Sozialauswahl

Was bedeutet die Sozialauswahl des Arbeitgebers?

Die Sozialauswahl ist ein wesentlicher Begriff im deutschen Arbeitsrecht.

Die betriebsbedingte Kündigung ist trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse sozial ungerechtfertigt, d.h. rechtsunwirksam, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Mit dieser sozialen Auswahl wird dem Arbeitgeber aufgegeben, bei der Auswahl des zu Kündigenden nach der sozialen Schutzbedürftigkeit vorzugehen. Er hat zu prüfen, welcher Arbeitnehmer am wenigsten auf den Arbeitsplatz angewiesen ist.

Auch wenn es dem Arbeitgeber gelingt, die in den bisherigen Tipps zur Feststellung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung dargestellten Anforderungen zu erfüllen, also seine Kündigung nicht bereits an den vorstehend aufgezeigten Hürden beim Arbeitsgericht scheitern würde, muss er immer geprüft haben, ob der zur Entlassung vorgesehene Arbeitnehmer derjenige ist, der unter den vergleichbaren Arbeitnehmern aufgrund seiner Sozialdaten am wenigsten auf den Arbeitsplatz angewiesen ist.

Dieser vom Unternehmer zusätzlich zu prüfende Aspekt wird arbeitsrechtlich unter dem Begriff der sogenannten Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG) eingeordnet und bedeutet nichts anderes, als dass der Gesetzgeber des Kündigungsschutzgesetzes das Risiko des Arbeitsplatzverlustes aus betriebsbedingten Gründen nach bestimmten sozialen Gesichtspunkten verteilen wollte.

Nach § 1 Abs. 3 KSchG ist eine Kündigung dann sozialwidrig und damit unwirksam, wenn zwar dringende betriebliche Gründe für eine Kündigung vorliegen, der Arbeitgeber aber bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Die Notwendigkeit, eine Sozialauswahl vorzunehmen, setzt also in der Regel die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes voraus und ist nur bei betriebsbedingten Kündigungen erforderlich.

Die soziale Auswahl muss sich auf den gesamten Betrieb erstrecken, also nicht nur auf die Abteilung, in der der Arbeitsplatz weggefallen ist. Ihre Prüfung erfolgt im Rahmen folgender Schritte: Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer, Auswahlentscheidung, Herausnahme einzelner Mitarbeiter.

Kommen für eine betriebsbedingte Kündigung mehrere Arbeitnehmer in Betracht, dann muss der Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer der Frage nachgegangen sein, ob er derjenige ist, der am wenigsten schutzbedürftig ist und demzufolge am Ehesten entlassen werden kann.

Wenn der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung den falschen Arbeitnehmer auswählt bzw. – noch präziser – anstatt dem gekündigten Arbeitnehmer einem anderen mit diesem vergleichbaren Arbeitnehmer hätte kündigen müssen, dann hat der gekündigte Arbeitnehmer gute Chancen, die Kündigungsschutzklage allein aus diesem Grund zu gewinnen und auf den Arbeitsplatz zurückzukehren oder eine Abfindung zu erstreiten.

 

Wie bestimmt der Arbeitgeber den Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer?

Von vornherein nicht in die Sozialauswahl mit einzubeziehen und damit vor einer betriebsbedingten Kündigung besser geschützt sind Sie dann,

Auch leitende Angestellte nehmen an der Sozialauswahl teil. Voraussetzung ist nur, dass der leitende Angestellte eine vergleichbare Tätigkeit wie andere Arbeitnehmer verrichtet.

Ob der Arbeitgeber, wenn er eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht, bei der Sozialauswahl richtig vorgegangen ist, kann anhand von drei Prüfungsschritten überprüft werden:

  1. Zutreffende Ermittlung der vergleichbaren Arbeitnehmer
  2. Berechtigter Ausschluss einzelner Arbeitnehmer aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer (Vorrang betrieblicher Gründe)
  3. Richtige Auswahlentscheidung nach sozialen Gesichtspunkten

Einzubeziehen sind alle gegenseitig austauschbaren Arbeitnehmer der gleichen betrieblichen Hierarchieebene (sog. „horizontale Vergleichbarkeit“), also alle, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und nach den individuellen vertraglichen Regelungen im Rahmen des Direktionsrechts versetzt werden könnten.

Zu prüfen ist dabei, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, vom Arbeitgeber einseitig auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden könnte, um (ggfs. nach kurzer Einarbeitungszeit) die Funktion des dort beschäftigten Arbeitnehmers auszufüllen.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Reichweite arbeitsvertraglicher Versetzungsvorbehalte; je weiter diese gefasst sind, umso umfassender ist ggf. der Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer.

Diese Wechselwirkung ist Arbeitgebern bei der Arbeitsvertragsgestaltung häufig nicht bewusst.

 

1. Schritt: auswahlrelevanter Personenkreis

Bei Kündigung sind grundsätzlich alle miteinander vergleichbaren Arbeitnehmer eines Arbeitgebers in die Sozialauswahl mit einzubeziehen.

Für die Frage, ob der betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer derjenige Arbeitnehmer ist, der im Vergleich zu seinen Arbeitskollegen am wenigsten auf den Arbeitsplatz angewiesen ist, kann sich der gekündigte Arbeitnehmer grundsätzlich auf alle im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer berufen, die von der Art der Tätigkeit her mit ihm vergleichbar sind.

Beispiel: Wenn sich der Arbeitgeber entschließt, beispielsweise von 10 technischen Zeichnern der Konstruktionsabteilung 5 Zeichner aus Gründen der Kostenersparnis zu entlassen, dann besteht hinsichtlich der Vergleichbarkeit kein Problem, wenn alle Betroffenen technische Zeichner sind. Der Arbeitgeber muss nun zwingend prüfen, ob die 5 technischen Zeichner, die er behalten will, auch wirklich diejenigen sind, die am ehesten auf ihren Arbeitsplatz angewiesen sind. Behält er einen technischen Zeichner, der weniger schutzwürdig ist als ein zur Entlassung anstehender technischer Zeichner, dann kann sich der Arbeitnehmer spätestens mit der Kündigungsschutzklage auf diesen Auswahlfehler berufen und – wenn das Arbeitsgericht der gleichen Ansicht ist – seinen Prozess gegen die Kündigung allein aufgrund dieses Fehlers des Arbeitgebers gewinnen.

Hinweis: Wenn sich der gekündigte Arbeitnehmer in der Kündigungsschutzklage auf einen Auswahlfehler beruft, muss er nicht befürchten, dass er dadurch einem Kollegen den Arbeitsplatz wegnimmt. Wenn sich der gekündigte Arbeitnehmer in der Kündigungsschutzklage gegen den Arbeitgeber auf die mangelhafte Sozialauswahl beruft, geht es nur darum, den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers zu erhalten oder eine Abfindung zu erstreiten. Auf den Bestand des sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmers bleibt der Ausgang der Kündigungsschutzklage ohne Auswirkung!

Hinweis: Arbeitnehmer können auch mit Arbeitnehmern des Arbeitgebers vergleichbar sein, die eine andere Tätigkeit als sie bisher ausgeübt haben. Es genügt, wenn der gekündigte Arbeitnehmer nach Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes die Funktion eines anderen noch im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmers übernehmen könnte. Hierbei reicht es vollkommen aus, wenn der gekündigte Arbeitnehmer aufgrund seiner bisherigen Aufgaben im Betrieb und angesichts seiner bisherigen beruflichen Qualifikation auch eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit eines anderen Arbeitskollegen ausüben könnte. Die Vergleichbarkeit mit einem Arbeitnehmer, der eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausübt, ist selbst dann gegeben, wenn eine kurze Einarbeitungszeit erforderlich wäre, um diese Tätigkeit ausüben zu können. Das muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung geprüft haben, sonst ist die Kündigung unwirksam. Noch weitergehend ist zu beachten, dass die Sozialauswahl nicht nur abteilungsbezogen, sondern betriebsbezogen ist. In die soziale Auswahl müssen also alle Arbeitnehmer des gesamten Betriebes des Arbeitgebers einbezogen werden, die mit Ihnen vergleichbar sind.

Beispiel: Wären, um das vorerwähnte Beispiel fortzuschreiben, nicht nur in der Konstruktionsabteilung, sondern überhaupt im Betrieb noch weitere technische Zeichner als solche tätig, dann sind auch diese in die Überlegungen des Arbeitgebers zur zutreffenden Sozialauswahl mit einzubeziehen. Vergisst er dies und wäre eine einzubeziehende Person weniger schutzwürdig als der gekündigte Arbeitnehmer, hat der Arbeitnehmer allein aus diesem Grund Erfolg mit einer Kündigungsschutzklage.

Unter bestimmten Umständen muss die Sozialauswahl sogar betriebsübergreifend erfolgen. Das ist nämlich dann der Fall, wenn mehrere Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten. Ein gemeinsamer Betrieb kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn von mehreren – manchmal sogar in einem Gebäude untergebrachten – Unternehmen im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einer einheitlichen Leitungsmacht identische oder auch verschiedene arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt werden. In einem solchen Fall kann sich der Arbeitnehmer sich für die Sozialauswahl auch auf vergleichbare Arbeitnehmer der anderen Unternehmen berufen.

 

2. Schritt: berechtigte Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer (Vorrang betrieblicher Interessen)

Es besteht die Möglichkeit, einzelne Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herauszunehmen.

So kann der Arbeitgeber bei der Auswahl Arbeitnehmer herausnehmen, deren Weiterbeschäftigung „im berechtigten betrieblichen Interesse“ liegt (sog. Leistungsträgerklausel, § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG).

Zur Begründung eines solchen Interesses kann sich der Arbeitgeber jedoch nicht allein darauf berufen, dass der Arbeitnehmer im Vergleich zu einem anderen beispielsweise weniger krankheitsanfällig sei.

Ein berechtigtes betriebliches Interesse kann aber nach der neuen Formulierung des Gesetzes die „Erhaltung der Personalstruktur des Betriebes“ darstellen.

Falls die Arbeitsgerichte diese Vorschrift weit auslegen, entwertet dies die sozialen Besitzstände vieler (vor allem älterer) Arbeitnehmer, die sie durch ihr Lebensalter und ihre langjährige Betriebszugehörigkeit erworben haben.

Dann darf der Arbeitgeber neue jüngere Mitarbeiter behalten und älteren langjährigen kündigen.

Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG muss der Arbeitgeber solche Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einbeziehen, deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, und zwar „insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes“. Das bedeutet, dass Ihr Arbeitgeber Mitarbeiter, die er aus betriebstechnischen, wirtschaftlichen oder sonstigen berechtigten betrieblichen Bedürfnissen unbedingt benötigt („Leistungsträger“), behalten darf. Er kann sie von der sozialen Auswahl ausnehmen.

Als betriebstechnische Bedürfnisse sind Umstände anzunehmen, welche die Aufrechterhaltung der technischen Arbeitsabläufe (z.B. im Produktionsbereich) betreffen. Wirtschaftliche Bedürfnisse betreffen die Verbesserung der Ertragslage eines Betriebes.

Tipp: Arbeitnehmer sollten darauf darauf, dass sie durch Fortbildungsmaßnahmen für den Arbeitgeber unverzichtbare Spezialkenntnisse erwerben. Dann kann der Arbeitgeber sie bei der Sozialauswahl auslassen; solche Arbeitnehmer sind besser vor einer betriebsbedingten Kündigung geschützt.

Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, einen anderen Arbeitnehmer nur aus dem Grunde nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen, weil dieser leistungsstärker ist. Leistungsunterschiede sind nur in seltenen Ausnahmefällen zu berücksichtigen, nämlich dann, wenn sie so erheblich sind, dass auf einen leistungsstärkeren Arbeitnehmer im Interesse eines geordneten Betriebsablaufs nicht verzichtet werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betrieb sich in der Verlustzone befindet.

Hinweis: Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht allein deshalb bei der Sozialauswahl als vorrangig „entlassungswürdig“ ansehen, weil er häufiger krank war. In diesem Fall kommt ein wirtschaftliches Bedürfnis für die Entlassung trotz günstiger Sozialdaten nämlich nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung vorliegen.

Tipp: Hat der Arbeitgeber die betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen und dabei zu Unrecht einen oder mehrere Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herausgenommen, so ist der Arbeitgeber auf die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers vor dem Arbeitsgericht gezwungen, die Gründe für die Aussonderung und damit das Behaltendürfen dieser Arbeitnehmer im Einzelnen darzulegen und, falls der gekündigte Arbeitnehmer begründete Einwände hat, auch zu beweisen. Schafft der Arbeitgeber das nicht, hat der gekündigte Arbeitnehmer die Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht gewonnen.

 

3. Schritt: richtige Auswahlentscheidung nach sozialen Gesichtspunkten

Wenn der Arbeitgeber alle die bisher erwähnten Hindernisse überwunden hat und der Kreis der zu entlassenden vergleichbaren Arbeitnehmer feststeht, muss er bei seiner Entscheidung, wen von mehreren Arbeitnehmern die Kündigung trifft, nach den im Kündigungsschutzgesetz geregelten sozialen Gesichtspunkten vorgehen. Es sind folgende unabdingbare Faktoren für jeden vergleichbaren Arbeitnehmer festzustellen:

Zu den vom Arbeitgeber bei der Sozialauswahl zu berücksichtigenden Daten gehören weiter persönliche Umstände des zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmers.

Zu seinen Gunsten können sich auf eine Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall zurückzuführende Erkrankungen, eine bestehende Schwangerschaft oder Schwerbehinderung oder auch schlechte Arbeitsmarktchancen auswirken.

Die Vermögenssituation des Arbeitnehmers ist bedeutungslos, sonst würde man den Sparsamen bestrafen. Ob und wie der Verdienst des Ehe- oder Lebenspartners in die soziale Auswahl einzubeziehen ist, hängt vom Einzelfall ab. Ist der Doppelverdienst nötig, um die Existenzgrundlage der Familie zu sichern, schlägt er bei der Sozialauswahl nicht negativ zu Buche. Eine Erkrankung von Angehörigen ist hingegen ohne Bedeutung, weil ein Bezug zum Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers fehlt. Auch die Möglichkeit, vorzeitig Ruhestandsleistungen in Anspruch zu nehmen, wirkt sich grundsätzlich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers aus. Die Einberufung zum Wehr- oder Zivildienst darf im Rahmen der sozialen Auswahl nicht berücksichtigt werden.

 

Nach welchen Kriterien trifft der Arbeitgeber seine Sozialauswahl?

Nach den im Gesetz abschließend aufgezählten Gesichtspunkten ist dann unter den vergleichbaren Arbeitnehmern derjenige zu ermitteln, den eine Kündigung am wenigsten hart treffen würde.

Diesem „sozial stärksten“ Arbeitnehmer ist dann zu kündigen.

Folgende ausschließliche  Kriterien (sog. Sozialkriterien) sind vom Arbeitgeber zu berücksichtigen:

  1. Dauer der Betriebszugehörigkeit
  2. Lebensalter
  3. Unterhaltspflichten
  4. Schwerbehinderung

In Betrieben, in denen ein Betriebsrat gewählt ist und die Betriebsparteien sog. Auswahlrichtlinien (vgl. § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes) vereinbart haben, sind dabei die Regelungen solcher Richtlinien zu berücksichtigen.

In diesem Fall kann im Kündigungsschutzprozess die Sozialauswahl nur noch auf „grobe Fehlerhaftigkeit“ überprüft werden.

Grob fehlerhaft ist die soziale Auswahl erst dann, wenn die gesetzlichen Auswahlkriterien überhaupt nicht zu Grunde gelegt wurden oder die einzelnen Gesichtspunkte in einem auffälligen Missverhältnis zueinander gewichtet wurden.

Arbeitnehmer sollten besonders darauf achten, dass der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl nur die Sozialdaten berücksichtigen muss, deren Kenntnis vorausgesetzt wird. Er darf sich auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte verlassen, solange ihm nicht aus anderen Gründen bekannt ist oder bekannt sein müsste, dass diese unzutreffend sind. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, im Vorfeld einer betriebsbedingten Kündigung Erkundigungen einzuholen, um sich ein möglichst genaues Bild von Ihren Sozialdaten zu verschaffen.

Tipp: Arbeitnehmer sollten deshalb rechtzeitig dafür Sorge tragen, dass die sonstige soziale Lage oder nachteilige Veränderungen – Heirat, Geburt von Kindern, Schwerbehinderteneigenschaft, schlechter Gesundheitszustand nach einem Arbeitsunfall, Arbeitslosigkeit unterhaltsberechtigter Familienangehöriger, schlechte Vermittelbarkeit usw. – dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat auch – ggf. schriftlich – bekannt werden.

 

1. Dauer der Betriebszugehörigkeit

Bei dem Kriterium „Dauer der Betriebszugehörigkeit“ sollten Arbeitnehmer unbedingt aufpassen, dass es trotz der Formulierung „Betriebszugehörigkeit“ nicht auf die Zugehörigkeit im Betrieb, sondern auf die im Unternehmen ankommt. Maßgeblich ist herbei der ununterbrochene rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses, wie die Juristen sagen.

Sollten Arbeitnehmer beim Arbeitgeber früher tätig gewesen sein und nach längerer Unterbrechung von mehreren Monaten dort wieder mit einer Arbeit anfangen, empfiehlt sich eine eine Anrechnungsvereinbarung etwa folgenden Inhalts mit dem Arbeitgeber zu schließen:

„Die Arbeitsvertragsparteien sind sich darüber einig, dass die Beschäftigungszeit im Unternehmen vom XX bis XX auf das neu begründete Arbeitsverhältnis angerechnet wird.“

Aus Beweisgründen sollten Arbeitnehmer diese Vereinbarung unbedingt schriftlich schließen. Am Einfachsten ist es, wenn eine solche Klausel irgendwo in den neuen Arbeitsvertrag aufgenommen wird.

Gelegentlich finden sich sogar in Tarifverträgen ausdrückliche Vorschriften, die eine Anrechnung von Zeiten auch bei einem anderen Arbeitgeber derselben Branche (Bewachungsgewerbe) vorsehen.

Werden Arbeitszeiten auf diesem Weg angerechnet, führt dies dazu, dass von einer längeren Beschäftigungszeit auszugehen ist. Dies kann Arbeitnehmer im Fall einer betriebsbedingten Kündigung unter Umständen vor dem Arbeitsplatzverlust bewahren oder dem gekündigten Arbeitnehmer zu einer (höheren) Abfindung verhelfen, wenn er hierdurch im Vergleich zu anderen zur Entlassung anstehenden Arbeitnehmern sozial schutzbedürftiger werden.

 

2. Lebensalter

Hinsichtlich des Lebensalters ist auf das Alter des gekündigten Arbeitnehmers und der übrigen Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen.

 

3. Unterhaltspflichten

Bezüglich des weiteren Kriteriums „Unterhaltspflichten“ geht es um die gesetzlichen Unterhaltspflichten nach dem BGB. Ob und in welchem Umfang Unterhaltspflichten bestehen wird nach dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bewertet. Hierbei ist es jedoch gleichgültig, ob der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt seinen bestehenden Unterhaltspflichten nicht oder nur mangelhaft nachkommt.

Arbeitnehmer sollten dabei bedenken, dass es nicht zwingend auf die Zahl der Unterhaltsberechtigten ankommt, sondern die Höhe des Unterhalts von Bedeutung sein kann, der rechtlich von diesem zu leisten ist. Insofern sollten die Arbeitnehmer einwenden, wenn der Ehepartner keine oder nur geringe Einkünfte hat.

 

4.Schwerbehinderung

Als viertes Kriterium ist die Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers in die Sozialauswahl einzubeziehen. Voraussetzung für die Berücksichtigung ist allerdings die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft, also eines Grades der Behinderung von 50 oder mehr. Arbeitnehmer sind daher gut beraten, rechtzeitig die Anerkennung als Schwerbehinderter zu beantragen. Ebenfalls im Rahmen der Sozialauswahl ist zu berücksichtigen, wenn der gekündigte Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung unter 50 einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist.

 

Wie sieht es mit der Sozialauswahl in Kleinbetrieben aus?

Zwar gilt das Kündigungsschutzgesetz nur in Betrieben mit mehr als 10 Mitarbeitern .

Aus diesem Grund ist auch erst nach Überschreiten dieser Grenzen eine Sozialauswahl der oben beschriebenen Art vorzunehmen.

In einigen Ausnahmefällen hat das Bundesarbeitsgericht aber eine „Sozialauswahl in Kleinbetrieben“ bejaht.

Diese Entscheidungen betrafen jedoch lediglich Fallgestaltungen, in denen die gegenseitigen sozialen Belange und das Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme in eklatanter Weise verletzt wurden.

Eine grundsätzliche Pflicht eine Sozialauswahl im Kleinbetrieb durchzuführen besteht auch nach dieser Rechtsprechung nicht.

 

Wie sieht es mit der Sozialauswahl bei Leiharbeitern aus?

Die Grundsätze der Sozialauswahl gelten auch für die Kündigung von Arbeitnehmern in Unternehmen, die Arbeitnehmer an andere Unternehmen verleihen.

Die Sozialauswahl ist betriebsbezogen durchzuführen.

Bei Arbeitnehmerüberlassung ist der Betrieb derjenige des Verleihers.

Die im Einsatz befindlichen Leiharbeitnehmer bleiben auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung beim Entleiher Angehörige des Betriebs des Verleihers.

Der Verleiher muss ggf. einen Arbeitnehmer gegen einen der übrigen überlassenen, sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer auszutauschen.

Er kann sich in der Regel nicht darauf berufen, keine Sozialauswahl vornehmen zu müssen, weil sich der Entleiher eine Letztentscheidung vorbehält, welcher Arbeitnehmer bei ihm eingesetzt werden soll.

Das verleihende Unternehmen muss ggf. die Sozialauswahl vornehmen, bevor es bei der Neubesetzung von Stellen die Profile seiner Arbeitnehmer an andere Unternehmen übersendet.

Es muss in diesem Fall den Entleihern die Profile der sozial schutzwürdigeren Kandidaten übersenden.

 

Wie erhalten Arbeitnehmer die Sozialdaten des Arbeitgebers?

Um überprüfen zu können, ob der Arbeitgeber die „richtigen“, also am wenigsten auf seinen Arbeitsplatz angewiesenen Arbeitnehmer entlässt oder bereits entlassen hat, kann sich für den gekündigten Arbeitnehmer insbesondere in größeren Betrieben das praktische Problem stellen, wie an die Sozialdaten der übrigen vergleichbaren Arbeitskollegen heranzukommen ist, denn nur dann ist der gekündigte Arbeitgeber in der Lage, die vom Arbeitgeber vorgenommene Sozialauswahl überprüfen zu lassen und festzustellen, ob die Kündigung aus diesem Grund vor dem Arbeitsgericht mit der Kündigungsschutzklage angegriffen werden soll.

Arbeitnehmer können sich zur Erlangung der Sozialdaten zunächst an die Personalabteilung des Arbeitgebers wenden. Diese kann das Auskunftsverlangen des gekündigten Arbeitne hmers nicht mit der Begründung ablehnen, man dürfe aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft erteilen. Insoweit können sich Arbeitnehmer auf das Urteil des BAG vom 24.03.1983, Aktenzeichen 2 AZR 21/82 berufen.

Nach dem Stand der vorstehend zitierten Rechtsprechung kann ein gekündigter Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber allerdings nicht verlangen, dass er eine vollständige Auflistung der Sozialdaten aller objektiv vergleichbaren Arbeitnehmer seines Betriebes vorlegt. Das Gesetz spricht lediglich von der Angabe der Gründe, die zur Sozialauswahl geführt haben. Der Arbeitgeber hat aber insbesondere Angaben darüber zu machen, welche Arbeitnehmer seiner Meinung nach zum auswahlrelevanten Personenkreis gehören, und zwar unter Angabe der Auswahlkriterien, zu denen in erster Linie Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltsverpflichtungen zählen. Er muss außerdem angeben, nach welchen Bewertungsmaßstäben er die soziale Auswahl vorgenommen hat.

Eine gute Adresse für Ihre Auskünfte kann auch der Betriebsrat sein, der vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung von Ihrem Arbeitgeber anzuhören ist.

Wenn Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keine Auskünfte erhalten oder diese unzureichend erscheinen, dann muss der gekündigte Arbeitnehmer, wenn er die Kündigung nicht akzeptieren will oder die Kündigung rechtlich überprüft wissen will, innerhalb der 3-Wochen-Klagefrist die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Spätestens dann muss der Arbeitgeber – will er die Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht nicht verlieren – die oben aufgeführten Auskünfte erteilen, wenn der gekündigte Arbeitnehmer die sozialen Daten der übrigen Mitarbeiter nicht wissen konnte.

Wenn ein Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhebt und sich in dieser auf eine mangelhafte Sozialauswahl beruft, bleibt es unter Umständen nicht aus, dass er die Namen derjenigen Arbeitnehmer benennen muss, die sozial weniger schutzbedürftig sind als der gekündigte Arbeitnehmerselbst. Davor scheuen viele Arbeitnehmer, denen gekündigt wurde, zurück. Sie wollen nicht, dass ihretwegen ein anderer Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert.

Diese Befürchtung ist aber unbegründet. Die Benennung des sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitskollegen hat in keiner Weise zur Folge, dass dessen Arbeitsplatz gefährdet ist. Vielmehr geht es nur darum, in dem Kündigungsschutzprozess möglichst gute Argumente zu haben, die den Arbeitgeber befürchten lassen, dass er den Kündigungsschutzprozess verlieren könnte. In diesem Fall wird er bereit sein, eine Abfindung an Sie zu zahlen. Für den Arbeitnehmer, den der gekündigte Arbeitnehmer in dem Rechtsstreit als die sozial weniger schutzbedürftig angegeben hat, wird dies ohne Folgen bleiben. Gekündigte Arbeitnehmer müssen deshalb nicht befürchten, dass die Benennung von sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmern unkollegial ist.

 

Auswirkungen eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder eine Richtlinie auf die Sozialauswahl

Bei größeren Unternehmen kommt es vor, dass zur Durchführung einer Sozialauswahl zwischen Betriebsrat und dem Arbeitgeber sogenannte Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG) oder auch innerhalb eines Sozialplans/Interessenausgleichs (§ 112 BetrVG) sogenannte Punktetabellen vereinbart werden. Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 18.01.1990, Aktenzeichen 2 AZR 357/89 solche Auswahlrichtlinien mit Punktetabellen für eine Auswahl als geeignet anerkannt, weil die Betriebspartner – Arbeitgeber und Betriebsrat – die Verhältnisse des Betriebs am besten kennen. Entsprechende Regelungen sind aber nur akzeptabel, wenn die Kriterien – Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen – ausgewogen berücksichtigt werden. Unzulässig ist etwa, wenn in solchen Auswahlrichtlinien Arbeitnehmer bestimmter Abteilungen oder Arbeitsgruppen ohne ausreichende sachliche Kriterien als nicht vergleichbar eingestuft werden. Die Richtlinien müssen für eine Berücksichtigung individueller Besonderheiten Raum lassen.

Lassen Sie sich die Auswahlrichtlinien Ihres Betriebs vom Arbeitgeber oder vom Betriebsrat aushändigen! Prüfen Sie anhand der vorstehenden Tipps, ob die Vergleichbarkeit richtig festgelegt wurde und die sonstigen Kriterien angemessen gewichtet sind.

Haben Arbeitnehmer begründete Zweifel, muss das Arbeitsgericht die Punktetabelle für den gekündigten Arbeitnehmer prüfen. Gleiches gilt, wenn solche Tabellen in einem Interessenausgleich/Sozialplan enthalten sind.

Beispiel für ein zugelassenes Punkteschema:

Unterhaltspflicht für Ehegatte: 8 Punkte

Unterhaltspflicht für Kind: 4 Punkte

Betriebszugehörigkeit bis 10 Jahre je Beschäftigungsjahr: 1 Punkt

Betriebszugehörigkeit ab dem 11. Jahr je Beschäftigungsjahr: 2 Punkte

(bis zum vollendeten 55. Lebensjahr, maximal 70 Punkte)

Lebensalter je vollendetem Lebensjahr: 1 Punkt

(maximal 55 Punkte)

Besonders beachten sollten Arbeitnehmer den ausdrücklich in § 1 Abs. 4 KSchG geregelten Fall

  • dass in einem Tarifvertrag oder
  • in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 BetrVG – ein für die erfassten Arbeitnehmer geltendes Betriebsgesetz! – oder
  • in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen

festgelegt sein kann, wie die aufgezeigten sozialen Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander zu bewerten sind.

Dann ist für die zutreffende Sozialauswahl das dort Geregelte maßgeblich! Sie haben in puncto Sozialauswahl praktisch keine Chance, wenn Sie durch das dort geführte Raster fallen.

Auch das Arbeitsgericht ist in seiner Korrekturkompetenz eingeschränkt, weil es in diesem Fall die in den Regelungen vorgenommene Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfen kann!

Als grob fehlerhaft kann etwa nur angesehen werden, wenn die getroffenen Sozialauswahlregelungen bei der Gewichtung der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltspflicht der Arbeitnehmer ganz naheliegende Gesichtspunkte nicht in die Überlegungen miteinbezogen haben und die gebotene Ausgewogenheit evident verfehlt worden ist. Der Fehler muss „ins Auge springen“.

Stellt ein Arbeitnehmer eine solche „Ungerechtigkeiten“ in einer der genannten Regelungen fest, sollte er sich zur Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht entschließen und diesen Einwand dort vortragen und so seinen Arbeitsplatz retten oder die Chance auf eine Abfindung erhalten.

Auch wenn die Sozialauswahl nach den vorstehenden Gesichtspunkten nur eingeschränkt überprüfbar ist, so gilt dennoch, dass es vielen andere Hürden gibt, um eine Kündigung zu Fall zu bringen.