Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 07.11.2025 (Az. 1 Ca 1975/25) entschieden, dass die ordentliche Kündigung eines Angestellten zum 30.06.2025 unwirksam war. In dem Verfahren, in dem der klagende Arbeitnehmer durch Fachanwalt Dr. Usebach (Kanzlei JURA.CC) vertreten wurde, stellte das Gericht fest, dass der Arbeitgeber den behaupteten Wegfall des Arbeitsplatzes nicht ausreichend konkret begründen konnte. Der Arbeitnehmer behält damit vorerst seinen Job. Dieses Urteil verdeutlicht, welche strengen Anforderungen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) an betriebsbedingte Kündigungen stellt und welche typischen Fehler Arbeitgeber dabei machen können.
Hintergrund des Falls
Der Kläger war seit Juni 2023 als Sales Manager bei der Beklagten, einem Solarunternehmen, beschäftigt. Im März 2025 erhielt er eine betriebsbedingte Kündigung zum 30.06.2025. Dagegen erhob er Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Köln. Er argumentierte, es gebe keine dringenden betrieblichen Gründe für den Stellenabbau – sein Arbeitsplatz sei nicht dauerhaft entfallen, die Entscheidung zum Personalabbau sei nicht plausibel begründet und die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Außerdem habe der Arbeitgeber keine milderen Mittel (wie Versetzung auf einen anderen freien Posten) geprüft und möglicherweise die vorgeschriebene Massenentlassungsanzeige unterlassen.
Die beklagte Arbeitgeberin verteidigte die Kündigung mit einer unternehmerischen Entscheidung vom 25.02.2025: Man habe beschlossen, die Sales-Abteilung von vier auf drei Mitarbeiter zu verkleinern, das Budget zu reduzieren und drei Stellen abzubauen. Die Wahl sei auf den Kläger gefallen, weil dessen Arbeitsplatz angeblich dauerhaft wegfalle. Alle gesetzlichen Vorgaben – Sozialauswahl und Anzeige bei der Agentur für Arbeit – seien eingehalten worden. Freie Alternativstellen habe es nicht gegeben.
Entscheidung des Gerichts
Das Arbeitsgericht Köln gab dem Kläger weitgehend Recht. Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet wurde – die Kündigung ist unwirksam. Folglich besteht das Arbeitsverhältnis fort. Da die Arbeitgeberin kurz nach der Kündigung den betroffenen Betriebsteil auf ein Schwesterunternehmen übertragen hatte, wurde dieses (als Betriebsübernehmer nach § 613a BGB) verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen. Die Kündigungsschutzklage war also erfolgreich: Der Arbeitnehmer darf weiter als Sales Manager arbeiten.
Begründung: Warum war die Kündigung unwirksam?
Die Kündigung scheiterte am strengen Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes für betriebsbedingte Kündigungen. Nach § 1 KSchG ist eine ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt (und damit unwirksam), wenn kein ausreichender Kündigungsgrund vorliegt. Im betrieblichen Bereich bedeutet das: Es müssen dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich machen. Die Richter betonten, dass solche betrieblichen Gründe nur anerkannt werden, wenn eine konkrete unternehmerische Maßnahme spätestens bis zum Ende der Kündigungsfrist zu einem dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes führt. Wichtig: Diese Prognose muss bereits im Zeitpunkt der Kündigung objektiv gerechtfertigt und nachvollziehbar sein – eine bloße vage Aussicht auf weniger Arbeit genügt nicht. Ein Arbeitgeber darf nicht vorsorglich kündigen in der Hoffnung, später werde sich der Personalabbau schon rechtfertigen.
Zwar steht es jedem Arbeitgeber frei, unternehmerische Entscheidungen zu treffen (etwa Umstrukturierungen oder Stellenabbau aus Kostengründen); die Gerichte prüfen nicht, ob eine Geschäftsentscheidung wirtschaftlich „vernünftig“ ist. Aber: Wenn der Arbeitgeber wegen einer solchen Entscheidung kündigt, muss er im Prozess klar und detailliert darlegen, welche Entscheidung getroffen wurde, wann (Datum) und von wem, und wie genau diese Maßnahme den Arbeitsplatz entfallen lässt. Insbesondere muss er aufzeigen, wie die bisher vom gekündigten Mitarbeiter erledigten Aufgaben künftig entfallen oder von den verbleibenden Mitarbeitern übernommen werden. Pauschale Behauptungen reichen nicht. Das Arbeitsgericht Köln folgte hierbei der Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung: Es ist genau zu prüfen, ob die Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss nachvollziehbar getrennt sind. Kann der Arbeitgeber nicht schlüssig erklären, wie die verbleibenden Kollegen die zusätzliche Arbeit ohne ständige Überlastung oder Überstunden bewältigen sollen, ist die behauptete betriebliche Notwendigkeit nicht überzeugend dargelegt.
Im vorliegenden Fall fehlte es an einer solchen plausiblen Darlegung. Die Firma hatte entschieden, die Sales-Abteilung von vier auf drei Personen zu verkleinern, konnte aber nicht konkret erklären, wie die Arbeit des gekündigten Sales Managers von den drei verbleibenden Angestellten erledigt werden sollte, ohne diese zu überlasten. Der Arbeitgeber behauptete lediglich, man habe den Bereich seit dem Weggang des Klägers mit drei Leuten „ohne überobligatorische Belastung“ weitergeführt. Doch es fehlten greifbare Fakten: Welche Aufgaben hat der Kläger konkret gehabt und in welchem Umfang? Welche dieser Aufgaben entfallen durch die Umstrukturierung, und welche wurden von wem zusätzlich übernommen? Hätte deren Übernahme noch im Rahmen der normalen Arbeitszeit gelegen? Zu all dem blieb der Sachvortrag der beklagten Firma vage. Ein als Beweis angebotenes internes Zahlen-Diagramm (Anzahl der Beratungstermine pro Sales Manager) war nicht ausreichend, um die komplexe Aufgabenverteilung nachvollziehbar zu machen. Ebenso wenig konnte die Tatsache, dass man den Kläger ab März 2025 freigestellt hatte, den Nachweis ersetzen – das beweist nicht automatisch, dass seine Arbeit ohne weiteres verteilt werden konnte.
Damit stand für das Gericht fest: Es gab keinen überzeugend dargelegten dringenden betrieblichen Grund für den Personalabbau gerade auf der Position des Klägers. Letztlich basierte die Kündigung allein auf dem Wunsch, Personal einzusparen, ohne dass ein unabwendbarer Wegfall der Stelle nachgewiesen wurde. Ein solcher bloßer Abbauwille des Arbeitgebers reicht nach dem KSchG nicht aus, um eine Kündigung sozial zu rechtfertigen. Folglich erklärte das Arbeitsgericht die Kündigung als sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG) und damit unwirksam.
Weitere Argumente: Sozialauswahl, Versetzung, Formalien
Da die Kündigung bereits aus den genannten Gründen unwirksam war, brauchte das Gericht nicht mehr über die übrigen Einwände des Klägers zu entscheiden. Zur Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) hielt der Arbeitgeber zwar einen jüngeren Kollegen wegen besonderer Leistung für unkündbar („Leistungsträger“) und hatte diesen aus der Auswahl genommen. Wäre die Kündigung nicht schon an der mangelnden Darlegung des Wegfalls gescheitert, hätte das Gericht prüfend schauen müssen, ob diese Auswahl korrekt war – Fehler in der Sozialauswahl (z.B. falsche Kriterien oder das Übergehen vergleichbarer Mitarbeiter) machen eine Kündigung ebenfalls unwirksam. Im hiesigen Fall wurde die Sozialauswahl nicht mehr vertieft geprüft, da die Kündigung aus anderen Gründen scheiterte.
Ähnlich verhält es sich mit dem Ultima-Ratio-Prinzip: Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur zulässig, wenn kein milderes Mittel zur Vermeidung der Entlassung zur Verfügung stand. Der Kläger hatte gerügt, man hätte ihn ggf. an anderer Stelle weiterbeschäftigen können, zumal kurz nach der Kündigung sein Unternehmensteil auf eine andere Gesellschaft übertragen wurde. Hätte es dort oder anderswo im Unternehmen eine freie Stelle gegeben, hätte der Arbeitgeber diese anbieten müssen, bevor er kündigt. Versäumt der Arbeitgeber eine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, ist die Kündigung unwirksam – denn dann war sie nicht das letzte Mittel. Im Urteil deutete das Gericht an, dass im Streitfall keine freien gleichwertigen Stellen vorhanden gewesen seien, doch mangels dringendem Kündigungsgrund kam es auf diese Frage nicht mehr entscheidend an.
Schließlich spielte noch eine formale Frage eine Rolle: die Massenentlassungsanzeige (§ 17 KSchG). Bei größeren Entlassungswellen muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigungen die Agentur für Arbeit informieren. Der Kläger bezweifelte, dass dies hier ordnungsgemäß geschehen war. Auch darüber musste das Gericht nicht abschließend befinden, da die Kündigung ohnehin unwirksam war. Der Vollständigkeit halber sei gesagt: Unterlässt ein Arbeitgeber die erforderliche Anzeige oder passieren Formfehler, sind die Kündigungen ebenfalls kraft Gesetzes unwirksam – darauf hatte das Gericht im Grundsatz hingewiesen.
Mit diesem Urteil zeigt das Arbeitsgericht Köln einmal mehr, dass betriebsbedingte Kündigungen strengen Prüfungen standhalten müssen. Arbeitgeber können nicht allein mit Sparwillen oder allgemeinen Umstrukturierungsfloskeln kündigen. Sie müssen den Wegfall des Arbeitsplatzes fundiert begründen und alle sozialrechtlichen Spielregeln einhalten. Im Ergebnis behält der Kläger seinen Arbeitsplatz – und der Fall unterstreicht, dass sich eine Kündigungsschutzklage lohnen kann, wenn die Gründe der Kündigung zweifelhaft sind. Arbeitnehmer sollten im Kündigungsfall genau hinschauen: Fehlen greifbare Gründe oder wurden Verfahren nicht eingehalten, bestehen gute Chancen, dass die Kündigung vor Gericht kippt und das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Wichtig ist jedoch, schnell zu handeln und innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage zu erheben, damit man seine Rechte wahrt.