Sturz über die Leine des Bürohunds – Arbeitsunfall oder privates Pech?

Hintergrund des Urteils (SG Dortmund, 07.07.2025)

Ein kurioser Fall zeigt, wie Hunde am Arbeitsplatz zum juristischen Thema werden können: Ein Geschäftsführer nahm täglich seinen Hund mit ins Büro – er sah ihn als „Fitnesstrainer“, „Alarmanlage“ und beliebten Bürohund für die Kollegen. Auf dem Firmenparkplatz geschah das Malheur: Als der Kläger morgens aus dem Auto stieg und der Hund aus dem Kofferraum sprang, geriet die Hundeleine um seine Beine. Der Mann stürzte und verletzte sich an Knie und Händen. Obwohl der Unfall auf dem Weg zur Arbeit passierte, verweigerte die Berufsgenossenschaft die Anerkennung als Arbeitsunfall. Begründung: Das Hundeführen sei eine private Handlung ohne direkten Bezug zur versicherten beruflichen Tätigkeit. Der Kläger argumentierte dagegen, der Hund diene der Firma – etwa zur Abschreckung Unbefugter und zur Steigerung des Betriebsklimas – und deshalb müsse auch der Unfall auf dem Arbeitsweg versichert sein.

Das Sozialgericht Dortmund bestätigte jedoch die Auffassung der Unfallversicherung und wies die Klage ab. Nach Auffassung des Gerichts fehlte es am erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Sturz: Zwar befand sich der Kläger auf dem direkten Arbeitsweg, doch die konkrete Unfallursache – das Stolpern über die Leine des eigenen Hundes – stand in keinem wesentlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Geschäftsführer. Vielmehr habe sich ein eigenwirtschaftliches Risiko verwirklicht. Hinweis: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; der Rechtsstreit wird in der Berufung vor dem Landessozialgericht NRW (Az. L 15 U 350/25) fortgesetzt.

Gesetzlicher Unfallschutz auf dem Arbeitsweg (Wegeunfall)

Grundsätzlich sind Unfälle auf dem unmittelbaren Weg von oder zur Arbeit durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Entscheidend ist, dass man sich zielgerichtet zur Arbeitsstätte oder nach Dienstende nach Hause bewegt. Der Versicherungsschutz beginnt in der Regel mit dem Verlassen der Haustür und endet beim Eintreffen am Arbeitsplatz. Juristisch spricht man von der Handlungstendenz: Die Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt muss objektiv darauf ausgerichtet sein, den Arbeitsplatz (oder auf dem Rückweg die Wohnung) zu erreichen.

Beim Wegeunfall kommt es also nicht darauf an, ob man gerade eine betriebliche Arbeitspflicht erfüllt – maßgeblich ist der sachliche Zusammenhang mit dem direkten Weg. Versichert ist dabei die Fortbewegung selbst (zu Fuß, mit dem Fahrrad, Auto, ÖPNV etc.), nicht der Weg als solcher. Alle Handlungen, die unmittelbar dem Zurücklegen dieses Weges dienen, stehen unter Schutz. Beispielsweise sind auch kleine Vorbereitungshandlungen wie das Enteisen der Scheiben im Winter oder das Verstauen von Arbeitsmaterial im Kofferraum vom Unfallschutz umfasst, solange sie im Vorbeigehen und ohne deutliche Unterbrechung des Arbeitswegs erfolgen. Eine geringfügige Unterbrechung (etwa das kurze Öffnen und Schließen des Kofferraums, um die Arbeitstasche oder – wie hier – den Hund aussteigen zu lassen) gilt bei natürlicher Betrachtung noch als Teil des unmittelbaren Weges und lässt den Versicherungsschutz bestehen.

Im Dortmunder Fall stand außer Frage, dass sich der Kläger grundsätzlich auf einem versicherten Arbeitsweg befand – daran änderte auch das kurze Öffnen der Heckklappe nichts. Warum also trotzdem kein Arbeitsunfall? Das liegt an den konkreten Umständen der Verrichtung beim Sturz.

Privater Hund auf Dienstweg: Wann ist man versichert?

Die Rechtsprechung differenziert fein, welche Handlung im Moment des Unfalls ausgeübt wurde. Verrichtet der Versicherte mehrere Dinge gleichzeitig, muss jede einzelne Handlung für sich dem beruflichen Bereich zuzuordnen sein. So stellte das Gericht fest: Einerseits war der Kläger dabei, sich zu Fuß zur Arbeit zu begeben – diese Fortbewegung ist natürlich Teil der versicherten Tätigkeit. Andererseits hielt er aber die Hundeleine in der Hand und führte damit seinen Hund mit – und dieses Mitführen des eigenen Haustieres ist eine eigenständige Handlung, die sinnlich von der reinen Fortbewegung zu unterscheiden ist. Genau hier liegt das Problem: Das Hundeführen gehörte nicht zum versicherten Aufgabenbereich, sondern zum privaten Lebensbereich des Klägers.

Entscheidend ist nämlich, ob das Mitführen des Hundes in einem wesentlichen beruflichen Bezug steht. Die Hundeleine ist nur dann dem versicherten beruflichen Bereich zuzurechnen, wenn der Hund aus bedeutsamen betrieblichen Gründen mitgeführt wird. Mit anderen Worten: Ein Hund auf dem Arbeitsweg wäre versichert, wenn er aus dienstlichen Gründen gehalten und mitgenommen wird – etwa ein ausgebildeter Polizeihund, ein Blindenführhund im Beruf oder ein offiziell vom Betrieb eingesetzter Wachhund. Eine formale Einstufung als “Nutztier” ist dafür nicht zwingend; entscheidend ist die betriebliche Zweckbestimmung des Tieres. Fehlt es daran, bleibt das Mitführen des Tieres Privatsache.

Im vorliegenden Fall war der Vierbeiner jedoch kein echter „Diensthund“, sondern das privates Haustier des Geschäftsführers. Auch wenn seine Anwesenheit im Büro von allen geschätzt wurde, diente er vor allem der persönlichen Freude der Halter. Die vom Kläger angeführten Vorteile – ein positiver Einfluss auf das Betriebsklima, eine gewisse Abschreckung von Fremden – wertete das Gericht lediglich als „willkommene Nebeneffekte“ ohne nennenswerten betrieblichen Zweck. Der Hund hielt sich überwiegend im abgeschlossenen Büro der Geschäftsleitung auf und war nicht ausdrücklich Teil der arbeitsvertraglichen Pflichten oder Unternehmensorganisation. Allein die Tatsache, dass der Hund auf der Firmen-Website scherzhaft als Teammitglied im „Forderungsmanagement“ aufgeführt war, begründet noch keinen beruflichen Einsatz. Fazit des Gerichts: Weil der Hund nicht aus überwiegenden betrieblichen Gründen mitgeführt wurde, fehlt der innere Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit – der Sturz über die Leine war daher kein Arbeitsunfall.

Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

Viele Arbeitnehmer nehmen heute ihren Hund mit zur Arbeit – sei es im Homeoffice, im Büro oder auf dem Weg dorthin. Der Fall aus Dortmund zeigt eindrücklich, wo die Grenzen des gesetzlichen Unfallschutzes verlaufen. Solange Ihr Haustier nicht integraler Bestandteil Ihrer beruflichen Tätigkeit ist, tragen Sie das Risiko bei Unfällen durch das Tier selbst. Verunglückt man auf dem Arbeitsweg durch das eigene Tier, greift die gesetzliche Unfallversicherung in der Regel nicht. In unserem Fall musste der Gestürzte die Behandlung als Privatunfall über die Krankenversicherung abwickeln – die Berufsgenossenschaft kam für den Schaden nicht auf.

Arbeitnehmer sollten sich dieser Rechtslage bewusst sein. Auch wenn der Arbeitsweg versichert ist, gilt: Bleiben Sie “bei der Sache”. Kleine Handgriffe, die unmittelbar zum Fortkommen dienen (Tanken, Autoscheibe säubern, Tür abschließen etc.), sind gedeckt. Andere Handlungen, die rein privaten Zwecken dienen, können den Versicherungsschutz kosten. Das Mitnehmen eines Hundes zur Arbeit fällt nur dann unter den Schutz, wenn der Hund nachweislich Teil der beruflichen Sphäre ist – was selten der Fall sein dürfte. Im Zweifel gilt: Stürzt man wegen seines Haustieres, ist dies wohl privates Pech und kein Fall für die Unfallkasse.

Praxis-Tipp: Wer nicht auf seinen tierischen Begleiter im Büro verzichten möchte, sollte besonders vorsichtig sein. Achten Sie darauf, Ihren Hund so zu sichern und zu führen, dass Sie auf dem Arbeitsweg nicht abgelenkt oder gefährdet werden. Denn passiert doch etwas, steht man ohne gesetzlichen Unfallschutz da – und muss auf private Versicherungen oder Kulanz hoffen. Arbeitgeber wiederum sind gut beraten, klare Absprachen zur Tiermitnahme zu treffen. So bleibt der Bürohund ein Freund und kein Haftungsrisiko.