Einleitung
In einem praxisrelevanten Beschluss hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein klargestellt, dass für die Berichtigung einer bereits erteilten Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III nicht die Arbeitsgerichtsbarkeit, sondern die Sozialgerichtsbarkeit zuständig ist. Dieser Entscheidung kommt hohe Bedeutung zu, da sich Arbeitnehmer regelmäßig mit vermeintlich fehlerhaften Angaben in solchen Bescheinigungen konfrontiert sehen und ihre Korrektur verlangen.
Die Entscheidung verdeutlicht die feine, aber bedeutsame Unterscheidung zwischen der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit bei der Erteilung von Arbeitspapieren und der sozialgerichtlichen Zuständigkeit bei deren inhaltlicher Überprüfung.
Sachverhalt
Der Kläger begehrte die Berichtigung einer bereits ausgestellten Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III. Die Beklagte – die ehemalige Arbeitgeberin – hatte eine solche Bescheinigung bereits erstellt und dem Kläger übermittelt. Dieser bemängelte jedoch deren Inhalt, insbesondere die Angaben unter den Ziffern 4.1, 4.2 und 7 des Formulars, und verlangte eine inhaltlich korrekte Version.
Die Beklagte rügte daraufhin die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts und verwies auf die ausschließliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit. Das Arbeitsgericht Neumünster folgte dieser Argumentation und erklärte sich für unzuständig. Es verwies den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht. Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger sofortige Beschwerde.
Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein
Das Landesarbeitsgericht wies die sofortige Beschwerde des Klägers kostenpflichtig zurück. Die Arbeitsgerichtsbarkeit sei für den geltend gemachten Anspruch nicht zuständig, da es sich nicht um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handele. Die Berichtigung einer Arbeitsbescheinigung betreffe keine zivilrechtlichen, sondern öffentlich-rechtliche Fragestellungen. Maßgeblich seien allein sozialrechtliche Vorgaben.
Rechtliche Würdigung
1. Abgrenzung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG
Zwar regelt § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten über sogenannte „Arbeitspapiere“. Hierzu gehören u.a. Bescheinigungen, die der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu erteilen hat – insbesondere solche nach dem SGB III, etwa die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III.
Für die Erteilung oder Herausgabe solcher Bescheinigungen ist also unzweifelhaft das Arbeitsgericht zuständig (vgl. BAG, Beschluss vom 30.08.2000 – 5 AZB 12/00).
2. Streit über den Inhalt: sozialrechtlicher Natur
Geht es jedoch – wie im vorliegenden Fall – nicht um die Ausstellung an sich, sondern um die inhaltliche Richtigkeit der Bescheinigung, ist der Streit nicht mehr bürgerlich-rechtlich, sondern öffentlich-rechtlich. Das Landesarbeitsgericht verweist dabei auf eine gefestigte Rechtsprechung:
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BAG, Urteil vom 13.05.1988 – 5 AZR 467/87: Die Überprüfung einer ausgestellten Bescheinigung fällt in die Zuständigkeit der Sozialgerichte.
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BSG, Urteil vom 12.12.1990 – 11 RAr 43/88: Maßgeblich sind ausschließlich die sozialrechtlichen Bestimmungen, nicht das Arbeitsverhältnis.
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LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.01.2008 – L 16 B 426/07 AL: Auch landessozialgerichtlich wird dies bestätigt.
Das LAG Schleswig-Holstein schließt sich dieser Linie an und hebt hervor, dass die rechtliche Bewertung, ob die Bescheinigung korrekt ist, ausschließlich anhand der öffentlich-rechtlichen Vorgaben des Sozialrechts erfolgt. Es handelt sich daher nicht um einen zivilrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber.
Praktische Bedeutung für die arbeitsrechtliche Praxis
Die Entscheidung ist insbesondere für Arbeitsrechtskanzleien und betriebsberatende Anwälte von Bedeutung. Sie zeigt auf, dass Klagen auf Berichtigung von Arbeitsbescheinigungen nicht vor dem Arbeitsgericht, sondern beim Sozialgericht einzureichen sind – selbst wenn die Bescheinigung vom Arbeitgeber ausgestellt wurde und der Fehler aus dem Arbeitsverhältnis resultiert.
Für Klägeranwälte besteht hier ein erhebliches Risiko von Zuständigkeitsrügen, die – wie im vorliegenden Fall – zur kostenpflichtigen Abweisung führen können. Entsprechende Verfahren müssen von vornherein vor dem Sozialgericht geführt werden.
Fazit
Das LAG Schleswig-Holstein bestätigt mit seinem Beschluss, dass Streitigkeiten über die inhaltliche Richtigkeit einer bereits erteilten Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III öffentlich-rechtlicher Natur sind. Die Arbeitsgerichte sind in solchen Fällen nicht zuständig – auch wenn der Arbeitgeber zur Ausstellung verpflichtet war.
Die Entscheidung mahnt zur sorgfältigen rechtlichen Einordnung der Klagebegehren: Während die Erteilung einer Bescheinigung vor dem Arbeitsgericht einklagbar ist, ist die Berichtigung ein Fall für das Sozialgericht. Der Kläger musste dies hier nicht nur zur Kenntnis nehmen – sondern auch die Kosten des erfolglosen Rechtsweges tragen.
Quelle: LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03.08.2021 – 6 Ta 65/21