Kündigung in der Probezeit trotz Zusage – LAG Düsseldorf erklärt Kündigung wegen Treuwidrigkeit für unwirksam

29. Juni 2025 -

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hatte im Januar 2025 einen besonders praxisrelevanten Fall zu entscheiden: Ein Angestellter erhielt kurz vor dem Ende seiner sechsmonatigen Probezeit von seinem Vorgesetzten die Zusage, er werde „natürlich“ übernommen. Nur rund anderthalb Wochen später folgte jedoch – noch innerhalb der Probezeit – die Kündigung durch den Arbeitgeber. Das LAG erklärte diese Probezeitkündigung wegen widersprüchlichen Verhaltens des Arbeitgebers als treuwidrig und damit unwirksam.

Dieser Fall verdeutlicht, dass auch während der Probezeit – also vor Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz – Kündigungen nicht völlig schrankenlos sind. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer können aus dem Urteil wichtige Lehren ziehen. Unverbindlich wirkende Aussagen eines Vorgesetzten können in der Praxis rechtsverbindlich sein, und ein widersprüchliches Vorgehen bei der Kündigung kann selbst ohne Kündigungsschutzgesetz zur Nichtigkeit der Kündigung führen.


Der Fall im Überblick

Der Kläger (Arbeitnehmer) war seit Juni 2023 als Wirtschaftsjurist bei einer Rückversicherung angestellt. Sein Arbeitsvertrag enthielt eine sechsmonatige Probezeit (bis Mitte Dezember 2023). Etwa fünf Wochen vor Ablauf dieser Probezeit – im November 2023 – erklärte sein Abteilungsleiter Herrn U. (zugleich Prokurist und Personalverantwortlicher) nach einem Meeting gegenüber dem Kläger, er habe von der Personalabteilung die Anfrage erhalten, ob der Kläger nach der Probezeit übernommen werden solle. Herr U. sagte daraufhin wörtlich: „Das tun wir natürlich.“ Der Arbeitnehmer bedankte sich erfreut für diese klare Zusage.

Wenige Tage nach dieser mündlichen Übernahmezusage leitete der Arbeitgeber jedoch eine Kündigung ein: Es wurde der Betriebsrat zu einer beabsichtigten Probezeitkündigung angehört, als Kündigungsgrund wurden angeblich unzureichende Leistungen des Mitarbeiters genannt. Anschließend sprach derselbe Vorgesetzte, Herr U., als Vertreter des Unternehmens die Kündigung zum Ende der Probezeit aus. Dem Kläger wurde das Kündigungsschreiben Anfang Dezember 2023 – noch rechtzeitig innerhalb der sechs Monate – übergeben.

Der überraschte Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage in erster Instanz ab und meinte, die Kündigung sei als Probezeitkündigung wirksam – das Kündigungsschutzgesetz sei mangels erfüllter Wartezeit nicht anwendbar. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein. In der zweiten Instanz vor dem LAG Düsseldorf hatte er Erfolg: Die Kündigung wurde vom LAG aufgrund des zuvor gegebenen Versprechens als treuwidrig eingestuft und für unwirksam erklärt.

Kündigung in der Probezeit: Kein Kündigungsschutz, aber nicht grenzenlos

Grundsätzlich gilt: In den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses (Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG) findet das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) keine Anwendung. Arbeitgeber können in dieser Probezeit eine Kündigung meist ohne Angabe von Gründen und mit verkürzter Frist von zwei Wochen aussprechen. Allerdings heißt „kein KSchG“ nicht, dass alles erlaubt ist. Auch in der Probezeit müssen gesetzliche Mindeststandards beachtet werden – etwa das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) (kein Kündigungsgrund wegen z. B. Herkunft, Geschlecht, Schwangerschaft etc.) und die zivilrechtlichen Generalklauseln des BGB. So darf eine Kündigung weder sittenwidrig noch willkürlich oder treuwidrig sein. Außerdem sind z.B. das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) und formelle Anforderungen (wie die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG) auch in der Probezeit zu beachten.

Im Klartext: Befindet sich ein Arbeitsverhältnis in den ersten sechs Monaten, kann der Arbeitgeber zwar ohne sozial gerechtfertigten Grund kündigen – willkürliches oder widersprüchliches Verhalten wird jedoch nicht toleriert. Kündigt der Arbeitgeber aus sachfremden Motiven oder bricht er zuvor gegebene Zusicherungen, kann dies als Rechtsmissbrauch aufgefasst werden. § 242 BGB (Treu und Glauben) wirkt hier als Auffangnorm zum Schutz vor grober Unfairness. Solche Fälle sind in der Praxis selten, aber das LAG Düsseldorf zeigt, dass sie durchaus vorkommen können.

Widersprüchliches Verhalten: Warum die Kündigung unwirksam war

Das LAG Düsseldorf bewertete das Vorgehen des Arbeitgebers als widersprüchliches Verhalten und damit als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Konkret hatte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter zunächst unmissverständlich signalisiert, dass er die Probezeit bestanden habe und übernommen werde – um kurz darauf ohne neuen Anlass das Gegenteil zu tun. Der Kläger durfte dieser Zusage vertrauen und davon ausgehen, dass sein Arbeitsplatz über die Probezeit hinaus sicher ist. Eine Kündigung wenige Tage später stellte einen klaren Vertrauensbruch dar, weil sie in krassem Widerspruch zu der vorherigen Zusicherung stand.

Entscheidend war hier, wer die Zusage gab und in welchem Zusammenhang: Es handelte sich nicht um irgendeine unverbindliche Bemerkung eines Kollegen, sondern um die Aussage des zuständigen Abteilungsleiters und Prokuristen. Dieser war ausdrücklich für Personalentscheidungen verantwortlich und hatte sogar den Arbeitsvertrag des Klägers mitunterzeichnet. Aus Arbeitnehmersicht musste diese Aussage deshalb als verbindliche Willenserklärung verstanden werden – der Vorgesetzte handelte erkennbar im Namen des Arbeitgebers.

Hinzu kam, dass zwischen der Zusage und der Kündigung keine neuen negativen Vorfälle eingetreten waren. Das LAG stellte klar: Nur wenn nach einer Übernahmezusage noch gravierende Umstände auftreten, die eine Neubewertung rechtfertigen, kann eine Kündigung trotz voriger Zusage ausnahmsweise gültig sein. Im vorliegenden Fall konnte der Arbeitgeber jedoch keine solchen neuen Umstände darlegen – allgemeine Behauptungen über angeblich mangelhafte Leistungen genügten gerade nicht. Die Leistungsbeurteilung des Mitarbeiters war dem Vorgesetzten bereits zum Zeitpunkt der Zusage bekannt; dennoch hatte er die Übernahme zugesagt. Ohne substantiierten neuen Grund wirkte die Kehrtwende willkürlich.

Das widersprüchliche Verhalten des Arbeitgebers führte daher zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 242 BGB. Die LAG-Richter hoben hervor, dass der Arbeitgeber sich selbst gebunden hatte: Durch das Versprechen der Weiterbeschäftigung hatte er einen Vertrauenstatbestand beim Arbeitnehmer geschaffen, den er nicht ohne Weiteres zerstören durfte. Der Kläger hatte im Vertrauen auf die Zusage sogar darauf verzichtet, sich anderweitig zu bewerben. Die Probezeitkündigung – ausdrücklich als solche deklariert – unmittelbar nach der Übernahmezusage wurde als unzulässiger Venire contra factum proprium (widersprüchliches Verhalten zum eigenen früheren Verhalten) gewertet und nach § 242 BGB für nichtig erklärt.

Wichtig für Arbeitgeber:
→ Machen Sie vorschnelle Zusagen in der Probezeit nur mit Bedacht. Wer einem Mitarbeiter kurz vor Ablauf der Probezeit die feste Übernahme in Aussicht stellt, bindet sich faktisch daran – eine spätere Kündigung kann als Rechtsmissbrauch ausgelegt werden.
→ Wenn sich nach einer Zusage doch noch Gründe gegen die Weiterbeschäftigung ergeben (z. B. schweres Fehlverhalten des Mitarbeiters), müssen diese konkret und nachweisbar sein. Dokumentieren Sie solche Vorfälle genau. Ohne neue, gravierende Gründe wirkt eine plötzlich umgeplante Kündigung willkürlich und treuwidrig.
→ Bedenken Sie, dass auch außerhalb des KSchG gewisse Spielregeln gelten. Selbst im Kleinbetrieb oder während der Wartezeit kann eine Kündigung unwirksam sein, wenn elementare Grundsätze von Fairness verletzt werden. Widersprüchliche Kommunikation gegenüber dem Arbeitnehmer – heute Job sicher, morgen Job weg – birgt erhebliche Rechtsrisiken.

Hinweis für Arbeitnehmer:
→ Lassen Sie sich von einer Kündigung in der Probezeit nicht vorschnell entmutigen. Auch vor Ablauf von 6 Monaten besteht ein Grundschutz vor krassen Ungerechtigkeiten. Wenn Ihnen kurz vor Ende der Probezeit eine Weiterbeschäftigung zugesichert wurde und man kündigt Ihnen „aus heiterem Himmel“ doch noch, könnte diese Kündigung treuwidrig und unwirksam sein.
Notieren Sie wichtige Aussagen von Vorgesetzten (Inhalt, Zeitpunkt, wer hat was gesagt). Solche Informationen sind im Ernstfall wertvolle Beweismittel. Besonders verbindlich sind Zusagen von personalbefugten Führungskräften – wie im vorliegenden Fall ein Abteilungsleiter mit Prokura.
→ Zögern Sie nicht, auch eine Probezeitkündigung rechtlich prüfen zu lassen. Dieses Urteil zeigt, dass Arbeitgeber sich auch in den ersten sechs Monaten nicht alles erlauben dürfen. Eine Kündigungsschutzklage kann erfolgreich sein, wenn der Arbeitgeber sich illoyal verhält oder offenkundig gegen Treu und Glauben verstößt.

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf macht deutlich, dass ein Arbeitgeber sich nicht widersprüchlich verhalten darf, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Wer seinem Mitarbeiter die Übernahme zusagt, kann nicht kurz darauf grundlos das Arbeitsverhältnis beenden, ohne in Konflikt mit § 242 BGB zu geraten. Für Arbeitnehmer bedeutet dies: Auch in der Probezeit gibt es einen gewissen Schutz vor abrupten Kehrtwendungen des Arbeitgebers. Für Arbeitgeber ist es eine wichtige Mahnung, Versprechen mit Bedacht zu geben – Fairness und konsistentes Verhalten zahlen sich letztlich aus, auch juristisch.