Fehlerhafte Bewertung im zweiten Staatsexamen: Wenn Prüfer schon im Ruhestand sind

11. August 2025 -

Mit Urteil vom 27.02.2025 (Az. 2 K 3576/21) hat das Verwaltungsgericht Hamburg einen ungewöhnlichen Fall im juristischen Vorbereitungsdienst entschieden. Ein Rechtsreferendar befand sich im Dezember 2019 in seinem zweiten – und damit mutmaßlich letzten – Anlauf, das zweite juristische Staatsexamen zu bestehen. Doch auch dieser Zweitversuch verlief erfolglos: In den sieben Aufsichtsarbeiten (Klausuren) erreichte der Referendar lediglich einen Notendurchschnitt von 3,5 Punkten. Er hätte jedoch nach Hamburger Prüfungsrecht mindestens 3,75 Punkte im Schnitt benötigt, und außerdem in mindestens vier Klausuren (darunter mindestens eine im Zivilrecht) jeweils 4 Punkte oder mehr, um zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden. Diese Voraussetzungen erfüllte er nicht, sodass er als „endgültig durchgefallen“ galt und die Ausbildung eigentlich beendet wäre.

Gegen den Prüfungsbescheid vom März 2020 legte der Referendar fristgerecht Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren konnte er einen kleinen Teilerfolg erzielen: Die Note einer Strafrechtsklausur wurde von ursprünglich 3,5 auf 5 Punkte (ausreichend) heraufgesetzt. Im Übrigen blieb der Widerspruch jedoch ohne Erfolg – das Gesamtergebnis war weiterhin nicht ausreichend für die Zulassung zur mündlichen Prüfung. Um das drohende endgültige Nichtbestehen abzuwenden, erhob der Referendar Klage zum Verwaltungsgericht Hamburg. Er begehrte die Neubewertung von vier Klausuren seines schriftlichen Examens.

Zur Begründung rügte der Kläger mehrere Unregelmäßigkeiten bei der Korrektur der Klausuren. Hauptkritikpunkt war, dass drei seiner Klausuren von Prüfern benotet worden waren, die zum Zeitpunkt der Korrektur bereits im Ruhestand (also nicht mehr im aktiven Dienst) waren. Diese früheren Richterinnen und Richter seien – so der Vorwurf – nicht befugt gewesen, weiterhin als Prüfer eingesetzt zu werden. Daneben machte der Referendar geltend, ein Korrektor (ein Rechtsanwalt) sei fachlich nicht hinreichend qualifiziert gewesen, da die betreffende Klausur aus dem Erbrecht stammte, mit dem dieser Prüfer nicht besonders vertraut sei. Außerdem monierte er, dass zwei Prüfer jeweils mehr als eine seiner Klausuren korrigiert hätten; dadurch bestehe die Gefahr einer unbewussten Voreingenommenheit (dass schlechte Leistungen in einer Klausur die Bewertung einer anderen Klausur derselben Person beeinflussen). Das Verwaltungsgericht prüfte all diese Rügen eingehend – mit teilweise erfreulichem Ergebnis für den Kläger.

Rechtliche Würdigung

Das VG Hamburg gab der Klage teilweise statt, weil es die Bewertung dreier Klausuren durch bereits pensionierte Prüfer als rechtswidrig einstufte. Nach der einschlägigen Prüfungsordnung für das zweite Staatsexamen (hier: die Regelungen des Gemeinsamen Prüfungsamts Nord für Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein) endet die Mitgliedschaft eines Prüfers im Justizprüfungsamt mit dem Eintritt in den Ruhestand, auch wenn die ursprüngliche Berufung befristet erteilt wurde. Eine Verlängerung der Prüfertätigkeit über den Ruhestand hinaus ist zwar grundsätzlich möglich, bedarf jedoch einer ausdrücklichen Entscheidung im Einzelfall durch die zuständige Behörde im Einvernehmen mit den anderen Landesjustizverwaltungen. Im vorliegenden Fall fehlte es an einer solchen formellen Verlängerungsentscheidung. Tatsächlich hatte das Justizprüfungsamt die drei pensionierten Richter nach ihrer Versetzung in den Ruhestand schlicht weiterhin Klausuren korrigieren lassen – ohne neuen Bestellungsakt. Diese Praxis beruhte offenbar auf der Annahme des Prüfungsamts, die ursprüngliche Ernennung als Prüfer gelte stillschweigend fort und mache einen gesonderten Verlängerungsbeschluss entbehrlich.

Das Verwaltungsgericht Hamburg beurteilte dieses Vorgehen als rechtswidrig. Die betreffenden Prüfer seien zum Korrekturzeitpunkt nicht (mehr) ordnungsgemäß bestellt gewesen; folglich hätten ihre Bewertungsergebnisse nicht in die Prüfungsentscheidung einfließen dürfen. Die 2. Kammer des VG betonte, dass § 2 Abs. 5 der Prüfungsordnung aus gutem Grund eine bewusste Einzelentscheidung beim Ausscheiden aus dem Dienst verlange. Sinn und Zweck der Regelung sei nämlich, sicherzustellen, dass Prüferinnen und Prüfer auch nach dem aktiven Dienst nur weiterprüfen, wenn sie dafür noch geeignet sind. Zum einen müsse eine zeitliche Nähe zum Beruf oder zu juristischen Tätigkeiten bestehen, „um die inhaltlichen Fragen noch kompetent beurteilen zu können“. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass die körperlichen und geistigen Fähigkeiten im höheren Alter altersbedingt regelmäßig nachlassen – auch dies habe der Normgeber bedacht und daher die ausdrückliche Einzelfallprüfung zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts vorgesehen. Kurz gesagt: Ohne aktuellen Praxisbezug und ohne förmliche Prüfung der Eignung im Einzelfall sollen Pensionäre nicht einfach weiter als Examensprüfer eingesetzt werden dürfen.

Weil es im vorliegenden Fall an einer solchen gültigen Verlängerung fehlte, durfte die Bewertung der drei fraglichen Klausuren nicht in das Prüfungsergebnis einbezogen werden. Das Gericht verpflichtete das Justizprüfungsamt daher, für diese Klausuren jeweils eine neue Begutachtung vorzunehmen. Konkret müssen drei Klausuren (ZR I, ZR III und ÖR II – jeweils die betreffenden Zivilrechts- und Öffentlich-Recht-Klausuren) von neu bestellten Prüfern korrigiert werden, um die damals fehlerhafte Bewertung zu ersetzen.

In den weiteren Rügepunkten unterlag der Kläger hingegen. So verneinte das VG Hamburg einen Mangel darin, dass ein Rechtsanwalt ohne speziellen Tätigkeitsschwerpunkt im Erbrecht eine erbrechtliche Klausur korrigiert hatte. Die Prüfungsordnung verlange lediglich, dass Prüfer mit dem jeweiligen Rechtsgebiet (hier: Zivilrecht) vertraut sind – nicht aber mit jedem einzelnen Unterthema oder Spezialgebiet. Ein Rechtsanwalt, der allgemeine zivilrechtliche Fälle bearbeitet, sei deshalb durchaus befähigt, auch eine Klausur mit erbrechtlichem Schwerpunkt zu bewerten. Auch die Beanstandung, zwei Prüfer hätten jeweils mehrere Klausuren desselben Kandidaten korrigiert, rechtfertigte nach Ansicht des Gerichts keine Konsequenzen. Es fehlten objektive Anhaltspunkte dafür, dass diese doppelte Prüfertätigkeit zu einer Voreingenommenheit oder unsachlichen Benotung geführt hätte. Schließlich blieben auch inhaltliche Angriffe des Klägers auf die Punktevergaben erfolglos – gravierende Bewertungsfehler waren insoweit nicht erkennbar.

Unterm Strich hatte die Klage also nur in Bezug auf die Ruhestands-Prüfer Erfolg. Dieser Teilerfolg ist allerdings äußerst bedeutend: Durch die angeordnete Neubewertung der drei Klausuren erhält der Referendar die Chance, doch noch sein zweites Examen zu bestehen. Mit etwas Glück könnten die neuen Bewertungen sein Punkteergebnis so weit anheben, dass er zur mündlichen Prüfung zugelassen wird. Das Urteil öffnet ihm somit zumindest eine Tür für einen zweiten Anlauf, obwohl er formal bereits endgültig durchgefallen war.

Praktische Folgen

Was bedeutet diese Entscheidung über den Einzelfall hinaus? Das Urteil des VG Hamburg hat Signalwirkung und praktische Konsequenzen für Referendare und Prüfungsbehörden – nicht nur in Hamburg. Zudem stellt sich die Frage, welche Rechte und Ansprüche Prüflinge geltend machen können, wenn sich herausstellt, dass ihre Klausuren von unzuständigen Prüfern bewertet wurden. Im Folgenden die wichtigsten Punkte:

  • Für Referendare (Prüflinge): Die Entscheidung stärkt die Rechte von Examenskandidaten. Sie zeigt, dass formelle Fehler im Prüfungsverfahren – wie die unbefugte Mitwirkung nicht (mehr) bestellter Prüfer – zu einer erfolgreichen Anfechtung des Ergebnisses führen können. Referendare tun gut daran, ihre Prüfungsbescheide und -akten daraufhin zu überprüfen, wer ihre Klausuren korrigiert hat. Wurden etwa pensionierte Richter oder Beamte als Prüfer eingesetzt, kann darin ein erheblicher Verfahrensmangel liegen. In einem solchen Fall besteht die Möglichkeit, eine Neubewertung der betroffenen Klausuren und ggf. eine Korrektur des Prüfungsergebnisses zu erreichen. Im besten Fall kann dies dazu führen, dass ein zunächst nicht bestandenes Examen doch noch als bestanden gewertet wird oder zumindest die Zulassung zur mündlichen Prüfung nachträglich ermöglicht wird. Für Kandidaten in ihrer letzten Wiederholungsprüfung (Zweitversuch) kann eine erfolgreiche Anfechtung sogar bedeuten, dass der Fehlversuch nicht zählt und ein weiterer Versuch gewährt werden muss – das Urteil lässt hier auf eine „zweite Chance“ hoffen.
  • Für Justizprüfungsämter: Prüfungsbehörden müssen ihre Verfahrenspraxis an diese Rechtsprechung anpassen. Insbesondere das Justizprüfungsamt Hamburg (bzw. das Gemeinsame Prüfungsamt Nord) wird künftig darauf achten müssen, pensionierte Prüfer nur nach förmlicher Einzelentscheidung weiter zu beschäftigen. Die jahrzehntelange Praxis, einmal bestellte Prüfer auch nach Eintritt in den Ruhestand einfach weiter Klausuren korrigieren zu lassen, ist als rechtswidrig entlarvt worden. Prüfungsämter riskieren beträchtlichen Mehraufwand und rechtliche Konflikte, wenn sie die Bestellungsregeln ignorieren: Ergebnisse, die unter Mitwirkung unbefugter Prüfer zustande kommen, sind angreifbar und dürfen im Zweifel nicht verwertet werden. Für die Verwaltung bedeutet dies, dass in solchen Fällen Nachkorrekturen oder sogar Wiederholungsprüfungen organisiert werden müssen. Darüber hinaus könnten weitere Altfälle ans Licht kommen – Referendare vergangener Examensdurchgänge könnten nachträglich rechtliche Schritte in Erwägung ziehen, sofern ihre Anfechtungsfristen noch nicht abgelaufen sind. Kurz gesagt: Prüfungsämter sollten präventiv dafür sorgen, dass die formelle Bestellung der Prüfer stets einwandfrei ist, um die Gültigkeit der Examina nicht zu gefährden.
  • Für andere Prüfungssituationen: Auch über das zweite Staatsexamen hinaus verdeutlicht dieses Urteil einen allgemeinen Rechtsgrundsatz: Prüfungen müssen von ordnungsgemäß bestellten Prüfern abgenommen werden. Sobald Prüfungsordnungen bestimmte Qualifikationen oder Status der Prüfer vorschreiben, sind diese Vorgaben streng einzuhalten. Das Beispiel Hamburg dürfte andere Bundesländer veranlassen, ihre eigenen Regelungen zu prüfen. In der ersten juristischen Staatsprüfung (Uni-Examen) gelten oft ähnliche Vorschriften – etwa zur Beteiligung emeritierter Professoren. Auch dort könnte eine unzulässige Prüfermitwirkung einen Anfechtungsgrund darstellen. Allgemein gilt: Prüflinge sollten aufmerksam sein, wer sie bewertet. In staatlichen oder beruflichen Prüfungen (z.B. im medizinischen, handwerklichen oder akademischen Bereich) kann eine vergleichbare Problematik auftreten, wenn etwa ausgeschiedene oder nicht autorisierte Personen in Prüfungskommissionen sitzen. Die Gerichte haben deutlich gemacht, dass formelle Vorgaben zur Prüferbestellung kein bloßer Formalismus sind, sondern der Sicherung von Fairness und Qualität der Prüfung dienen.
  • Ansprüche bei rechtswidriger Bewertung: Stellt sich heraus, dass eine Prüfungsleistung rechtswidrig bewertet wurde (etwa durch einen unzuständigen Prüfer), so kann der Prüfling rechtliche Ansprüche geltend machen. Zunächst besteht ein Anspruch auf Aufhebung des fehlerhaften Prüfungsergebnisses bzw. Prüfungsbescheids. Das Prüfungsamt muss dann den Mangel beheben, z.B. indem die Klausur nachträglich von einem befugten Prüfer neu bewertet wird. In vielen Fällen führt dies zu einer Neubescheidung – das heißt, das Prüfungsergebnis wird unter Berücksichtigung der korrigierten Bewertung neu festgestellt. Ggf. muss der Prüfling nachträglich zur mündlichen Prüfung zugelassen werden, falls er durch die Neubewertung die nötigen Punkte erreicht. War der Prüfling zuvor endgültig durchgefallen, so wird dieser Fehlversuch bei erfolgreicher Anfechtung praktisch „aus der Welt geschafft“ – er darf also den Prüfungsversuch wiederholen, da das erste Ergebnis ja aufgehoben wurde. Kein Anspruch besteht hingegen darauf, dass das Gericht oder die Behörde von sich aus eine bessere Note erteilt; die Gerichte ordnen typischerweise nur die Neubewertung an, anstatt selbst eine Notenentscheidung zu treffen. Auch Schadensersatz (etwa für entgangene Karrierechancen oder Einkommen) kommt allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht – im Vordergrund steht die Korrektur des Prüfungsergebnisses, nicht eine finanzielle Kompensation. Insgesamt haben Betroffene aber gute rechtliche Möglichkeiten, ein ungerechtfertigtes „Durchfallen“ anzufechten und eine faire neue Bewertung zu erlangen.

Hinweise für Betroffene

Abschließend einige praktische Tipps für Referendarinnen und Referendare (sowie andere Prüflinge), die vermuten, dass bei der Bewertung ihrer Prüfung etwas nicht mit rechten Dingen zuging – sei es wegen Ruhestands-Prüfern oder anderer Fehler. Wichtig ist, schnell zu handeln und systematisch vorzugehen:

  • Fristen wahren: Sobald der Prüfungsbescheid (das offizielle Ergebnis) zugestellt ist, läuft die Widerspruchsfrist – in der Regel ein Monat. Innerhalb dieser Frist muss ein Widerspruch eingelegt werden, sonst wird das Ergebnis bestandskräftig und ist nur noch sehr schwer anfechtbar. Daher gilt: Auch wenn man die detaillierten Gründe für eine Anfechtung noch nicht vollständig ausgearbeitet hat, sollte man fristgerecht Widerspruch einlegen, um sich die rechtlichen Möglichkeiten offen zu halten. Nach Ablauf der Frist ist eine Korrektur des Examens praktisch nur noch in absoluten Ausnahmefällen (etwa bei nachträglich bekannt gewordener Manipulation) möglich.
  • Akteneinsicht beantragen: Jede(r) Prüfling hat das Recht, Einsicht in die Prüfungsakte zu nehmen. Davon sollte unbedingt Gebrauch gemacht werden, sobald Zweifel an der Bewertung auftauchen. In der Akte finden sich unter anderem die Gutachten der Erst- und Zweitkorrektoren, deren Namen und Stellung, eventuelle Randbemerkungen sowie die Kommunikation im Widerspruchsverfahren. Durch eine sorgfältige Akteneinsicht lassen sich Anhaltspunkte für Fehler oder Unregelmäßigkeiten sammeln – zum Beispiel erkennt man daran, ob ein Prüfer den Zusatz “a.D.” (außer Dienst) trägt, was auf einen Ruhestandsbeamten hinweisen würde. Diese Informationen sind unverzichtbar, um im weiteren Verfahren substantiiert argumentieren zu können. Tipp: Fertigen Sie Kopien oder Fotografien der relevanten Aktenbestandteile an und notieren Sie sich Auffälligkeiten.
  • Widerspruch einlegen (Überdenkungsverfahren): Gegen einen negativen Prüfungsbescheid sollte sofort Widerspruch eingelegt werden (sofern das Widerspruchsverfahren im jeweiligen Bundesland vorgesehen ist – in Hamburg ist dies der Fall). Im Widerspruchsschreiben sollten alle erkennbaren Mängel des Prüfungsverfahrens und der Bewertung benannt werden – also z.B. die fehlende Prüferberechtigung (Ruhestand) oder auch gravierende Bewertungsfehler inhaltlicher Art. Das Prüfungsamt wird daraufhin in der Regel ein sogenanntes Überdenkungsverfahren einleiten: Die ursprünglichen Prüfer erhalten Gelegenheit, ihre Notengebung zu überprüfen und Stellung zu nehmen. In manchen Fällen korrigieren die Prüfer ihre Bewertung hierbei von selbst oder das Justizprüfungsamt veranlasst kleinere Korrekturen. Im geschilderten Hamburger Fall wurde z.B. im Widerspruchsverfahren eine Klausurnote von 3,5 auf 5 Punkte verbessert. Man darf allerdings keine Wunder erwarten: Häufig bleiben die Prüfer bei ihrer ursprünglichen Meinung. Dennoch ist der Widerspruch ein wichtiger Schritt, um die Grundlage für eine spätere Klage zu legen und bereits erste Erfolge (so klein sie auch sein mögen) zu erzielen.
  • Klage erheben: Wenn der Widerspruch endgültig zurückgewiesen wird (man erhält dann einen Widerspruchsbescheid), bleibt als nächster Schritt die Verwaltungsgerichtsklage. In diesem gerichtlichen Verfahren überprüft ein unabhängiges Gericht die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung. Wichtig: Die Gerichte nehmen keine eigene Benotung vor und ersetzen nicht das fachliche Urteil der Prüfer durch ein eigenes. Sie können aber sehr wohl Verfahrensfehler oder Bewertungsfehler feststellen und entsprechende Maßnahmen anordnen. Im Erfolgsfall wird das Prüfungsamt verpflichtet, die Bewertung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu korrigieren – etwa indem eine Klausur von anderen Prüfern neu begutachtet wird. Im Hamburger Urteil wurde zum Beispiel die Neubewertung von drei Klausuren durch ordnungsgemäße Prüfer angeordnet. Das zeigt, dass eine Klage sich lohnen kann: Selbst wenn man das Examen zunächst nicht bestanden hat, kann das Gericht dafür sorgen, dass Teile der Prüfung neu bewertet werden und sich dadurch das Ergebnis erheblich verbessert. In extremen Fällen kann auch eine Wiederholungsprüfung geboten sein, falls z.B. die gesamte Prüfung wegen eines strukturellen Mangels unwirksam war – diese Entscheidung würde dann ebenfalls im Klageverfahren getroffen. Wichtig bei einer Klage ist eine gründliche Begründung: Man sollte alle relevanten Fehlerpunkte darstellen, am besten gestützt auf die Erkenntnisse aus der Akteneinsicht und gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen oder Gutachten zur Bewertungspraxis.
  • Professionelle Unterstützung suchen: Die Anfechtung eines Staatsexamens ist erfahrungsgemäß sehr komplex und emotional belastend. Es kann daher sinnvoll sein, frühzeitig fachkundigen rechtlichen Rat einzuholen. Spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für Prüfungsrecht (Examensanwälte) kennen die Fallstricke des Verfahrens und wissen, wie man formelle und materielle Fehler im Prüfungsablauf überzeugend darlegt. Sie können die Prüfungsakte professionell auswerten und mögliche Rügen identifizieren. Gerade bei heiklen Punkten wie der Prüferbefangenheit oder komplizierten Bewertungsmaßstäben ist anwaltliche Hilfe wertvoll, um die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen. Ein Anwalt kann zudem sicherstellen, dass alle Fristen gewahrt werden und dass im Klageverfahren die Argumente wirkungsvoll präsentiert werden. Kurz: Wer Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Prüfungsergebnisses hat, sollte sich nicht scheuen, Expertenrat einzuholen – die Kosten relativieren sich oft, wenn man bedenkt, was beruflich auf dem Spiel steht.

Das Urteil des VG Hamburg vom 27.02.2025 ist ein wichtiger Präzedenzfall im Prüfungsrecht. Es macht deutlich, dass selbst hohe Hürden wie ein endgültig nicht bestandenes Examen noch überwunden werden können, wenn formelle Fehler nachgewiesen werden. Referendare sollten ihre Examensbescheide kritisch prüfen (lassen) und ihre Rechte kennen. Prüfungsämter wiederum sind angehalten, für korrekte Verfahren zu sorgen, damit die Examina fair und rechtssicher ablaufen. Im Zweifel lohnt es sich, den Rechtsweg zu beschreiten – nicht nur der Gerechtigkeit wegen, sondern auch, weil am Ende vielleicht doch noch das ersehnte „Bestanden“ stehen kann.