Einordnung einer Energieanlage als von den Pflichten eines Netzbetreibers befreite Kundenanlage

13. Mai 2025 -

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. Mai 2025 zum Aktenzeichen EnVR 83/20 die Rechtsbeschwerde eines Energieversorgungsunternehmens zurückgewiesen, das den Anschluss zweier Energieanlagen als Kundenanlagen im Sinn von § 3 Nr. 24a EnWG an das örtliche Verteilernetz begehrt.

Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 095/2025 vom 13.05.2025 ergibt sich:

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist ein Energieversorgungsunternehmen. Sie betreibt an mehreren Standorten unter anderem Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Nahwärmenetze und Energieanlagen zur Abgabe von Energie, mit denen sie Letztverbraucher mit Wärme und Strom versorgt. Die Antragsgegnerin ist die örtliche Verteilernetzbetreiberin.

Die Antragstellerin versorgte aufgrund eines Wärmelieferungsvertrags mit der Grundstückseigentümerin vier Wohnblöcke mit 96 Wohneinheiten sowie sechs Wohnblöcke mit 160 Wohneinheiten durch jeweils eine Energiezentrale und ein daran angeschlossenes Nahwärmenetz mit Wärme und Warmwasser. Die Stromversorgung der Wohnblöcke erfolgte über das Elektrizitätsverteilernetz der Antragsgegnerin.

2018 plante die Antragstellerin die Errichtung und den Betrieb zweier Blockheizkraftwerke und zweier getrennter elektrischer Leitungssysteme. An diese sollten die in den Wohnblöcken wohnenden Mieter angeschlossen werden. Den in den Blockheizkraftwerken neben Wärme und Warmwasser erzeugten Strom wollte die Antragstellerin an die Mieter verkaufen. Sie meldete bei der Antragsgegnerin Netzanschlüsse für zwei getrennte Kundenanlagen an und beantragte den Anschluss an deren Netz sowie die Bereitstellung der erforderlichen Zählpunkte gemäß § 20 Abs. 1d EnWG. Die Antragsgegnerin lehnte die Anträge ab, weil es sich nicht um Kundenanlagen gemäß § 3 Nr. 24a EnWG handele.

Die bei der Landesregulierungsbehörde gestellten Anträge auf Überprüfung dieses Verhaltens und Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Anlagen als Kundenanlagen an ihr Netz anzuschließen und eine Abrechnung gemäß § 20 Abs. 1d EnWG zu ermöglichen, blieben erfolglos.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Oberlandesgericht hat die gegen die Entscheidung der Landesregulierungsbehörde gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin weiter.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 13. Dezember 2022 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2022 – EnVR 83/20, RdE 2023, 242; siehe auch BGH, Beschluss vom 21. März 2023 – EnVR 83/20, RdE 2023, 233). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 28. November 2024 (C-293/23) entschieden:

Art. 2 Nrn. 28 und 29 sowie die Art. 30 bis 39 der Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der ein Unternehmen, das anstelle des bisherigen Verteilernetzes eine Energieanlage einrichtet und betreibt, um mit in einem Blockheizkraftwerk erzeugtem Strom mit einer jährlichen Menge an durchgeleiteter Energie von bis zu 1 000 MWh mehrere Wohnblöcke mit bis zu 200 Wohneinheiten zu versorgen, wobei die Kosten der Errichtung und des Betriebs der Energieanlage von den Letztverbrauchern getragen werden, die Mieter dieser Wohneinheiten sind, und dieses Unternehmen den erzeugten Strom an diese Verbraucher verkauft, sofern diese Anlage dazu dient, Elektrizität mit Hoch-, Mittel- oder Niederspannung weiterzuleiten, um sie an Kunden zu verkaufen und keine der in dieser Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen oder Freistellungen von diesen Verpflichtungen anwendbar ist, nicht den Verpflichtungen eines Verteilernetzbetreibers unterliegt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die hier in Streit stehenden Leitungsanlagen sind nicht als Kundenanlagen gemäß § 3 Nr. 24a EnWG an das Verteilernetz anzuschließen. Die Vorschrift ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass eine Kundenanlage nur dann gegeben ist, wenn sie kein Verteilernetz im Sinn von Art. 2 Nr. 28 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie darstellt. Die Leitungsanlagen der Antragstellerin sind aber Verteilernetze in diesem Sinn. Sie dienen der Weiterleitung von Elektrizität, die zum Verkauf an Endkunden durch die Antragstellerin bestimmt ist. Damit können sie nicht von den für die Regulierung der Netze geltenden Vorschriften ausgenommen werden.

Der Antragstellerin steht auch kein Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu, eine Abrechnung über Unterzähler nach dem Summenzählermodell gemäß § 20 Abs. 1d EnWG zu ermöglichen und die dafür erforderlichen Zählpunkte bereitzustellen. Nach dem klaren Wortlaut des § 20 Abs. 1d EnWG treffen die entsprechenden Pflichten nur den Betreiber eines Energieversorgungsnetzes, an das eine Kundenanlage angeschlossen ist. Die Anlagen der Antragstellerin sind jedoch gerade keine Kundenanlagen. Die der Antragstellerin nach dem Messstellenbetriebsgesetz obliegenden Pflichten sind daher durch diese selbst, gegebenenfalls durch Dienstleister, zu erfüllen.