Kritik an geplanter Pflegereform

07. Juni 2021 -

Die von der Koalition geplanten Neuregelungen in der Pflege werden von Fachverbänden zum Teil heftig kritisiert.

Aus hib – heute m bundestag Nr. 748 vom 07.06.2021 ergibt sich:

Vermisst wird eine langfristige strukturelle und finanzielle Absicherung der Pflege. Das ergab eine Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages über Änderungsanträge von Union und SPD zum Entwurf für das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) (BT-Drs. 19/26822 – PDF, 2,1 MB) am Montag in Berlin. Die Sachverständigen äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen.

Die Neuregelungen sollen dazu beitragen, Pflegekräfte besser zu bezahlen und zugleich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zu entlasten. Die Koalition will dazu den Beitragszuschlag für Kinderlose ab dem vollendeten 23. Lebensjahr in der gesetzlichen Pflegeversicherung von 0,25 Prozent des Bruttogehalts um 0,1 Punkte auf 0,35 Prozent anheben. Auch soll sich der Bund ab 2022 jährlich mit einer Milliarde Euro an den Aufwendungen der sozialen Pflegeversicherung beteiligen.

Ferner sollen ab September 2022 Versorgungsverträge an Tarifzusagen gekoppelt werden. In Pflegeheimen soll der Eigenanteil der Pflegebedürftigen durch einen Zuschlag der Pflegekassen schrittweise verringert werden.

Geplant ist ferner ein neuer Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus. Qualifizierte Pflegefachkräfte sollen zudem für bestimmte Leistungen der häuslichen Krankenpflege selbst über die erforderlichen Maßnahmen bestimmen können.

Der GKV-Spitzenverband erklärte, mit den Regelungen werde sich die kritische Finanzlage weiter zuspitzen und voraussichtlich schon 2022 zu einer Beitragssatzerhöhung führen. In der Pflegeversicherung müsse 2022 mit einem Defizit von mehr als zwei Milliarden Euro gerechnet werden. Das Pflegepaket sei nicht ausreichend gegenfinanziert, ein Teil der Gegenfinanzierung basiere aus dem Verzicht auf die Dynamisierung der Leistungsbeträge.

Ähnlich kritisch äußerte sich der Sozialverband VdK. Durch die mangelnde Gegenfinanzierung landeten die Kosten am Ende bei den Pflegebedürftigen. Die Gesamtkosten des Pflegepakets lägen geschätzt bei sechs Milliarden Euro, nur 1,4 Milliarden Euro seien solide gegenfinanziert, 1,8 Milliarden Euro stammten aus einer Umwidmung verplanter Gelder. Angesichts dieser Unterdeckung sei es Zeit, über eine tiefgehende Finanzierungsreform der Pflege nachzudenken.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach sich für eine Pflegebürgervollversicherung aus. Die vorgelegten Schritte zur Verbesserung der Pflege stünden in keinem Verhältnis zu der ursprünglich angekündigten Strukturreform. Die Kostenerstattung von Pflegeleistungen bei Tarifbindung bringe den meisten Beschäftigten nichts, solange nicht bundesweit ein guter, allgemeinverbindlicher Tarifvertrag gelte. Eine Tarifanbindung ohne diesen Tarifvertrag sei ein zahnloser Tiger.

Arbeitgebervertreter wandten sich entschieden gegen die Koppelung der Versorgungsverträge für Pflegeeinrichtungen an eine tarifliche Entlohnung. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) sprach von einer willkürlichen Regelung und warnte vor einer existenziellen Gefährdung der Betriebe. Damit würden die Prinzipien der Tarifautonomie aufgegeben.