Aufhebung von Parteiausschluss ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 27. Mai 2020 zum Aktenzeichen 2 BvR 121/14 entschieden, dass die Aufhebung eines durch die Schiedsgerichtsbarkeit der Beschwerdeführerin verhängten Parteiausschlusses verfassungswidrig ist.

Zum 1. Oktober 1998 trat X. in die Beschwerdeführerin ein. Von Januar 2001 bis Dezember 2009 war er als politischer Referent und ab 2004 als Pressesprecher der Landesorganisation Hamburg der Beschwerdeführerin angestellt. Ab März 2008 war er für die Beschwerdeführerin Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft und nahm in der Fraktion die Aufgabe eines migrationspolitischen Sprechers wahr.

Am 29. Mai 2009 fand bei X. eine Hausdurchsuchung wegen des Verdachts der Tatbeteiligung an falschen Angaben Dritter gegenüber der Ausländerbehörde statt. Von dem Ermittlungsverfahren gegen die Dritten hatte X. bereits im April 2009 erfahren. Am Tag nach der Hausdurchsuchung wurde darüber in der Presse berichtet. Erst danach informierte er seine Vorgesetzten über die gegen ihn laufenden Ermittlungen. Daraufhin wurde er am 30. Mai 2009 von seinem Amt als Pressesprecher beurlaubt.

Am 16. Juli 2009 legte X. in einer Unterredung mit dem Landesvorsitzenden und der Landesgeschäftsführerin der Beschwerdeführerin zusammen mit einem Konvolut von Kopien aus mehreren Ermittlungs- und Vorermittlungsverfahren einen Vermerk der Ausländerbehörde mit dem Inhalt vor, dass er von zwei anderen Bürgerschaftsabgeordneten der Beschwerdeführerin wegen angeblicher Vermittlung einer Scheinehe bei dieser Behörde angezeigt worden sei. Tatsächlich handelte es sich bei diesem Vermerk um eine Fälschung. Über die Herkunft des Vermerks machte X. keine Angaben. Nachdem im November 2009 in der Presse über den gefälschten Vermerk berichtet worden war, gab er gegenüber der Beschwerdeführerin an, den Vermerk im Juni 2009 in seinem Abgeordnetenpostfach gefunden zu haben. Die Staatsanwaltschaft Hamburg leitete wegen der Fälschung des Vermerks ein Ermittlungsverfahren ein, das sich zunächst gegen Unbekannt und ab Februar 2010 gegen X. richtete.

Mit Beschluss der Kreisschiedskommission Hamburg-Altona vom 1. November 2010 wurde X. aus der Beschwerdeführerin ausgeschlossen. Dieser Ausschluss wurde sowohl von der Landesschiedskommission der Beschwerdeführerin in Hamburg mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 als auch von deren Bundesschiedskommission mit Beschluss vom 26. April 2011 bestätigt.

Dabei ging die Bundesschiedskommission unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Landesschiedskommission davon aus, dass X. in erheblicher Weise gegen die Grundsätze und die Ordnung der Beschwerdeführerin verstoßen und dadurch in zurechenbarer Weise schweren Schaden für seine Partei zumindest mitverursacht habe. Zwar sei ein Funktionsträger einer Partei nicht gehindert, sich in vollem Umfang auf sein Recht, zu schweigen und sich nicht selbst strafrechtlich zu belasten, zu berufen. Das Mitglied müsse dieses Recht aber mit dem entgegenstehenden Interesse der auf eine Aufklärung angewiesenen Partei abwägen.

Zu Recht habe die Landesschiedskommission das zu sanktionierende Verhalten des X. nicht darin gesehen, dass dieser den Vermerk der Ausländerbehörde selbst gefälscht oder gegebenenfalls weitere Straftaten begangen habe. Vielmehr habe sie die Unschuldsvermutung zugunsten des X. strikt beachtet. Ursächlich für den Ausschluss sei allein, wie sich X. im Zusammenhang mit den gegen ihn geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegenüber den Verantwortlichen der Beschwerdeführerin verhalten habe. So habe er diese nicht unverzüglich über das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren informiert und selbst eingeräumt, mit dem Zurückhalten dieser Information eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. In dem Gespräch am 16. Juli 2009 hätte er die Herkunft des von ihm hergezeigten und verlesenen angeblichen Vermerks der Ausländerbehörde offenbaren müssen, da dieser dadurch in seiner Bedeutung und Wirkung erheblich relativiert worden wäre. Als langjährigem Pressesprecher hätten ihm die Folgen dieser Unterlassung zu Lasten seiner Partei bewusst gewesen sein müssen. Insoweit sei unbeachtlich, wenn X. vortrage, für ihn sei die Frage der Echtheit des Vermerks nicht entscheidend gewesen, da er von dessen Echtheit ausgegangen sei. Der Beschwerdeführerin sei durch das Verhalten des X. auch schwerer Schaden zugefügt worden. Ein solcher entstehe für eine Partei vor allem, wenn das Verhalten eines Mitglieds deren Ansehen und Glaubwürdigkeit erheblich gefährde und beeinträchtige.

Die hiergegen gerichtete Klage X.s wies das Landgericht Berlin als unbegründet zurück.

Gemäß § 10 Abs. 4 PartG könne ein Mitglied aus einer Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grund-sätze oder die Ordnung der Partei verstoßen und der Partei damit schweren Schaden zugefügt habe. Hierüber entscheide nach § 10 Abs. 5 Satz 1 PartG das nach der Schiedsordnung der Partei zuständige Schiedsgericht.

Die Entscheidung des Schiedsgerichts sei aufgrund der Parteiautonomie der Beschwerdeführerin durch die ordentliche Gerichtsbarkeit nur beschränkt überprüfbar. Zu prüfen sei nur, ob die Ordnungsmaßnahme den gesetzlichen und satzungsmäßigen Grundlagen entsprechend in einem satzungsmäßigen Verfahren ergangen sei, die der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen aufgrund einer objektiven und an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteten Ermittlung festgestellt worden seien, keine Satzungs- oder Gesetzesverstöße vorlägen und die Ordnungsmaßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich sei. Davon ausgehend sei der Ausschluss des X. aus der Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden.

Auf die Berufung X.s änderte das Kammergericht das Urteil des Landgerichts Berlin mit dem angegriffenen Urteil vom 10. September 2013 ab und stellte fest, dass der Beschluss der Bundesschiedskommission unwirksam sei.

Zwar sei bei der Überprüfung eines Parteiausschlusses nur ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab anzulegen, da es nicht Sache staatlicher Gerichte sein könne, über die Auslegung der Satzung und die für das Erscheinungsbild der Partei maßgeblichen Parteibeschlüsse zu entscheiden. Vorliegend hätten die Parteigerichte jedoch den ihnen zukommenden Ermessensspielraum insoweit überschritten, als der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt sei und der Ausschluss des X. grob unbillig erscheine.

Die Punkte, auf die der Parteiausschluss des X. gestützt werde, reichten weder einzeln noch zusammen aus, um diesen zu begründen.

Soweit ein unsolidarisches Verhalten des X. darin gesehen werde, dass dieser bei der Vorlage des Vermerks den Anschein erweckt habe, dass dieser authentisch und den Ermittlungsakten entnommen sei, könne dies für einen Parteiausschluss als schärfste Sanktionsmaßnahme politischer Parteien nicht ausreichen. Wenn man – wie die Schiedskommissionen – davon ausgehe, dass dem X. nicht nachgewiesen werden könne, dass er den Vermerk gefälscht habe, stelle sich dessen Verhalten nur als fahrlässig, nicht aber als vorsätzlich dar. Wenn er den Vermerk in seinem Postfach vorgefunden habe, habe er nicht davon ausgehen müssen, dass es sich um eine Fälschung handele. Er hätte über die Herkunft des Vermerks aufklären sollen, zwingend geboten gewesen sei dies aber nicht, zumal er über die Herkunft des Vermerks offensichtlich nicht befragt worden sei. Die schärfste Sanktion des Parteiausschlusses lasse sich damit nicht begründen.

Daran ändere auch der Umstand nichts, dass es sich bei dem Ausgeschlossenen um eine politisch erfahrene Person handele. X. bestreite, dass er die Herkunft des Aktenvermerks wissentlich und willentlich verheimlicht habe und den Eindruck erwecken wollte, es handele sich um einen Bestandteil der Ermittlungsakte. Er trage vor, er sei von der Echtheit des Aktenvermerks ausgegangen. Dies könne die Beschwerdeführerin nicht widerlegen. Ein Parteiausschluss könne jedoch nicht auf Annahmen und Vermutungen gestützt werden, auch wenn diese in gewisser Weise plausibel seien.

Hinsichtlich des Vorwurfs, X. habe die Beschwerdeführerin zu spät über das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren informiert und nicht bei der Aufklärung der Vorwürfe geholfen, sondern nur pauschal seine Unschuld erklärt, sei zu beachten, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungen nur eine nicht rechtskräftige erstinstanzliche Verurteilung ergangen sei und deshalb die Unschuldsvermutung für X. gelte. Daher könne ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Statuten beziehungsweise ein erheblicher Verstoß gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden. Habe er die Straftaten nicht begangen, könne er im Zweifel nicht mehr tun, als seine Unschuld zu versichern. Welche Beiträge er zur Aufklärung hätte leisten sollen, lasse sich den Entscheidungen der Schiedskommissionen nicht entnehmen, zumal keine Verpflichtung bestehe, sich an der Sachverhaltsaufklärung im Strafverfahren zu beteiligen.

In der mündlichen Verhandlung des Senats sei deutlich geworden, dass für die Beschwerdeführerin im Vordergrund gestanden habe, dass X. in seinem Amt als Pressesprecher nicht mehr tragbar gewesen sei. Insoweit sei es jedoch nicht erforderlich gewesen, ihn aus der Partei auszuschließen, da eine zeitweise Aberkennung des Rechts zur Bekleidung einzelner Ämter ausgereicht hätte. Ein Schaden sei zudem für die Beschwerdeführerin nicht durch die innerparteilichen Unstimmigkeiten als solche entstanden, sondern erst dadurch, dass der Vorgang an die Presse gelangt sei. Hierfür sei X. wohl nicht verantwortlich gewesen.

Der Parteiausschluss sei auch nicht verhältnismäßig und verstoße gegen das Prinzip der Gleichbehandlung, wenn man ihn mit anderen Fällen prominenter Mitglieder der Beschwerdeführerin vergleiche. Bei diesen sei trotz schwerwiegenderen Fehlverhaltens von einem Parteiausschluss abgesehen worden. So habe der frühere Ministerpräsident und Bundesminister Wolfgang Clement vor einer Landtagswahl in einem Zeitungsbeitrag davor gewarnt, die Beschwerdeführerin zu wählen. Er sei nach Entscheidung des obersten Schiedsgerichts lediglich gerügt, aber nicht aus der Partei ausgeschlossen worden. Ein Antrag auf Ausschluss des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin sei trotz Einstufung seiner Äußerungen zu Türken und Arabern durch die den Ausschluss beantragenden Kreisverbände auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Gutachtens als rassistisch von der Landesschiedskommission abgelehnt worden. Die Äußerungen Sarrazins seien geeignet gewesen, die Ausländerfeindlichkeit zu fördern. Deutschland sei vom Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen gerügt worden, weil es diese Äußerungen habe „durchgehen lassen“ und keine strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet worden seien. Die Vorwürfe gegen X. seien inhaltlich und ihrer Bedeutung nach nicht ansatzweise mit den Vorwürfen gegen Clement und Sarrazin vergleichbar. Warum das Verhalten von Clement und Sarrazin nicht gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Beschwerdeführerin verstoßen haben solle, dies aber bei dem viel weniger schwerwiegenden Verhalten des X. der Fall sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Hier sei offenbar mit zweierlei Maß gemessen worden.

Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin sieht sich durch die angegriffene Entscheidung in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG verletzt. Die Verletzung der Beschwerdeführerin betreffe die Parteienfreiheit in ihrer Ausprägung als Tendenzfreiheit.

Die Entscheidung über einen Parteiausschluss sei durch § 10 Abs. 5 PartG den Parteischiedsgerichten übertragen. Die Kontrollintensität der staatlichen Gerichte hierüber sei entsprechend der sensiblen Natur der Materie und des differenzierten Aufbaus von § 10 Abs. 4 PartG begrenzt. Demgemäß prüften die staatlichen Gerichte die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die parteiinternen Normen, die Bewertung der Schwere des durch den Verstoß des Mitglieds entstandenen Schadens und die Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses nicht (oder jedenfalls nur im weiten Rahmen einer Willkürkontrolle).

Die angegriffene Entscheidung trage dem nicht Rechnung. Jede der drei Verhältnismäßigkeitsprüfungen des Kammergerichts verkenne die grundlegenden Wertungen der Parteienfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG.

Die Annahme des Kammergerichts, die Offenbarung der anonymen Herkunft des gefälschten Vermerks sei nicht geboten gewesen, stelle die Leugnung der Existenz einer parteiinternen Pflicht dar, die zuvor aber von den Schiedsgerichten der Beschwerdeführerin festgestellt worden sei. Das Kammergericht verkenne an dieser Stelle die Wertungen der Parteienfreiheit nicht nur in gravierender Weise, sondern übersehe dieses Grundrecht der Beschwerdeführerin schlicht und einfach.

Auch die Feststellung des Kammergerichts, das Verschweigen der anonymen Herkunft des gefälschten Vermerks sei entgegen der Feststellung der Schiedsgerichte nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig erfolgt, verkenne die Wertungen der Parteienfreiheit grundlegend. Das Gericht setze sich nicht mit der detaillierten Beweiswürdigung auseinander, aus der die Kreisschiedskommission den Vorsatz abgeleitet habe. Stattdessen setze es in unzulässiger Weise seine Annahmen über den Sachverhalt an die Stelle der Ermittlungsergebnisse der Beschwerdeführerin. Außerdem erfordere ein Parteiausschluss nicht in jedem Fall vorsätzliches Handeln. Vielmehr sei die persönliche Vorwerfbarkeit in Beziehung zu setzen zu den sonstigen Aspekten des jeweiligen Einzelfalls. Dabei handele es sich um parteispezifische politische Bewertungen, die von staatlichen Gerichten nicht überprüft werden könnten.

Der Vorwurf der unterlassenen Information der Beschwerdeführerin über das eingeleitete Ermittlungsverfahren werde im Urteil des Kammergerichts zwar erwähnt, er werde aber nicht weiter inhaltlich behandelt. Das Kammergericht stelle also insoweit die Unwirksamkeit des Parteiausschlusses durch die Organe der Beschwerdeführerin ohne rechtliche Würdigung fest. Auch hierin liege eine schlichte Nichtbeachtung und damit Verletzung des Grundrechts der Parteienfreiheit der Beschwerdeführerin.

Die Annahme, der Schaden sei bei der Beschwerdeführerin lediglich durch die Presseberichterstattung entstanden, greife in die durch die Parteienfreiheit geschützten Beurteilungsspielräume der Beschwerdeführerin ein. Die Behauptung, der Ausgeschlossene habe es nicht zu verantworten, dass die Presse von den fraglichen Vorgängen Kenntnis erlangt habe, sei nicht nachvollziehbar. Wiederum setze das Gericht seine Annahmen über den Sachverhalt an die Stelle der Feststellungen der Schiedsgerichte der Beschwerdeführerin.

Auch die vom Kammergericht statuierte Pflicht zur parteiinternen Gleichbehandlung in der Praxis des Parteiausschlusses verletze die Parteienfreiheit. Das Parteiausschlussverfahren sei wesentlich durch die Freiheit der Parteien zur politischen Ermessensbetätigung geprägt. Dabei sei breiter Raum für politische Opportunitätserwägungen.

Schließlich verstoße das angegriffene Urteil des Kammergerichts auch gegen den Grundsatz der innerparteilichen Demokratie gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG, indem es eine Harmonisierungs- und Gleichbehandlungspflicht für die Parteischiedsgerichte in Parteiausschlusssachen statuieren wolle. Die innerparteiliche Demokratie äußere sich auch in der Pflicht der Parteien, gebietliche Gliederungen einzurichten. Dabei könnten Untergliederungen von Parteien eigene politische Wertungen vornehmen, die bei parteischiedsgerichtlichen Entscheidungen zu berücksichtigen seien. Politische und taktische Auffassungen der Gebietsverbände könnten divergieren. Eine Pflicht zur Harmonisierung von Ausschlussentscheidungen bestehe daher nicht.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen – insbesondere die Maßstäbe für die Überprüfung schiedsgerichtlicher Parteiausschlüsse durch staatliche Gerichte (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 28. März 2002 – 2 BvR 307/01 -, juris, Rn. 13 ff.) – bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

Das angegriffene Urteil des Kammergerichts vom 10. September 2013 greift in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise in das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot ein. Die Beschwerdeführerin hat einen solchen Verfassungsverstoß zwar nicht ausdrücklich gerügt. Dies hindert das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht, im Rahmen einer zulässigen Verfassungsbeschwerde seine Prüfung hierauf zu erstrecken (vgl. BVerfGE 6, 376 <385>; 17, 252 <258>; 54, 117 <124>; 58, 163 <167>; 71, 202 <204>; 147, 364 <378 Rn. 36>; stRspr).

Politische Parteien sind Träger von Grundrechten, soweit diese ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind (vgl. BVerfGE 7, 99 <103>; 14, 121 <129>; 27, 152 <158>; 84, 290 <299>; 111, 54 <81>; 121, 30 <56>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. August 2019 – 1 BvR 811/17 -, Rn. 15). Eine Verletzung dieser Grundrechte können sie mit der Verfassungsbeschwerde abwehren (vgl. BVerfGE 84, 290 <299>; 111, 54 <81>). Lediglich wenn sie durch Maßnahmen anderer Verfassungsorgane des Bundes in ihrem verfassungsrechtlichen Status nach Art. 21 GG betroffen sind, steht ihnen für dessen Verteidigung nur der Weg des Organstreits gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG zur Verfügung (vgl. BVerfGE 121, 30 <56 f.>). Zu den Grundrechten, deren Träger die politischen Parteien sind, gehört dabei auch Art. 3 Abs. 1 GG, und zwar nicht nur in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG in Form der Chancengleichheit der Parteien (vgl. hierzu bspw. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. April 2019 – 2 BvQ 28/19 -, Rn. 7, 9; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2014 – 2 BvR 1006/14 -, juris, Rn. 12), sondern auch in seiner Ausprägung als Willkürverbot (vgl. BVerfGE 3, 383 <391 f.>; BGHZ 154, 146 <149>).

Ein Richterspruch verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>, stRspr).

Nach dieser Maßgabe verletzt das der Berufung des X. stattgebende Urteil des Kammergerichts die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der angegriffene Beschluss verkennt die eingeschränkte Kontrolldichte staatlicher Gerichte im Rahmen der Überprüfung schiedsgerichtlicher Parteiausschlüsse gemäß § 10 Abs. 4 PartG in unvertretbarer Weise.

Bei der Überprüfung von Entscheidungen der Parteischiedsgerichte durch staatliche Gerichte sind der Grundsatz der Parteienfreiheit des Art. 21 Abs. 1 GG und die verfassungsrechtlich verbürgten Rechte der von der Maßnahme betroffenen Parteimitglieder jeweils angemessen zur Geltung zu bringen. Die vom Grundgesetz vorausgesetzte Staatsfreiheit der Parteien erfordert nicht nur die Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit vom Staat, sondern auch, dass die Parteien sich ihren Charakter als frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen bewahren können. Der Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes muss grundsätzlich „staatsfrei“ bleiben (vgl. BVerfGE 20, 56 <99 ff.>; 85, 264 <287>). Die Parteienfreiheit umfasst die freie Wahl der Rechtsform, der inneren Organisation sowie der Zielsetzung einschließlich Name, Satzung und Programm, die Teilnahme an Wahlen sowie die Verfügung über Einnahmen und Vermögen (vgl. BVerfGE 73, 40 <85 f.>; 104, 14 <19, 22>; 111, 382 <409>). In personeller Hinsicht verbürgt sie die freie Entscheidung über Aufnahme und Ausschluss von Mitgliedern bis hin zur Selbstauflösung der Partei und der Vereinigung mit anderen Parteien (vgl. BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 28. März 2002 – 2 BvR 307/01 -, juris, Rn. 13; Kunig, in: v. Münch/ders., GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 21 Rn. 45).

Hieraus folgt eine eingeschränkte Kontrolldichte der staatlichen Gerichte bei der Überprüfung der Entscheidungen von Parteischiedsgerichten. Es ist nicht Sache der staatlichen Gerichte, über die Auslegung der Satzung und der bestimmenden Parteibeschlüsse zu entscheiden. Die Einschätzung, ob ein bestimmtes Verhalten einen vorsätzlichen Verstoß gegen die Satzung oder einen erheblichen Verstoß gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei bedeutet und der Partei damit schwerer Schaden zugefügt wurde (§ 10 Abs. 4 PartG), ist den Parteien vorbehalten (vgl. BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 28. März 2002 – 2 BvR 307/01 -, juris, Rn. 14; siehe auch: BGHZ 75, 158 <159>; BGH, Urteil des 2. Zivilsenats vom 14. März 1994 – II ZR 99/93 -, juris, Rn. 11).

Andererseits steht auch dem einzelnen Mitglied einer Partei die Betätigungsfreiheit des Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG zu. Daher bleiben die staatlichen Gerichte zur Missbrauchs- und Evidenzkontrolle verpflichtet, soweit der Gesetzgeber privatautonome Streitbereinigung durch Schlichtungsgremien zulässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 28. März 2002 – 2 BvR 307/01 -, juris, Rn. 15, m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs prüfen die staatlichen Gerichte daher (nur), ob die durch ein Parteischiedsgericht verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Parteisatzung findet, das satzungsgemäß vorgeschriebene Verfahren beachtet, sonst kein Gesetzes- oder Satzungsverstoß vorgekommen und die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist sowie ob die der Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen ordnungsgemäß festgestellt worden sind (vgl. BGHZ 87, 337 <343 ff.>; BGH, Urteil des 2. Zivilsenats vom 14. März 1994 – II ZR 99/93 -, juris, Rn. 11).

Dabei ist eine Bindung eines Parteischiedsgerichts an den Verzicht auf einen Ausschluss anderer Parteimitglieder allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn dem ein im Wesentlichen gleichgelagerter Sachverhalt zugrunde liegt (vgl. Bull, DVBl 2014, S. 262 <264>; Roßner, in: Morlok/Poguntke/Sokolov, Parteienstaat – Parteiendemokratie, 2018, S. 95 <117>; siehe zum Vereinsausschluss allgemein BGHZ 47, 381 <385 f.>). Fehlt es am Vorliegen eines solchen gleichgelagerten Sachverhalts, ist der Nichtausschluss anderer Parteimitglieder von vornherein ungeeignet, die grobe Unbilligkeit einer getroffenen Ausschlussentscheidung zu begründen (vgl. Bull, DVBl 2014, S. 262 <264>).

Diese Maßstäbe verkennt die hier angegriffene Entscheidung grundlegend. Das Kammergericht führt zwar selbst aus, dass bei der Überprüfung parteischiedsgerichtlicher Disziplinarmaßnahmen ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab gilt, und zitiert diesen zutreffend. Die nachfolgende Subsumtion lässt die Einschränkung des Prüfungsmaßstabs dann aber offensichtlich außer Acht. Das Gericht beschränkt sich nicht auf eine bloße Missbrauchskontrolle. Vielmehr setzt es zur Begründung seiner Behauptung, der streitgegenständliche Parteiausschluss erscheine grob unbillig, in unvertretbarer Weise seine eigenen Bewertungen des Verhaltens des X. (1) und des dadurch für die Beschwerdeführerin verursachten Schadens (2) an die Stelle der Bewertungen der Parteischiedsgerichte. Auch seine sonstigen Darlegungen vermögen die Annahme grober Unbilligkeit des Parteiausschlusses des X. nicht zu rechtfertigen (3).

Das Kammergericht verweist zunächst darauf, dass die unterbliebene Aufklärung seitens des X. über die Herkunft des am 16. Juli 2009 von ihm vorgelegten Vermerks nicht ausreiche, um darauf den Ausschluss des X. aus der Beschwerdeführerin zu stützen. Dies stelle sich nur als fahrlässiges Handeln dar, da ihm nicht nachgewiesen werden könne, dass er den Vermerk selbst gefälscht habe. Wenn er den Vermerk in seinem Postfach vorgefunden habe, habe er nicht davon ausgehen müssen, dass es sich um eine Fälschung handele. Er hätte zwar sinnvollerweise über die Herkunft des Vermerks aufklären sollen; zwingend geboten gewesen sei dies aber nicht, zumal er offensichtlich nicht danach gefragt worden sei. Die schärfste Sanktion des Parteiausschlusses lasse sich damit nicht begründen.

Damit nimmt das Kammergericht eine eigenständige, von den Feststellungen der Parteischiedsgerichte abweichende Bewertung des Verhaltens des X. vor. Es setzt sich dabei schon nicht damit auseinander, dass nach § 10 Abs. 4 PartG ein erheblicher Verstoß gegen Grundsätze oder die Ordnung der Partei nicht nur bei vorsätzlichem, sondern auch bei fahrlässigem Handeln gegeben sein kann (vgl. BGH, Urteil des 2. Zivilsenats vom 14. März 1994 – II ZR 99/93 -, juris, Rn. 36; hierzu auch ausführlich: KG, Urteil vom 27. Oktober 2006 – 3 U 47/05 -, juris, Rn. 24). Vor allem aber missachtet es in diesem Zusammenhang die Grenzen einer bloßen Missbrauchskontrolle. Insoweit hätte das Gericht darlegen müssen, weshalb die Annahme der Parteischiedsgerichte, bei der fehlenden Offenlegung der Herkunft des Vermerks handele es sich um eine schwerwiegende Verletzung der dem X. gegenüber den Verantwortlichen der Beschwerdeführerin obliegenden Pflichten, jedes sachlichen Grundes entbehrt und daher als willkürlich anzusehen ist.

Daran fehlt es. Die Parteischiedsgerichte haben ihre Entscheidung damit begründet, dass der X. insbesondere wegen des aktiven Herzeigens und Verlesens des Vermerks gegenüber den Verantwortlichen der Beschwerdeführerin, die sich darum bemüht hätten, die gravierenden Folgen in Form von Ansehens- und Vertrauensverlusten für die Partei in der Öffentlichkeit abzumildern, verpflichtet gewesen sei, dessen Herkunft ohne jedwede Aufforderung zu offenbaren. Demgegenüber habe sich aus den glaubhaften und nachvollziehbaren Aussagen der vernommenen Zeugen ergeben, dass er den Eindruck habe erwecken wollen, der Vermerk stamme aus einer behördlichen Ermittlungsakte. Weiterhin haben sie ausgeführt, dass dem X. als langjährigem Pressesprecher die Folgen der fehlenden Offenbarung der Herkunft des Vermerks hätten bewusst gewesen sein müssen. Bei einer Mitteilung der Herkunft des Vermerks wäre dessen Bedeutung und Wirkung auch bezüglich der darin enthaltenen, äußerst brisanten Anschuldigungen gegen zwei Abgeordnete der Beschwerdeführerin erheblich relativiert worden. Daher stelle die unterlassene Offenbarung der Herkunft des Vermerks einen erheblichen Verstoß gegen die Ordnung der Beschwerdeführerin dar.

Aus welchem Grund diese Erwägungen unvertretbar oder sachfremd sein sollen, lässt die Entscheidung des Kammergerichts nicht ansatzweise erkennen. Das Gericht verhält sich hierzu weder ausdrücklich, noch ergibt sich eine dementsprechende Prüfung aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung, da sich die Ausführungen des Kammergerichts in der Sache darauf beschränken, der vorgenannten Subsumtion der Parteischiedsgerichte eine eigene inhaltliche Bewertung entgegenzusetzen. Dass die von den Parteischiedsgerichten vertretene gegenläufige Bewertung jeden sachlichen Grundes entbehrt, folgt hieraus jedoch gerade nicht und ist auch anderweitig nicht ersichtlich. Vielmehr erscheint es zumindest nicht unvertretbar, anzunehmen, dass insbesondere angesichts des diffamierenden Inhalts des Vermerks bei einem Gebrauchmachen von diesem gegenüber den um die Aufklärung der Vorgänge bemühten Verantwortlichen der Beschwerdeführerin auch dessen Herkunft offenzulegen gewesen wäre. Soweit das Kammergericht darauf verweist, es sei nicht zu widerlegen, dass der X. von der Echtheit des Vermerks ausgegangen sei, steht auch dies einer Verpflichtung, dessen Herkunft offenzulegen, nicht entgegen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Entscheidung des Kammergerichts ihrerseits als willkürlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG dar. Denn das Gericht überschreitet die Grenzen seiner eingeschränkten Kontrollbefugnis durch eine vollumfängliche Ersetzung der parteischiedsgerichtlichen Bewertung in der Sache und verkennt damit in unvertretbarer Weise die verfassungsrechtlichen Vorgaben, die sich aus Art. 21 Abs. 1 GG ergeben.

Nichts anderes gilt, soweit das Kammergericht feststellt, vor dem Hintergrund der Unschuldsvermutung stelle die erst nachträglich durch den X. erfolgte Information über das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren keinen erheblichen Verstoß gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Beschwerdeführerin dar. Auch insoweit beschränkt das Gericht sich nicht auf eine bloße Missbrauchs- oder Willkürkontrolle, sondern setzt seine eigene Bewertung an die Stelle derjenigen der Parteischiedsgerichte.

Dass die Auffassung der Parteischiedsgerichte, der X. sei verpflichtet gewesen, die Beschwerdeführerin unverzüglich über das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren zu informieren, schlechthin unvertretbar ist oder auf sachfremden Erwägungen beruht, kann den Ausführungen des Kammergerichts nicht entnommen werden. Dabei erscheint es ohne Weiteres nachvollziehbar, dass angesichts der Wahrnehmung der Funktionen des Pressesprechers der Landesorganisation und des migrationspolitischen Sprechers der Bürgerschaftsfraktion durch den X. die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit ausländerrechtlichem Hintergrund einen Vorgang darstellt, der für die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit von großer Bedeutung war, und daher ein erhebliches Informationsinteresse bestand. Diesem Interesse hätte der X. auch Rechnung tragen können, ohne dass die Unschuldsvermutung berührt worden wäre, da die bloße Information über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kein Schuldeingeständnis beinhaltet.

Dem steht auch der Hinweis des Kammergerichts nicht entgegen, der X. hätte im Zweifel nicht mehr tun können als seine Unschuld zu versichern, da er nicht verpflichtet sei, sich an der Sachverhaltsaufklärung im Strafverfahren aktiv zu beteiligen. Dies lässt außer Betracht, dass nach der Entscheidung der Bundesschiedskommission der Parteiausschluss des X. nicht auf fehlende Beiträge zur Sachverhaltsaufklärung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren beruht. Zwar führt die Bundesschiedskommission abstrakt aus, ein Parteimitglied müsse sein Recht, zu schweigen und sich nicht selbst strafrechtlich relevant zu belasten, mit den entgegenstehenden Aufklärungsinteressen seiner Partei abwägen. Im Folgenden wird der Verstoß gegen die Ordnung der Beschwerdeführerin aber ausschließlich in dem Unterlassen einer unverzüglichen Information der Beschwerdeführerin über das eingeleitete Ermittlungsverfahren gesehen, das X. selbst eingeräumt habe. Auf fehlende Beiträge zur Aufklärung des Sachverhalts im Strafverfahren wird der Parteiausschluss des X. hingegen nicht gestützt.

Insgesamt erweist sich das angegriffene Urteil daher auch insoweit als angesichts des anzuwendenden Prüfungsmaßstabs schlechterdings unhaltbar und damit willkürlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG.

Soweit das Kammergericht darauf verweist, der Schaden für die Beschwerdeführerin sei nicht durch die innerparteilichen Unstimmigkeiten als solche, sondern erst dadurch entstanden, dass der Vorgang an die Presse gelangt sei, beschränkt es erneut in unvertretbarer Weise seine Prüfung nicht auf eine Willkür- und Evidenzkontrolle. Zudem lässt es inhaltlich außer Betracht, dass die Parteischiedsgerichte dargelegt haben, dass bei rechtzeitiger Information über das eingeleitete Ermittlungsverfahren und die Herkunft des vorgelegten Vermerks für die Beschwerdeführerin die Möglichkeit bestanden hätte, sich bei Bekanntwerden der Vorgänge in der Öffentlichkeit und gegenüber der Presse anders zu positionieren und dadurch den für sie eingetretenen Schaden zu begrenzen. Dass es sich dabei um sachfremde, unvertretbare Erwägungen handelt, ist nicht ersichtlich.

Auch die sonstigen Darlegungen des Kammergerichts vermögen die Annahme grober Unbilligkeit des Parteiausschlusses des X. durch die Parteischiedsgerichte von vornherein nicht zu begründen.

Soweit das Gericht ausführt, es sei nicht geboten gewesen, den X. aus der Partei auszuschließen, weil in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat deutlich geworden sei, dass für die Gremien der Beschwerdeführerin die Ablösung des X. aus dem Amt des Pressesprechers im Vordergrund gestanden habe, werden die Grenzen einer bloßen Willkürkontrolle überschritten. Grundsätzlich ist es Sache der hierzu berufenen Schiedsgerichte, darüber zu entscheiden, ob der Schutz des Ansehens und der Glaubwürdigkeit oder die Verhinderung eines sonstigen Schadens für die Partei erfordert, dass die dauerhafte Trennung von einem Parteimitglied erfolgt, sonstige Sanktionen ergriffen werden oder diese verzichtbar sind. Dass vorliegend die Entscheidung, den X. aus der Beschwerdeführerin auszuschließen, die Grenzen dieses Ermessens überschritten hätte, erschließt sich nicht. Auch wenn es ein vorrangiges Interesse gegeben haben mag, den X. von der besonders öffentlichkeitswirksamen Position des Pressesprechers zu entbinden, folgt daraus nicht, dass im Interesse der Verhinderung eines weiteren Glaubwürdigkeits- oder Ansehensverlustes eine dauerhafte Trennung der Beschwerdeführerin von dem X. nicht geboten oder zumindest vertretbar war. Dies verkennt das Kammergericht und setzt stattdessen auch insoweit seine Bewertung schlicht an die Stelle derjenigen der Parteischiedsgerichte.

Schließlich ergibt sich die grobe Unbilligkeit des Parteiausschlusses des X. auch nicht aus den Verweisen des Kammergerichts auf das Ergebnis anderer Verfahren zum Ausschluss einzelner Mitglieder der Beschwerdeführerin. Dabei kann dahinstehen, ob und welche Bindungswirkungen sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz für die Entscheidung unterschiedlicher Parteischiedsgerichte bei vergleichbarer Ausgangslage ergeben. Vorliegend steht einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bereits entgegen, dass es sich bei den in Bezug genommenen Parteiausschlussverfahren nicht um gleichgelagerte Sachverhalte handelt.

Beide Verfahren betrafen – im Unterschied zum vorliegenden Fall – ehemalige Spitzenpolitiker, die zum Zeitpunkt des das jeweilige Ausschlussverfahren auslösenden Handelns keine hervorgehobenen Staats- oder Parteiämter für die Beschwerdeführerin mehr wahrnahmen. Für die Hinnehmbarkeit des Verbleibs einer Person in einer Partei ist die Frage, ob ihr Handeln aus einer verantwortlichen Position heraus erfolgt, aber nicht ohne Belang. Darüber hinaus waren Gegenstand der in Bezug genommenen Verfahren öffentliche Äußerungen, während dem X. die Verletzung innerparteilicher Informationspflichten zur Last gelegt wurde. Dabei endete das Verfahren gegen Thilo Sarrazin mit der Feststellung, dass ein Verstoß gegen die Parteiordnung nicht vorliege. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung des Kammergerichts nicht nachvollziehbar, beiden Verfahren hätten sehr viel schwerwiegendere Verstöße als diejenigen des X. zugrunde gelegen. Soweit das Kammergericht insoweit darauf verweist, die den Ausschluss Sarrazins beantragenden Parteiverbände hätten dessen Äußerungen unter Bezugnahme auf ein wissenschaftliches Gutachten als rassistisch bewertet, bleibt unerwähnt, dass die Landesschiedskommission Berlin der Beschwerdeführerin sich in ihrer Entscheidung mit dieser Frage ausführlich befasst hat und zu einem anderen Ergebnis gekommen ist. Daran ändert die Tatsache nichts, dass das Kammergericht eine eigenständige, hiervon abweichende Bewertung dieser Äußerungen vornimmt. Lehnt ein Parteischiedsgericht den Ausschluss eines Parteimitglieds ab, weil ein Fehlverhalten des Auszuschließenden nicht vorliegt, ergeben sich daraus keine Rückschlüsse für den Ausschluss eines anderen Parteimitglieds, bei dem ein anderes Schiedsgericht aufgrund eines anderen Verhaltens die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 PartG als gegeben ansieht.

Eingedenk dessen stellen sich auch diese Erwägungen als Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG dar. Denn das Kammergericht verkennt hier – wie aus den vorgenannten Gründen ersichtlich – von vornherein das Fehlen eines vergleichbaren Sachverhalts.