Rechtstipp: Impfschaden nach Corona-Impfung – Rechte & Pflichten

19. Juni 2025 -

Wer nach einer staatlich empfohlenen Corona-Impfung gesundheitliche Probleme hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 60 IfSG a.F.) bzw. heute nach § 24 SGB XIV beantragen. Dafür muss ein bleibender Gesundheitsschaden vorliegen (Schaden dauert mindestens 6 Monate an) und ein kausaler Zusammenhang mit der Impfung wahrscheinlich sein. Entscheidend ist aber: Nur ein über die normale Impfreaktion hinausgehender Schaden („Impfkomplikation“) wird als Impfschaden anerkannt. Im aktuellen LSG-Urteil heißt es, dass für eine „Impfopferversorgung“ die Impfung, die dauerhafte Schädigung und zusätzlich eine Impfkomplikation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssen. Ein bloß zeitlicher Zusammenhang (z.B. Symptome nach Wochen) reicht nicht aus.

  • Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch: Die Impfung muss öffentlich empfohlen oder gesetzlich angeordnet gewesen sein (z.B. Corona– oder Grippeschutzimpfung). Der Gesundheitsschaden muss mindestens seit 6 Monaten bestehen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden muss wahrscheinlich sein (nach neuem Recht genügt auch „wahrscheinlich“ statt „bewiesen“). Außerdem wird eine entsprechende Antragsstellung bei der zuständigen Behörde (Landesamt für Soziales/Gesundheit) nötig sein.
  • Wahrscheinlichkeit und Beweis: Nach § 61 IfSG reicht in der Regel schon ein wahrscheinlicher Zusammenhang. Das LSG betont aber, dass im Entschädigungsfall zusätzlich die Impfkomplikation mit sehr hoher Sicherheit feststehen muss. Das bedeutet: Es muss eindeutig nachgewiesen werden, dass der Gesundheitsschaden über das übliche Reaktionsmuster hinausgeht. Nur Kopfschmerzen, Fieber oder Gelenkschmerzen in den ersten Tagen nach der Impfung gelten als normale „Impfreaktion“ (die Ausprägungen finden sich in den Fachinformationen zu Comirnaty). Ein Gesundheitsschaden gilt erst dann als Impfkomplikation, wenn er unerwünscht ist und über dieses übliche Maß hinausgeht.

Impfreaktionen sind normale Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder kurzzeitig Fieber. Impfkomplikationen sind dagegen unerwünschte, über das normale Maß hinausgehende Schäden.

Impfreaktion vs. Impfkomplikation

Das Robert-Koch-Institut (RKI) unterscheidet klar: Impfreaktionen sind typische, vorübergehende Beschwerden – etwa Rötung, Schwellung oder Schmerzen an der Einstichstelle sowie Allgemeinsymptome wie Fieber, Kopfschmerzen oder Muskelschmerzen, die nach wenigen Tagen folgenlos abklingen. Diese gelten als Zeichen einer normalen Immunantwort. Impfkomplikationen hingegen sind unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach einer Impfung, die über das übliche Maß hinausgehen. Erleidet jemand zum Beispiel monatelang anhaltende, schwere Kopfschmerzen, muss genau geprüft werden, ob diese tatsächlich auf die Impfung oder auf einen anderen Umstand (z.B. eine Vorerkrankung oder ein Medikament) zurückzuführen sind. Fehlt ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang oder eine ärztliche Dokumentation eines Impfvorgangs mit Komplikation, lehnt die Behörde eine Entschädigung ab.

Beispiel: LSG Baden-Württemberg – Dauerkopfschmerz nach Corona-Impfung

Im entschiedenen Fall hatte eine junge Frau nach einer Comirnaty-Impfung wochenlang starke Kopfschmerzen. Sie glaubte an einen Impfschaden und beantragte Entschädigung nach § 60 IfSG. Sozialgericht und Landessozialgericht wiesen den Anspruch ab. Nach Auffassung des Gerichts lag keine nachgewiesene Impfkomplikation vor. Gründe: Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen treten Kopfschmerzen als Impfreaktion meist nur innerhalb von 12–48 Stunden auf. Das spätere Auftreten von Dauerschmerzen war damit atypisch. Zudem gab es andere Erklärungen: Die Klägerin nahm ein ADHS-Medikament mit Kopfschmerz-Nebenwirkung ein und hatte früher schon Migräne und ähnliches berichtet. Dies führte das Gericht zur Überzeugung, dass der Impfung kein „an Sicherheit grenzender“ Zusammenhang mit den Kopfschmerzen nachgewiesen werden konnte. Das Urteil schließt aus: Reine Kopfschmerzen Wochen nach der Impfung sind per se kein Impfschaden.

Konkrete Folgen für Arbeitnehmer

  • Kein direkter Entschädigungsanspruch: Wer nach einer Covid-Impfung Kopf- oder Gliederschmerzen entwickelt, kann nicht automatisch von staatlichen Zahlungen ausgehen, solange keine anerkannte Impfkomplikation vorliegt. Die Entscheidung des LSG zeigt, dass oberflächliche Beschwerden oder spätere Kopfschmerzattacken meist als „übliches“ Risiko angesehen werden und kein Impfschaden im Sinne des IfSG sind. Arbeitnehmer bleiben daher in der Regel bei den üblichen Rechtsmitteln: Bei Arbeitsunfähigkeit hat man Anspruch auf Lohnfortzahlung (bis zu 6 Wochen) und ggf. danach auf Krankengeld. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt die Behandlungskosten wie bei jeder anderen Erkrankung.
  • Dokumentation ärztlicher Beschwerden: Arbeitnehmer sollten bei Verdacht auf Impfnebenwirkungen möglichst sofort zum Arzt gehen und den Zusammenhang dokumentieren lassen. Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, schwere Impfkomplikationen zu melden. Eine frühzeitige Beschwerdemeldung (z.B. beim Gesundheitsamt oder im Impfpass) kann helfen, den Kausalzusammenhang zu belegen. Denn im Verfahren entscheidet letztlich die medizinische Bewertung: Je besser Ärzt:innen schildern, dass etwa Wochen nach der Impfung neurologische Ausfälle oder andere schwerwiegende Symptome auftraten, desto eher kann ein Zusammenhang geprüft werden.
  • Antragstellung und Fristen: Es gibt keine starre Frist für den Antrag auf Impfentschädigung nach SGB XIV, allerdings gelten Leistungen grundsätzlich ab Antragstellung. Ein „Rückwirkungszeitraum“ wird gewährt, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach der schädigenden Impfung gestellt wird. Arbeitnehmer sollten also nicht allzu lange warten, wenn sie ernsthafte Beschwerden haben. Wichtige Unterlagen sind der Impfnachweis (Impfbescheinigung) und ärztliche Befunde. Wird der Antrag später gestellt, gibt es Entschädigungen nur ab Datum des Antrags (§ 11 SGB XIV).

Pflichten und Informationspflichten von Arbeitgebern

  • Impfempfehlungen und -angebote: Arbeitgeber können im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung prüfen, ob eine Impfung aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht sinnvoll ist – etwa bei Tätigkeiten mit engem Personenkontakt. Es gibt allerdings keine allgemeine Impfpflicht durch den Arbeitgeber (sofern keine spezielle gesetzliche Vorgabe besteht). Ein Impfangebot am Arbeitsplatz muss als freiwillig gekennzeichnet werden. Arbeitgeber sollten klar kommunizieren, dass die Impfung nicht verpflichtend ist, und etwaige geschäftliche Zustimmungserklärungen (Merkblätter) dokumentieren lassen.
  • Aufklärung und Fürsorge: Auch wenn die medizinische Aufklärung letztlich beim impfenden Arzt liegt, hat der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht. Er muss über allgemeine Risiken und Abläufe informieren, damit Beschäftigte eine freie Entscheidung treffen können. Generell gilt: Druck oder Zwang sind unzulässig. Zudem sollte der Arbeitgeber keine unzulässigen Gesundheitsdaten (wie Impfstatus) erfragen, solange dafür keine rechtliche Grundlage besteht.
  • Umgang mit Krankmeldungen nach Impfung: Melden sich Beschäftigte nach einer Impfaktion krank, ist dies in der Regel wie jede andere Erkrankung zu behandeln. Der Arbeitgeber zahlt bei Arbeitsunfähigkeit die Lohnfortzahlung (§ 616 BGB bzw. Entgeltfortzahlungsgesetz). Etwaige Impfschäden werden – anders als Betriebsunfälle – meist nicht über die Unfallversicherung abgerechnet. LSG und Sozialgericht haben bestätigt, dass ein freiwilliges Betriebsimpfangebot kein Arbeitsunfall im Sinne der Unfallversicherung ist. Nur wenn die Impfung verpflichtend durch den Arbeitgeber angeordnet wäre (Vertrags­klausel oder Weisung), könnte ein Unfallversicherungsfall in Frage kommen. Für gewöhnlich verbleibt das Risiko daher bei den Beschäftigten, und Entschädigungen laufen über das IfSG/ SGB XIV-System.
  • Dokumentation durch Betriebsarzt: Falls die Impfung durch den Betriebsarzt erfolgt, kann ein Impfschaden formal als Arbeitsunfall gelten – dann greift die Berufsgenossenschaft. Dies setzt aber voraus, dass die Impfung Teil einer arbeitsmedizinischen Vorsorge war. Nach ArbMedVV muss eine Impfung angeboten werden, wenn ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Arbeitgeber sollten daher gemeinsam mit dem Betriebsarzt entscheiden, ob eine Corona-Impfung in ihren Schutzmaßnahmen vorgesehen ist. In jedem Fall muss ein Arbeitgeber darauf achten, dass schriftliche Unterlagen (Aufklärungsbogen, Impfbuch) korrekt geführt werden, damit ein eventueller Kausalzusammenhang später nachvollziehbar ist.

Arbeitnehmer können nach staatlich empfohlenen Corona-Impfungen Ansprüche nach IfSG/SGB XIV geltend machen. Das LSG-Urteil zeigt, dass dabei die Hürde für Komplikationen hoch ist: Beschwerden müssen ärztlich dokumentiert sein und in engem zeitlichen und kausalen Zusammenhang mit der Impfung stehen. Arbeitgeber hingegen müssen vor allem informieren und aufklären, ohne Impfvorgaben zu machen. Impfangebote dürfen nur freiwillig erfolgen und sollten als solche gekennzeichnet werden. Liegen Impfschäden vor, ist die Haftung in erster Linie staatlich geregelt, nicht arbeitgeberseitig.