Vollzugslockerungen zu Sicherungsverwahrten

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13. März 2023 zum Aktenzeichen 2 BvR 829/21 entschieden, dass eine Verfassungsbeschwerde derzeit nicht angenommen wird, die Fachgerichte im weiteren Verlauf der Unterbringung hinsichtlich der Gewährung von Lockerungen effektiv auf die Vollzugsbehörde einzuwirken und ihr gegebenenfalls unter Ausschöpfung ihrer prozessualen Möglichkeiten deutlich zu machen haben, dass das zunehmende Gewicht der rechtsstaatlich eingeräumten Chance des Beschwerdeführers auf Freiheit Vollzugslockerungen gebietet.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung.

Der einschlägig vorbestrafte Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Kassel vom 7. Juni 1999 wegen schweren Raubes, versuchten Raubes und wegen versuchten Diebstahls mit Waffen sowie wegen Diebstahls in sechs Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt. Seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wurde angeordnet.

Der Verurteilung lag unter anderem zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Mai 1992 gemeinsam mit einem Mittäter mit einer geladenen Waffe eine Bank überfallen hatte. Zudem hatte er mit seinem Zwillingsbruder sowie einem weiteren Mittäter im August 1993 verabredet, ein Ehepaar, die Inhaber eines Supermarktes, im Moment des Wegbringens der Tageseinnahmen zu überfallen. Dabei sollte der Beschwerdeführer mit Blick auf die Ähnlichkeit zu seinem Zwillingsbruder diesem ein Alibi verschaffen, während die anderen den Überfall ausführten. Bei der Ausführung gab der Zwillingsbruder des Beschwerdeführers neben mehreren ungezielten Schüssen jeweils einen gezielten Schuss auf den Oberkörper des Ehemannes sowie den Körper der Ehefrau ab, wodurch beide schwer verletzt wurden. Der Waffeneinsatz war nicht vom gemeinsamen Tatplan gedeckt und wurde dem Beschwerdeführer nicht zugerechnet. Als der Beschwerdeführer erfuhr, dass der weitere Mittäter sein Messer verloren hatte, schlug er vor, dessen Ehefrau mit der Tatwaffe zu erschießen, um den Verdacht von dem Mittäter abzulenken.

Das Landgericht ging auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens davon aus, dass bei dem Beschwerdeführer eine antisoziale Persönlichkeitsstörung vorliege, die nicht den Schweregrad einer anderen seelischen Abartigkeit gemäß § 20 StGB erreiche. Es bestehe eine sehr hohe Rückfallgefahr für Straftaten mit einer erheblichen Gefahr für die Allgemeinheit.

Die Gesamtfreiheitsstrafe hatte der Beschwerdeführer am 28. Juni 2008 vollständig verbüßt. Seitdem wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt.

Das Landgericht Marburg ordnete nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen R. mit Beschluss vom 17. Juni 2018 die Fortdauer der Unterbringung an. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 5. September 2019. Eine Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers nahm das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 9. April 2021 wegen Verfristung nicht zur Entscheidung an. Es ließ dahinstehen, ob die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzten, weil es ihnen an der verfassungsrechtlich gebotenen eigenständigen Prognoseentscheidung zu Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten fehlen dürfte.

Im Rahmen der Vorbereitung der verfahrensgegenständlichen Fortdauerentscheidung beauftragte das Landgericht Marburg auf Antrag des Beschwerdeführers, der äußerte, zu einer Exploration bereit zu sein, die Sachverständige N. mit der Erstellung eines Gutachtens. Nachdem der Beschwerdeführer die Exploration verweigert hatte, legte die Sachverständige ein Aktengutachten vor.

Die Justizvollzugsanstalt äußerte sich mit Stellungnahmen vom 14. Oktober sowie 20. November 2020. Der Beschwerdeführer entscheide sich bewusst dafür, nicht mit der Anstalt oder Gutachtern zu kommunizieren, und verhindere so, dass Einblicke in seine Gedanken- und Gefühlswelt gewonnen werden könnten. Sofern eine gewisse Beruhigung der dissozialen Züge eingetreten sein möge, könne dies aufgrund der Verweigerungshaltung nicht abschließend beurteilt werden. Fehlende Kompromissbereitschaft, Verantwortungsabwehr sowie eine feindselige Grundhaltung seien weiterhin vorhanden. Außenkontakte unterhalte der Beschwerdeführer nicht, auch nicht zu seinem Zwillingsbruder, da er die Ausführungsmodalitäten ablehne. Realistische Vorstellungen bezüglich seiner Entlassung fehlten. Eine Entlassung sei nicht vertretbar.

Der Beschwerdeführer nahm schriftlich zu dem Gutachten der Sachverständigen Stellung. Der Anhörung blieb er ohne Angaben von Gründen fern.

Mit angegriffenem Beschluss vom 16. Dezember 2020 entschied das Landgericht Marburg, die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung nicht für erledigt zu erklären und die weitere Vollstreckung der Maßregel nicht zur Bewährung auszusetzen. Die Maßregel sei insbesondere nicht gemäß § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB in Verbindung mit Art. 316f Abs. 2 EGStGB erledigt. Die Voraussetzungen des Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB seien gegeben.

Bei dem Beschwerdeführer bestehe eine psychische Störung im Sinne des Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB.

Die Sachverständige N. habe darauf hingewiesen, dass mangels Exploration erhebliche Einschränkungen bei der Beantwortung der Gutachtenfrage bestünden. Die Entwicklung des Beschwerdeführers weise nicht auf eine dissoziale Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 hin. Es fehle an dem Kriterium tief verwurzelter anhaltender Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigten. Mit seinen hohen Psychopathiewerten bewege sich der Beschwerdeführer im Bereich einer psychopatischen Persönlichkeitsstruktur. Sofern altersbedingt eine Remission eintreten könne, sei dies ohne Exploration nicht feststellbar. Gleiches gelte für die Frage, ob der Beschwerdeführer Empathie entwickelt habe.

Die Kammer habe die nötige Sachaufklärung unter Zuhilfenahme insbesondere der Vorgutachten zu betreiben. Bereits das Ausgangsgutachten sei zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Beschwerdeführer eine antisoziale Persönlichkeitsstörung sowie der Verdacht einer psychopathischen Persönlichkeitsstruktur bestehe. Dies sei durch die Sachverständigen S. (2015) und H. (2018) bestätigt worden. Die Sachverständige R. habe 2019 eine dissoziale Persönlichkeitsstörung weder festgestellt noch ausgeschlossen, da der Beschwerdeführer sich nicht habe explorieren lassen und sich im Vollzugsalltag zurückgezogen habe.

In der Gesamtschau bleibe es bei den Feststellungen aus dem Erkenntnisverfahren. Die psychopathischen Züge des Beschwerdeführers zeigten sich insbesondere in seinem Vorschlag, die Ehefrau seines damaligen Mittäters zu erschießen. Dass der Alterungsprozess etwas geändert habe, sei lediglich eine statistisch begründete Möglichkeit, zumal der Beschwerdeführer fit und gesund geblieben sei. Rigidität, Hostilität und das Externalisieren von Schuld bestünden fort. In den vom Beschwerdeführer in früheren Prüfungsverfahren eingereichten Schriftstücken zeige sich eine aggressive und feindselige Haltung. Laut Justizvollzugsanstalt hätten sich Umfang, Inhalt und Duktus der vom Beschwerdeführer dort gestellten Anträge nicht geändert.

Die Kammer habe eine psychische Störung des Beschwerdeführers bereits mit Beschlüssen vom 19. Juni 2018 und 17. Juni 2019 bejaht. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main beschränke sich die Überprüfung darauf, festzustellen, ob sich in der Person des Untergebrachten signifikante Änderungen ergeben hätten, die das Störungsbild mildern oder gar entfallen ließen. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Die psychische Störung begründe die hochgradige Gefahr, dass der Beschwerdeführer erneut schwerste Gewaltdelikte begehe, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden.

Die Sachverständige N. habe ausgeführt, dass sie der durch die Vorgutachter anhand standardisierter Prognoseinstrumente erfolgten Einschätzung nichts hinzufügen könne. Die Verfahren bildeten überwiegend statische Informationen ab. Aus dem aktuellen Vollzugsverhalten ließe sich nicht positiv belegen, dass der Beschwerdeführer erneut Straftaten begehen werde. Er habe ein höheres Lebensalter erreicht, eine abgeschlossene Berufsausbildung, könne seinen Tag strukturieren und habe allgemeine Interessen entwickelt. Offen aggressives Verhalten zeige er nicht. Zudem befinde er sich seit über 26 Jahren im Freiheitsentzug. Fragen nach seinem innerpsychischen Erleben könnten aber ohne Exploration nicht beantwortet werden. Wie sich der Beschwerdeführer verhalte, entscheide er bewusst. Er könne sich daher zukünftig für oder gegen Straftaten entscheiden. Entscheide er sich dafür, seien Eigentumsdelikte zu erwarten. Die Gefahr für erhebliche Gewaltdelinquenz erscheine nicht besonders hoch. Allerdings könnten dissoziale Aspekte bei dem Beschwerdeführer stärker vorhanden sein, als aktuell sichtbar werde. Seine Rigidität könne zu nicht unerheblichen sozialen Konflikten führen, die strafrechtlich relevantes Verhalten begünstigten.

Die Sachverständige R. habe unter Auswertung des Prognoseinstruments VRAG-R für den Beschwerdeführer eine Rückfallwahrscheinlichkeit von 76 % für gewalttätige Delikte innerhalb von fünf Jahren und 87 % innerhalb von zwölf Jahren ermittelt. Würden variable Faktoren berücksichtigt, sei das Risiko deutlich geringer. Risikofaktoren für vor allem eigentumsbezogene Delinquenz seien gegeben (feindselig-ablehnende Haltung gegenüber Behörden und Behandlern, fragliches Unrechtsbewusstsein, Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, gegebenenfalls finanzielle Schwierigkeiten, fehlende Konfliktlösemöglichkeiten). Die Gefahr schwerer Gewalttaten sei reduziert durch das höhere Alter, das Fehlen aggressiven Verhaltens, weitgehende Suchtmittelfreiheit, erhöhtes Durchhaltevermögen, Distanzierung vom Bruder und der Fähigkeit zu bescheidener Lebensweise. Ungünstig seien die fehlende Kooperationsbereitschaft sowie das rigide Denken.

Der Sachverständige H. sei zu der Einschätzung gelangt, dass ein hohes Rückfallrisiko für Eigentums- und Raubtaten bestehe. Es sei damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer Gewalt anwende. Die fortbestehende Gefährlichkeit beruhe auf der antisozialen Persönlichkeitsstörung, den grundsätzlichen strukturellen Persönlichkeitsdefiziten und der fehlenden selbstkritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

Auch die Sachverständige S. habe ein hohes Rückfallrisiko für Raubtaten angenommen. Zwar wirke die fortschreitende Alterung ebenso günstig wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Bereich Ausbildung und Arbeit gute Leistungen erbracht und sich sozial kompetent eingefügt habe. Gleichwohl erforderten seine historischen Variablen eine große persönliche Veränderungsbereitschaft. Bislang habe er aber sozialtherapeutische Maßnahmen abgelehnt.

Vor diesem Hintergrund gehe die Kammer von einem hohen Rückfallrisiko in Bezug auf erhebliche Gewaltstraftaten aus. Zwar könne das mittlerweile fortgeschrittene Alter des Beschwerdeführers im langjährig andauernden Freiheitsentzug ihn weniger gefährlich erscheinen lassen. Alle Sachverständigen hätten insofern aber auf das Erfordernis einer Exploration verwiesen. Die Psychopathiewerte wiesen auf ein sehr hohes Risiko für Gewaltstraftaten hin. Entsprechend müsse der Beschwerdeführer mehr Anstrengungen betreiben, um nicht in verhängnisvolle Verhaltensmuster hineinzugeraten. Dies sei nicht zu erkennen. Es blieben die Rigidität und Hostilität, die im Vollzugsalltag und den Schreiben des Beschwerdeführers erkennbar seien. Es fehle an jeder Aufarbeitung der kriminogenen Faktoren sowie an einem erprobten Entlassungssetting. Die Prognose, die sich aus der Biographie, der Vordelinquenz und der psychopathischen Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers ergebe, sei eindeutig negativ. Dass die Sachverständigen ihre Gutachten nur auf eingeschränkter Beurteilungsgrundlage hätten erstatten können und dabei zu einer kriminalprognostisch ungünstigen Einschätzung gelangt seien, müsse der Beschwerdeführer hinnehmen.

Im Falle einer sofortigen Entlassung sei damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer erneut Straftaten, vergleichbar mit den von ihm in der Vergangenheit begangenen (besonders schweren) Raubdelikten, begehe. Die zu erwartenden Taten seien als schwerste Gewaltstraftaten anzusehen.

Es bestehe ein Zusammenhang zwischen der psychischen Störung und der Gefahrenprognose. Der Beschwerdeführer sei gerade aufgrund der (früher) diagnostizierten antisozialen Persönlichkeitsstörung sowie der Psychopathie für die Allgemeinheit besonders gefährlich. In der Folge bestehe eine hochgradige Gefahr, dass er erneut kühl kalkulierte Raubdelikte, aber auch, wie aus der Vordelinquenz ersichtlich, impulshafte Gewalthandlungen aus nichtigem Anlass, gegebenenfalls auch unter Alkoholkonsum, begehen werde.

Die gegen den Beschluss des Landgerichts Marburg gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 8. April 2021. Das zulässige Rechtsmittel habe aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg. Seit der letzten Senatsentscheidung vom 5. September 2019 seien keine Umstände eingetreten, die eine Erledigung oder Aussetzung der Maßregel rechtfertigen könnten. Der Beschwerdeführer verweigere jegliche Mitwirkung am Vollzugsziel. Dass die Sachverständigen R. und N. die zuvor wiederholt gestellte Diagnose einer psychischen Störung wegen der fehlenden Explorationsbereitschaft des Beschwerdeführers für nicht begründbar hielten, bedeute nicht, dass sie nicht mehr vorliege. Die Strafvollstreckungskammer sei überzeugend davon ausgegangen, dass die wesentlichen Persönlichkeitsakzentuierungen fortbestünden und den Rechtsbegriff der psychischen Störung gemäß § 1 Therapieunterbringungsgesetz erfüllten.

Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 22. April 2021 zurück. Die Anhörungsrüge sei unbegründet. Art. 103 Abs. 1 GG gebiete nicht, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden.

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann „die Freiheit der Person“ und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als „unverletzlich“ bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien statuieren (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).

Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG erfordert auch im Verfahrensrecht Beachtung. Aus ihr ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. September 2008 – 2 BvR 936/08 -, Rn. 18 und vom 28. September 2020 – 2 BvR 1235/17 -, Rn. 41). Dabei erhöhen sich aufgrund des zunehmenden Gewichts des Freiheitsanspruchs aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG bei langandauernden Unterbringungen die Anforderungen an die Wahrheitserforschung und die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte (vgl. BVerfGE 70, 297 <316>; 109, 133 <162 ff.>; 117, 71 <106 f.>).

Die Feststellung der Voraussetzungen für die Fortdauer der Sicherungsverwahrung setzt eine wertende richterliche Entscheidung voraus, die das Bundesverfassungsgericht nicht in allen Einzelheiten nachprüfen kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2018 – 2 BvR 1509/15 -, Rn. 19). Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob das Fachgericht in objektiv unvertretbarer Weise vorgegangen ist oder die verfassungsrechtliche Bedeutung und Tragweite des durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 104 Abs. 1 GG verbürgten Freiheitsrechts verkannt hat (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 72, 105 <114 f.>).

Verfahrensrechtlich folgt aus dem auch für den Vollzug einer Sicherungsverwahrung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Gebot bestmöglicher Sachaufklärung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. August 2014 – 2 BvR 2632/13 -, Rn. 16; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2020 – 2 BvR 1235/17 -, Rn. 43), dass sich das Strafvollstreckungsgericht um eine möglichst breite Tatsachenbasis zu bemühen und alle maßgeblichen Gesichtspunkte näher darzulegen hat (vgl. BVerfGE 117, 71 <107>). Die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung hat sich auf ein Sachverständigengutachten zu stützen, das der besonderen Tragweite und dem Ausnahmecharakter dieser Entscheidung gerecht wird. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, dass es hinreichend substantiiert ist und anerkannten wissenschaftlichen Standards genügt (vgl. BVerfGE 70, 297 <310>; 109, 133 <164>; 117, 71 <107>). Auch einem Gutachten, das ohne Exploration des Betroffenen allein auf der Grundlage der Akten, der Vorgutachten sowie der Unterbringungsunterlagen erstellt worden ist, kommt Bedeutung zu, da ein neuer Gutachter die Feststellungen und Stellungnahmen der Unterbringungseinrichtung einer eigenständigen Bewertung zuführen wird, bei der sich seine gesteigerte Unvoreingenommenheit und kritische Distanz entfalten können (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2020 – 2 BvR 1235/17 -, Rn. 42). Es ist Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob das Gutachten bestimmten Mindeststandards genügt. Sodann hat es eigenständig zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung über den Zehnjahreszeitraum hinaus vorliegen, wobei es dem ärztlichen Gutachten richterliche Kontrolle entgegenzusetzen hat (vgl. BVerfGE 109, 133 <164> m.w.N.).

Materiell fordert das Übermaßverbot, die Sicherungsbelange und den Freiheitsanspruch des Untergebrachten im Einzelfall abzuwägen. Je länger die Unterbringung andauert, umso strenger sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs (vgl. BVerfGE 70, 297 <311 ff.>).

Diesen Maßstäben halten die angegriffenen Entscheidungen stand. Die Fachgerichte sind vertretbar davon ausgegangen, dass gemäß Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB bei dem Beschwerdeführer eine psychische Störung vorliegt (aa) und aus konkreten Umständen in seiner Person und seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr abzuleiten ist, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen wird (bb). Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit sind die angegriffenen Entscheidungen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (cc).

Bei dem Begriff der psychischen Störung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der mit den überkommenen Kategorisierungen der Psychiatrie nicht deckungsgleich ist (vgl. BTDrucks 17/3403, S. 53 f.). Ob seine Merkmale im Einzelfall erfüllt sind, haben die Gerichte eigenständig zu prüfen. Auch wenn die Frage regelmäßig nur auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens zu beantworten sein wird, obliegt die rechtliche Beurteilung der von den Sachverständigen ermittelten medizinischen oder psychologischen Tatsachen allein den Gerichten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. September 2011 – 2 BvR 1516/11 -, Rn. 39 m.w.N.). Abzustellen ist dabei auf den aktuellen psychischen (Dauer-)Zustand des Betroffenen und die daraus resultierende künftige Gefährlichkeit (vgl. BVerfGE 128, 326 <407>).

Davon ausgehend ist die Annahme, bei dem Beschwerdeführer liege eine psychische Störung vor, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Sachverständige N. zu dem Ergebnis gelangt ist, die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung könne nicht positiv gestellt werden. Die Sachverständige hat insoweit darauf verwiesen, dass mangels Exploration erhebliche Einschränkungen bei der Beantwortung der Frage bestünden, ob und in welchem Maß der Beschwerdeführer dissozial oder psychopatisch sei. Sofern sie ausgeführt hat, dass bereits die Allgemeinkriterien einer Persönlichkeitsstörung nach den einschlägigen Klassifikationssystemen fehlten, verlangt der unbestimmte Rechtsbegriff der psychischen Störung nicht, dass die Kriterien einer bestimmten Klassifikation erfüllt sind. Zudem hat auch die Sachverständige N. unter Verweis auf die hohen Psychopathiewerte des Beschwerdeführers eine psychopathische Persönlichkeitsstruktur festgestellt. Schließlich ist das Gericht nicht verpflichtet, einer gutachterlichen Einschätzung zu folgen, sondern schuldet auf Grundlage der sachverständigen Beratung eine eigenständige rechtliche Beurteilung. Dem werden die angegriffenen Entscheidungen gerecht.

Das Landgericht war insbesondere nicht verpflichtet, ein weiteres externes Sachverständigengutachten einzuholen. Es hat insoweit ausgeführt, dass von einem solchen nur dann weitergehende Erkenntnisse zu erwarten wären, wenn es auf Grundlage einer Exploration des Beschwerdeführers erginge, wofür dieser keine Bereitschaft zeige. Diese Einschätzung ist schon deshalb nachvollziehbar, weil der Beschwerdeführer selbst mit der aktuellen Sachverständigen, die von ihm ausgesucht worden war, das Gespräch verweigert hat.

Soweit die Fachgerichte für ihre Beurteilung auch auf die Vorgutachten abgestellt haben, begegnet dies von Verfassungs wegen keinen Einwänden. Zwar können die Vorgutachten aktuelle Entwicklungen im Verhalten des Beschwerdeführers nicht berücksichtigen. Indes beschränken sich diese im Wesentlichen auf das fortgeschrittene Alter des Beschwerdeführers und den Kontaktabbruch zum Zwillingsbruder. Daraus ergibt sich keine grundlegend andere Beurteilung, zumal der Beschwerdeführer weiterhin keinen Einblick in sein Innenleben gewährt, sodass etwa der Hintergrund des Kontaktabbruchs zum Bruder nicht erhellt werden kann. Darüber hinaus belassen es die Fachgerichte nicht bei der Bezugnahme auf die Vorgutachten, sondern nehmen eine eigenständige Gesamtwürdigung der Person und des Verhaltens des Beschwerdeführers vor. In diesem Zusammenhang stellen sie unter Bezugnahme auf die Gutachten und die Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt unter anderem darauf ab, dass es dem Beschwerdeführer an erkennbarer Empathie gegenüber den Opfern der Anlasstaten fehle und er Schuld externalisiere. Diese Argumentation erscheint insbesondere angesichts der massiven Gewaltanwendung bei dem Überfall auf die Supermarktinhaber nachvollziehbar. Dass dem Beschwerdeführer der Gewaltexzess seines Zwillingsbruders nicht als Mittäter zurechenbar ist, ändert daran nichts. Gleiches gilt, soweit die Fachgerichte die Annahme einer psychischen Störung auf eine fortbestehende feindselige beziehungsweise rigide Haltung des Beschwerdeführers stützen. Nachvollziehbar haben sie diese unter anderem aus den Schriftstücken des Beschwerdeführers in vorangegangenen Prüfungsverfahren abgeleitet. Zwar ist es im aktuellen Überprüfungsverfahren nicht mehr zu entsprechenden Schreiben gekommen. Der Hintergrund hierfür lässt sich aufgrund der Verschlossenheit des Beschwerdeführers aber nicht aufklären. Darüber hinaus haben die Gerichte nachvollziehbar dargelegt, dass sich die rigide Haltung des Beschwerdeführers im Vollzugsalltag weiter darin zeige, dass er den Kontakt zu den Behandlern ebenso ablehne wie Ausführungen, mit deren Modalitäten er nicht einverstanden sei.

Auch die gerichtliche Gefahrprognose genügt den von Verfassungs wegen an sie zu stellenden Anforderungen.

Die eigenständige Prognoseentscheidung des Gerichts (vgl. BVerfGE 58, 208 <223>; 70, 297 <310>; 109, 133 <164>) hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr ist hinreichend zu konkretisieren; der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. BVerfGE 70, 297 <313> – zur Prognoseentscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB).

Diesen Anforderungen wird die gerichtliche Gefahrprognose gerecht.

Dies gilt zunächst, soweit die Fachgerichte die von dem Beschwerdeführer drohenden Delikte als schwerste Gewaltstraftaten im Sinne von Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB eingeordnet haben. Insoweit hat das Landgericht nachvollziehbar auf die Anlasstaten abgestellt, bei denen der Beschwerdeführer unter anderem unter Einsatz einer geladenen Schusswaffe eine Bank überfallen hat.

Die Gerichte haben darüber hinaus hinreichend konkret dargelegt, dass durch den Beschwerdeführer ebensolche Taten auch zukünftig drohen.

Dem stehen die Ausführungen der Sachverständigen N. nicht entgegen, wonach sich aus dem aktuellen Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers keine positiven Belege für die Begehung von Straftaten ableiten ließen. Die Sachverständige hat einschränkend darauf verwiesen, dass Fragen nach dem innerpsychischen Erleben des Beschwerdeführers ohne Exploration nicht beantwortet werden und zudem dissoziale Aspekte stärker vorhanden sein könnten, als aktuell sichtbar werde. Soweit das Landgericht ausgeführt hat, der Beschwerdeführer müsse hinnehmen, dass die Sachverständige ihr Gutachten nur auf eingeschränkter Beurteilungsgrundlage habe erstatten können, ist dies von Verfassungs wegen jedenfalls insofern nicht zu beanstanden, als dieser Umstand nicht einseitig der Justizvollzugsanstalt anzulasten, sondern auch der fehlenden Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers geschuldet ist, der sich zu einer Exploration nicht bereitgefunden hat. Zudem sind die Gerichte an die Einschätzung der Sachverständigen nicht gebunden, sondern schulden eine eigene Prognose.

Soweit die Gerichte sich dafür auf die Vorgutachten stützen, gehen diese überwiegend von einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit für Eigentums- und Raubdelikte aus und stellen dabei nachvollziehbar darauf ab, dass der Beschwerdeführer eine feindselig-ablehnende Haltung gegenüber Behörden und Behandlern zeige und es an einer kritischen Auseinandersetzung mit der Delinquenz sowie den kriminogenen Faktoren seiner Persönlichkeit fehle. Zwar können die Vorgutachten aktuelle Entwicklungen in der Persönlichkeit und dem Verhalten des Beschwerdeführers nicht abbilden, dies steht ihrer Berücksichtigung jedoch nicht entgegen. Wie ausgeführt, erschöpfen sich aktuelle Entwicklungen darin, dass der Beschwerdeführer älter geworden ist und in der Zwischenzeit keinen Kontakt mehr zu seinem Zwillingsbruder unterhält. Eine grundlegend andere Ausgangslage ist damit nicht gegeben.

Soweit die Gerichte die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers auf dessen andauernde Rigidität und Hostilität stützen, ist dies von Verfassungs wegen ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Landgericht beurteilt dieses Verhalten nicht isoliert, sondern stellt es in eine Gesamtwürdigung ein, die neben der psychopathischen Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers auch die abgeurteilten Anlasstaten sowie seine – progrediente – Vordelinquenz berücksichtigt und nachvollziehbar herausarbeitet, dass eine Bereitschaft zur Aufarbeitung der kriminogenen Faktoren ebenso fehlt wie ein erprobtes Entlassungssetting.

Im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung haben die Gerichte ferner berücksichtigt, dass die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers aufgrund seines mittlerweile fortgeschrittenen Alters und seiner langjährigen Unterbringung reduziert sein könnte und insofern auf sein unauffälliges Vollzugsverhalten verwiesen. Nachvollziehbar haben sie im Ergebnis jedoch darauf abgestellt, dass die Beurteilung dieses Umstands nach den übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen eine Exploration verlange, die der Beschwerdeführer verweigere.

Schließlich begegnet die Annahme, zwischen der psychischen Störung des Beschwerdeführers und der Gefahrprognose bestehe ein Zusammenhang, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dass der Beschwerdeführer gerade aufgrund seiner psychopathischen Persönlichkeitsstruktur für die Allgemeinheit gefährlich ist, ist schon deshalb nachvollziehbar, weil diese Persönlichkeitsstruktur es ihm offenbar verwehrt, sich mit seiner Gewaltdelinquenz auseinanderzusetzen.

Die angegriffenen Entscheidungen genügen auch den an sie von Verfassung wegen zu stellenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer einer langandauernden Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet. Er beherrscht Anordnung und Fortdauer einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung. Das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lässt sich für die Entscheidungen über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (vgl. BVerfGE 70, 297 <311> – für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; 109, 133 <159>).

Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Maßregeln der Besserung und Sicherung in § 62 StGB gesetzlich festgelegt. Damit hat er ohnehin von Verfassungs wegen geltendes Recht nochmals im sachlichen Kodifikationszusammenhang hervorgehoben, um dem Grundsatz besonderen Nachdruck zu verleihen (vgl. BVerfGE 70, 297 <312>). Er trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zudem dadurch Rechnung, dass die Fortdauer einer freiheitsentziehenden Maßregel bei langandauernden Unterbringungen von erhöhten Voraussetzungen abhängig gemacht wird. So zeigt § 67d Abs. 3 StGB, dass die Erledigung einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach zehn Jahren stets an erster Stelle steht. Dahinter rangiert die Aussetzung, die gegenüber der weiteren Vollstreckung das mildere Mittel darstellt. Erst an letzter Stelle ist als ultima ratio die weitere Vollstreckung zulässig (vgl. BVerfGE 109, 133 <159 ff.>). Die gleiche Wertung ist Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB zu entnehmen.

Mit Blick auf die verfassungsrechtliche Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und die hohe Bedeutung einer trotz der unbestimmten Dauer der Sicherungsverwahrung gebotenen realisierbaren Freiheitsperspektive (vgl. BVerfGE 45, 187 <245>; 64, 261 <272>; 128, 326 <380>) kommt der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Sicherungsverwahrung auch dann noch eigenständige Bedeutung zu, wenn die strengen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Fortdaueranordnung vorliegen. Dies gilt in besonderem Maße bei langandauernden Unterbringungen (vgl. BVerfGE 70, 297 <311 ff.>).

Da es sich um eine wertende Entscheidung handelt, die nach ausfüllungsbedürftigen Kriterien und unter Prognosegesichtspunkten fällt, kann das Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen (vgl. BVerfGE 70, 297 <314 f.> m.w.N.).

Das Übermaßverbot stellt zunächst materielle Anforderungen an die Prognoseentscheidung. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung darf nur so lange vollstreckt werden, wie der Zweck dieser Maßregel es unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen – im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung – nicht genügen. Je länger die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung andauert, umso strenger sind die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs. Das Freiheitsgrundrecht gewinnt wegen des sich verschärfenden Eingriffs immer stärkeres Gewicht für die Wertungsentscheidung des Strafvollstreckungsrichters. Es liegt nahe, dass er ihm bei der Frage der Verantwortbarkeit einer eventuellen Erprobung in Freiheit Rechnung trägt. Der im Einzelfall unter Umständen nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs stößt jedoch dort an Grenzen, wo es mit Blick auf die Art der von dem Untergebrachten drohenden Taten, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Untergebrachten in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 70, 297 <314 f.>; 109, 133 <159>; 117, 71 <97 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 – 2 BvR 2009/08 -, Rn. 26).

Darüber hinaus begründet das Übermaßverbot verfahrensrechtliche Anforderungen. Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs wirkt sich bei langdauernden Unterbringungen auf die Anforderungen an die Begründung der Fortdauerentscheidung aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dem lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass der Richter seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag (vgl. BVerfGE 117, 71 <109> m.w.N.).

Nach langjährigem Freiheitsentzug kann die gerichtliche Prognose außerordentlich schwierig sein. Dem Strafvollstreckungsrichter ist die Aufgabe übertragen, hier in besonders verantwortungsvoller Weise einerseits dem berechtigten Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit Rechnung zu tragen, andererseits darauf zu achten, dass die dem Einzelnen von Verfassungs wegen zukommende Chance, seine Freiheit wiederzugewinnen, realisierbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. September 1991 – 2 BvR 1327/89 -, juris, Rn. 22 m.w.N. – zur Ablehnung der Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung).

Davon ausgehend ist die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden (a). Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Landgericht die Ablehnung der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung auch mit dem Fehlen eines erprobten Entlassungssettings begründet und die Vollzugsbehörde dem Beschwerdeführer die Erprobung in weiteren Lockerungen versagt hat (b). Die Fachgerichte werden im weiteren Verlauf der Unterbringung aber darauf zu achten haben, dass die Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen dem zunehmenden Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers Rechnung trägt (c).

Die Ausführungen des Landgerichts zur Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Sicherungsverwahrung werden dem wachsenden Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers, der im Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen seit zwölf Jahren untergebracht war, gerecht. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, allein der Widerrufsdruck oder die Erteilung von Weisungen seien nicht geeignet, um die Gefahr weiterer Gewaltdelikte durch den Beschwerdeführer ausreichend zu reduzieren. Das Landgericht ist insoweit auf mehrere Weisungsmöglichkeiten, darunter eine elektronische Aufenthaltsüberwachung sowie eine Meldeweisung, eingegangen und hat ihre hinreichende Eignung zur Gefahrenprävention verworfen. Angesichts des Umstands, dass das Landgericht die anhaltende Gefährlichkeit des Beschwerdeführers auch mit dem Risiko impulshafter Gewalthandlungen begründet hat, und es bislang an jeglicher Aufarbeitung der kriminogenen Faktoren fehlt, ist diese Einschätzung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bisher nicht oder kaum in Lockerungen erprobt ist. Die letzten Ausführungen sind zwar beanstandungsfrei verlaufen, liegen aber lange zurück. Bei langandauernden Unterbringungen wie der vorliegenden kommt eine unvorbereitete Entlassung in der Regel nicht in Betracht. Den in Freiheit nicht erprobten Untergebrachten nach langen Jahren der Unterbringung unvorbereitet in die Freiheit zu entlassen, begründete für sich genommen einen erheblichen Risikofaktor für einen Rückfall (vgl. für die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 – 2 BvR 2009/08 -, Rn. 39 m.w.N.).

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Landgericht die Ablehnung der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung auch mit dem Fehlen eines erprobten Entlassungssettings begründet und die Vollzugsbehörde dem Beschwerdeführer die Erprobung in weiteren Lockerungen versagt hat.

Vollzugslockerungen haben für die zu treffende Prognoseentscheidung besondere Bedeutung. Für den Richter erweitert und stabilisiert sich die Basis der prognostischen Beurteilung, wenn dem Untergebrachten zuvor Vollzugslockerungen gewährt worden sind. Dies gilt insbesondere für langdauernde Freiheitsentziehungen. Hier zeigt sich typischerweise in besonderem Maße die Notwendigkeit, in sorgfältig gestuftem Vorgehen durch Lockerungen die Resozialisierungsfähigkeit des Betroffenen zu testen und ihn schrittweise auf die Entlassung vorzubereiten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 – 2 BvR 2009/08 -, Rn. 28 ff., 39 m.w.N.).

In der Folge bestehen besondere Prüfungs- und Begründungspflichten des Strafvollstreckungsgerichts. Will es die Ablehnung der Aussetzung (auch) auf die fehlende Erprobung in Lockerungen stützen, hat es von Verfassungs wegen selbstständig zu klären, ob die Begrenzung der Prognosebasis zu rechtfertigen ist, weil die Versagung von Lockerungen auf hinreichendem Grund beruht (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 – 2 BvR 2009/08 -, Rn. 31 ff. m.w.N.). Neben der Verantwortung der Vollzugsbehörde steht die Eigenverantwortung des Untergebrachten für die Durchsetzung seines Freiheitsgrundrechts und seines Resozialisierungsanspruchs. Sie verlangt, dass er die Möglichkeit, sich (weitergehende) Lockerungen zu erstreiten, nutzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 – 2 BvR 2009/08 -, Rn. 31 ff. m.w.N.). Ebenso ist grundsätzlich zu erwarten, dass er gewährte Lockerungen in Anspruch nimmt.

Kommt das Gericht seiner Pflicht nicht hinreichend nach, entspricht die (auch) auf die fehlende Erprobung gestützte Ablehnung der Aussetzung nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Etwas anderes gilt, wenn sich die Rechtmäßigkeit der Lockerungsversagung im Verfassungsbeschwerdeverfahren sicher feststellen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 – 2 BvR 2009/08 -, Rn. 35). Ist die Vollzugsbehörde bei ihrer Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen dem grundrechtlich garantierten Freiheitsanspruch nicht hinreichend gerecht geworden, müssen die Strafvollstreckungsgerichte ihr unter Ausschöpfung ihrer prozessualen Möglichkeiten deutlich machen, dass Vollzugslockerungen geboten sind. Soweit die Strafvollstreckungsgerichte sich insoweit auf die Erteilung von Hinweisen an die Vollzugsbehörde verlegen, ist dies für sich genommen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Solche Hinweise bergen aber die Gefahr geringer praktischer Wirksamkeit in sich. Die Einwirkung der Vollstreckungsgerichte muss wegen der besonderen Bedeutung der Vollzugslockerungen für die Prognosebasis der richterlichen Entscheidung effektiv sein. Dies haben die Gerichte bei ihrer Entscheidung, wie sie der Vollzugsbehörde das Gebotensein von Lockerungen deutlich machen, zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 – 2 BvR 2009/08 -, Rn. 40 ff. m.w.N.).

Diese für die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung entwickelten Grundsätze sind auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Fortdauer einer freiheitsentziehenden Maßregel übertragbar (zur Bedeutung von Vollzugslockerungen in der Sicherungsverwahrung vgl. BVerfGE 128, 326 <380>).

Die angegriffene Fortdauerentscheidung genügt diesen Anforderungen. Es kann dahinstehen, ob die Ablehnung weiterer Vollzugslockerungen, insbesondere die Gewährung ungefesselter Ausführungen, durch die Justizvollzugsanstalt dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung getragen hat. Dagegen spricht, dass die letzten drei Sachverständigen mit zunehmender Dringlichkeit darauf hingewiesen haben, dass Lockerungen, insbesondere in Form von ungefesselten Ausführungen, sinnvoll und vertretbar seien. Jedenfalls hat das Landgericht die Justizvollzugsanstalt explizit aufgefordert, zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer ungefesselte Ausführungen zu gewähren sind. Damit hat es dem Gebot der effektiven Durchsetzung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 – 2 BvR 2009/08 -, Rn. 43) noch hinreichend Rechnung getragen.

Angesichts des immer stärker werdenden Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers werden die Fachgerichte im weiteren Verlauf der Unterbringung hinsichtlich der Gewährung von Lockerungen effektiv auf die Vollzugsbehörde einzuwirken und ihr gegebenenfalls unter Ausschöpfung ihrer prozessualen Möglichkeiten deutlich zu machen haben, dass Vollzugslockerungen geboten sind. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass zu diesen – im Einzelfall zu prüfenden – Möglichkeiten auch ein Vorgehen auf der Grundlage von § 454a Abs. 1 StPO gehört (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 – 2 BvR 2009/08 -, Rn. 44 m.w.N.).