Nachvergütung für Chef-Kameramann von „Das Boot“ für ARD-Ausstrahlungen?

20. Februar 2020 -

Der Bundesgerichtshof hat am 20.02.2020 zum Aktenzeichen I ZR 176/18 im Rechtsstreit über eine weitere angemessene Beteiligung des Chef-Kameramanns des Filmwerks „Das Boot“ an den von den ARD-Rundfunkanstalten erzielten Vorteilen aus der Ausstrahlung des Films das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben, die Sache zurückverwiesen und die dortige Begründung bemängelt.

Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 20/2020 vom 20.02.2020 ergibt sich:

Mit dieser könne dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung zuerkannt werden, so der BGH.

Der Kläger war Chef-Kameramann des in den Jahren 1980/1981 hergestellten Filmwerks „Das Boot“. Für seine Mitwirkung an der Produktion des Films erhielt er von der Produktionsgesellschaft eine Pauschalvergütung in Höhe von 204.000 DM (104.303,54 Euro). Der Film wurde national und international im Kino, im Fernsehen sowie auf Videokassette und DVD ausgewertet. Die Beklagten sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die zusammen mit dem in einem gesonderten Rechtsstreit in Anspruch genommenen Westdeutschen Rundfunk (WDR) in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammengeschlossen sind. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagten wegen der Ausstrahlungen des Films im Programm „Das Erste“ der ARD, in von den Beklagten verantworteten Dritten Programmen und Digitalsendern und dem Sender 3Sat auf Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG in Anspruch. Für Ausstrahlungen des Films in der Zeit vom 29.03.2002 bis zum 12.03.2016 beansprucht er eine Nachvergütung in Höhe von mindestens 521.446,96 Euro. Für Ausstrahlungen ab dem 13.03.2016 verlangt er die Feststellung der Zahlungsverpflichtung der Beklagten.
Das Landgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 77.333,79 Euro und dem Feststellungsantrag teilweise stattgegeben. Auf die Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht dem Kläger für den Zeitraum vom 29.03.2002 bis zum 12.03.2016 eine weitere angemessene Beteiligung in Höhe von 315.018,29 Euro zugesprochen und festgestellt, dass ihm auch ab dem 13.03.2016 eine weitere angemessene Beteiligung zusteht. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgt der Kläger sein weitergehendes Klagebegehren weiter und erstreben die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage.

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nach Auffassung des BGH kann dem Kläger mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung nicht zuerkannt werden. Der Kläger sei als Kameramann Miturheber des Films. Er habe der Produktionsgesellschaft das Recht zur Nutzung seiner urheberrechtlich geschützten Leistungen eingeräumt. Die Beklagten leiteten das Recht zur Ausstrahlung des Films von der Produktionsgesellschaft her. Der Kläger könne von den Beklagten daher nach § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG eine weitere angemessene Beteiligung beanspruchen, wenn die Vergütung, die er mit der Produktionsgesellschaft vereinbart habe, in einem auffälligen Missverhältnis zu den Vorteilen stehe, die die Beklagten mit der Ausstrahlung des Films erzielt haben. Ein auffälliges Missverhältnis liege jedenfalls vor, wenn die vereinbarte Vergütung nur die Hälfte der angemessenen Vergütung betrage, also der Vergütung, die mit Rücksicht auf die Höhe der erzielten Vorteile üblicher- und redlicherweise zu leisten sei.

Das Berufungsgericht habe seiner Prüfung, ob im Streitfall ein solches auffälliges Missverhältnis bestehe, die vereinbarte Pauschalvergütung in voller Höhe zugrunde gelegt. Es habe dabei nicht berücksichtigt, dass die Parteien im vorliegenden Fall allein über eine weitere angemessene Vergütung des Klägers für die Ausstrahlung des Films im Fernsehen durch die Beklagten streiten und der Prüfung daher allein der – zu schätzende – Teil der vereinbarten Pauschalvergütung zugrunde zu legen sei, der auf die Einräumung des Rechts zu dieser Fernsehausstrahlung entfalle.

Das Berufungsgericht habe ferner die von den Beklagten mit der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Klägers erzielten Vorteile unter Heranziehung der Vergütungen bestimmt, die der Westdeutsche Rundfunk, der Südwestrundfunk und der Norddeutsche Rundfunk aufgrund von Tarifverträgen den auf Produktionsdauer beschäftigten Fernsehschaffenden für die erneute Ausstrahlung von Eigenproduktionen im Fernsehen zu zahlen haben. Danach sei für Wiederholungssendungen eine Wiederholungsvergütung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der für die Erstausstrahlung des Films vereinbarten Erstvergütung zu zahlen. Der BGH hat diese Bemessung der Vorteile durch das Berufungsgericht gebilligt. Den Gerichten sei für die im Wege der Schätzung zu ermittelnde Höhe des Vorteils nach § 287 Abs. 2 ZPO ein weites Ermessen eingeräumt. In der Revisionsinstanz sei eine solche Schätzung nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen sei und sämtliche für die Beurteilung bedeutsamen Tatsachen berücksichtigt habe.

Danach sei die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung des Vorteils grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Vorteil, den eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt durch die Ausstrahlung eines Filmwerks in ihrem – weitgehend gebührenfinanzierten – Programm erlange, könne in der Ersparnis von Aufwendungen für die Erstellung eines Programms gesehen werden, das den Sendeplatz des Filmwerks hätte füllen können. Die von den Beklagten durch die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Klägers ersparten Aufwendungen könnten unter Heranziehung der Wiederholungsvergütungen geschätzt werden, die nach den Tarifverträgen auf Produktionsdauer beschäftigten Fernsehschaffenden für die wiederholte Ausstrahlung eines Films an der Stelle des hier in Rede stehenden Films zu zahlen gewesen wären.

Nicht folgerichtig ist es nach Ansicht des BGH allerdings, dass das Berufungsgericht seiner Berechnung der Wiederholungsvergütung die mit dem Kläger vereinbarte Pauschalvergütung in voller Höhe zugrunde gelegt hat. Da es im Streitfall allein um die Ermittlung der von den Beklagten mit der Ausstrahlung des Films im Fernsehen erzielten Vorteile gehe, sei auch der Berechnung der Wiederholungsvergütung nur der – zu schätzende – Teil der Pauschalvergütung zugrunde zu legen, der auf die Einräumung des Rechts zur Fernsehausstrahlung an die Beklagten entfalle. Darüber hinaus habe das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass die vereinbarte Pauschalvergütung nicht nur die Erstverwertung, sondern auch alle weiteren Verwertungen des Films abgelten sollte. Der Berechnung der Wiederholungsvergütung sei indessen allein der auf die Erstausstrahlung des Films entfallende Teil der vereinbarten Vergütung zugrunde zu legen. Diese Erstvergütung sei im Wege der Schätzung zu ermitteln.

Das Berufungsgericht habe schließlich im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass die angemessene Vergütung des Klägers gleichfalls in Anlehnung an die nach den Tarifverträgen zu zahlende Wiederholungsvergütung ermittelt werden könne und im Streitfall damit den Vorteilen entspreche, die die Beklagten aus der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistungen des Klägers gezogen haben. Dass das Berufungsgericht seiner Schätzung der angemessenen Vergütung nach diesem Modell die vereinbarte Pauschalvergütung in voller Höhe zu Grunde gelegt habe, halte einer Nachprüfung jedoch aus den bereits genannten Gründen nicht stand.

Wegen dieser Berechnungsfehler bei der Prüfung des vom Kläger erhobenen Anspruchs sei der Annahme des Berufungsgerichts, es liege ein auffälliges Missverhältnis vor, die Grundlage entzogen. Das Berufungsgericht wird daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu prüfen haben, ob der auf die Einräumung der Rechte zur Fernsehausstrahlung durch die Beklagten entfallende Teil der vereinbarten Pauschalvergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den von den Beklagten mit der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Klägers erzielten Vorteilen steht und der Kläger von den Beklagten daher eine weitere angemessene Beteiligung beanspruchen kann.