Äußerungsrecht eines Rechtsanwalts – Kampf ums Recht nicht schrankenlos

02. Juli 2020 -

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 07. Mai 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 275/20 entschieden, dass der Kampf ums Recht einem Rechtsanwalt auch Grenzen aufzeigt.

Im Jahr 2014 nahm der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, einen früheren Mandanten erfolgreich gerichtlich auf Zahlung von Anwaltsvergütung in Anspruch. Nachfolgende Vollstreckungsversuche blieben erfolglos, obwohl der Mandant dem Beschwerdeführer zugesichert hatte, über erhebliches Barvermögen zu verfügen und dies zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten einzusetzen. Der Beschwerdeführer verfasste daraufhin anonyme Schreiben an die Vermieterin und andere Hausbewohner des Mandanten, in denen er diesen als „Parasiten“ bezeichnete und den Adressaten in Aussicht stellte, dass seitens des kürzlich aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Mandanten mit Gewalttaten gegen Frauen und Kinder zu rechnen sei. Im Nachgang kam es zu einer richterlich angeordneten Durchsuchung der gemeinsamen Wohn- und Geschäftsräume des Beschwerdeführers, um die Urheberschaft an den anonym verfassten Schreiben festzustellen. Bei der Durchsuchung wurden mehrere Datenträger beschlagnahmt, auf denen keine Tatnachweise gefunden wurden; im Verlauf des darauffolgenden Strafverfahrens räumte der Beschwerdeführer seine Urheberschaft jedoch ein.

In der Folgezeit machte der Beschwerdeführer die behauptete Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsmaßnahme und der zeitweiligen Aufrechterhaltung der Beschlagnahme von Datenträgern im Rahmen eines Amtshaftungsverfahrens sowie einer Strafanzeige gegen die beteiligten Amtsträger geltend. In diesem Zusammenhang bezeichnete der Beschwerdeführer den früheren Mandanten als „Parasit“, den man „schlachten“ müsse, um die durch Organhandel und Tierfutterverkauf erzielten Erlöse an dessen Gläubiger auszukehren. Zudem bezeichnete der Beschwerdeführer einen namentlich genannten Staatsanwalt und einen namentlich genannten Richter – wie auch später im Rahmen von Einlassungen zu einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren – wiederholt als „geistesgestört“ und als „kriminellen Dreck“, die „ein Rechtsstaat […] für diesen Raub längst hingerichtet“ hätte.

Mit Urteil vom 21. März 2019 verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer im Hinblick auf die vorgenannten Äußerungen zu einer Gesamtgeldstrafe von 140 Tagessätzen wegen Beleidigung in fünf Fällen. Im Berufungsverfahren wurde der Strafausspruch unter Abänderung der Tagessatzhöhe bestätigt; eine Revision des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss des Kammergerichts vom 26. November 2019 nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, da das Kammergericht seinen Äußerungen über den früheren Mandanten zu Unrecht keinen Bezug zum „Kampf ums Recht“ zugeschrieben habe. Der Beschwerdeführer habe damit seiner Auffassung Ausdruck verleihen wollen, dass parlamentarischer Rat, Bundestag und Bundesrat es pflichtwidrig versäumt hätten, für Personen, die ihre Menschenwürde als Verbrecher verwirkt hätten, die Todesstrafe vorzusehen. Die Bezeichnung als „krimineller Dreck“ sei als Tatsachenbehauptung zu werten, die erweislich wahr und damit gerechtfertigt sei. In seiner Verfassungsbeschwerde bezeichnet der Beschwerdeführer die Geschädigten des Ausgangsverfahrens durchgehend als „Parasit“, „kriminell und geistesgestört“, „Bastarde des staatlichen Repressionsapparats“ und als „kriminellen Dreck, der die Todesstrafe verdient hat“.

Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich unzulässig, da der Beschwerdeführer sich mit den ausführlichen Begründungen der angegriffenen Entscheidungen nicht auseinandersetzt, sondern dieser lediglich seine „Rechtsmeinung“ entgegensetzt, die ersichtlich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Im Übrigen tragen die Ausführungen in den angegriffenen Entscheidungen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers angemessen Rechnung und sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Dem Beschwerdeführer wurde vom Bundesverfassungsgericht zudem eine Missbrauchsgebühr von 500 Euro auferlegt.