Entschädigung wegen Flugverspätung kann in Landeswährung verlangt werden

Der Europäische Gerichtshof hat am 03.09.2020 zum Aktenzeichen C-356/19 entschieden, dass ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, die Zahlung der vom Unionsrecht vorgesehenen Ausgleichsleistung in der Landeswährung seines Wohnortes verlangen kann.

Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 100/2020 vom 03.09.2020 ergibt sich:

Es wäre mit dem Erfordernis einer weiten Auslegung der Fluggastrechte sowie mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der geschädigten Fluggäste unvereinbar, eine Zahlung in der Landeswährung zu verweigern, so der EuGH.

Frau X verfügte bei dem Luftverkehrsunternehmen Travel Service mit Sitz in Warschau (Polen) über eine bestätigte Reservierung für einen Flug von der in einem Drittstaat gelegenen Stadt A zu der in Polen gelegenen Stadt B. Am 23.07.2017 begab sie sich rechtzeitig zum Check-in für diesen Flug. Der Flug war über drei Stunden verspätet. Es wurde nicht festgestellt, dass Frau X im Abflugdrittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten hat. Frau X, die nach der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – ABl. 2004, L 46, 1) Anspruch auf eine Ausgleichsleistung in Höhe von 400 Euro hatte, trat ihren Anspruch an Delfly, eine Gesellschaft mit Sitz in Warschau, ab. Delfly erhob beim Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy XV Wydział Gospodarczy (Rayongericht für die Hauptstadt Warschau, XV. Abteilung, Wirtschaftssachen, Polen) Klage mit dem Antrag, Travel Service zu verurteilen, ihr den Betrag von 1.698,64 polnischen Zloty (PLN) zu zahlen, der gemäß dem von der Polnischen Nationalbank zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Ausgleichsleistung festgesetzten Wechselkurs 400 Euro entsprach. Travel Service beantragte, den Antrag auf Ausgleichsleistung zurückzuweisen, u.a. mit der Begründung, dass dieser entgegen den Vorschriften des nationalen Rechts in der falschen Währung, nämlich in Zloty und nicht in Euro, beziffert worden sei.
Das polnische Gericht hat beschlossen, dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Es möchte wissen, ob ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechtsnachfolger nach der Fluggastrechteverordnung die Zahlung der in dieser Verordnung genannten Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung verlangen kann, so dass diese Verordnung einer Regelung oder einer gerichtlichen Praxis eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der zu diesem Zweck von einem solchen Fluggast oder seinem Rechtsnachfolger gestellte Antrag nur deshalb zurückgewiesen wird, weil dieser ihn in dieser Landeswährung beziffert hat.

Der EuGH hat entschieden, dass ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechtsnachfolger die Zahlung der in der Fluggastrechteverordnung genannten Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung verlangen kann, so dass diese Verordnung einer Regelung oder einer gerichtlichen Praxis eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der zu diesem Zweck von einem solchen Fluggast oder seinem Rechtsnachfolger gestellte Antrag nur deshalb zurückgewiesen wird, weil dieser ihn in dieser Landeswährung beziffert hat.

Nach Auffassung des EuGH besteht das Hauptziel der Verordnung darin, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Deshalb seien die Vorschriften, mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, weit auszulegen. Den Anspruch auf Ausgleichsleistungen für Schäden, die die großen Unannehmlichkeiten bei der Beförderung von Fluggästen darstellten, von der Voraussetzung abhängig zu machen, dass dem geschädigten Fluggast die geschuldete Ausgleichsleistung in Euro – unter Ausschluss jeder anderen, nationalen Währung – gezahlt werde, liefe darauf hinaus, die Ausübung dieses Rechts zu beschränken, und würde daher das Erfordernis einer weiten Auslegung missachten.

Des Weiteren sei die Verordnung auf Fluggäste anwendbar, ohne zwischen ihnen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes zu unterscheiden. Das einschlägige Kriterium sei nämlich der Ort, an dem sich der Flughafen befinde, von dem die Fluggäste abgeflogen seien. Die Fluggäste, die einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, seien daher so anzusehen, dass sie sich alle in vergleichbaren Situationen befinden, da ihnen allen standardisiert und sofort der nach dieser Verordnung ersatzfähige Schaden wiedergutgemacht werde.

Das Stellen einer Bedingung, nach der der Betrag der in der Verordnung vorgesehenen Ausgleichsleistung, die vom geschädigten Fluggast oder seinem Rechtsnachfolger verlangt werde, nur in Euro unter Ausschluss der Währung, die in einem nicht zur Eurozone gehörenden Mitgliedstaat gelte, geleistet werden könnte, könne somit zu einer Ungleichbehandlung der geschädigten Fluggäste oder ihrer Rechtsnachfolger führen, ohne dass eine objektive Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung vorgebracht werden könne. Es sei mit dem Erfordernis einer weiten Auslegung der in der Verordnung enthaltenen Fluggastrechte sowie mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der geschädigten Fluggäste und ihrer Rechtsnachfolger unvereinbar, es einem Fluggast, der auf der Grundlage der Verordnung einen Ausgleichsanspruch habe, zu verweigern, dass er die Zahlung der betreffenden Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden nationalen Währung verlangen könne.

Schließlich setze die Zahlung der geschuldeten Ausgleichsleistung in der am Wohnort der betreffenden Fluggäste geltenden nationalen Währung zwangsläufig eine Umrechnung aus dem Euro in diese Währung voraus. Da die Verordnung insoweit keine Angabe enthalte, sei für die Modalitäten der Umrechnung einschließlich der Festlegung des dabei anzuwendenden Umrechnungskurses weiterhin das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten unter Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität maßgeblich.