Dienstunfall eines Polizeibeamten wegen Einsatzes von Pyrotechnik im Fußballstadion?

20. November 2020 -

Das Verwaltungsgericht Neustadt hat mit Urteil vom 22.10.2020 zum Aktenzeichen 1 K 1112/18.NW entschieden, dass psychische Beschwerden eines Polizeibeamten nach einem Vorfall mit Pyrotechnik im Fußballstadion nicht als Dienstunfall anerkannt werden müssen.

Aus der Pressemitteilung des VG Neustadt Nr. 29/2020 vom  18.11.2020 ergibt sich:

Der Kläger war über viele Jahre als sog. szenekundiger Beamter bei Fußballspielen des 1. FC Kaiserslautern eingesetzt. Bei einem Fußballspiel am 24.10.2015 im Stadion des Karlsruher SC traf ein Geschoss mit Leuchtmunition das Dach der Tribüne, auf der – neben anderen Polizeibeamten – auch der Kläger stand, und ging ca. 50 cm neben dem Kläger auf dem Boden nieder. Der Kläger versah zunächst weiter seinen Dienst und war sodann von November 2015 bis Januar 2016, sowie erneut ab März 2016 erkrankt. Im April 2017 wurde er vorzeitig wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Bereits im Mai 2016 beantragte er beim beklagten Land Rheinland-Pfalz, das Ereignis vom 24.10.2015 als Dienstunfall anzuerkennen, da bei ihm in der Folge des Ereignisses psychische Beschwerden aufgetreten seien. Durch die zuständige Polizeiärztin wurde ein fachärztliches psychiatrisches Gutachten veranlasst, das zum Ergebnis kam, beim Kläger liege aufgrund des Ereignisses vom 24.10.2015 eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vor. Wegen Zweifeln an diesem Gutachten holte der Beklagte ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten ein, das zu einem anderen Ergebnis kam, und lehnte daraufhin den Antrag des Klägers ab.
Nachdem sein Widerspruch gegen diese Entscheidung erfolglos geblieben war, erhob der Kläger im August 2018 Klage beim Verwaltungsgericht auf Anerkennung des Dienstunfalls.

Das VG Neustadt hat die Klage abgewiesen.

Das Verwaltungsgericht holte wegen der unterschiedlichen Begutachtungsergebnisse im behördlichen Verfahren im Klageverfahren zur Aufklärung des Sachverhalts ein Obergutachten ein und hörte die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung an. Die Gutachterin stellte fest, dass beim Kläger durch das Ereignis vom 24.10.2015 keine PTBS und auch sonst keine psychische Erkrankung ausgelöst worden sei.
Weil dieses erste Obergutachten die Richter nicht überzeugte, gab die zuständige Kammer noch eine weitere Begutachtung des Klägers durch einen Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie in einer Klinik in Auftrag. Dieser Gutachter kam nach einer Untersuchung des Klägers und einer Auswertung der ihm zur Verfügung gestellten Vorbefunde ebenfalls zum Ergebnis, eine durch das Ereignis vom 24.10.2015 ausgelöste Erkrankung liege beim Kläger nicht vor. Vielmehr hätten sich die bei ihm schon vor dem Ereignis bestehenden psychischen Beschwerden bereits ab Sommer 2015 kontinuierlich verschlechtert. Dem Ereignis vom 24.10.2015 komme dafür keine wesentliche Bedeutung zu. Außerdem sei das Ereignis für sich betrachtet objektiv nicht schwerwiegend genug, um das Krankheitsbild einer PTBS auszulösen.

Das Gericht folgt mit seinem Urteil nunmehr im Ergebnis diesem Sachverständigengutachten. Danach liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Dienstunfalls nicht vor.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Dienstunfalls seien in §§ 41 ff. des Landebeamtenversorgungsgesetzes (LBeamtVG) geregelt: Gemäß § 42 LBeamtVG sei ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden auslösendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten sei. Körperschaden in diesem Sinn könne auch eine psychische Erkrankung, also grundsätzlich auch eine PTBS sein. Der Körperschaden oder die Erkrankung werde nach der Rechtsprechung aber nur dann durch das im Dienst erlittene, plötzliche Ereignis „ausgelöst“, wenn dieses Ereignis für den eingetretenen Schaden wesentlich ursächlich gewesen sei. Das sei nur dann der Fall, wenn das Ereignis entweder ausschließlich oder zumindest gleichwertig neben anderen Ursachen – beispielsweise einer schon bestehenden gesundheitlichen Vorerkrankung des Beamten – zu der nach dem Unfall festgestellten körperlichen oder psychischen Schädigung geführt habe. Der Beamte müsse diesen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen seiner Gesundheitsschädigung und dem konkreten dienstlichen Ereignis nachweisen.

Die damit verbundenen schwierigen medizinischen Fragen zu den Ursachen speziell psychischer Beschwerden sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichts mit Hilfe des zuletzt eingeholten, mit rund 100 Seiten sehr ausführlichen und inhaltlich überzeugenden, unter Einbeziehung von ärztlichen und therapeutischen Vorbefunden erstellten Sachverständigengutachtens nun abschließend zu beantworten. Danach sei die beschriebene gesetzliche Voraussetzung eines Dienstunfalls zur Überzeugung des Gerichts hier nicht nachgewiesen, und die Klage war damit abzuweisen.

Gegen das Urteil ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe ein Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG Koblenz möglich.