Lebensmittelrechtliche Verstöße: Information der Öffentlichkeit rechtmäßig

10. Februar 2021 -

Das Landgericht München I hat mit Urteil vom 10.02.2021 zum Aktenzeichen 15 O 18592/17 entschieden, das eine Amtshaftungsklage der Firma S. Gesellschaft für Wurst und Schinkenspezialitäten mbH abgewiesen wird.

Aus der Pressemitteilung des LG München I Nr. 7/2021 vom 10.02.2021 ergibt sich:

Im März 2016 stellte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in einer Probe des von der Firma S. hergestellten Produkts „Original Bayrisches Wacholderwammerl“ fest, dass die Anzahl der aufgefundenen Listerien den gesetzlichen Grenzwert überschritt. Am 27.05.2016 entschied das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, dass es erforderlich sei die Öffentlichkeit hierüber zu informieren und hörte die Firma S. zu der beabsichtigten Pressemitteilung an. Den Antrag der Firma S. dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz die Veröffentlichung der Pressemitteilung zu untersagen lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Entscheidung vom selben Tag ab. Daraufhin warnte das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit Pressemitteilung vom 27.05.2016 vor dem Verzehr aller Schinken- und Wurstprodukten der Firma S. wegen einer möglichen Kontamination mit Listerien und teilte mit, dass der Firma vorläufig untersagt worden sei, Schinken- und Wurstprodukte in den Verkehr zu bringen. Mit Bescheid vom 28.05.2016 untersagte das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen der Firma S. Schinken- und Wurstprodukte aus dem Produktionsstandort Geretsried in den Verkehr zu bringen und ordnete den Rückruf sämtlicher Produkte an.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 01.09.2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma S. eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger macht gegen den beklagten Freistaat Bayern Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche in Höhe von insgesamt über 10.750.000,00 € geltend. Der Beklagte habe sowohl durch die Warnung vor dem Verzehr als auch durch das Verbot des Inverkehrbringens aller Produkte der Firma S. amtspflichtwidrig gehandelt.

Die 15. Zivilkammer des Landgerichts München I hat die Klage abgewiesen, da das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz die Öffentlichkeit am 27.05.2016 zu Recht vor dem Verzehr der Wurst- und Schinkenwaren der Firma S. gewarnt habe. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass in der im März entnommenen Probe und in einer am 20.05.2016 im Werksverkauf entnommenen Probe eines anderen Produkts die erlaubten Grenzwerte für Listerien überschritten wurden. Aufgrund dieser lebensmittelrechtlichen Verstöße sei die Information der Öffentlichkeit zulässig gewesen.

Der Kläger könne seinen Schadensersatzanspruch auch nicht darauf stützen, dass der Beklagte die Öffentlichkeit am 27.05.2016 ausnahmslos vor allen Produkten der Firma S. gewarnt und das Inverkehrbringen aller Produkte verboten habe. Ob die Firma S. tatsächlich auch Produkte vertrieben habe, die aufgrund der Art der Herstellung bzw. bei Befolgung der Zubereitungshinweise durch den Endabnehmer keine Listerien enthalten würden und der Beklagte daher nicht vor allen Produkten hätte warnen und nicht das Inverkehrbringen aller Produkte hätte untersagen dürfen, musste die Kammer nicht entscheiden. Denn die Firma S. habe es seinerzeit unterlassen ihren Rechtsbehelf gegen die geplante Pressemitteilung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht damit zu begründen, dass sie auch solche unbedenklichen Produkte herstelle. Insoweit treffe sie ein haftungsausschließendes Mitverschulden, so die Kammer.

Dem Kläger stehe auch wegen des Verbots des Inverkehrbringens von Schinken- und Wurstprodukten vom 28.05.2018 kein Schadensersatz zu, da dieses Verbot jedenfalls nicht kausal für den eingetretenen Schaden sei. Denn bereits durch die vorangegangene Pressemitteilung seien die Waren der Firma S. unverkäuflich geworden. Dies sei ursächlich für die Insolvenz gewesen.

Entschädigungsansprüche bestehen laut Gericht ebenfalls nicht, da die Ursache für die ge-troffenen Maßnahmen im Verantwortungsbereich der Firma S. gelegen habe.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.