Freispruch für El Hotzo – „Straflose Satire“ nach Trump-Attentat-Posting

23. Juli 2025 -

Hintergrund des Falls

Im Juli 2024 kam es in den USA zu einem Attentat auf den damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Kurz darauf veröffentlichte der deutsche Comedian und Satiriker Sebastian Hotz, besser bekannt als „El Hotzo“, mitten in der Nacht mehrere Beiträge auf der Plattform X (ehemals Twitter) als Reaktion auf das gescheiterte Attentat. Darin kommentierte er die nur knapp fehlgeschlagene Tat mit beißendem Sarkasmus: In einem Post verglich er Donald Trump mit dem sprichwörtlichen „letzten Bus“ und schrieb: „Leider knapp verpasst.“ In einem weiteren Beitrag äußerte Hotz: „Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben“. Obwohl Hotz diese umstrittenen Tweets nach eigenen Angaben bereits nach etwa 15 Minuten wieder löschte, entfachte sich online ein Shitstorm und es gingen zahlreiche Strafanzeigen gegen ihn ein. Der öffentliche Druck war so groß, dass der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) als direkte Konsequenz die Zusammenarbeit mit Hotz bei dessen Jugendsender Fritz beendete. In der Folge sah sich Hotz mit einem Ermittlungsverfahren konfrontiert – der Vorwurf lautete, er habe das Attentat auf Trump öffentlich gebilligt und damit eine Straftat begangen.

Vorwurf: Billigung einer Straftat (§ 140 StGB)

Die Staatsanwaltschaft wertete die Posts von El Hotzo als Billigung des Mordanschlags und damit als Erfüllung des Straftatbestands der „Belohnung und Billigung von Straftaten“ gemäß § 140 StGB. Konkret stellt § 140 Nr. 2 StGB unter Strafe, bestimmte schwere Straftaten – wie hier ein versuchtes Tötungsdelikt – „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich […] [zu] billigen“. Für eine Verurteilung muss also erstens eine ausreichend schwere Vortat (sogenannte Anlasstat) vorliegen (der versuchte Mord an Trump erfüllte diese Voraussetzung). Zweitens muss der Täter diese konkrete Straftat öffentlich oder mittels Verbreitung von Inhalten gebilligt haben, etwa durch ausdrückliches Bejubeln oder Gutheißen der Tat. Drittens – und besonders wichtig – muss diese Billigung „geeignet“ sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Das Gesetz will damit das Rechtsgut des öffentlichen Friedens schützen und verhindern, dass durch solche Äußerungen ein psychisches Klima entsteht, in dem weitere Verbrechen gedeihen können. Auf Billigung einer Straftat stehen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Im vorliegenden Fall sah die Anklage all diese Merkmale als gegeben an. Die Aussagen „leider knapp verpasst“ und „fantastisch, wenn Faschisten sterben“ seien für jedermann erkennbar auf das Attentat bezogen und stellten damit ein Gutheißen dieser Gewalttat dar. Zudem habe Hotz mit rund 740.000 Followern auf X eine enorme Reichweite, sodass seine Posts breit wahrgenommen wurden – aus Sicht der Staatsanwaltschaft bestehe dadurch die Gefahr, ein Klima der Gewaltbereitschaft gegenüber politischen Gegnern zu fördern. Der zuständige Staatsanwalt betonte, auch Satiriker stünden „nicht über dem Gesetz“ und Hotz habe mit diesen Äußerungen die Grenze des Zulässigen überschritten. Solche als „Hasskriminalität“ eingeordneten Posts dürfe man in Deutschland trotz Meinungsfreiheit nicht straflos veröffentlichen, da hierdurch der öffentliche Friede gestört und Nachahmungstaten an staatlichen Funktionsträgern begünstigt würden.

Prozessverlauf und Standpunkte

Zunächst schien es, als würde es gar nicht zum Prozess kommen. Das Amtsgericht Tiergarten lehnte nämlich bereits im Zwischenverfahren die Eröffnung des Hauptverfahrens ab – mit der Begründung, der Tatbestand sei nicht erfüllt. Erst auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht Berlin I diese Entscheidung auf, sodass die Anklage doch zugelassen und die Hauptverhandlung vor einer anderen Abteilung des AG Tiergarten eröffnet wurde. Am 23. Juli 2025 musste sich Hotz daher in Berlin-Tiergarten vor Gericht verantworten.

Im Strafprozess vertraten Anklage und Verteidigung erwartungsgemäß gegensätzliche Positionen. Die Staatsanwaltschaft blieb bei ihrer Einschätzung und beantragte in ihrem Plädoyer, Hotz wegen Billigung von Straftaten schuldig zu sprechen und eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 150 € (insgesamt 6.000 €) gegen ihn zu verhängen. Die Verteidigerinnen hingegen forderten einen Freispruch. Hotz selbst beteuerte, seine Äußerungen seien satirisch gemeint gewesen. Er gebe sich als Satiriker bewusst „ein bisschen unseriöser“ als andere Kollegen – wenn ein Satiriker etwas äußert, sei dies als Witz zu verstehen, erklärte Hotz vor Gericht. Die schnellen Löschung der Tweets begründete er damit, dass er den absehbaren Shitstorm vermeiden und „lieber einen schönen Sommertag verbringen“ wollte, anstatt sich stundenlang mit empörten Kommentaren auf X beschäftigen zu müssen. Dies sei jedoch kein Schuldeingeständnis gewesen, sondern pragmatisches Handeln. Insgesamt stellte die Verteidigung klar, dass es sich um geschmacklich fragwürdige, aber letztlich harmlose Meinungsäußerungen im Gewand der Satire handelte – keinesfalls um ernstgemeinte Anstiftung zur Gewalt.

Urteil des Amtsgerichts: Satire bleibt straffrei

Nach kurzer Verhandlung verkündete Strafrichterin Andrea Wilms am AG Tiergarten den Freispruch für Sebastian Hotz. In ihrer Urteilsbegründung stellte sie unmissverständlich fest, dass die angeklagten Beiträge „offenkundig Satire“ seien und ersichtlich nicht ernst gemeint waren. Auch wenn der Tweet ohne Kontext für manchen geschmacklos wirke – Hotz habe hier einen Präsidentschaftskandidaten mit einem Verkehrsmittel verglichen und dessen verpassten Tod pointiert kommentiert –, bleibe für das Gericht „ohne jeden Zweifel als Satire erkennbar“, was gemeint war. Maßgeblich für diese Einordnung sei neben dem überspitzten Inhalt auch der Kontext: Hotz veröffentlichte die Aussagen auf seinem bekannten Satire-Account „@elhotzo“, sodass ein verständiger Empfänger die ironische Brechung hätte erkennen können.

Entscheidend war somit, dass es an dem Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Friedensstörung fehlte. Niemand würde sich durch solche erkennbar satirischen Äußerungen tatsächlich zu Gewalttaten hinreißen lassen, so die Vorsitzende Richterin. Die publiche Sicherheit oder der gesellschaftliche „Friede“ seien durch Hotz’ Postings objektiv nicht gefährdet gewesen. Damit war der objektive Tatbestand des § 140 StGB nicht erfüllt – es fehlte an der konkreten Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören. Folglich musste der Angeklagte aus Rechtsgründen freigesprochen werden.

Richterin Wilms stellte weiter klar, dass auch die breite Empörung und kontroversen Diskussionen, welche die Tweets ausgelöst hatten, keine Strafbarkeit begründen. Die Existenz von 50 Strafanzeigen oder kritischen Kommentaren unter dem Post ändere nichts an der rechtlichen Bewertung – öffentliches Aufregen ist kein Indiz für Rechtswidrigkeit. Vielmehr seien kontroverse Debatten ein wünschenswerter Bestandteil der demokratischen Gesellschaft. Geschmacklosigkeit allein macht eine Äußerung noch nicht strafbar. Entsprechend zitierte die Richterin die Wesensmerkmale der Satire – Übertreibung, Zuspitzung, Lächerlichmachen – und subsumierte, dass Hotz’ Posts genau in dieses Schema fielen. Ihre pointierte Schlussbemerkung: „Man muss sich streiten können über gute und schlechte Meinungen.“ Selbst polemische oder hässliche Ansichten sind also vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt, solange sie nicht die Grenzen zur Kriminalität überschreiten.

Das Urteil des AG Tiergarten erging in erster Instanz und ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft kann Rechtsmittel einlegen – entweder Berufung zum Landgericht Berlin oder Revision zum Kammergericht (dem Berliner Oberlandesgericht). Ob die Anklagebehörde diesen Freispruch akzeptiert oder eine Überprüfung durch die nächste Instanz anstrebt, bleibt abzuwarten.

Bedeutung für Meinungsfreiheit und Satire

Der Fall El Hotzo verdeutlicht die hohen Hürden, die in Deutschland für eine strafrechtliche Verurteilung wegen meinungsäußerungsbezogener Delikte gelten. Zwar zieht das Strafrecht klare Grenzen, wo Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit enden – etwa bei Volksverhetzung, formeller Aufforderung zu Straftaten oder eben der Billigung schwerer Verbrechen. Doch die Gerichte müssen in jedem Einzelfall genau prüfen, wie eine Äußerung gemeint ist und wie sie auf einen verständigen Dritten wirkt. Insbesondere die Satire genießt einen besonderen Schutz: Übertreibung, Ironie und Überspitzung sind Stilmittel, die nicht wörtlich genommen werden dürfen. Solange für vernünftige Beobachter erkennbar ist, dass es sich um einen scherzhaften oder sarkastischen Kommentar handelt, liegt keine ernsthafte Billigung einer Straftat vor.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Strafbarkeit der Billigung von Straftaten daher voraus, dass die Äußerung eindeutig als Gutheißen eines konkreten Unrechts zu verstehen ist und geeignet erscheint, den öffentlichen Frieden zu beeinträchtigen. Kontext und Publikum spielen hierbei eine große Rolle:

  • Satirischer Kontext: Erfolgt die Aussage erkennbar im Rahmen von Satire oder Kunst, tendieren Gerichte dazu, eher zugunsten der Meinungsfreiheit zu entscheiden. Im vorliegenden Fall wurde z.B. berücksichtigt, dass Hotz als Satiriker auftritt und seine Worte nicht als Aufruf verstanden werden sollten.
  • Verständiger Empfänger: Maßstab ist, wie ein durchschnittlicher verständiger Leser den Inhalt auffasst. War die Aussage offensichtlich überspitzt oder sarkastisch, fehlt es am Ernstlichkeitsgehalt. Die Formulierungen „leider knapp verpasst“ und „fantastisch, wenn Faschisten sterben“ waren nach Auffassung des Gerichts so überzogen, dass ein Großteil des Publikums diese nicht als ernsthafte Tötungsaufrufe interpretieren dürfte.
  • Keine konkrete Aufstachelung: Wichtig ist, dass durch die Äußerung kein konkretes Verhalten (z.B. Nachahmung des Attentats) gefördert oder gefordert wird. Hotz’ Posts bezogen sich auf eine bereits vergangene Tat und enthielten keinen Appell, weitere Gewalttaten zu begehen. Das Gericht war überzeugt, dass niemand sich durch die Tweets zu einem Anschlag ermutigt fühlen würde.
  • Reichweite und öffentliche Reaktion: Eine große Followerschaft (hier ~740.000) und öffentliche Empörung allein begründen noch keinen Strafbarkeitsvorwurf. Zwar argumentierte die Anklage, die Breitenwirkung schüre ein bedrohliches Klima. Doch letztlich kommt es nicht auf die Anzahl der Leser oder Beschwerden an, sondern auf die inhaltliche Qualität der Aussage. Selbst 100 wütende Kommentare machen aus Satire keine Straftat – ebenso wenig wie prominente Kritiker (im Fall Hotz äußerte z.B. Bundestagsvizepräsident Kubicki scharfe Kritik) den rechtlichen Maßstab verschieben können.

Allerdings bedeutet dieses Urteil keinen Freibrief für jedwede geschmacklose Äußerung. Wäre Hotz’ Aussage beispielsweise weniger offensichtlich ironisch verpackt gewesen, hätte das Resultat anders ausfallen können. Direkte Zustimmung zu Mordtaten oder das Feiern eines Attentäters ohne satirische Brechung wären sehr wohl strafbar. Hier zeigte sich aber, dass das Gericht die Grenze zur Strafbarkeit noch nicht überschritten sah, da Hotz sich in einem – wenn auch provokanten – Meinungsdiskurs bewegte.

Aus Sicht der Meinungsfreiheit ist der Freispruch ein wichtiges Signal: Auch polarisierende und makabre Witze über politische Ereignisse können vom Grundgesetz geschützt sein. Satire darf und soll bisweilen weh tun, um Missstände anzuprangern oder zum Nachdenken anzuregen. Das Strafrecht greift nur ein, wenn eine Äußerung qualitativ so gefährlich ist, dass sie die Friedensordnung stört – etwa indem sie zu weiteren Straftaten animiert oder den Respekt vor der Rechtsordnung erschüttert. Im Fall El Hotzo bejahte dies weder die erstbefasste Richterin (im Zwischenverfahren) noch das erkennende Gericht in der Hauptverhandlung.

Der Fall des Satirikers El Hotzo vor dem Amtsgericht Tiergarten zeigt eindrücklich, wo die Grenzen zwischen Satire und Strafrecht verlaufen. Obwohl Sebastian Hotz mit drastischen Worten das Attentat auf Donald Trump begrüßte, blieb er straffrei – denn das Gericht wertete seine Posts als offensichtlich scherzhaft und nicht als ernsthafte Billigung eines Mordversuchs. Trotz aller Geschmacklosigkeit waren die Tweets vom Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt. Für die Praxis bedeutet das: Auch scharfe Äußerungen in Social Media können zulässig sein, solange sie erkennbar satirisch oder überspitzt formuliert sind und keinen realen Aufruf zur Gewalt darstellen. Wer allerdings öffentlich eine Straftat ernstlich feiert oder befürwortet, muss nach wie vor mit Ermittlungen und Strafe rechnen – § 140 StGB bleibt eine scharfe Waffe gegen verbalradikale Befürwortung von Gewalt.

El Hotzos Freispruch ist ein Sieg für die Satirefreiheit, zugleich aber eine Mahnung zur Vorsicht: Worte haben Konsequenzen. Selbst wenn am Ende keine Verurteilung steht, können provokative Posts erhebliche persönliche Folgen haben – vom öffentlichen Shitstorm bis zum Karriereknick. In der digitalen Ära sollten sich selbst Satiriker bewusst sein, wie ihre Botschaften verstanden werden könnten. Die Devise lautet: Humor ja, aber mit bedacht. Im Zweifel ist es besser, im Eifer des Gefechts einmal tief durchzuatmen – Hotz selbst hat die Erfahrung gemacht, dass man manche Pointen lieber schnell wieder von der Timeline entfernt. Letztlich hat das Gericht klargestellt: Schlechte Witze sind nicht strafbar – doch jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, bleibt ratsam.