Kündigung wegen zu frühem Arbeitsbeginn – ist das möglich?

11. Dezember 2025 -

„Lieber zu früh als zu spät“ lautet für viele Beschäftigte die Devise. Pünktlichkeit ist im Arbeitsleben hierzulande gern gesehen, Zuspätkommen dagegen eher nicht. Dennoch lässt es sich nicht immer vermeiden: Stau, Zugausfälle oder persönliche Zwischenfälle können dazu führen, dass man den Arbeitsplatz ein paar Minuten später erreicht. Wiederholt sich das regelmäßig, sind arbeitsrechtliche Konsequenzen möglich. Doch wie sieht es aus, wenn Arbeitnehmer mehrmals zu früh zur Arbeit erscheinen? Auf den ersten Blick zeugt frühes Erscheinen von Engagement und Motivation. Ein Blick ins Ausland zeigt jedoch, dass selbst übermäßige Pünktlichkeit zum Verhängnis werden kann: In Spanien wurde eine 22-jährige Logistikmitarbeiterin nach vorherigen Abmahnungen fristlos entlassen, weil sie regelmäßig deutlich vor Schichtbeginn erschien und trotz Ermahnungen nicht damit aufhörte. Das zuständige Sozialgericht in Alicante bestätigte die Kündigung und wertete die beharrliche frühzeitige Anwesenheit (obwohl es vor offiziellem Arbeitsbeginn nichts zu tun gab) als schwere Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Es stellt sich die Frage: Könnte so etwas auch in Deutschland passieren? Im Folgenden erklären wir, was deutsches Arbeitsrecht zu Verspätungen und verfrühtem Erscheinen sagt – und wie Sie sich als Arbeitnehmer in der Praxis am besten verhalten.

Kündigung wegen Verspätung? Wann das droht

Grundsätzlich sind Arbeitnehmer verpflichtet, ihre Arbeitsleistung zu den vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten zu erbringen. Erscheinen Sie unentschuldigt zu spät am Arbeitsplatz, verletzen Sie damit Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten. Selbst wenn Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit besteht, können Verspätungen ein Problem darstellen – etwa, wenn Kernarbeitszeiten, feste Meetings oder betriebliche Abläufe dadurch gestört werden. Allerdings ist nicht jede kleine Verspätung sofort ein Kündigungsgrund. Einmalige oder seltene kurze Verspätungen werden in der Regel toleriert. So wäre z.B. eine Abmahnung unverhältnismäßig, wenn ein Mitarbeiter nach jahrelanger Pünktlichkeit einmalig nur wenige Minuten verspätet ist. Hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit.

Kritischer wird es jedoch, wenn Unpünktlichkeit häufig vorkommt. Spätestens bei einem wiederholten Zuspätkommen über einen längeren Zeitraum muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gerechnet werden. Fachanwältin Nathalie Oberthür erläutert etwa: „Wenn Sie über Monate hinweg jede Woche zweimal fünf Minuten zu spät kommen, ist das theoretisch auch ein Kündigungsgrund“ – allerdings nur, nachdem der Arbeitgeber zuvor eine Abmahnung ausgesprochen hat. Eine ordnungsgemäße Abmahnung muss den konkreten Pflichtverstoß benennen und unmissverständlich darauf hinweisen, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht. Erst wenn trotz einer oder sogar mehrerer Abmahnungen weiterhin unentschuldigte Verspätungen auftreten, kann der Arbeitgeber zur Kündigung greifen. Dann handelt es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung aufgrund contractlichen Fehlverhaltens. Im Einzelfall hängt die Rechtmäßigkeit einer Kündigung wegen Zuspätkommens von mehreren Faktoren ab – etwa Häufigkeit und Dauer der Verspätungen, bereits erfolgte Abmahnungen, die Gründe für das Zuspätkommen und die betrieblichen Auswirkungen. Zusammengefasst gilt: Ohne vorherige Abmahnung ist eine Kündigung wegen Verspätung in aller Regel unwirksam. Nach wiederholten Verstößen trotz Abmahnung kann der Arbeitgeber jedoch – als letztes Mittel – die Kündigung aussprechen. Eine fristlose (außerordentliche) Kündigung käme bei Zuspätkommen nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht, etwa bei schwerwiegendem Fehlverhalten oder bewusster Täuschung, da hierfür ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB vorliegen muss.

Zu frühes Erscheinen: Verstoß oder vorbildlich?

Im Gegensatz zum Zuspätkommen ist früheres Erscheinen zunächst einmal unproblematisch. Rein arbeitsrechtlich stellt es keine Pflichtverletzung dar, wenn Sie vor der vereinbarten Zeit am Arbeitsplatz erscheinen. Viele Arbeitgeber haben nichts dagegen, wenn Beschäftigte ein paar Minuten vor Arbeitsbeginn anwesend sind – häufig wird das sogar positiv gesehen. Wichtig ist jedoch: Entscheidend ist, ab wann Sie mit der Arbeit beginnen. Wenn der Arbeitgeber ausdrücklich vorgibt, dass die Arbeit erst ab einer bestimmten Uhrzeit aufgenommen werden soll, müssen Arbeitnehmer diese Vorgabe beachten. Der Arbeitgeber hat kraft seines Weisungsrechts das Recht, den Arbeitsbeginn festzulegen. Nehmen Sie trotz einer solchen Vorgabe schon früher Ihre Tätigkeit auf, kann dies als Verstoß gegen eine Arbeitsanweisung gewertet werden. Es geht dann nicht mehr um Pünktlichkeit an sich, sondern um Gehorsam bzw. die Befolgung betrieblicher Regeln.

Ein einmaliges zu frühes Anfangen wird der Arbeitgeber vermutlich zunächst mündlich rügen. Problematisch wird es, wenn jemand immer wieder deutlich vor Arbeitsbeginn arbeitet, obwohl der Vorgesetzte dies untersagt hat. Ein solches Verhalten kann als beharrliches Ignorieren von Anweisungen verstanden werden – der Karrierebibel-Ratgeber ordnet dies als mittlere Pflichtverletzung ein. Das bedeutet: Es handelt sich nicht bloß um eine Lappalie, sondern um einen ernsteren Verstoß, der im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen haben kann. Spätestens nach einer Abmahnung muss der Arbeitnehmer sein Verhalten ändern, andernfalls riskiert er disziplinarische Maßnahmen bis hin zur Kündigung. So war es auch in dem spanischen Fall: Dort ignorierte die Mitarbeiterin trotz Ermahnungen und einer schriftlichen Verwarnung beharrlich die Anweisung, nicht vor Arbeitsbeginn auf dem Betriebsgelände zu erscheinen – was letztlich als Illoyalität und Ungehorsam gewertet und zur fristlosen Entlassung führte. Auch nach deutschem Recht hätte ein Arbeitnehmer in solch einer Situation mit einer Kündigung rechnen müssen. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang sogar von Arbeitszeitbetrug, wenn jemand wiederholt vor der offiziellen Zeit „einstempelt“ oder Arbeit vortäuscht, um mehr Arbeitszeit gutzuschreiben. Ein solches vorsätzliches Verzerren der Arbeitszeitaufzeichnungen ist eine schwere Pflichtverletzung – im deutschen Recht durchaus ein Kündigungsgrund, der je nach Fall auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Wichtig: Allein die Tatsache, dass man sich frühzeitig am Arbeitsplatz aufhält, reicht dafür aber nicht aus. Entscheidend ist das eigenmächtige Arbeiten oder Zeitbuchen vor der vereinbarten Zeit gegen den Willen des Arbeitgebers. Wäre die spanische Mitarbeiterin z.B. lediglich etwas früher im Pausenraum gewesen und hätte erst ab 7:30 Uhr mit der Arbeit begonnen und sich dann erst eingeloggt, hätte kein Kündigungsgrund vorgelegen. Im Klartext: Früh da sein ist erlaubt – vorzeitig arbeiten dagegen nicht, wenn der Chef es untersagt.

Müssen Arbeitnehmer früher kommen, wenn der Chef es will?

Nicht selten wünschen Arbeitgeber, dass Mitarbeiter schon vor der offiziellen Arbeitszeit anwesend sind, etwa um sich „arbeitsbereit“ zu machen. Hier gilt: Ohne entsprechende Vereinbarung müssen Arbeitnehmer nicht früher erscheinen – schon gar nicht unbezahlt. Jeder angeordnete vorzeitige Arbeitsbeginn zählt rechtlich als Arbeitszeit und muss vergütet werden. Der Arbeitgeber darf Sie also nicht einfach verpflichten, z.B. täglich zehn Minuten vor Dienstbeginn zum Schichtappell zu erscheinen, ohne dass diese Zeit als Arbeitszeit erfasst und bezahlt wird. Solche unbezahlten Vor- oder Nacharbeiten wären ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz und könnten im Extremfall sogar als Schwarzarbeit gewertet werden. Zulässig ist eine vorgezogene Anwesenheit nur, wenn sie vertraglich vereinbart, betrieblich geregelt oder bezahlt wird. Andernfalls dürfen Arbeitnehmer das freiwillige Früh-Erscheinen ablehnen. Ihr Vorgesetzter kann höchstens bitten, früher zu kommen – erzwingen darf er es nicht. Werden Beschäftigte trotzdem massiv unter Druck gesetzt, unentgeltlich früher anzufangen, sollten sie sich an den Betriebsrat, die Gewerkschaft oder die zuständigen Aufsichtsbehörden wenden.

Praxis-Tipps für Arbeitnehmer

  • Verspätungen minimieren und rechtzeitig melden: Bemühen Sie sich um Pünktlichkeit. Planen Sie bei bekannten Risikofaktoren (Verkehr, Witterung, ÖPNV-Streiks) genug Pufferzeit ein. Falls absehbar ist, dass Sie dennoch zu spät kommen, informieren Sie sofort Ihren Vorgesetzten – etwa telefonisch oder per Nachricht. So kann Ihr Arbeitgeber ggf. disponieren. Beachten Sie: Schon die unterlassene oder verspätete Mitteilung über Ihr Zuspätkommen kann einen Abmahnungsgrund darstellen.
  • Nach einer Abmahnung: Unbedingt Besserung zeigen: Eine Abmahnung ist die gelbe Karte – nehmen Sie sie ernst. Wiederholen Sie den abgemahnten Verstoß keinesfalls. Andernfalls muss Ihnen bewusst sein, dass der Arbeitgeber beim nächsten Mal tatsächlich kündigen kann. Kommen Sie also nach einer Abmahnung wegen Zuspätkommens künftig pünktlich. Haben Sie eine Abmahnung wegen unbefugten frühen Arbeitsbeginns erhalten, halten Sie sich strikt an die vorgegebenen Zeiten.
  • Früh da sein – aber nicht unerlaubt arbeiten: Wenn Sie gerne etwas früher im Büro sind, spricht nichts dagegen. Sie können vor Arbeitsbeginn z.B. in Ruhe einen Kaffee trinken oder sich auf den Tag vorbereiten. Beginnen Sie jedoch erst zur offiziellen Startzeit mit Ihren Aufgaben. Halten Sie betriebliche Anweisungen zum Arbeitsbeginn unbedingt ein. Andernfalls riskieren Sie eine Abmahnung wegen Missachtung von Weisungen. Merke: Frühe Anwesenheit ist erlaubt, Arbeitsleistung vorher zu erbringen nicht.
  • Kein „Einstempeln“ ohne Arbeitsleistung: Manipulieren Sie keinesfalls Ihre Arbeitszeiterfassung. Beispielsweise früher einstempeln, ohne zu arbeiten, oder sich von Kollegen später ausstempeln zu lassen, ist tabu. Solcher Arbeitszeitbetrug gilt als schwerwiegender Vertrauensbruch und rechtfertigt in der Regel eine fristlose Kündigung – auch ohne vorherige Abmahnung. Ehrlichkeit bei der Zeiterfassung ist absolut geboten.
  • Unbezahlte Vor- oder Nacharbeit verweigern: Werden Sie vom Arbeitgeber aufgefordert, regelmäßig früher zu kommen oder länger zu bleiben, ohne Bezahlung, müssen Sie das nicht hinnehmen. Jede angeordnete Arbeitsaufnahme gilt als Arbeitszeit und muss bezahlt werden. Fehlt eine Vergütungsregelung, dürfen Sie ein früheres Erscheinen ablehnen. Machen Sie Ihre Rechte freundlich aber bestimmt geltend: Etwa mit dem Hinweis, dass Sie außerhalb der vertraglichen Zeiten nicht verpflichtet sind zu arbeiten. Sollte der Vorgesetzte dennoch auf unbezahlte Extra-Zeit bestehen, können Sie sich an den Betriebsrat oder die Aufsichtsbehörde wenden. Ihr Arbeitgeber riskiert in so einem Fall übrigens selbst Ärger – nämlich wegen Verstoßes gegen Arbeitszeitvorschriften.

In der Praxis brauchen Arbeitnehmer normalerweise nicht zu befürchten, wegen ein paar Minuten Verspätung oder freiwilliger Frühanwesenheit gleich gekündigt zu werden. Gelegentliche kleine Verspätungen lassen sich meist entschuldigen, und wer freiwillig früher da ist, zeigt zunächst einmal Einsatz. Gefährlich wird es jedoch, wenn gegen klare Anweisungen des Chefs verstoßen wird – sei es durch ständige Unpünktlichkeit oder durch eigenmächtiges Arbeiten vor der Zeit. Wiederholtes Fehlverhalten trotz Abmahnung kann den Arbeitgeber zum äußersten Mittel veranlassen. Deshalb: Halten Sie sich an Ihre Arbeitszeiten, sprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten, wenn Sie einmal aus der Reihe tanzen müssen, und klären Sie Unstimmigkeiten frühzeitig. So geraten Sie gar nicht erst in die Lage, dass Pünktlichkeit – oder Unpünktlichkeit – zum Kündigungsgrund wird.