Kürzungen von ALG II-Leistungen wegen Meldeversäumnissen

22. Juli 2021 -

Das Bundessozialgericht hatte am 21.07.2021 zum Aktenzeichen B 14 AS 99/20 R zu entscheiden, ob einem Leistungsbezieher seine ALG II – Leistungen wegen Meldeversäumnissen gekürzt werden durften.

Die gegen die abgelehnten Überprüfungsanträge gerichteten Klagen hat das SG verbunden und durch Gerichtsbescheid abgewiesen. Es hat den Kläger in der Rechtsmittelbelehrung darüber belehrt, er könne wahlweise mündliche Verhandlung beantragen oder Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung einlegen. Der Kläger hat ausdrücklich Berufung eingelegt, die das LSG nach Anhörung des Klägers durch Beschluss als unzulässig verworfen hat. Diese Form der Entscheidung sei – entgegen der Rechtsprechung des 8. Senats des BSG (Beschluss vom 9.12.2008 – B 8 SO 13/08 B) – nicht deshalb ausgeschlossen, weil das SG durch Gerichtsbescheid, also ebenfalls ohne mündliche Verhandlung, entschieden habe. Der Kläger habe keine mündliche Verhandlung vor dem SG beantragt. Die Berufung sei unzulässig. Der Kläger wende sich gegen drei Sanktionsbescheide wegen Meldeversäumnissen. Der Beschwerdewert betrage 360,60 Euro und übersteige den für die zulassungsfreie Berufung maßgeblichen Beschwerdewert von 750,00 Euro daher nicht.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrunds (Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter, Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz) geltend. Das LSG habe zu Unrecht durch Beschluss und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter entschieden, nachdem bereits das SG durch Gerichtsbescheid ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter entschieden habe. Im Übrigen sei die Berufung zulässig gewesen, weil ihr Gegenstand nicht bezifferbar gewesen sei.

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das LSG hat verfahrensfehlerfrei die Berufung des Klägers durch Beschluss nach § 158 Satz 2 SGG verworfen, obwohl bereits das SG durch Gerichtsbescheid und damit ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz), was als absoluter Revisionsgrund von Amts wegen zu berücksichtigen wäre, liegt nicht vor. Der Kläger hat von seinem Recht, vor dem SG eine mündliche Verhandlung zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht.

Mit der in Art 6 Abs 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Verpflichtung des Gerichts, über einen Rechtsstreit öffentlich zu verhandeln, korrespondiert ein Recht des Betroffenen, darauf ausdrücklich oder stillschweigend verzichten zu können. Dieser Wahlmöglichkeit trägt § 105 Abs 2 SGG hinreichend Rechnung, in dem im Fall der fehlenden Berufungsfähigkeit entweder Nichtzulassungsbeschwerde beim LSG eingelegt oder mündliche Verhandlung beim SG beantragt werden kann. Über diese Rechtsbehelfe ist der Kläger vom SG zutreffend belehrt worden.

Vor diesem Hintergrund hat das LSG nicht ermessensfehlerhaft durch Beschluss entschieden und ist auch im Übrigen nach einer Gesamtwürdigung des Verfahrens rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass kein Ausnahmefall vorliegt, der dennoch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten hätte. Der Kläger ist der Ansicht, die Berufung sei bereits aus Rechtsgründen zulassungsfrei. Dennoch hat er zeitgleich mit der ausdrücklich als solche bezeichneten Berufung lediglich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Einen Antrag auf mündliche Verhandlung hat er gerade nicht gestellt.

Ebenso ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufung des Klägers unzulässig war, weil der Beschwerdewert von 750 Euro nicht überschritten ist. Die Klagen gegen die Sanktionsbescheide sind auf eine Geldleistung gerichtet und haben eine Leistungsminderung von insgesamt 360,60 Euro zum Gegenstand. Anders als der Kläger meint, waren die zugrunde liegenden Meldeaufforderungen nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.