Lohnabzug wegen Toilettenpausen? – Arbeitsrechtliche Tipps für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

05. November 2025 -

Häufige Toilettengänge von Beschäftigten sorgen in der Praxis immer wieder für Konflikte. Doch selbst wenn Arbeitnehmerinnen viel Zeit im WC verbringen, darf derdie Arbeitgeberin dafür nicht ohne Weiteres den Lohn kürzen. Das zeigt ein Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.01.2010 (Az. 6 Ca 3846/09), in dem eine Kanzlei einem angestellten Rechtsanwalt wegen angeblich exzessiver Toilettenpausen Gehalt einbehalten hatte. Im Folgenden beleuchten wir praxisorientiert die arbeitsrechtlichen Regelungen zu Toilettenpausen – mit Handlungsempfehlungen sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber.

Der Fall: Häufige Toilettengänge und verweigertes Arbeitszeugnis

In dem Kölner Fall protokollierte der Arbeitgeber minutiös die WC-Besuche seines Angestellten: Zwischen dem 08.05. und 26.05.2009 summierten sich 384 Minuten Toilettenzeit. Hochgerechnet auf die gesamte Beschäftigungsdauer (rund 9 Monate) unterstellte der Arbeitgeber ca. 90 Stunden „auf der Toilette verbrachte” Arbeitszeit und zog daraufhin 682,40 € vom Nettogehalt des Mitarbeiters ab. Der Arbeitnehmer wehrte sich gerichtlich – er litt nach eigener Aussage an Verdauungsstörungen in dem Zeitraum – und bekam Recht. Das Arbeitsgericht Köln entschied, dass auch bei häufigen Toilettenbesuchen eine Gehaltskürzung unzulässig ist.

Arbeitgeber dürfen nicht eigenmächtig Lohn wegen vermeintlich langer Toilettenpausen kürzen, sondern müssen andere arbeitsrechtliche Schritte prüfen. Im nächsten Schritt erklären wir, was diese Grundsätze für die Praxis bedeuten.

Toilettenpausen während der Arbeitszeit: Rechte und Pflichten

Zählen Toilettengänge zur Arbeitszeit?

Rechtlich gelten kurze Toilettengänge als kurze Arbeitsunterbrechungen, vergleichbar mit dem Trinken eines Wassers oder kurzem Augenentspannen am Bildschirm. Sie sind keine regulären Ruhepausen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, daher werden sie als Arbeitszeit vergütet. Arbeitnehmer dürfen also bei Bedarf zur Toilette gehen, ohne dafür ausstempeln oder eine Pause nehmen zu müssen. Ein generelles Verbot oder eine strikte Vorausbegrenzung der Toilettengänge wäre unzulässig, da es das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten verletzen würde. Arbeitgeber können Toilettenpausen daher nicht vollständig untersagen oder z.B. auf eine fixe Anzahl pro Tag limitieren.

Allerdings ist der Toilettengang juristisch gesehen privater Natur. Unfallschutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht z.B. innerhalb der Toilettenräume nicht, weil es sich dabei nicht um eine dienstliche Tätigkeit handelt. Trotzdem dürfen Arbeitgeber die dabei verbrachte Zeit nicht von der Arbeitszeit abziehen, solange die Nutzung im üblichen Rahmen bleibt. Kurz gesagt: Der Toilettengang gehört zwar nicht zur eigentlichen Arbeit, muss aber vom Arbeitgeber hingenommen und bezahlt werden.

Grenzen des Weisungsrechts: Darf der Arbeitgeber Toilettenzeiten begrenzen?

In engen Grenzen darf eine Arbeitgeberin Maßnahmen ergreifen, um Missbrauch exzessiver Toilettenpausen vorzubeugen. Im Rahmen des Direktionsrechts (§ 106 GewO) könnten etwa Richtwerte zur angemessenen Dauer oder Frequenz kommuniziert werden, sofern dies aus betrieblichen Gründen notwendig und verhältnismäßig ist. Ein Beispiel wäre, bei akutem Personalmangel im Service darauf hinzuweisen, Toilettengänge nach Möglichkeit außerhalb von Stoßzeiten zu legen. Willkürliche Vorgaben (etwa generelles Toilettenverbot während der Arbeitszeit) sind hingegen unzulässig. Jede Maßnahme muss die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer wahren.

Auch Überwachung ist nur eingeschränkt zulässig. Eine Rundum-Kontrolle aller Toilettengänge – etwa mittels Video oder elektronischer Zugangskarten – wäre unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Zulässig können aber stichprobenartige Kontrollen sein, wenn ein konkreter Missbrauchsverdacht besteht. Im Kölner Fall hatten Kollegen die Zeiten notiert. Solche Aufzeichnungen sind als Beweismittel grundsätzlich erlaubt, doch ihre Aussagekraft muss solide sein.

Konsequenzen bei Missbrauch: Was tun bei überlangen Toilettenpausen?

Auch Arbeitnehmerinnen dürfen den Toilettengang nicht zweckentfremden und z.B. für lange private Telefonate, Lektüre oder Social Media nutzen. Stundenlange Aufenthalte ohne medizinischen Grund könnten als Arbeitsverweigerung gewertet werden. Derdie Arbeitgeberin kann in solchen Fällen arbeitsrechtlich reagieren – allerdings nicht durch Lohnentzug im Alleingang. Wichtig: Wenn ein Arbeitgeber meint, eine Mitarbeiterin verbringe unzulässig viel Zeit auf Toilette, muss er den Missbrauch konkret nachweisen. Ein bloßer Verdacht oder pauschale Hochrechnung (wie im geschilderten Fall) reicht nicht aus, um Arbeitszeit abzuziehen.

Stattdessen sind die klassischen arbeitsrechtlichen Mittel anzuwenden: Zunächst ein klärendes Gespräch suchen, dann ggf. Abmahnung erteilen, wenn derdie Mitarbeiterin seineihre Pflichten verletzt (z.B. durch ausgedehnte private Pausen). Zeigt die Abmahnung keine Wirkung und setzt sich der Missbrauch fort, kann im Extremfall eine kündigungsrechtliche* Maßnahme in Betracht kommen. Dabei ist immer der Einzelfall zu würdigen – beispielsweise kann eine medizinische Ursache (Blasenerkrankung, Magen-Darm-Probleme) längere WC-Gänge rechtfertigen, ohne dass dem Arbeitnehmer ein Vorwurf gemacht werden kann. Solche gesundheitlichen Gründe sollten Beschäftigte möglichst früh offenlegen, damit der Arbeitgeber die Situation richtig einschätzt.

Praxis-Tipps für Arbeitgeber: Kürzen Sie nicht eigenmächtig den Lohn wegen vermuteter „Trödelei“ auf der Toilette – dies ist rechtlich nicht haltbar. Sprechen Sie lieber frühzeitig mit demder Mitarbeiterin, wenn Ihnen außergewöhnlich lange oder häufige Abwesenheiten auffallen. Halten Sie die Arbeitszeiten Ihrer Angestellten möglichst transparent fest (z.B. durch Zeiterfassung oder Aufgabenprotokolle), um objektiv beurteilen zu können, ob wirklich Arbeitszeit fehlt. Bei Verdacht auf Missbrauch sind Abmahnungen das richtige Instrument, nicht der Gehaltsabzug. Achten Sie bei Kontrollen immer auf die Verhältnismäßigkeit und den Datenschutz – ständige Überwachung ist tabu, aber gelegentliche Stichproben bei konkretem Verdacht sind zulässig.

Praxis-Tipps für Arbeitnehmer: Als Arbeitnehmerin sollten Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten ernst nehmen – den Tag regelmäßig übermäßig lange auf der Toilette zu verbringen, kann Konsequenzen haben. Nutzen Sie Toilettenpausen nur im erforderlichen Umfang. Falls Sie aus Gesundheitsgründen häufiger oder länger zur Toilette müssen (etwa wegen einer chronischen Krankheit oder Schwangerschaft), informieren Sie Ihren Arbeitgeber offen darüber. So beugen Sie Missverständnissen vor. Sollte Ihre Arbeitgeberin unberechtigt Lohn wegen angeblicher „Toilettenzeiten“ einbehalten, haben Sie das Recht, diese Beträge einzufordern. Suchen Sie das Gespräch oder im Zweifel anwaltlichen Rat, bevor Sie selbst Maßnahmen ergreifen. Wichtig: Eigenmächtig die Arbeit niederzulegen, weil Lohn fehlt, ist riskant. Im Kölner Fall behielt der Arbeitnehmer im Folgemonat Juni seine Arbeitskraft vor, da ihm Gehalt vorenthalten wurde – das Gericht erkannte jedoch keinen Lohnanspruch für diesen Monat an, weil der Arbeitnehmer kein Recht hatte, ohne gerichtliche Klärung einfach der Arbeit fernzubleiben. Besser ist es, bei Lohnstreitigkeiten rechtlich vorzugehen, statt die Arbeit zu verweigern.