Sozialauswahl bei Interessenausgleich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens

13. August 2021 -

Das Arbeitsgericht Oberhausen hat mit Urteil vom 15.07.2021 zum Aktenzeichen 1 Ca 1447/20 entschieden, dass nach § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO eine Überprüfung der Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu erfolgen hat.

Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer aber nach § 1 Abs. 3 S. 1, 2. Hs. KSchG konkrete Angaben hinsichtlich der Sozialdaten, des Auswahlkreises/der Vergleichsgruppenbildung und der vorgenommenen Überlegungen insbesondere zur Gewichtung der Sozialdaten zu machen.

Dies führt im Kündigungsschutzprozess zu einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Soweit der Arbeitgeber auf entsprechende Rüge seine Auswahlüberlegungen nichtmitteilt, hat der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast bereits durch die bloße Rüge genügt.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Hersteller von Gießereierzeugnissen, seit 1983 beschäftigt.

Bei der Beklagten existierten ursprünglich zwei Teilbereiche (Eisenguss und Stahlguss).

Mit Beschluss vom 22.06.2020 wurde im Rahmen eines Insolvenzeröffnungsverfahrens die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet.

Es wurden zunächst beide Teilbereiche aufrechterhalten und Investoren gesucht.

Es wurde eine Transfergesellschaft eingerichtet.

Am 01.10.2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet, Eigenverwaltung angeordnet und der vorläufige Sachwalter zum Sachwalter bestellt.

Am 05.10.2020 erfolgte der Abschlusseines Interessenausgleichs und Sozialplans mit Namensliste.

Dort ist u.a. vereinbart, dass die Sparte Eisenguss stillgelegt wird und Personalanpassungen in anderen Bereichen durchgeführt werden.

Im Rahmen des Interessenausgleichs haben die Betriebsparteien zahlreiche Vergleichsgruppen von Mitarbeitern im Hinblick auf eine vorzunehmende Sozialauswahl gebildet.

Der Kläger wurde der Vergleichsgruppe „Handkernmacherei“ zugeordnet.

Im Interessenausgleich ist er namentlich genannt.

Mit Schreiben vom 26.11.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 28.02.2021 .

Der Kläger nahm das Vertragsangebot der Transfergesellschaft nicht an und erhob Kündigungsschutzklage.

Die Kündigung des Klägers ist nicht sozial gerechtfertigt.

Zwar hat nach § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO eine Überprüfung der Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu erfolgen.

Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer aber nach § 1 Abs. 3 S. 1, 2.Hs. KSchG konkrete Angaben hinsichtlich der Sozialdaten, des Auswahlkreises/der Vergleichsgruppenbildung und der vorgenommenen Überlegungen insbesondere zur Gewichtung der Sozialdaten zu machen.

Dies führt im Kündigungsschutzprozess zu einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast.

Soweit der Arbeitgeber auf entsprechende Rüge seine Auswahlüberlegungen nicht mitteilt, hat der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast bereits durch die bloße Rüge genügt.

Die Regelung des § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO hat auf diese Auskunftspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer und die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast keinen Einfluss.

Die Regelung des § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO und damit deren eingeschränkter Prüfungsmaßstab ist erst dann einschlägig, wenn der die Sozialauswahl bestimmende Sachverhalt nach den auch für „normale“ Kündigungsschutzprozesse geltenden Regeln der Darlegungs- und Beweislast vollständig aufgeklärt ist.

Hier hat der Kläger die Beklagte zur Darlegung der maßgeblichen Kriterien im Rahmen der sozialen Auswahl aufgefordert.

Dem ist sie nicht in der erforderlichen Weisenachgekommen.

Erst wenn der Sachverhalt hinsichtlich der Sozialauswahl vollständig aufgeklärt ist, gilt im Hinblick auf § 125 Abs. 1 S. 1 Nr.2 InsO der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit.

Die Sozialauswahl ist dann grob fehlerhaft, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt.