Geburtsdatum nachträglich korrigieren – was Rentenantragsteller wissen sollten

22. Juni 2025 -

Mit seinem Urteil vom 11. Juni 2025 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg klargestellt: Ein einmal gegenüber der Rentenversicherung angegebenes Geburtsdatum kann später nur unter sehr engen Voraussetzungen geändert werden. Das betrifft insbesondere Fälle, in denen Einwanderer oder Spätaussiedler ihre Altersangaben korrigieren möchten, etwa um früher in Rente zu gehen. Dieser Rechtstipp erklärt das Urteil allgemeinverständlich und gibt praxisnahe Hinweise, was bei abweichenden oder nachträglich korrigierten Geburtsdaten zu beachten ist.

Hintergrund: Der Fall vor dem Landessozialgericht

Gebäude des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg: In einem aktuellen Fall entschied das Gericht in Potsdam über die Klage einer Frau, die ihr Geburtsjahr von 1960 auf 1946 ändern lassen wollte, um früher Altersrente zu erhalten. Die Klägerin war Anfang der 1980er Jahre nach Deutschland eingereist und hatte gegenüber den Behörden angegeben, 1960 in Beirut geboren zu sein (Identität „Frau Y.“). Tatsächlich gab sie ab 2015 an, eigentlich aus der Türkei zu stammen, 1946 geboren zu sein und einen anderen Namen zu tragen („Frau T.“). Zur Untermauerung legte sie einen türkischen Pass von 2014 sowie einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister vor – beide Dokumente nennen das Geburtsjahr 1946. Mit Verweis auf diese neuen Papiere beantragte sie 2017 die Altersrente.

Die Deutsche Rentenversicherung lehnte jedoch ab, das neue Geburtsdatum anzuerkennen, und weigerte sich, eine geänderte Sozialversicherungsnummer zu vergeben. Zur Begründung hieß es, es sei nicht bewiesen, dass die ursprüngliche Frau Y. (Jahrgang 1960) identisch mit der nun auftretenden Frau T. (Jahrgang 1946) sei. Die Frau klagte daraufhin vor dem Sozialgericht Berlin – mit Erfolg in erster Instanz: Das Sozialgericht verpflichtete die Rentenversicherung, eine neue Versicherungsnummer mit Geburtsjahr 1946 zu vergeben. Doch die Rentenversicherung ging in Berufung. Der Fall landete vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg.

Ermittlungen des Gerichts: Identität geklärt, Geburtsdatum strittig

Das LSG stellte zunächst durch ungewöhnliche Ermittlungen fest, dass es sich bei Frau Y. und Frau T. tatsächlich um ein und dieselbe Person handelt. Das Gericht ließ die Fingerabdrücke der Klägerin prüfen, indem es einen Abgleich mit den Abdrücken aus der Einreiseakte von 1981 vornahm. Das Ergebnis bestätigte die Identität eindeutig. Dennoch entschied der 33. Senat des LSG anschließend, das Geburtsjahr nicht zu ändern und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Die Frau hatte also trotz erwiesener Identität keinen Anspruch auf eine neue Sozialversicherungsnummer mit dem abweichenden Geburtsdatum.

Wie begründete das Gericht diese Entscheidung? Vereinfacht gesagt: Maßgeblich sei grundsätzlich das Geburtsdatum, das der Rentenversicherung zuerst mitgeteilt wurde – hier also das Jahr 1960. Eine spätere Korrektur komme nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Im nächsten Abschnitt erklären wir, wann eine Änderung des Geburtsdatums Aussicht auf Erfolg hat und wann eine neue Sozialversicherungsnummer vergeben wird.

Voraussetzungen für eine Änderung des Geburtsdatums

Grundsätzlich gilt im Sozialrecht der Grundsatz der Erstangabe: Das zuerst gegenüber einem Sozialleistungsträger (z. B. Rentenversicherung oder Arbeitsamt) genannte Geburtsdatum ist verbindlich. Dies soll Missbrauch vorbeugen, denn in manchen Ländern können Gerichte nachträgliche Geburtsdatenänderungen erlauben, was zu ungerechtfertigt frühem Rentenbezug in Deutschland führen könnte. Eine Änderung der einmal vergebenen Rentenversicherungsnummer (die das Geburtsdatum enthält) ist deshalb nur möglich, wenn enge Ausnahmen greifen:

  • Schreib- oder Übertragungsfehler: Wurde das Geburtsdatum bei der Erfassung nachweislich falsch eingetragen (etwa Zahlendreher), kann die Versicherungsnummer korrigiert werden. Solche formalen Fehler sind selten, aber in diesem Fall unkompliziert zu beheben.
  • Ältere Urkunde mit anderem Geburtsdatum: Weicht das Geburtsdatum in einer amtlichen Urkunde, die vor der ersten Angabe ausgestellt wurde, ab, kann dies eine Änderung rechtfertigen. Wichtig ist: Das Dokument muss zeitlich älter sein als die ursprüngliche Meldung an die Rentenversicherung. Nur dann gilt es als möglicherweise glaubhafterer Beleg der tatsächlichen Geburt.

In allen anderen Fällen – insbesondere bei Urkunden, die erst nachträglich (später) ausgestellt wurden, oder bloßem Behaupten eines anderen Alters – besteht keine Aussicht auf Erfolg auf Änderung. Die Rentenversicherung darf sich auf das zuerst genannte Datum berufen und die Nummer unverändert lassen.

Wann bekommt man eine neue Sozialversicherungsnummer?

Die Sozialversicherungsnummer (auch Rentenversicherungsnummer genannt) wird in Deutschland grundsätzlich nur einmal im Leben vergeben. Sie besteht aus Ziffern und Buchstaben, unter anderem basierend auf dem Geburtsdatum. Eine geänderte Nummer wird nur dann erteilt, wenn das ursprüngliche Geburtsdatum amtlich korrigiert wird. In der Praxis heißt das:

  • Bei erfolgreicher Geburtsdatumsänderung: Wird ein falsches Geburtsdatum anerkannt korrigiert (etwa weil eine oben genannte Ausnahme greift), stellt die Deutsche Rentenversicherung eine neue Versicherungsnummer aus, die das berichtigte Geburtsdatum enthält. Erst mit dieser neuen Nummer können altersabhängige Ansprüche – wie die vorzeitige Altersrente – geltend gemacht werden.
  • Ohne Korrektur kein Nummernwechsel: Lehnt die Rentenversicherung (oder das Gericht) die Änderung ab, bleibt die alte Nummer bestehen. Alle Berechnungen und Rentenansprüche richten sich dann weiterhin nach dem ursprünglich angegebenen Geburtsjahr.

Im geschilderten Fall begehrte die Klägerin genau eine solche neue Nummer mit dem Jahr 1946 – das wurde ihr letztlich verwehrt. Merke: Eine Versicherungsnummer wird nicht einfach aufgrund eines neuen Passes oder spät vorgelegter Urkunde geändert. Sie bleibt konstant, solange nicht ein Ausnahmefall (Irrtum oder ältere Urkunde) zweifelsfrei bewiesen ist.

Warum lehnte das Gericht die Geburtsjahr-Änderung ab?

Obwohl im LSG-Fall zweifelsfrei dieselbe Person vorlag, erkannte das Gericht das neue Geburtsjahr 1946 nicht an. Der Kern der Begründung: Das erstmals angegebene Jahr 1960 bleibt maßgeblich, da die Voraussetzungen für eine Ausnahme nicht überzeugend erfüllt waren. Konkret führte das Gericht mehrere Punkte an:

  • Neue Urkunden nicht plausibler als alte: Die vorgelegten türkischen Dokumente (Pass von 2014 und Registerauszug) waren zwar formell in Ordnung, stammten jedoch zeitlich lange nach der ersten Altersangabe. Sie galten als prinzipiell nicht besser geeignet als der ursprünglich vorgelegte libanesische Pass, um das wahre Geburtsdatum zu belegen. Mit anderen Worten: Ein neuer Pass mit anderem Geburtsjahr allein überzeugt nicht.
  • Späte Registrierung mindert Beweiskraft: Das türkische Personenstandsregister verzeichnete das Geburtsjahr 1946 erst Ende 1962, also fast 17 Jahre nach der tatsächlichen Geburt. In ländlichen Regionen der Türkei kam es früher häufig zu verspäteten Geburtsanzeigen, doch genau diese Verzögerung wertete das Gericht als Problem. Weil die Klägerin bei der nachträglichen Registrierung nicht persönlich anwesend war, konnte niemand eventuelle Zweifel (etwa ein offensichtlich unpassendes Alter) bemerken. Eine so spät ausgestellte Urkunde besitzt daher nur eingeschränkte Beweiskraft.
  • Unwahrscheinliche Lebensumstände: Das Gericht prüfte auch, ob das behauptete Geburtsjahr lebensnah erscheint. Wäre die Frau tatsächlich 1946 geboren, hätte sie im Jahr 1977 mit 31 Jahren einen 14-jährigen Ehemann (Jg. 1963) geheiratet und ihre sechs Kinder erst zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr bekommen. Das sei zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber äußerst unwahrscheinlich – was einen weiteren Indikator gegen das Geburtsjahr 1946 darstellte.

Diese Umstände zusammen überzeugten die Richter, dass kein Anspruch auf Änderung des Geburtsdatums besteht. Obwohl also feststand, dass keine Verwechslung der Person vorlag, blieb der Rentenversicherungseintrag beim Jahr 1960. Das Urteil verdeutlicht, dass Gerichte im Zweifel nicht an neu vorgelegte Ausweispapiere gebunden sind, wenn deren Wahrheitsgehalt fraglich ist – dann gilt weiterhin die frühere Angabe.

Dokumente und Beweiswert: Welche zählen wirklich?

Nicht alle amtlichen Dokumente genießen vor Gericht denselben Vertrauensbonus. Wichtig ist vor allem der Zeitpunkt ihrer Ausstellung:

  • Zeitnah ausgestellte Geburtsurkunden: Urkunden, die kurz nach der Geburt erstellt wurden (z. B. eine standesamtliche Geburtsurkunde aus dem Geburtsjahr), haben den höchsten Beweiswert. Wenn eine solche originale Urkunde vorhanden ist und ein anderes Datum zeigt, bestehen gute Chancen, dass sie anerkannt wird – vorausgesetzt, sie lag theoretisch bereits bei der ersten Meldung vor.
  • Bei Einreise vorgelegte Ausweise: Dokumente wie Pässe oder Personalausweise, die Sie bei Ihrer Einreise oder ersten Anmeldung in Deutschland vorgelegt haben, prägen Ihre amtliche Identität. Diese zuerst genutzten Papiere gelten als zuverlässig, solange kein älteres, besseres Dokument etwas anderes beweist. Im LSG-Fall war das der libanesische Pass mit Jahr 1960, dem ursprünglich vertraut wurde.
  • Später erstellte Urkunden oder Pässe: Alle Nachweise, die erst Jahre später ausgestellt wurden – etwa ein nachträglich erstellter Pass, ein neues Heimatdokument oder ein gerichtlicher Beschluss zur Altersänderung im Ausland – werden kritisch hinterfragt. Sie begründen für sich genommen keinen Anspruch auf Korrektur der Rentendaten. Das LSG urteilte, der neu erworbene türkische Pass der Klägerin sei nicht plausibler als der alte Ausweis.
  • Registerauszüge und Nachmeldungen: Ein Auszug aus einem ausländischen Personenstandsregister kann wichtig sein. Entscheidend ist aber, wann die Eintragung erfolgte. Wurde die Geburt – wie im geschilderten Fall – erst viele Jahre später nachregistriert, ist die inhaltliche Richtigkeit nicht garantiert. Gerichte prüfen dann genau die Umstände: War eine solche Verzögerung üblich? Könnte das Geburtsdatum nachträglich verändert worden sein? Ohne zusätzliche Indizien reicht ein spät angelegter Registereintrag oft nicht aus.

Ein türkischer Reisepass: Im besprochenen Fall legte die Klägerin einen neuen Pass mit abweichendem Geburtsjahr vor, um einen früheren Rentenbeginn zu erreichen. Das Gericht erkannte hierin jedoch keinen sicheren Nachweis. Später ausgestellte Ausweise oder Urkunden – selbst wenn amtlich – werden nur dann berücksichtigt, wenn sie auf bereits früher bestehenden Einträgen beruhen. Faustregel: Je näher ein Dokument zeitlich an der tatsächlichen Geburt oder der ersten Datumsangabe liegt, desto höher sein Beweiswert.

So können sich Einreisende und späte Antragsteller absichern

Gerade Menschen mit Migrationshintergrund oder Spätaussiedler, die erst spät einen Rentenantrag stellen, sollten frühzeitig darauf achten, dass ihre personenbezogenen Daten korrekt erfasst sind. Folgende praktische Tipps helfen, um spätere Konflikte zu vermeiden:

  • Von Anfang an richtige Angaben machen: Geben Sie bei Einreise, Asylantrag oder Arbeitsaufnahme Ihr korrektes Geburtsdatum und den richtigen Namen an. Sollte es Unsicherheiten (z. B. bei der Übersetzung des Geburtsdatums) geben, klären Sie diese so bald wie möglich. Hinweis: Falsche Angaben können sich Jahrzehnte später negativ auswirken, denn ändern lassen sie sich nur sehr schwer.
  • Frühzeitig Original-Dokumente beschaffen: Wenn Sie bei der ersten Meldung mangels Urkunde ein geschätztes Datum angeben mussten, versuchen Sie, baldmöglichst offizielle Nachweise aus dem Heimatland zu bekommen. Eine nachträgliche Beschaffung der Geburtsurkunde oder eine Nachregistrierung im Heimatland (etwa wenn bei Geburt kein Dokument ausgestellt wurde) sollte zeitnah erfolgen. Auch wenn ein solches Dokument nicht automatisch anerkannt wird, haben Sie es zumindest in der Hand, um gegebenenfalls einen Korrekturantrag zu untermauern.
  • Korrekturantrag nicht erst zur Rente stellen: Warten Sie nicht bis zum Rentenantrag, um eine Abweichung im Geburtsdatum zu melden. Sobald Sie verlässliche Dokumente haben, die ein anderes Geburtsjahr ausweisen und die bereits vor Ihrer ersten Angabe ausgestellt waren, können Sie einen Antrag bei der Rentenversicherung auf Berichtigung der Sozialversicherungsdaten stellen. Dies sollte möglichst lange vor Rentenbeginn geschehen, um im Streitfall Zeit für Klärungen oder Gerichtsverfahren zu haben.
  • Beratung in Anspruch nehmen: Bei Unklarheiten über Ihre Sozialversicherungsnummer oder Zweifel an früheren Angaben ziehen Sie frühzeitig eine Rentenberatungsstelle oder einen Fachanwalt hinzu. Diese können einschätzen, wie Ihre Belege juristisch bewertet würden, und helfen beim Vorgehen. In komplexen Fällen (z. B. Flüchtlinge, die aus Schutzgründen falsche Identitäten angaben) gibt es oft Wege, die eigene Identität offiziell richtigzustellen – allerdings immer besser vor Eintreten des Rentenfalls als erst danach.

Beachten Sie, dass selbst gutgläubige Korrekturversuche an Grenzen stoßen: Die deutsche Rentenversicherung will Keine Besserstellung gegenüber Inland-Fällen gewähren und Missbrauch verhindern. Ein deutscher Versicherter kann sein Alter schließlich auch nicht ändern, um früher Rente zu beziehen. Daher wird man von ausländischen Versicherten erwarten, dass sie sich an die einmal gemachten Angaben halten. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig für konsistente und richtige Unterlagen zu sorgen.

Praxistipp

Für Rentenantragsteller mit Migrationshintergrund lautet der wichtigste Rat: Sorgen Sie von Anfang an für korrekte persönliche Daten und Dokumente, und klären Sie Unstimmigkeiten so früh wie möglich. Eine nachträgliche Änderung des Geburtsdatums kurz vor Rentenbeginn ist in der Regel ausgeschlossen – selbst dann, wenn neue Papiere ein höheres Alter bescheinigen. Wer Zweifel an früheren Angaben hat, sollte frühzeitig handeln: Beschaffen Sie alle verfügbaren Originaldokumente, lassen Sie diese gegebenenfalls übersetzen und amtlich beglaubigen, und stellen Sie früh einen Korrekturantrag bei der Rentenversicherung. So erhöhen Sie die Chance, dass berechtigte Änderungen berücksichtigt werden – und vermeiden böse Überraschungen beim Rentenantritt. Bleiben Unklarheiten, holen Sie sich professionellen Rat. Eine frühzeitige Ehrlichkeit und proaktive Klärung ist der beste Weg, um Ihren Rentenanspruch abzusichern.