Darf der Arbeitgeber berufliche E-Mails mitlesen? – Eine arbeitsrechtliche und datenschutzrechtliche Betrachtung

04. Mai 2025 -

Die Frage, ob ein Arbeitgeber die beruflichen E-Mails seiner Mitarbeiter mitlesen darf, ist in der Praxis ebenso relevant wie rechtlich komplex. Sie berührt das Spannungsfeld zwischen dem Direktionsrecht des Arbeitgebers, dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und datenschutzrechtlichen Vorgaben. Im Folgenden wird erläutert, unter welchen Voraussetzungen eine Einsichtnahme zulässig ist – und wann sie einen unzulässigen Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers darstellt.


Grundsatz: Berufliche E-Mails gehören zur Arbeit – oder doch nicht?

Im Arbeitsverhältnis ist es üblich, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern dienstliche E-Mail-Konten zur Verfügung stellen, um die geschäftliche Kommunikation effizient zu organisieren. Grundsätzlich gilt: E-Mails, die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit versendet oder empfangen werden, gehören zur betrieblichen Sphäre, sodass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Kontrolle und Einsichtnahme haben kann. Allerdings endet dieses Interesse dort, wo die Persönlichkeitsrechte oder datenschutzrechtlichen Schutzgüter des Arbeitnehmers überwiegen.


Entscheidender Unterschied: Private Nutzung erlaubt oder verboten

Ob der Arbeitgeber Einsicht in dienstliche E-Mails nehmen darf, hängt maßgeblich davon ab, ob die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Kontos erlaubt ist.

Private Nutzung ist untersagt

Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung ausdrücklich untersagt oder gar nicht erst erlaubt hat, handelt es sich beim dienstlichen E-Mail-Konto ausschließlich um ein Arbeitsmittel. In diesem Fall darf der Arbeitgeber grundsätzlich auch ohne vorherige Zustimmung des Arbeitnehmers Einsicht in die beruflichen E-Mails nehmen – etwa zur Kontrolle der Arbeitsleistung, zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs oder zur Vertretung im Krankheits- oder Urlaubsfall.

Dennoch ist auch hierbei das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu beachten. Eine anlasslose und permanente Überwachung ist unzulässig. Die Kontrolle muss verhältnismäßig sein und einem konkreten Zweck dienen.

Private Nutzung ist erlaubt oder geduldet

Gestattet oder duldet der Arbeitgeber die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Kontos, wird der Arbeitgeber rechtlich wie ein Telekommunikationsdiensteanbieter behandelt (§ 3 Nr. 6 TKG a. F., § 3 Nr. 62 TKG n. F.). Das hat weitreichende Folgen: In diesem Fall unterliegt der Arbeitgeber dem Fernmeldegeheimnis nach § 88 TKG.

Dies bedeutet: Ein Mitlesen privater Nachrichten ist strikt untersagt, selbst wenn sie über den dienstlichen Account versendet oder empfangen wurden. Auch eine Auswertung des E-Mail-Verkehrs zu Kontrollzwecken ist dann nur in engen Grenzen – etwa bei Vorliegen eines konkreten Verdachts einer Pflichtverletzung – zulässig. Eine allgemeine Überwachung wäre ein Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis und damit rechtswidrig.


Datenschutzrechtliche Anforderungen nach der DSGVO

Unabhängig von der Zulässigkeit der privaten Nutzung ist stets auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten. Denn bei der Einsichtnahme in E-Mails handelt es sich regelmäßig um die Verarbeitung personenbezogener Daten.

Der Arbeitgeber benötigt daher eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO – etwa zur Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO), zur Wahrung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) oder zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen (z. B. Aufbewahrungspflichten nach HGB oder AO).

Zudem gelten die Grundsätze der DSGVO, insbesondere:

  • Zweckbindung (Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO)

  • Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO)

  • Transparenz und Informationspflichten (Art. 13 DSGVO)

  • Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit (Art. 5 Abs. 1 lit. a und d DSGVO)

In der Praxis bedeutet dies: Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter transparent über Art, Umfang, Zweck und Rechtsgrundlage der Einsichtnahme informieren. Eine heimliche Kontrolle ist regelmäßig unzulässig.


Kontrollmaßnahmen und Mitbestimmung des Betriebsrats

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei technischen Einrichtungen, die zur Überwachung von Arbeitnehmerverhalten geeignet sind – hierzu gehören auch E-Mail-Überwachungssysteme. Ohne Zustimmung des Betriebsrats ist eine derartige Maßnahme in einem mitbestimmten Betrieb nicht zulässig.


Praxisfälle und Rechtsprechung

Die Rechtsprechung unterscheidet – in Übereinstimmung mit der vorstehenden Darstellung – zwischen Fällen mit und ohne erlaubte Privatnutzung:

  • LAG Niedersachsen (Urt. v. 31.05.2010 – 12 Sa 875/09): Erlaubt der Arbeitgeber die private Nutzung nicht, darf er in dienstliche E-Mails Einsicht nehmen.

  • ArbG Mannheim (Urt. v. 15.09.2016 – 6 Ca 190/15): Auch bei erlaubter Privatnutzung kann bei konkretem Verdacht eines Pflichtverstoßes eine Auswertung gerechtfertigt sein – jedoch nur unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit.

  • EuGH (Urt. v. 05.09.2017 – C-13/16, „Barbulescu“): Arbeitgeber dürfen private Kommunikation am Arbeitsplatz nicht ohne weiteres überwachen – es bedarf einer sorgfältigen Interessenabwägung.


Fazit: Abwägung ist entscheidend – klare Regelungen helfen

Ob und in welchem Umfang ein Arbeitgeber E-Mails mitlesen darf, hängt im Wesentlichen von der Zulässigkeit privater Nutzung, der Einwilligung oder Information des Arbeitnehmers, dem Zweck der Einsichtnahme und den datenschutzrechtlichen Voraussetzungen ab.

Empfehlung für Arbeitgeber:

  • Klare Regelung im Arbeitsvertrag oder in einer E-Mail-Richtlinie zur privaten Nutzung.

  • Transparente Datenschutzinformationen und Zweckdefinition.

  • Beteiligung des Betriebsrats bei Kontrollmaßnahmen.

  • Verzicht auf anlasslose und verdeckte Kontrollen.

Empfehlung für Arbeitnehmer:

  • Klären, ob private Nutzung gestattet ist.

  • Bei Unsicherheit private Korrespondenz über eigene Kanäle führen.

  • Bei Verdacht auf unzulässige Einsichtnahme rechtlichen Rat einholen.


FAQ: Häufige Fragen zur E-Mail-Kontrolle durch den Arbeitgeber

Darf der Arbeitgeber mein berufliches E-Mail-Postfach kontrollieren, wenn ich im Urlaub bin?
Ja, wenn die private Nutzung untersagt ist, darf der Arbeitgeber zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs auf das dienstliche Postfach zugreifen. Ist private Nutzung erlaubt, sollte zuvor eine Einwilligung eingeholt oder eine Vertretungsregelung vereinbart werden.

Kann ich gekündigt werden, wenn ich private Mails über das Dienstkonto schreibe, obwohl das verboten ist?
Ja, wiederholte oder gravierende Verstöße gegen ein Verbot privater Nutzung können eine Abmahnung oder sogar eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Muss ich darüber informiert werden, wenn mein Arbeitgeber meine E-Mails prüft?
Ja, grundsätzlich muss der Arbeitgeber über Art, Umfang und Zweck der Kontrolle informieren – insbesondere bei technischen Überwachungssystemen.