Die betriebsbedingte Kündigung ist eine der gesetzlichen Ausgestaltungen der Kündigung im deutschen Arbeitsrecht. Sie greift, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers wegfällt und keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb besteht. Im Folgenden werden die Voraussetzungen, der Ablauf und die Besonderheiten der betriebsbedingten Kündigung erläutert.
I. Rechtliche Grundlagen
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Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
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§ 1 KSchG: Schutz des Arbeitnehmers vor sozial ungerechtfertigter Kündigung
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Betriebsbedingte Kündigung als “sozial gerechtfertigte Kündigung” unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 KSchG
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Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
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§ 102 BetrVG: Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung
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§ 111 BetrVG: Betriebsbedingte Änderungen durch Sozialplan und Interessenausgleich
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II. Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung
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Dringende betriebliche Erfordernisse
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Auftragsrückgang oder -entzug: nachhaltig verminderte Auftragslage
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Umstrukturierungen/Reorganisation: Zusammenlegung, Auslagerung oder Schließung von Betriebsteilen
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Stilllegung des Betriebs oder Betriebsteils
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Wirtschaftliche Schwierigkeiten: Bilanzverluste, Insolvenzgefährdung
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Entfall des Arbeitsplatzes
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Wegfall einer konkreten Arbeitsplatzbeschreibung
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Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einer anderen, dem Arbeitnehmer zumutbaren Stelle
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Keine Weiterbeschäftigung im Betrieb
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Interne Versetzung: Prüfung aller freien Stellen, auch untergeordneter Tätigkeiten
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Erforderlichkeits- und Zumutbarkeitsprüfung
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III. Sozialauswahl
Nach § 1 Abs. 3 KSchG muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl durchführen, wenn mehrere vergleichbare Arbeitnehmer beschäftigt sind und ein Arbeitsplatz wegfällt.
Kriterien der Sozialauswahl (in Rangfolge)
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Betriebszugehörigkeit (länger Beschäftigte genießen Vorrang)
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Lebensalter (ältere Arbeitnehmer sind schutzwürdiger)
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Unterhaltspflichten (für Kinder oder andere Angehörige)
Der Arbeitgeber muss alle genannten Merkmale sorgfältig abwägen und dokumentieren.
IV. Verfahrensschritte
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Betriebsratsanhörung (§ 102 BetrVG)
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Rechtzeitige Information und Erörterung der Kündigungsgründe
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Zustimmungsverweigerung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung
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Fristgerechte Kündigungserklärung
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Schriftform (§ 623 BGB)
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Einhaltung der vertraglich oder gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsfrist (§ 622 BGB)
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Zustellung der Kündigung
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Zugang beim Arbeitnehmer entscheidend
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V. Abfindung und Sozialplan
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Kein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung
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Möglich bei Aufhebungsvertrag oder abfindungsbereiter Erklärung im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses (häufig 0,5 Monatsgehälter × Beschäftigungsjahre)
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Sozialplan (§ 112 BetrVG)
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Kompensationen für wirtschaftliche Nachteile
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Verhandlung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber
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VI. Rechtsbehelf: Kündigungsschutzklage
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Frist: Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden (§ 4 KSchG).
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Ziel: Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung → Weiterbeschäftigung oder Abfindung.
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Verfahrensablauf: Gütetermin → Kammertermin → Gerichtliche Entscheidung
VII. Besondere Konstellationen
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Betriebsstillegung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens: Sonderregelungen im Insolvenzrecht
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Tarifliche oder vertragliche Ausschlussfristen: Abweichende Fristen können gelten
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Kündigung während Mutterschutz bzw. Elternzeit: Genereller Kündigungsschutz
Fazit
Eine betriebsbedingte Kündigung setzt ein umfangreiches Prüf- und Dokumentationsverfahren voraus. Wesentlich sind das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse, die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und die Durchführung einer sorgfältigen Sozialauswahl. Arbeitnehmer sollten nach Zugang der Kündigung umgehend prüfen, ob eine fristgerechte Kündigungsschutzklage sinnvoll ist. Arbeitgeber wiederum müssen insbesondere die Zustimmung des Betriebsrats und die Einhaltung aller Verfahrensvorgaben sicherstellen.