Gemeindewehrführerin nach Brandbrief sofort abberufen – Ehrenbeamtenstatus bleibt vorerst bestehen

05. Dezember 2025 -

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.12.2025 – OVG 4 S 34/25

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass eine Gemeindewehrführerin einer Freiwilligen Feuerwehr nach einem schweren Vertrauensverlust (dokumentiert durch einen internen „Brandbrief“) mit sofortiger Wirkung aus ihrer Leitungsfunktion entlassen werden darf, während ihr Status als Ehrenbeamtin vorerst bestehen bleibt. Die Leitungsfunktion (Amt) und das Ehrenbeamtenverhältnis seien strikt voneinander zu trennen.

Hintergrund des Falls

In einer Brandenburger Gemeinde unterzeichneten 45 Feuerwehr-Einsatzkräfte einen sogenannten „Brandbrief“, in dem sie ihrer Gemeindewehrführerin das Vertrauen entzogen. Zusätzlich trat ein Ortswehrführer von seinem Posten zurück. Als Reaktion darauf widerrief die Bürgermeisterin am 27. März 2025 die Bestellung der Betroffenen zur Gemeindewehrführerin und entließ sie zugleich aus dem Ehrenbeamtenverhältnis – jeweils mit sofortiger Vollziehung. Zur Begründung berief sich die Kommune auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), um schwere Nachteile für das Gemeinwohl abzuwenden.

Die Gemeindewehrführerin wehrte sich hiergegen gerichtlich. Das Verwaltungsgericht (VG) Potsdam gab ihrem Eilantrag zunächst statt und stoppte die sofortige Vollziehung beider Maßnahmen vollständig. Das VG ging davon aus, dass die Leitungsfunktion untrennbar mit dem Ehrenbeamtenstatus verbunden sei.

Entscheidung des OVG: Trennung von Amt und Status

Das OVG Berlin-Brandenburg hat der Rechtsauffassung der ersten Instanz ausdrücklich widersprochen. Die Bestellung zur Wehrführerin (Leitungsfunktion) und die Ernennung zur Ehrenbeamtin sind zwei eigenständige Rechtsakte, die rechtlich getrennt zu beurteilen sind. Zwar sehen die brandenburgischen Vorschriften des Brandschutzrechts (Brandenburgisches Brand- und Katastrophenschutzgesetz, BbgBKG, sowie ergänzende Regelungen) in der Regel vor, dass Wehrführer als Ehrenbeamte auf Zeit ernannt werden, zwingend ist dies jedoch nicht. Ein Widerruf der Leitungsfunktion führt daher nicht automatisch zum Wegfall des Ehrenbeamtenverhältnisses. Als Ehrenbeamtin hat die Betroffene zudem keinen Anspruch auf eine bestimmte Funktion oder amtsangemessene Beschäftigung – insbesondere nicht auf die (Weiter-)Führung der Feuerwehr.

Sofortige Abberufung der Wehrführerin gerechtfertigt

Nach summarischer Prüfung bestehen nach Auffassung des OVG gewichtige Gründe, die die sofortige Abberufung der Gemeindewehrführerin rechtfertigen. Laut 4. Senat komme es für die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr entscheidend auf eine stabile Führung an, nicht auf die beamtenrechtliche Stellung der Leiterin. Im vorliegenden Fall lagen erhebliche Störungen in der Führungsstruktur vor: Es gab Warnungen des Kreisbrandmeisters bezüglich der Amtsführung, deutliche Defizite in der Sozialkompetenz der Wehrführerin, Rücktritte in der Führungsebene sowie die konkrete Gefahr weiterer Austritte von Feuerwehrangehörigen. Diese Umstände begründeten ein besonderes öffentliches Interesse an einem sofortigen Eingreifen. Der Schutz der Funktionsfähigkeit der Feuerwehr – und damit der Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung – wiegt im Eilverfahren schwerer als das Interesse der Betroffenen, bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren im Amt zu bleiben. Folglich durfte die Kommune die Leitungsfunktion der Feuerwehrchefin aus Gründen des Brandschutzes mit sofortiger Wirkung entziehen.

Ehrenbeamtenstatus bleibt vorerst bestehen

Anders beurteilte das OVG die gleichzeitige Entlassung der Betroffenen aus dem Ehrenbeamtenverhältnis. Die sofortige Entfernung aus dem Ehrenbeamtenstatus sei im Eilverfahren unverhältnismäßig. Außerhalb disziplinarischer Gründe ist die Entlassung eines Ehrenbeamten auf Zeit – also eines ehrenamtlichen Feuerwehr-Beamten mit befristeter Amtszeit – nur sehr eingeschränkt zulässig. Zur Sicherstellung der Einsatzfähigkeit der Feuerwehr genügt es nach Ansicht des Gerichts, die Leitungsfunktion neu zu besetzen; der Fortbestand des Ehrenbeamtenverhältnisses hindert die Einsatzbereitschaft nicht. Dementsprechend bleibt die Frau weiterhin Ehrenbeamtin, auch wenn sie ihr Amt als Gemeindewehrführerin vorerst verloren hat. Aus ihrer Stellung als Ehrenbeamtin kann sie im Übrigen weiterhin rechtlich gegen die Maßnahmen vorgehen (Rechtsmittel einlegen), ohne die Feuerwehrführung zu beeinträchtigen.

Praxishinweis

Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg verdeutlicht, dass in der Freiwilligen Feuerwehr die Leitungsfunktion und der Status als Ehrenbeamter strikt getrennt betrachtet werden müsse. Bei erheblichen Konflikten oder Vertrauensverlust in der Wehrführung kann die zuständige Kommune aus Gründen des Brandschutzes schnell handeln und den Wehrführer bzw. die Wehrführerin mit sofortiger Wirkung von der Führungsaufgabe entbinden, um die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr zu gewährleisten. Dieses Vorgehen ist rechtlich zulässig, solange ein dringendes öffentliches Interesse – wie die Verhütung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl – vorliegt und sorgfältig begründet wird (hier gestützt auf § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG).

Gleichzeitig ist zu beachten, dass der formale Status als Ehrenbeamter nicht vorschnell aberkannt werden darf, sofern eine Wiederherstellung der Ordnung bereits durch die personelle Neuaufstellung in der Führung erreicht werden kann. Die betroffene Person bleibt in solchen Fällen Ehrenbeamter auf Zeit und kann aus diesem Status heraus gegen die Abberufung vorgehen, ohne die Funktionsfähigkeit der Feuerwehr zu beeinträchtigen. Kommunen in ähnlichen Situationen sollten daher die Entbindung vom Amt und die Entlassung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis als getrennte Schritte behandeln und besonders die Verhältnismäßigkeit einer sofortigen Statusbeendigung kritisch prüfen.