Anspruch eines weiblichen Vereinsmitglieds auf Aufnahme in traditionell den Männern vorbehaltene Untergruppe des Vereins bestätigt

Das Landgericht Memmingen hat mit Urteil vom 28.07.2021 zum Aktenzeichen 13 S 1372/20 entschieden, dass der Memminger Fischertagsverein auch Frauen zum traditionellen Stadtbachfischen zulassen muss.

Aus der Pressemitteilung der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. vom 28.07.2021 ergibt sich:

„Die Entscheidung unterstreicht, dass Vereine weibliche Mitglieder nicht willkürlich benachteiligen dürfen“, sagt Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF). „Das ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung.“

Bereits das Amtsgericht Memmingen hatte das Frauenverbot beim Stadtbachfischen Ende August 2020 für rechtswidrig erklärt. Geklagt hatte das Vereinsmitglied Christiane Renz, unterstützt von der GFF und vertreten von der Rechtsanwältin Dr. Susann Bräcklein. Das Amtsgericht hatte seine Begründung auf Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz gestützt. Der Fischertagsverein ging daraufhin in Berufung – und verlor heute zum zweiten Mal. Denn bereits das vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verbietet die diskriminierende Praxis, so das Landgericht. „Ich freue mich sehr über das Urteil und hoffe, dass der Fischertagsverein nun endlich einlenkt“, sagt Christiane Renz. „Es sollte heutzutage selbstverständlich sein, dass Frauen von gesellschaftlichen Aktivitäten nicht einfach ausgeschlossen werden dürfen.“

Das Landgericht bestätigt, dass eine männliche Tradition den Ausschluss weiblicher Mitglieder nicht rechtfertigen kann. Erinnert werde an die Tradition des Ausfischens, nicht an eine althergebrachte Rollenverteilung der Geschlechter. Die Klägerin, so das Gericht, hat daher einen Anspruch darauf, am Stadtbachfischen teilzunehmen. „Dass in der Vergangenheit nur Männer bei einem Wettkampf antreten durften, rechtfertigt es nicht, auch heute noch zu diskriminieren“, sagt Lincoln. „Das Urteil ist ein deutlicher Weckruf an Vereine, überkommene Frauenverbote abzuschaffen.“

Hintergrund:

Der Fischertagsverein ist der zentrale örtliche Kulturverein in Memmingen. Wichtigste Aufgabe des Vereins ist die Ausrichtung des jährlichen Fischertags, ein Traditionsfest mit 20.000 bis 30.000 Besucher*innen und Mitwirkenden. Höhepunkt dieses Festes ist das sogenannte Ausfischen des Stadtbachs. Dabei wird der Mann, der die schwerste Forelle fängt, zum Fischerkönig gekürt. Die ausschließlich männlichen Stadtbachfischer vernetzen sich auch lokalpolitisch. Frauen und Mädchen konnten keine Stadtbachfischerinnen werden, der Fischertagsverein verbietet ihre Teilnahme am Ausfischen. Dies wollte Vereinsmitglied Christiane Renz nicht länger hinnehmen. Nach erfolglosen Einigungsversuchen verklagte sie 2019 den Fischertagsverein und bekam am 31. August 2020 vor dem Amtsgericht Memmingen recht. Das Landgericht Memmingen hat dieses Urteil jetzt bestätigt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Fischertagsverein kann dagegen innerhalb eines Monats Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.