Kommt der Mindestlohn von 15 €?

27. April 2025 -

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland wurde mit dem Mindestlohngesetz (MiLoG) am 1. Januar 2015 eingeführt und dient seither als verbindliche Lohnuntergrenze für alle volljährigen Arbeitnehmer. Zum 1. Januar 2025 wurde er auf 12,82 Euro brutto pro Stunde angehoben. Die Anpassung erfolgt alle zwei Jahre durch eine unabhängige Mindestlohnkommission, die aus Arbeitgeber-, Arbeitnehmervertretern und Wissenschaftlern besteht. Für eine Anhebung auf 15 Euro pro Stunde, wie sie von SPD und Gewerkschaften gefordert wird, zeigen rechnerische Prognosen, dass dies möglich wäre. Kommt die Kommission nicht im gewünschten Umfang zu einem Beschluss, droht die SPD einem gesetzlichen Eingriff durch den Bundestag, was die Tarifautonomie berühren würde. Rechtlich ist der Mindestlohn durch MiLoG, die Tarifautonomie und die EU-Mindestlohnrichtlinie abgesichert, dennoch bestehen wirtschaftliche und verfassungsrechtliche Herausforderungen, die im Folgenden detailliert beleuchtet werden.

Gesetzliche Grundlagen des Mindestlohns

MiLoG: Geschichte und Anpassungsmechanismus

Das Mindestlohngesetz (MiLoG) trat am 1. Januar 2015 in Kraft und legte erstmals eine flächendeckende Lohnuntergrenze in Deutschland fest. Ziel war es, Dumpinglöhne zu verhindern und fairen Wettbewerb zu sichern. Grundlage der Anpassung ist § 1 MiLoG, der den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn definiert und die erstmalige Stufenanpassung bis 2017 regelte. Seit 2017 obliegt die Höhe des Mindestlohns einer unabhängigen Mindestlohnkommission, die alle zwei Jahre ihre Empfehlung abgibt und dabei ökonomische Kennzahlen wie Inflation, Produktivität und Beschäftigungsentwicklung berücksichtigt.

Zuständigkeit der Mindestlohnkommission

Die Mindestlohnkommission besteht aus zwölf Mitgliedern: je vier Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie vier unabhängigen Sachverständigen aus Wissenschaft und Forschung. Sie trifft ihre Entscheidungen nach Anhörung relevanter Akteure und legt Anpassungsbeschlüsse vor, die der Bundesregierung als verbindliche Empfehlung dienen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Kommission auch einen Referenzwert für eine mögliche Anhebung auf rund 15 Euro berechnet hat. Ihre Beschlüsse sind gesetzlich bindend, es sei denn, Bundestag und Bundesrat beschließen im Eilverfahren eine abweichende Regelung.

Aktuelle Lage und politische Debatte

Stand zum 1. Januar 2025

Zum 1. Januar 2025 betrug der Mindestlohn in Deutschland 12,82 Euro brutto pro Stunde. Er lag damit real leicht unterhalb der Inflationsrate, sodass Gewerkschaften und Forscher von realen Kaufkraftverlusten sprechen. Die Bundesregierung beantwortete im Januar 2025 häufige Fragen zum Mindestlohn und betonte dessen Erfolg bei der Armutsbekämpfung.

Forderungen nach 15 Euro

SPD und Gewerkschaften wie der DGB fordern eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro, um eine zeitgemäße Kaufkraftsicherung zu gewährleisten. Laut DGB sind die ökonomischen Voraussetzungen für einen solchen Schritt gegeben, und er wäre sozialpolitisch dringend notwendig. Die SPD hat angekündigt, im Bundestag ein Gesetz auf den Weg zu bringen, falls die Kommission 2025 nicht entsprechend entscheidet.

Kommissionsentscheidung vs. Gesetzlicher Eingriff

Nach aktuellem Koalitionsvertrag bleibt die Entscheidung über die Höhe des Mindestlohns vorrangig bei der Kommission. Sollten deren Empfehlungen jedoch hinter der Forderung von 15 Euro zurückbleiben, hat die SPD angekündigt, per Gesetz den Mindestlohn zu erhöhen – ein Schritt, der in der Union auf Ablehnung stößt und die Tarifautonomie infrage stellt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil betont die Erfolgsgeschichte des Mindestlohns, ohne die Kommission entmachten zu wollen.

Rechtssicherheit und Stabilität des 15-Euro-Mindestlohns

Tarifautonomie vs. Gesetzgebung

Das deutsche Arbeitsrecht baut auf dem Prinzip der Tarifautonomie auf, das Arbeitgeber– und Arbeitnehmerverbände zur eigenständigen Aushandlung von Arbeitsbedingungen verpflichtet. Ein direkter gesetzlicher Eingriff in die Mindestlohnhöhe durch den Bundestag würde dieses Prinzip nur im Ausnahmefall brechen, wenn die Kommission ihrer Aufgabe nicht nachkommt.

Verfassungsrechtliche Aspekte

Das Bundesverfassungsgericht anerkennt die Stabilisierung der sozialen Sicherung als Rechtfertigungsgrund für staatliche Eingriffe. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 15 Euro stünde damit nicht im Widerspruch zum Grundgesetz, solange er verhältnismäßig und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen gestaltet wird.

EU-Rechtliche Rahmenbedingungen

Die EU-Mindestlohnrichtlinie fordert angemessene Lohnniveaus und fördert Tarifverhandlungen, belässt die konkrete Ausgestaltung jedoch den Mitgliedstaaten. Ein Anheben auf 15 Euro ist mit der Richtlinie vereinbar, solange nationale Verfahren eingehalten werden; offene Fragen zur Richtlinienumsetzung werden derzeit vor dem EuGH diskutiert.

Risiken und Herausforderungen

Wirtschaftliche Auswirkungen

Arbeitgeberverbände warnen, dass eine sehr starke Erhöhung auf 15 Euro Wettbewerbsnachteile, höhere Arbeitskosten und mögliche Beschäftigungsrückgänge in Niedriglohnbranchen nach sich ziehen könnte. Studien zeigen jedoch, dass moderate Anhebungen kaum negative Effekte haben und gleichzeitig die Konsumnachfrage stärken können.

Arbeitsmarkt

Auf dem Arbeitsmarkt könnte ein höherer Mindestlohn Beschäftigte besser vor Ausbeutung schützen, zugleich aber Anreize für Automatisierung und Substitution durch Technologien setzen. Insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen ist die Anpassung organisatorisch und finanziell anspruchsvoll.

Ausblick für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Die Mindestlohnkommission muss bis Ende Juni 2025 eine Entscheidung über die Mindestlohnhöhe für 2026 und 2027 treffen. Arbeitgeber sollten sich frühzeitig auf mögliche Anpassungen vorbereiten und Gehaltsstrukturen prüfen. Arbeitnehmer können auf einen verbesserten Schutz hoffen, müssen sich aber auf laufende Debatten einstellen.

Fazit

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland ist durch MiLoG, die unabhängige Mindestlohnkommission und EU-Recht sicher verankert. Die Forderung nach 15 Euro ist rechnerisch umsetzbar und politisch hochgeführt, steht jedoch vor verfassungs-, tarifautonomie- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen. Ob die Kommission im Juni 2025 den Weg für 15 Euro ebnet oder der Bundestag eingreift, bleibt abzuwarten – Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten die Entwicklung aufmerksam verfolgen und sich rechtzeitig wappnen.