Habe ich Anspruch auf Weihnachtsgeld?

05. November 2025 -

Das Jahresende naht und damit auch die Weihnachtszeit. Für manche gibt es dann noch eine zusätzliche Bescherung vom Arbeitgeber: Weihnachtsgeld. Ein Weihnachtsgeld bereitet zwar allen eine Freude, doch einen automatischen Rechtsanspruch darauf gibt es nicht in allen Fällen. Im Folgenden erklären wir sachlich, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weihnachtsgeld haben können – und was Arbeitgeber dabei beachten müssen. Dabei gehen wir auf die vertraglichen Grundlagen, den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie auf Freiwilligkeitsvorbehalte und betriebliche Übung ein. Auch konkrete Beispiele aus der Rechtsprechung werden zur Veranschaulichung angeführt.

Anspruch auf Weihnachtsgeld: Was steht im Vertrag?

Ob ein Arbeitnehmer Weihnachtsgeld erhält, richtet sich zunächst danach, ob eine Rechtsgrundlage dafür besteht. Einen gesetzlichen Automatismus gibt es nicht, aber ein Anspruch kann sich aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag ergeben. Ist dort ein Anspruch auf Weihnachtsgeld ausdrücklich geregelt – etwa in Form einer zugesagten Jahressonderzahlung oder als Teil des Gehalts –, muss der Arbeitgeber diese Zahlung grundsätzlich leisten. Beispiel: In vielen Tarifverträgen wird eine Jahressonderzahlung vereinbart, die oft Weihnachts- und Urlaubsgeld umfasst. Laut Statistischem Bundesamt erhalten im Jahr 2024 rund 86 % der tarifgebundenen Beschäftigten Weihnachtsgeld, während ohne Tarifbindung nur etwa 42 % der Beschäftigten in den Genuss dieser Sonderzahlung kommen. Dies zeigt, wie wichtig eine tarifliche oder vertragliche Regelung für den Weihnachtsgeldanspruch sein kann.

Prüfen Sie also Ihren Arbeitsvertrag oder anwendbaren Tarifvertrag: Finden Sie dort eine Klausel wie etwa „Es wird ein Weihnachtsgeld in Höhe von 50 % eines Monatsgehalts gezahlt“, dann haben Sie einen vertraglichen Anspruch hierauf. In manchen Verträgen oder Betriebsvereinbarungen kann allerdings auch festgelegt sein, dass eine andere vergleichbare Sonderzahlung angerechnet wird. Beispielsweise kann vereinbart sein, dass eine jährliche Prämie oder ein 13. Monatsgehalt auf das Weihnachtsgeld angerechnet wird. In diesem Fall wird das Weihnachtsgeld mit der anderen Leistung verrechnet – es gibt dann nicht beide Zahlungen zusätzlich, sondern nur eine von beiden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten deshalb genau hinschauen, ob und in welcher Höhe vertraglich ein Weihnachtsgeld zugesagt ist und ob eventuell Anrechnungs- oder Kürzungsregelungen bestehen.

Gleichbehandlung ist Pflicht: Freiwilliges Weihnachtsgeld fair gewähren

Steht im Arbeits- oder Tarifvertrag nichts von Weihnachtsgeld, besteht grundsätzlich kein Anspruch darauf. Arbeitgeber sind in der freien Wirtschaft nicht verpflichtet, von sich aus eine solche Gratifikation zu zahlen. Ausnahmen können sich jedoch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Dieser Grundsatz verpflichtet Arbeitgeber, vergleichbare Mitarbeiter gleich zu behandeln und willkürliche Ungleichbehandlungen zu vermeiden.

Das bedeutet: Wenn ein Arbeitgeber freiwillig Weihnachtsgeld an einige Angestellte zahlt, darf er nicht ohne sachlichen Grund andere vergleichbare Arbeitnehmer davon ausschließen. Beispiel aus der Rechtsprechung: In einem Unternehmen erhielten die Angestellten als freiwilliges Weihnachtsgeld ein volles Monatsgehalt, die Arbeiter jedoch nur 55 % eines Monatslohns. Dies begründete der Arbeitgeber mit dem unterschiedlichen Qualifikationsniveau. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah darin eine ungerechte Ungleichbehandlung – der angeführte Unterschied war kein ausreichender Sachgrund. Auch wenn Weihnachtsgeld freiwillig gezahlt wird, darf der Arbeitgeber die Höhe nicht willkürlich je nach Mitarbeiter festlegen. Im Ergebnis mussten also auch die benachteiligten Arbeiter die gleiche Höhe erhalten.

Ähnlich verhält es sich, wenn ein Arbeitgeber manchen Mitarbeitern Weihnachtsgeld zahlt, anderen aber gar nichts. Werden Sie selbst ausgeschlossen, während Kollegen in vergleichbarer Position die Sonderzahlung erhalten, muss der Arbeitgeber einen sachlichen Grund für diese Differenzierung vorweisen können. Fehlt ein nachvollziehbares Unterscheidungsmerkmal, haben benachteiligte Mitarbeiter Anspruch auf Gleichbehandlung, was in der Praxis eine „Anpassung nach oben“ bedeutet – der Arbeitgeber müsste also auch an die ausgeschlossenen Mitarbeiter ein (entsprechendes) Weihnachtsgeld zahlen. Zulässige Differenzierungen beim Weihnachtsgeld sind nur bei objektiven Kriterien möglich. Beispielsweise könnten Arbeitnehmer in Teilzeit ein anteiliges Weihnachtsgeld entsprechend ihrer Arbeitszeit erhalten. Tatsächlich hat das BAG entschieden, dass Teilzeitbeschäftigte nicht durch einheitliche Kürzungsbeträge benachteiligt werden dürfen, sondern mindestens im Verhältnis ihrer Arbeitszeit am Weihnachtsgeld zu beteiligen sind. Ebenso dürfen sachliche Gründe wie Betriebszugehörigkeit, Leistungsunterschiede oder besondere Belastungen (z. B. höhere Zahl an Kindern) berücksichtigt werden, solange diese für alle Betroffenen nachvollziehbar und transparent sind. Wichtig ist jedoch: Willkür hat keinen Platz – gerade bei freiwilligen Sonderzahlungen wie dem Weihnachtsgeld.

Freiwilligkeitsvorbehalt des Arbeitgebers und betriebliche Übung

Viele Arbeitgeber möchten Weihnachtsgeld freiwillig gewähren, ohne sich für die Zukunft zu binden. Hier kommt der Freiwilligkeitsvorbehalt ins Spiel – also der ausdrückliche Hinweis des Arbeitgebers, dass das Weihnachtsgeld eine freiwillige Leistung ist, aus der kein Rechtsanspruch für die Zukunft entsteht. Ein solcher Vorbehalt muss klar und unmissverständlich formuliert sein, entweder im Arbeitsvertrag selbst oder in einem schriftlichen Hinweis bei jeder Auszahlung. Es reicht nicht aus, in der Gehaltsabrechnung nur lapidar „freiwilliges Weihnachtsgeld“ zu vermerken, um einen zukünftigen Anspruch auszuschließen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG genügt ein bloßer Freiwilligkeitsvermerk nämlich nicht; insbesondere darf ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu allgemein gehalten sein und jede Sonderzahlung erfassen, da er sonst unwirksam ist.

In der Praxis bedeutet das: Will ein Arbeitgeber verhindern, dass aus wiederholter Weihnachtsgeld-Zahlung ein Anspruch entsteht, sollte er jedes Jahr schriftlich darauf hinweisen, dass die Zahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt und kein Anspruch für zukünftige Jahre begründet wird. Dieser Hinweis ist sogar dann anzuraten, wenn bereits im Arbeitsvertrag ein genereller Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart ist. Arbeitgeber sollten den Vorbehalt präzise auf die konkrete Leistung beziehen (also z. B. „Dieses Weihnachtsgeld wird freiwillig gewährt und begründet keinen Anspruch auf künftige Weihnachtsgeldzahlungen“), um auf der sicheren Seite zu sein.

Warum ist das so wichtig? Ohne wirksamen Vorbehalt kann bereits durch wiederholte vorbehaltlose Zahlungen eine betriebliche Übung entstehen. Unter betrieblicher Übung versteht man eine regelmäßige Wiederholung freiwilliger Leistungen, aus der die Arbeitnehmer schließen dürfen, dass ihnen diese Leistung auf Dauer gewährt wird. Klassisch ist die Regel: Dreimaliges Zahlen schafft Vertrauen – wenn der Arbeitgeber drei Jahre in Folge Weihnachtsgeld ohne Vorbehalt zahlt, entsteht dadurch ein Rechtsanspruch, sodass er auch im vierten Jahr zahlen muss. Diese Faustformel hat das BAG bereits in den 1970er-Jahren aufgestellt.

Ein aktuelles Beispiel: Ein Arbeitnehmer erhielt ab 2010 jährlich Weihnachtsgeld, anfangs 400 €, später 1.500 €, ohne vertraglichen Anspruch. Auf der Lohnabrechnung stand jeweils „freiw. Weihnachtsgeld“. Als der Arbeitnehmer 2018 langfristig erkrankte, stellte der Arbeitgeber die Zahlung ein. Der Fall ging bis vor das BAG (Urteil vom 25.01.2023, Az. 10 AZR 116/22). Das Gericht entschied zugunsten des Arbeitnehmers: Durch die jahrelange regelmäßige Zahlung war hier eine betriebliche Übung entstanden, selbst der Vermerk „freiwilliges Weihnachtsgeld“ änderte daran nichts. Der Arbeitgeber war also trotz fehlender Arbeitsleistung (Krankheit) an die Weiterzahlung gebunden. Hätte der Chef von vornherein die Zahlung an tatsächliche Arbeitsleistung koppeln oder bei Krankheit ausschließen wollen, hätte er das klar vereinbaren müssen. Dieses Urteil verdeutlicht, dass pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte keinen zuverlässigen Schutz mehr bieten – Arbeitgeber müssen solche Klauseln sorgfältig formulieren, andernfalls wird das Weihnachtsgeld dauerhaft geschuldet.

Zusammengefasst: Ein klar erklärter Freiwilligkeitsvorbehalt kann verhindern, dass aus einer freiwilligen Sonderzahlung ein Daueranspruch entsteht. Fehlt ein solcher wirksamer Vorbehalt und zahlt der Arbeitgeber mehrmals hintereinander, dürfen Arbeitnehmer darauf vertrauen, das Weihnachtsgeld jedes Jahr zu erhalten. Arbeitgeber sollten daher bestehende Vertragsklauseln überprüfen und im Zweifel anpassen. Arbeitnehmer hingegen können aus regelmäßigen Zahlungen ohne Vorbehalt berechtigterweise folgern, dass ihnen das Weihnachtsgeld zusteht – und im Zweifelsfall ihren Anspruch auch gerichtlich durchsetzen.

Weihnachtsgeld bei Kündigung: Stichtagsklauseln und anteiliger Anspruch

Häufig stellen sich Fragen zum Weihnachtsgeld, wenn ein Arbeitsverhältnis vor dem Jahresende endet. Viele Arbeitsverträge enthalten sogenannte Stichtagsklauseln – etwa die Bedingung, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Stichtag (z. B. 31. Dezember) ungekündigt im Betrieb sein muss, um Weihnachtsgeld zu erhalten. Solche Klauseln sollen die Betriebstreue belohnen und verhindern, dass Mitarbeiter kurz nach Kassieren des Weihnachtsgeldes kündigen.

Grundsätzlich sind Stichtagsregelungen zulässig, wenn das Weihnachtsgeld ausschließlich der Betriebstreue bzw. zukünftigen Bindung an den Betrieb dient. Dann kann der Anspruch entfallen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag endet. Wichtig ist jedoch, dass mit dem Weihnachtsgeld keine bereits geleistete Arbeit vergütet wird – denn falls die Sonderzahlung (mit-)eine Belohnung für die Arbeit des Jahres darstellt („Mischcharakter“ aus Entlohnung und Treueprämie), darf man sie ausscheidenden Arbeitnehmern nicht ohne Weiteres komplett verwehren.

Die Rechtsprechung zieht hier eine Linie: Hat das Weihnachtsgeld erkennbar auch Entgeltcharakter für die erbrachte Arbeitsleistung des Jahres, muss bei vorzeitigem Ausscheiden zumindest ein anteiliger Anspruch berücksichtigt werden. Ein praktisches Beispiel lieferte das BAG im Urteil vom 12.11.2013 (Az. 10 AZR 848/12): Ein Arbeitnehmer (Controller) schied zum 30. September aus, der Arbeitgeber verweigerte ihm aufgrund einer Vertragsklausel das Weihnachtsgeld vollständig – nur wer am Jahresende ungekündigt sei, solle es erhalten. Das BAG erklärte diese Klausel für unwirksam, da sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligte. In diesem Fall hatte das Weihnachtsgeld Mischcharakter – es sollte auch die bis September erbrachte Arbeitsleistung honorieren – und musste daher anteilig gezahlt werden. Der Mitarbeiter bekam folglich seinen verdienten Anteil (hier ca. 9/12 des vollen Weihnachtsgeldes) ausgezahlt. Die Botschaft: Wer sich den Anspruch durchs Jahr erarbeitet hat, soll ihn auch erhalten.

Hinweis für Arbeitgeber: Wenn Weihnachtsgeld rein als Treueprämie ausgestaltet ist, sollten Zweck und Stichtagsbindung eindeutig im Vertrag geregelt sein. Andernfalls laufen Sie Gefahr, dass Gerichte die Klausel kippen und eine anteilige Zahlung an vorzeitig Ausgeschiedene zusprechen. Auch Rückzahlungsklauseln – also Vereinbarungen, wonach bereits gezahltes Weihnachtsgeld zurückzuzahlen ist, falls der Arbeitnehmer kurz danach kündigt – müssen klar und angemessen sein. Laut BAG sind solche Rückforderungsklauseln nur innerhalb gewisser Grenzen zulässig: Ist die Sonderzahlung geringer als ein Monatsgehalt (aber mehr als 100 €), kann der Arbeitgeber höchstens eine Bindung bis 31. März des Folgejahres verlangen; bei einer Höhe von einem vollen Monatsgehalt oder mehr darf er den Verbleib im Betrieb höchstens bis 30. Juni des Folgejahres zur Bedingung machen. In jedem Fall muss eine Rückzahlungsverpflichtung ausdrücklich im Vertrag vereinbart und für den Arbeitnehmer zumutbar sein. Fehlt eine solche Abrede, kann bereits ausgezahltes Weihnachtsgeld im Regelfall nicht einfach zurückgefordert werden.

Ein Anspruch auf Weihnachtsgeld besteht nur unter bestimmten Voraussetzungen: Entweder es ist vertraglich oder tariflich zugesagt, oder es ergibt sich aus einer betrieblichen Übung bzw. dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Arbeitnehmer sollten zunächst in Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag nach einer entsprechenden Klausel suchen. Finden sie dort eine ausdrückliche Regelung, können sie ihr Weihnachtsgeld verlangen – gegebenenfalls anteilig, wenn vertragliche Bedingungen wie Stichtage oder Rückzahlungsklauseln unwirksam sind. Gibt es keine schriftliche Zusage, hängt viel vom Verhalten des Arbeitgebers ab: Zahlt er freiwillig, muss er alle vergleichbaren Mitarbeiter gerecht behandeln und klare Freiwilligkeitsvorbehalte erklären, um keine Rechtsansprüche entstehen zu lassen. Andernfalls kann aus regelmäßigen Zahlungen ein Rechtsanspruch erwachsen, der sogar in schwierigen Situationen (z. B. während Krankheit oder bei Ausscheiden vor Jahresende) Bestand hat.

Für Arbeitnehmer heißt das: Ohne vertragliche Grundlage gibt es zwar kein garantiertes Weihnachtsgeld, aber wenn Kollegen etwas bekommen, sollten Sie prüfen, ob Willkür im Spiel ist oder ob in der Vergangenheit immer gezahlt wurde. Möglicherweise steht Ihnen dann doch etwas zu. Arbeitgeber sind gut beraten, freiwillige Leistungen transparent und gleichmäßig zu handhaben. Klare vertragliche Formulierungen und gerechtfertigte Differenzierungen sind der Schlüssel, um Streitigkeiten ums Weihnachtsgeld zu vermeiden – damit die „schöne Bescherung“ zum Jahresende für alle fair bleibt.