bei einem Umzug). Damit soll vermieden werden, dass der Arbeitnehmer am Ende mehr hat als vorher. In der Praxis bedeutet dies: Findet der Arbeitnehmer einen neuen Job, durch den er inklusive Karenzentschädigung über 110 % seines alten Gehalts käme, kann der alte Arbeitgeber die Karenzzahlung entsprechend kürzen. Bleibt der Verdienst unter dieser Schwelle, erhält der Arbeitnehmer die volle Entschädigung.
Zusammenfassend sind die gesetzlichen Grundlagen sehr arbeitnehmerschützend: Formvorschrift, zeitliche Begrenzung, Entschädigungspflicht und Angemessenheitsprüfung sollen sicherstellen, dass Wettbewerbsklauseln nur in engen Grenzen wirksam sind. Im nächsten Abschnitt betrachten wir diese Voraussetzungen im Detail und was sie konkret bedeuten.
Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer nachvertraglichen Wettbewerbsvereinbarung
Damit eine nachvertragliche Wettbewerbsklausel wirksam und verbindlich ist, müssen alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Schriftform und klare Formulierung: Die Vereinbarung muss schriftlich niedergelegt und vom Arbeitgeber unterzeichnet an den Arbeitnehmer übergeben werden. Ein einfaches Schriftstück im Arbeitsvertrag oder als Zusatzklausel genügt, sofern beide Seiten unterschreiben. Wichtig ist auch, dass die Klausel klar und eindeutig formuliert ist – unklare Formulierungen gehen im Zweifel zulasten des Arbeitgebers. Bei Änderungen der Klausel gilt wieder die Schriftformpflicht (sog. Schriftformklausel).
- Berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers: Der Arbeitgeber muss ein legitimes Interesse daran haben, den Mitarbeiter vom Wettbewerb auszuschließen. Typische legitime Interessen sind der Schutz von Betriebsgeheimnissen, Verhinderung von Abwerbung wichtiger Kunden oder Sicherung besonderer Ausbildungen/Know-hows. Nicht ausreichend sind rein arbeitgeberseitige Wünsche wie die allgemeine Schwächung von Konkurrenten oder bloße Erschwerung des Jobwechsels. Das Verbot darf also nicht weiter gehen, als es zum Schutz legitimer Interessen nötig ist.
- Angemessenheit in Inhalt, Zeit und Ort: Die Klausel muss angemessen begrenzt sein hinsichtlich der Tätigkeiten, der räumlichen Ausdehnung und der Zeitdauer. Sie darf den Arbeitnehmer nicht unbillig in seinem beruflichen Fortkommen behindern (§ 74a Abs. 1 HGB). Inhaltlich sollte das Verbot sich nur auf solche Tätigkeiten erstrecken, die tatsächlich in Wettbewerb zum bisherigen Arbeitgeber stehen. Räumlich sollte es auf das Gebiet begrenzt sein, in dem der Arbeitgeber tätig ist (z. B. nicht „weltweit“, wenn das Unternehmen nur in Deutschland operiert). Zeitlich ist maximal 24 Monate zulässig – üblich sind 6 bis 24 Monate. Mehr als 2 Jahre würden vollständig unverbindlich sein; weniger als 6 Monate gelten als fragwürdig im Hinblick auf das berechtigte Interesse. Gerichte prüfen hier streng: Ein Verbot, das „jegliche Tätigkeit bei einem Wettbewerber“ untersagt, kann wegen Übermaßes insgesamt nichtig sein. Beispiel: OLG Köln erklärte 2023 ein Wettbewerbsverbot für eine Geschäftsführerin für unwirksam, weil es jede Tätigkeit bei Konkurrenz untersagte – trotz hoher Karenzentschädigung von 75 % des Gehalts. Die Klausel benachteiligte die Person unverhältnismäßig und war damit nichtig.
- Karenzentschädigung: Absolut zwingend ist die Vereinbarung einer finanziellen Entschädigung für die Dauer der Wettbewerbsenthaltung. Diese Karenzentschädigung muss mindestens 50 % der zuletzt bezogenen vertraglichen Vergütung betragen (§ 74 Abs. 2 HGB). Sie ist als Gegenleistung dafür gedacht, dass der Arbeitnehmer seine Erwerbstätigkeit einschränkt. Ohne Entschädigung keine Bindung: Enthält der Vertrag keine Karenzentschädigung, ist das Verbot nichtig – es hat keinerlei rechtliche Wirkung. Selbst eine allgemeine salvatorische Klausel im Vertrag kann diesen Mangel nicht heilen. Zu niedrige Entschädigung: Ist zwar eine Entschädigung vereinbart, aber unter 50 % des letzten Gehalts, so ist das Verbot unverbindlich (dazu gleich mehr). Praxisbeispiel: Eine Konkurrenzklausel, die „25 % des letzten Gehalts“ als Entschädigung vorsieht, erfüllt die gesetzliche Mindestquote nicht – der Arbeitnehmer könnte sich dann entscheiden, ob er die 25 % annimmt und das Verbot einhält oder ob er das Verbot ignoriert (dann aber auch keine Entschädigung bekommt).
- Keine Bindung bei Minderjährigen: Wie erwähnt, darf die Klausel nur mit volljährigen Arbeitnehmern wirksam geschlossen werden. Ist der Beschäftigte bei Vertragsschluss noch keine 18, ist die Vereinbarung wirkungslos.
Wenn eine oder mehrere dieser Voraussetzungen nicht erfüllt sind, hat das gravierende Folgen: Entweder das Wettbewerbsverbot ist gänzlich nichtig (dann ist es, als hätte es nie existiert) oder es ist für den Arbeitnehmer „unverbindlich“, was bedeutet, dass der Arbeitnehmer wählen kann, ob er sich daran hält oder nicht. Diese Mechanismen schauen wir uns jetzt genauer an, denn sie sind für das Verständnis wichtig.
Nichtigkeit vs. Unverbindlichkeit: Eine nichtige Wettbewerbsklausel hat keine rechtlichen Wirkungen. Weder kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer daran hindern, zur Konkurrenz zu gehen, noch kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eine Karenzentschädigung verlangen. Nichtigkeit greift insbesondere, wenn die Schriftform fehlt, überhaupt keine Entschädigung zugesagt ist oder der Arbeitnehmer minderjährig war. In solchen Fällen sind beide Seiten völlig frei: der Arbeitnehmer darf zur Konkurrenz, der Arbeitgeber muss nichts zahlen. – Unverbindlichkeit bedeutet dagegen, dass nur der Arbeitnehmer nicht gebunden ist. Er kann sich zu Beginn der Karenzzeit entscheiden: Entweder er hält das Verbot ein und verlangt die vereinbarte (wenn auch zu geringe) Entschädigung oder er ignoriert das Verbot und verzichtet dafür auf die Entschädigung. Unverbindlichkeit kommt typischerweise zum Tragen, wenn zwar eine Klausel existiert, diese aber gegen inhaltliche Vorgaben verstößt – z. B. die Entschädigungshöhe unter 50 % liegt oder das Verbotsgebiet teilweise zu weit geht. In solchen Fällen bleibt das Verbot im Rahmen des Erlaubten wirksam, während der überschießende Teil vom Arbeitnehmer nicht beachtet werden muss. Beispiel: Hat ein Unternehmen nur Kunden in Deutschland, aber die Klausel verbietet dem Arbeitnehmer weltweit in der Branche zu arbeiten, so ist das Verbot räumlich zu weitgehend. Der Arbeitnehmer muss es nur innerhalb Deutschlands beachten, nicht aber weltweit – der weltweite Teil ist für ihn unverbindlich. Trotz dieser Teil-Unverbindlichkeit behält der Arbeitnehmer in der Regel Anspruch auf die volle Karenzentschädigung, solange er den verbleibenden (zulässigen) Teil des Verbots einhält. Ebenso, wenn die Dauer z. B. 30 Monate beträgt: Nach 24 Monaten darf er frei konkurrieren, könnte aber entscheiden, auch die restlichen 6 Monate noch abzuwarten und dafür Entschädigung zu bekommen.
Vertrags-Beispiele aus der Praxis: Nachfolgend zwei auszugsweise Klauselbeispiele aus echten Fällen – eines wirksam, eines unwirksam:
- Wirksame Klausel: „Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Tätigkeit in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen auszuüben, das mit dem Arbeitgeber in direktem oder indirektem Wettbewerb steht … Diese Wettbewerbsvereinbarung gilt für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt von ihm bezogenen Leistungen, zahlbar jeweils am Schluss eines Monats. Auf die Entschädigung ist anderweitiger Erwerb gemäß HGB anzurechnen…“ – Erläuterung: Hier sind Dauer (1 Jahr), Inhalt (konkurrierende Tätigkeit) und Gebiet (Deutschland) angemessen festgelegt. Eine 50 %-Entschädigung ist zugesagt und die Klausel wurde schriftlich vereinbart. Diese Vereinbarung wurde von den Gerichten als verbindlich angesehen, der Arbeitnehmer erhielt die Karenzentschädigung.
- Unwirksame Klausel: „Dem Arbeitnehmer ist untersagt, für die Dauer von zwei Jahren nach Vertragsende in irgendeiner Form für ein Unternehmen tätig zu sein, das mit dem Arbeitgeber im Wettbewerb steht. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung ist eine Vertragsstrafe von 10.000 € vereinbart. Eine Karenzentschädigung ist nicht vorgesehen.“ – Erläuterung: Diese (verkürzt zitierte) Klausel enthielt keine Entschädigung und war damit laut BAG nichtig. Der Arbeitnehmer hielt sich zwar an das Verbot und forderte nachträglich Geld, scheiterte aber vor Gericht – ohne Karenzentschädigung können weder Rechte noch Pflichten aus dem Verbot abgeleitet werden. Die Vertragsstrafe griff ebenfalls nicht, da ein unwirksames Verbot keine Grundlage für Sanktionen bietet.
Man sieht an diesen Beispielen, wie entscheidend die korrekte Formulierung und Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ist. Im nächsten Abschnitt wenden wir uns der Rechtsprechung zu: Welche Gerichte haben sich mit Wettbewerbsklauseln beschäftigt und welche Leitlinien ergeben sich daraus?
Rechtsprechung: Wann sind Wettbewerbsklauseln wirksam oder unwirksam?
Die Arbeitsgerichte – allen voran das Bundesarbeitsgericht (BAG) – haben in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Entscheidungen zu Wettbewerbsklauseln getroffen und damit die oben genannten Grundsätze bestätigt und präzisiert. Hier einige wichtige Urteile und Leitsätze:
- BAG, Urteil vom 22.03.2017 (Az. 10 AZR 448/15): In diesem Fall hatte der Arbeitgeber ein zweijähriges Wettbewerbsverbot ohne jegliche Karenzentschädigung vereinbart, allerdings mit einer allgemeinen salvatorischen Klausel im Vertrag. Die Arbeitnehmerin hielt sich an das Verbot und verlangte die hälftige Vergütung. Das BAG stellte klar, dass Wettbewerbsverbote ohne Karenzentschädigung nichtig sind – weder der Arbeitgeber kann Wettbewerbsenthaltung verlangen, noch hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Geld. Eine salvatorische Vertragsklausel („falls unwirksam, soll eine angemessene Regelung gelten“) konnte den Verstoß gegen § 74 Abs. 2 HGB nicht retten. Die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit müsse sich unmittelbar aus der Vereinbarung selbst ergeben; wenn erst im Nachhinein „hineingelesen“ werden müsste, welche Entschädigung wohl gemeint war, ist das zu spät. Fazit: Ohne klare 50 %-Zusicherung ist das Verbot null und nichtig – das bestätigt die strenge Linie zum Schutz des Arbeitnehmers.
- BAG, Urteil vom 31.01.2018 (Az. 10 AZR 392/17): Hier ging es um die Frage, ob eine Partei von einer wirksam vereinbarten Wettbewerbsklausel zurücktreten kann. Das BAG entschied, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ein gegenseitiger Vertrag ist (Unterlassung gegen Entschädigung). Demnach kann – wie bei gegenseitigen Verträgen üblich – bei Pflichtverletzungen ein Rücktritt erklärt werden. Konkret bedeutete dies: Zahlt der Arbeitgeber die Karenzentschädigung nicht (oder nicht rechtzeitig), darf der Arbeitnehmer vom Wettbewerbsverbot zurücktreten und sich sofort Konkurrenztätigkeiten zuwenden, ohne seinen Entschädigungsanspruch zu verlieren. Umgekehrt kann der Arbeitgeber zurücktreten, wenn der Arbeitnehmer das Verbot bricht, sodass er ab dem Verstoß keine Entschädigung mehr zahlen muss. Diese Entscheidung verdeutlicht die Vertragssymmetrie: Beide Seiten haben Pflichten, und ein Versagen einer Seite entbindet auch die andere (statt den Arbeitnehmer einseitig weiter zu binden).
- OLG Köln, Urteil vom 01.06.2023 (Az. 18 U 29/23): Dieses Urteil betraf zwar eine GmbH-Geschäftsführerin (also formal kein Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne), ist aber hinsichtlich der Angemessenheit aufschlussreich. Das OLG Köln bestätigte ein erstinstanzliches Urteil des LG Köln, wonach ein Wettbewerbsverbot nichtig war, das die Geschäftsführerin vollständig vom Wettbewerb ausschloss. Die Klausel untersagte jede Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen, was das Gericht als unangemessene Behinderung der beruflichen Tätigkeit wertete – und zwar trotz einer Karenzentschädigung von 75 % des Gehalts. Dies zeigt: Eine hohe Entschädigung allein rettet die Klausel nicht, wenn sie inhaltlich zu weit geht. Die Gerichte hoben hervor, dass ein Wettbewerbsverbot sachlich, räumlich und zeitlich notwendig und begrenzt sein muss. Fehlt es an dieser Notwendigkeit oder wird der ehemalige Mitarbeiter „beruflich kaltgestellt“, überwiegt die Berufsfreiheit des Betroffenen (Art. 12 GG) das Unternehmensinteresse. In solchen Fällen sind Klauseln unwirksam, und Betroffene können sogar per einstweiliger Verfügung schnell Klarheit schaffen, dass sie den neuen Job antreten dürfen.
- Weitere Urteile: Die Landesarbeitsgerichte (LAG) haben in zahlreichen Fällen ebenfalls die Unwirksamkeit überzogener Klauseln festgestellt. Beispielsweise hat das LAG München einmal ein Verbot kassiert, das ohne regionale Beschränkung für 24 Monate gelten sollte – es war nicht klar, in welchem Markt der Arbeitnehmer eigentlich nicht arbeiten dürfe, sodass das Verbot als unverhältnismäßig eingestuft wurde (sinngemäß nach dem Motto der Marktabgrenzung, vgl. die Überlegung in Köln). Auch wurde entschieden, dass ein Wettbewerbsverbot gegenstandslos wird, wenn ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigt, ohne dass dieser Kündigungsschutz hat – in einem solchen Fall hielt das Gericht die Klausel für nichtig, da der Schutzzweck (verhindern, dass der Mitarbeiter freiwillig geht) ins Leere lief. Solche Urteile sind einzelfallabhängig, zeigen aber: Gerichte prüfen sehr genau, ob ein Wettbewerbsverbot notwendig, angemessen und korrekt vereinbart ist. Im Zweifel entscheiden sie zugunsten der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers.
- Wirksamkeit bei teilweiser Unverbindlichkeit: Das BAG hat auch klargestellt, dass wenn ein Verbot zwar teilweise über das Zulässige hinausgeht, der Arbeitnehmer nur insoweit frei ist. Hat er das Verbot im erlaubten Umfang eingehalten, behält er den vollen Entschädigungsanspruch. Beispiel: BAG, Urteil vom 21.04.2010 (Az. 10 AZR 288/09) entschied, dass die Karenzentschädigung nur voraussetzt, dass der Arbeitnehmer das Verbot in dem Umfang einhält, wie es verbindlich ist. Überschießende Teile kann er ignorieren, ohne seinen Anspruch zu verlieren.
Insgesamt lässt sich aus der Rechtsprechung ableiten: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote stehen unter dem Vorbehalt strenger Kontrolle. Fehler bei der Ausgestaltung (fehlende Schriftform, keine oder zu geringe Entschädigung) führen zur Unwirksamkeit. Übermäßig weit gefasste Klauseln – etwa globale, pauschale Konkurrenztätigkeitsverbote – gefährden ebenfalls die Wirksamkeit. Arbeitgeber sollten Klauseln daher mit Augenmaß formulieren, und Arbeitnehmer sollten wissen, dass nicht jede Vertragsklausel dem gerichtlichen Check standhält.
Rechte und Pflichten beider Seiten bei Abschluss und Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Vereinbarung einer Wettbewerbsklausel begründet Pflichten sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber, die insbesondere nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zum Tragen kommen.
Während der Beschäftigung: Solange das Arbeitsverhältnis läuft, gilt das gesetzliche Wettbewerbsverbot (§ 60 HGB) – der Arbeitnehmer darf keine Konkurrenz machen. Eine vertragliche Klausel zum nachvertraglichen Verbot entfaltet in dieser Zeit noch keine eigene Wirkung (denn sie bezieht sich ja auf die Zeit danach). Allerdings sollte der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrags darauf achten, dass die Wettbewerbsklausel ordnungsgemäß schriftlich integriert und vom Arbeitnehmer unterschriftlich akzeptiert wird. Zudem muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Ausfertigung aushändigen – es reicht nicht, wenn nur im Personalakt etwas steckt. Häufig wird am Ende des Vertrags dokumeniert, dass jede Partei eine unterschriebene Ausfertigung erhält; dies dient dem Nachweis der Aushändigung.
Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses treten die Pflichten aus der Wettbewerbsklausel in Kraft, sofern sie wirksam vereinbart wurde. Für den Arbeitnehmer bedeutet das: Er muss ab dem Tag nach dem Ausscheiden (bzw. ab dem im Vertrag definierten Startpunkt der Karenz) für die vereinbarte Dauer keine verbotene Konkurrenztätigkeit aufnehmen. Er darf also nicht bei einem vom Verbot erfassten Konkurrenzbetrieb arbeiten oder ein eigenes konkurrierendes Gewerbe betreiben. Verletzt er diese Pflicht, riskiert er erhebliche Konsequenzen: Zum einen verliert er seinen Anspruch auf Karenzentschädigung für die Zeit der Zuwiderhandlung (wer doch in Wettbewerb tritt, bekommt für diese Phase kein Geld vom Ex-AG). Zum anderen kann der ehemalige Arbeitgeber rechtliche Schritte einleiten – typischerweise eine Unterlassungsklage bzw. einstweilige Verfügung, um die Aufnahme der Tätigkeit zu untersagen. Ist im Vertrag zusätzlich eine Vertragsstrafe vereinbart (§ 75c HGB erlaubt das ausdrücklich), muss der Arbeitnehmer für jeden Verstoß diesen pauschalen Betrag zahlen. Beispiel: In obiger unwirksamer Klausel war 10.000 € Strafe vorgesehen – wäre die Klausel gültig gewesen, hätte jeder einzelne Verstoß diese Zahlung ausgelöst. Ohne Vertragsstrafe müsste der Arbeitgeber im Streitfall Schadensersatz in nachweisbarer Höhe fordern, was oft schwieriger ist.
Für den Arbeitgeber bedeutet die wirksame Klausel: Er ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer monatlich die Karenzentschädigung zu zahlen. Diese Zahlungen beginnen in dem Monat nach Ende des Arbeitsverhältnisses und laufen über die vereinbarte Dauer (max. 24 Monate). Die praktische Abwicklung erfolgt meist durch monatliche Überweisungen; viele Arbeitgeber richten dazu gleich mit dem letzten Gehalt eine Daueranweisung ein. Wichtig: Die Entschädigung ist kein Arbeitsentgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinne (wenn sie nach Beschäftigungsende gezahlt wird) – es fallen darauf in der Regel keine Sozialversicherungsbeiträge an. Steuerlich wird die Karenzentschädigung regelmäßig als sonstige Einkünfte behandelt, die jedoch oftmals lohnsteuerfrei sind (hier sollte im Zweifel steuerlicher Rat eingeholt werden). Der Arbeitgeber darf unter gewissen Umständen die Entschädigung kürzen, wenn der Arbeitnehmer ein anrechenbares Einkommen hat (siehe § 74c HGB: 110 %-Regel) – hierzu ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem früheren Arbeitgeber auf Verlangen Auskunft über sein Einkommen während der Karenzzeit zu geben (diese Pflicht findet sich häufig ausdrücklich in den Vertragsklauseln).
Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Wettbewerbsklausel: Bei einer Kündigung oder Aufhebungsvertrag stellen sich oft spezielle Fragen. Grundsätzlich bleibt die Wettbewerbsklausel unabhängig vom Beendigungsgrund gültig. Kündigt also der Arbeitgeber betriebsbedingt oder der Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb – das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gilt, wie vereinbart. Eine Ausnahme ist in der Rechtsprechung umstritten: Kündigt der Arbeitnehmer fristlos aus wichtigem Grund wegen eines vom Arbeitgeber verschuldeten Umstands (z. B. Nichtzahlung von Lohn), so vertreten manche Stimmen, dass der Arbeitgeber dann kein schützenswertes Interesse mehr an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbots hat – es könnte also als unwirksam erachtet werden. Dies ist allerdings nicht gesetzlich geregelt und im Zweifel gerichtlich zu klären. Vorsichtshalber sollten Arbeitgeber in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen klar regeln, ob eine bestehende Konkurrenzklausel fortbesteht, modifiziert wird oder aufgehoben wird.
Verzicht und Aufhebung des Wettbewerbsverbots: Arbeitgeber haben die Möglichkeit, vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten (§ 75a HGB). Ein solcher Verzicht muss schriftlich gegenüber dem Arbeitnehmer erklärt werden und hat zwei Folgen: (1) Die Wettbewerbspflicht des Arbeitnehmers entfällt mit Zugang der Verzichtserklärung, d. h. er darf nach Vertragsende sofort zur Konkurrenz gehen. (2) Der Arbeitgeber muss aber dennoch die Karenzentschädigung zahlen – allerdings nur für ein weiteres Jahr ab Verzicht. Mit Ablauf dieser einjährigen Frist entfällt die Zahlungspflicht. Beispiel: Ein Arbeitgeber kündigt im Januar zum 30.06. und verzichtet gleichzeitig (schriftlich am 15.01.) auf das Wettbewerbsverbot. Ergebnis: Der Arbeitnehmer darf ab 1.07. direkt zur Konkurrenz; der Arbeitgeber muss vom 1.07. bis 14.01. des Folgejahres (ein Jahr ab Verzicht) die Entschädigung zahlen, dann nicht mehr. – Versäumt es der Arbeitgeber, rechtzeitig zu verzichten, kann er nachträglich nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers die Klausel aufheben. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses ist ein einseitiger Verzicht nicht mehr möglich, es sei denn, dies war vertraglich ausdrücklich vorbehalten (und auch dann umstritten). In der Praxis einigen sich die Parteien aber häufig einvernehmlich: Etwa der Arbeitgeber entbindet den Ex-Mitarbeiter schriftlich von der Klausel, und dieser verzichtet im Gegenzug auf die Entschädigung (oder es wird eine Einmalzahlung vereinbart). Solche Aufhebungen sollten schriftlich fixiert werden, um Klarheit zu schaffen.
Zusammengefasst: Nach Vertragsende muss der Arbeitnehmer entweder wettbewerbsfrei bleiben (wenn er die Entschädigung kassieren will) oder kann bewusst dagegen verstoßen (verliert dann aber den Zahlungsanspruch und riskiert rechtliche Schritte). Der Arbeitgeber seinerseits muss pünktlich zahlen und kann seinerseits gerichtlich gegen Verstöße vorgehen oder durch Verzicht die Sache abkürzen. Beide Seiten sollten ihre Rechte und Pflichten genau kennen, um im Konfliktfall richtig zu handeln.
Streitfälle und Konfliktlösung: Wie sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorgehen?
Trotz sorgfältiger Vertragsgestaltung kommt es in der Praxis häufig zu Streitigkeiten über Wettbewerbsklauseln – zum Beispiel wenn ein Arbeitnehmer zu einem neuen Arbeitgeber wechseln will und der alte Arbeitgeber die Konkurrenzklausel durchsetzen will, oder wenn Uneinigkeit über die Zahlung der Karenzentschädigung besteht. Hier einige Szenarien und Handlungsmöglichkeiten:
1. Arbeitnehmer will zur Konkurrenz wechseln, Klausel besteht: Zuerst sollte der Arbeitnehmer prüfen (lassen), ob die Klausel wirksam ist. Idealerweise zieht man hierzu einen Fachanwalt hinzu, der den Vertrag auf Herz und Nieren prüft. Viele Klauseln erweisen sich als unverbindlich oder nichtig, z. B. weil die Entschädigung fehlt oder weil sie zu weit gefasst sind. Findet der Jurist einen solchen Mangel, kann der Arbeitnehmer den Wechsel wagen – oft reicht es, dem alten Arbeitgeber sachlich zu erklären, warum die Klausel unwirksam ist. Im Zweifel könnte man sogar proaktiv eine Feststellungsklage erheben (oder im Eilverfahren eine einstweilige Verfügung beantragen), um gerichtlich feststellen zu lassen, dass keine Bindung besteht. Gerade leitende Angestellte haben mit dieser Taktik jüngst Erfolg gehabt, wie der Fall OLG Köln 2023 zeigt, wo die einstweilige Verfügung der Geschäftsführerin recht gab.
2. Arbeitnehmer will wechseln, Klausel ist wohl wirksam: Hier gibt es grundsätzlich zwei Wege: (a) Den Arbeitgeber um Verzicht oder Aufhebung bitten, (b) Sich trotz Klausel dem Risiko aussetzen. Variante (b) ist riskant – bei klar wirksamer Klausel drohen Unterlassungsverfügungen und Vertragsstrafen, was den neuen Job schnell zunichtemachen kann. Daher sollte man zunächst das Gespräch mit dem alten Arbeitgeber suchen. Option a: Der Arbeitnehmer kann anregen, auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten oder sich abzufinden. Vielleicht ist der Arbeitgeber bereit, einen Aufhebungsdeal zu schließen – z. B. der Arbeitnehmer verzichtet auf die Hälfte der Karenzentschädigung, dafür entlässt der Arbeitgeber ihn aus der Bindung. Oder der neue Arbeitgeber übernimmt im Hintergrund eine Abfindungszahlung an den alten, um den Verzicht zu erkaufen (das kommt vor, wenn ein Konkurrent eine Schlüsselperson einstellen will). Wichtig: Solche Abreden sollten schriftlich erfolgen. Lehnt der alte Arbeitgeber strikt ab, muss der Arbeitnehmer entscheiden, ob er trotzdem wechselt (dann aber ggf. einige Monate unbezahlt pausieren müsste, um keine Pflichtverletzung zu begehen) oder den Wechsel verschiebt, bis die Karenzzeit abgelaufen ist.
3. Arbeitgeber vermutet Verstoß durch Ex-Mitarbeiter: Arbeitgeber sollten hier schnell, aber überlegt handeln. Zuerst steht die Beweissicherung: Gibt es klare Hinweise, dass der Ex-Mitarbeiter gegen die Klausel verstößt (z. B. LinkedIn-Profil, Aussagen von Kunden, eigene Mitarbeiter)? Rechtsanwälte raten, möglichst schriftliche Aufforderungen zu senden: Der ehemalige Arbeitnehmer wird abgemahnt und aufgefordert, die Konkurrenztätigkeit umgehend zu unterlassen. Oft hilft dies schon, um die Fronten zu klären – der Arbeitnehmer könnte dann einwenden, die Klausel sei unwirksam. Im nächsten Schritt kann der Arbeitgeber bei Gericht eine einstweilige Verfügung erwirken, um den Arbeitnehmer vorläufig zu stoppen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Verstoß glaubhaft gemacht wird und die Klausel wahrscheinlich wirksam ist. Gerichte wägen hier auch die Interessen des neuen Arbeitgebers mit ab und sind nicht immer schnell bei der Hand. Parallel oder danach kann der Arbeitgeber Schadensersatzklage erheben, wenn ihm durch den Verstoß ein messbarer Schaden entstanden ist (z. B. Verlust eines Kundenauftrags). Hat man eine Vertragsstrafe vereinbart, lässt sich diese meist leichter durchsetzen als ein unbestimmter Schaden. Wichtig: Solange der Arbeitnehmer gegen das Verbot verstößt, kann der Arbeitgeber auch einfach die Karenzentschädigung einstellen – das setzt ein starkes finanzielles Druckmittel, denn kaum jemand wird doppelt verdienen wollen und gleichzeitig auf die Entschädigung verzichten.
4. Streit über die Karenzentschädigungshöhe oder -zahlung: Mitunter gibt es Streit, ob die Berechnung der Entschädigung korrekt ist – etwa welche Gehaltsbestandteile einzubeziehen sind (Üblich: das zuletzt bezogene Fixgehalt plus variable Vergütungen, Provisionen etc., die für die normale Arbeitsleistung gezahlt wurden). Oder es gibt Streit über die Anrechnung neuer Einkünfte. Hier sollte zunächst ein offener Informationsaustausch erfolgen: Der Arbeitnehmer muss dem alten Arbeitgeber mitteilen, welchen Verdienst er hat, damit dieser ggf. die 110%-Regel anwenden kann. Unklare Fragen (z. B. ob eine Abfindung oder Aktienoption als anrechenbarer „anderweitiger Erwerb“ zählt) sind notfalls gerichtlich zu klären. Weigert sich der Arbeitgeber grundlos zu zahlen, kann der Arbeitnehmer seinen Entschädigungsanspruch einklagen. Da solche Ansprüche oft über Monate gehen, ist dabei auf die Fälligkeit für jeden Monat zu achten – es kann ratsam sein, monatlich klageweise vorzugehen oder eine Feststellung für die Zukunft zu beantragen, je nach Situation. Das BAG hat entschieden, dass Arbeitnehmer die volle Entschädigung verlangen können, sobald sie ihren Teil (Wettbewerbsenthaltung) erfüllen.
Fazit bei Konflikten: Arbeitnehmer sollten frühzeitig Rechtsrat einholen und, wenn möglich, einigungsbereite Lösungen anstreben (Verzicht, Vergleichszahlungen), bevor es eskaliert. Arbeitgeber sollten ihre Ansprüche energisch, aber rechtlich fundiert durchsetzen – und im Zweifel auch prüfen, ob die eigene Klausel überhaupt wasserdicht ist. Viele Konflikte lassen sich vermeiden, wenn die Klauseln von Anfang an klar formuliert und fair austariert sind.
Praxistipps für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Abschließend einige praktische Tipps, um mit Wettbewerbsklauseln rechtssicher umzugehen – jeweils aus Sicht von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Für Arbeitgeber (Gestaltung rechtssicherer Klauseln):
- Notwendigkeit prüfen: Vereinbaren Sie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur für Positionen, in denen es wirklich erforderlich ist. Jederzeit sollten Sie ein berechtigtes Interesse benennen können (z. B. Zugang zu sensiblen Kundendaten, besonderen Betriebsgeheimnissen). Klauseln „auf Vorrat“ für jeden Mitarbeiter sind nicht nur unnötig teuer (wegen der Entschädigung), sondern auch vor Gericht angreifbar.
- Maximal 2 Jahre und angemessener Umfang: Setzen Sie die Dauer des Verbots moderat an – üblich sind 6 bis 12 Monate, höchstens 24 Monate. Definieren Sie den räumlichen Geltungsbereich und den Tätigkeitsbereich so, dass er genau auf Ihr Geschäftsgebiet zugeschnitten ist. Vermeiden Sie Globalverbote, die auch irrelevante Branchen oder Regionen erfassen – diese Teile wären unverbindlich oder machen schlimmstenfalls die ganze Klausel sittenwidrig.
- Karenzentschädigung nicht vergessen: Stellen Sie sicher, dass die Klausel ausdrücklich eine Karenzentschädigung von mindestens 50 % des zuletzt bezogenen Gehalts zusagt. Sie können auch mehr als 50 % anbieten, um die Klausel attraktiver zu machen – aber nie weniger. Die Entschädigung sollte alle Vergütungsbestandteile umfassen, also z. B. Grundgehalt plus regelmäßig gezahlte Boni/Provisionen. Fügen Sie hinzu, wie und wann gezahlt wird (z. B. „monatlich am Monatsende“ – was ohnehin gesetzlich vorgesehen ist).
- Vertragsstrafe erwägen: Um Verstöße zu sanktionieren, kann eine angemessene Vertragsstrafe nach § 75c HGB vereinbart werden. Diese sollte nicht überzogen hoch sein (sonst könnte sie als unwirksam eingestuft werden). Ein übliches Maß sind ein bis zwei Bruttomonatsgehälter pro Verstoß. Eine Vertragsstrafe schafft Abschreckung und erleichtert Ihnen die Durchsetzung, da Sie nicht erst einen konkreten Schaden nachweisen müssen.
- Verzichtsklausel aufnehmen: Überlegen Sie, eine Klausel einzubauen, die es Ihnen erlaubt, bereits vor Ausscheiden durch Erklärung zu verzichten. Zwar erlaubt § 75a HGB das ohnehin, aber im Vertrag kann man den Mechanismus konkretisieren. Zum Beispiel: „Der Arbeitgeber kann jederzeit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichten; in diesem Fall endet die Zahlungsverpflichtung ein Jahr nach dem Verzicht.“ So wissen beide Seiten Bescheid.
- Dokumentation und Beratung: Lassen Sie Wettbewerbsvereinbarungen juristisch prüfen, besonders wenn sie für viele Mitarbeiter als Standardklausel genutzt werden (Thema AGB-Kontrolle!). Achten Sie darauf, dass jede Vertragspartei eine unterzeichnete Kopie erhält – idealerweise lassen Sie sich den Erhalt schriftlich bestätigen (auch wenn Quittierungsklauseln in Formularverträgen problematisch sein können).
Für Arbeitnehmer (Überprüfung bestehender Verträge und Verhaltenstipps):
- Vertrag genau lesen: Wenn Ihr Arbeitsvertrag eine Wettbewerbsklausel enthält, prüfen Sie die Details. Stehen dort Dauer, geografischer Umfang, Tätigkeitsbereich klar drin? Ist eine Karenzentschädigung von mindestens 50 % ausdrücklich erwähnt? Ist die Klausel unterschrieben und Teil des Vertrags? Falls Sie Unklarheiten entdecken (z. B. keine Entschädigungsregelung, sehr weites Verbot), deutet das auf Unwirksamkeit hin. Scheuen Sie sich nicht, Rückfragen an HR oder den Arbeitgeber zu stellen – oft zeigt sich dann schon die Verbindlichkeit.
- Nicht voreilig verzichten: Unterschreiben Sie keine Verzichtserklärung oder Aufhebungsvereinbarung, die Ihnen Ihre Rechte aus der Klausel nimmt, ohne das gut abzuwägen. Beispiel: Manche Arbeitgeber bieten bei Kündigung an, das Wettbewerbsverbot entfallen zu lassen – was im Grunde gut ist – wollen dafür aber keine oder nur geringe Abfindung zahlen. Bedenken Sie: Steht Ihnen eine Karenzentschädigung zu, ist das ein wertvoller Anspruch. Wenn Sie ohnehin nicht vorhatten, zur Konkurrenz zu gehen, wäre es finanziell nachteilig, diesen Anspruch vorschnell abzugeben. Andererseits, wenn Sie unbedingt sofort wechseln wollen, kann ein Aufhebungsvertrag mit Verzicht sinnvoll sein – aber handeln Sie dann ggf. eine Kompensation aus.
- Bei Wechselabsicht früh informieren: Wollen Sie das Unternehmen verlassen und haben eine gültige Konkurrenzklausel, lohnt es sich, frühzeitig mit dem Arbeitgeber zu sprechen. Manche Arbeitgeber sind bereit, auf das Verbot zu verzichten, insbesondere wenn der Mitarbeiter intern keine kritische Rolle für Wettbewerb spielte oder ins Ausland geht etc. Ein offenes Gespräch kann zu Lösungen führen: Vielleicht vereinbaren Sie, die Karenzzeit zu verkürzen oder auf bestimmte Konkurrenten zu beschränken. Schriftlich bestätigen lassen, was abgemacht wurde!
- Rechtliche Beratung einholen: Im Konfliktfall – etwa wenn Sie ein tolles Angebot von der Konkurrenz haben, aber die Klausel im Nacken – sollten Sie unbedingt arbeitsrechtlichen Rat einholen, bevor Sie handeln. Ein Anwalt kann einschätzen, ob die Klausel wirklich greift, und kann ggf. mit dem Arbeitgeber verhandeln. Auch wenn Sie bereits bei der Konkurrenz angefangen haben und der alte Arbeitgeber Ansprüche stellt, gilt: sofort Anwalt einschalten. Viele Rechtschutzversicherungen decken Arbeitsrecht ab; auch ohne sollte man das investieren, da die Folgen (Verlust des neuen Jobs, Vertragsstrafen) gravierend sein können.
- Kein „versteckter“ Wettbewerbsverstoß: Widerstehen Sie der Versuchung, das Verbot zu umgehen, indem Sie z. B. formell eine andere Tätigkeit annehmen, die aber faktisch beim Wettbewerber angesiedelt ist. Manche denken, sie könnten etwa über Drittunternehmen oder freiberuflich indirekt beim Konkurrenten arbeiten. Das ist gefährlich: Gerichte schauen auf die tatsächlichen Umstände. Wenn Sie gegen den Geist der Klausel handeln, kann das als Verstoß gewertet werden. Besser offen und rechtskonform vorgehen, als später in Erklärungsnot zu kommen.
Sonderfall: Geschäftsführer und andere Organe: Zum Abschluss ein Hinweis für kleinere Unternehmen, in denen oft Geschäftsführer oder Gesellschafter eine Rolle spielen. Geschäftsführer einer GmbH gelten rechtlich nicht als Arbeitnehmer, weshalb die §§ 74 HGB für sie nicht unmittelbar gelten. Die Wirksamkeit von Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer richtet sich nach § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) und den allgemeinen Grundsätzen, wobei die Gerichte die Maßstäbe der §§ 74 HGB aber oft heranziehen. Praktisch heißt das: Auch Geschäftsführer haben in der Regel Anspruch auf eine angemessene Karenzentschädigung und Begrenzung der Klausel, aber die 50 %-Grenze ist nicht zwingend – es kann frei vereinbart werden. Allerdings neigt der Bundesgerichtshof (BGH) dazu, extreme Verbote (z. B. „Globalverbot“ jeglicher Tätigkeit) als nichtig anzusehen. Für Gesellschafter gelten wiederum Sonderregeln; hier hat der BGH sogenannte Kundenschutzklauseln gebilligt, die einen ausscheidenden Gesellschafter nur untersagen, ehemalige Kunden abzuwerben. Die Details führen an dieser Stelle zu weit – wichtig ist: Unternehmensorgane sollten individuelle Beratung einholen, da arbeitsrechtliche Schutzvorschriften nicht eins zu eins greifen. Kleine Unternehmen, die einem Geschäftsführer ein Wettbewerbsverbot auferlegen wollen, sollten insbesondere beachten, dass ohne vertragliche Entschädigungsregel zwar kein automatischer Anspruch besteht, aber eine Klausel ohne Gegenleistung unter Umständen als unwirksam verworfen werden kann (wegen übermäßigem Eingriff in die Berufsfreiheit). Im Zweifel gelten ähnliche Fairness-Kriterien wie bei Arbeitnehmern.
Fazit
Eine Wettbewerbsklausel kann ein sinnvolles Instrument sein, um Unternehmen vor unliebsamem Wissens- und Kundenverlust zu schützen – doch sie ist juristisch anspruchsvoll. Der Gesetzgeber hat mit § 74 HGB und den folgenden Paragraphen klare Leitplanken gesetzt: Schriftform, Entschädigung, zeitliche Begrenzung und Angemessenheit sind unabdingbar. Für Arbeitnehmer bedeutet dies ein hohes Maß an Schutz der beruflichen Freiheit: „Darf ich wirklich nicht zur Konkurrenz wechseln?“ – Diese Frage lässt sich oft mit „Doch, du darfst“ beantworten, wenn der Arbeitgeber die strengen Voraussetzungen nicht eingehalten hat. Andererseits: Ist die Klausel wirksam vereinbart, sollten Arbeitnehmer sie nicht auf die leichte Schulter nehmen – Verstöße können teuer werden und den neuen Job gefährden. Beide Seiten sind gut beraten, im Zweifel frühzeitig anwaltlichen Rat einzuholen.
Abschließend ist zu betonen, dass Wettbewerbsklauseln kein Allheilmittel sind. Sie ersetzen nicht ein gutes Betriebsklima oder Bindung durch attraktive Arbeitsbedingungen. Kleine und mittlere Unternehmen sollten genau abwägen, für wen sie eine solche Klausel vereinbaren – denn sie gehen damit auch eine finanzielle Verpflichtung ein. Wenn sie vereinbart wird, dann bitte sorgfältig formuliert und im Zweifel mit Hilfe von Musterklauseln oder Beratung, um die Klausel rechtssicher zu gestalten. Arbeitnehmern sei geraten, Verträge nicht blind zu unterschreiben, sondern besonders auf Klauseln „im Kleingedruckten“ wie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu achten. Im Ernstfall gibt es jedoch dank klarer Rechtslage und Rechtsprechung genügend Mittel und Wege, um zu einer fairen Lösung zu gelangen – sei es durch Verhandlungen oder vor Gericht. Wettbewerbsklauseln sollen letztlich einen Interessenausgleich schaffen: Den Know-how-Schutz für Arbeitgeber und einen finanziellen Ausgleich für Arbeitnehmer, die temporär ihre Karrierefreiheit opfern. Mit diesem Verständnis und sorgfältiger Gestaltung können sie genau das leisten.