Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigung

05. Juni 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat mit Urteil vom 11.02.2022 zum Aktenzeichen 14 Sa 602/21 entschieden, dass § 7a MTV Einzelhandel Niedersachsen hinsichtlich der Mehrarbeitszuschläge den Leistungszweck der Vermeidung bzw. Honorierung einer bestimmten Gesamtbelastung der Arbeitnehmer hat. Soweit hierbei keine Unterscheidung zwischen Teilzeit– und Vollzeitbeschäftigten vorgenommen wird, verstößt dies nicht gegen § 4 Abs. 1 TzBfG.

Die Parteien streiten über Mehrarbeitszuschläge im Rahmen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses. Die Klägerin ist bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte in Teilzeit mit 27,29 Wochenstunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Niedersachsen vom 08.06.2012 (MTV) Anwendung. Danach beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 37,5 Stunden wöchentlich. Ab einer Wochenstundenzahl von 40, besteht ein tariflicher Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge. Gemäß § 7a MTV soll Mehr- und Nachtarbeit sowie Arbeit an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen nach Möglichkeit vermieden werden. Für Mehrarbeit erhalten die Arbeitnehmer einen Aufschlag von 25 %, für Mehrarbeit ab der fünften Mehrarbeitsstunde in der Woche 50 %. Die Zuschläge sind vorrangig in Freizeit zu gewähren und können auf Wunsch

des Arbeitnehmers im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber auch finanziell abgegolten werden. Im Juli 2020 erbrachte die Klägerin insgesamt 43 Stunden und 33 Minuten Arbeitsleistung über ihre vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus. Die Beklagte zahlte hierauf keine Mehrarbeitszuschläge, da die 40-Stunden-Grenze nicht überschritten sei. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei diesen 43,43 Stunden um zuschlagspflichtige Mehrarbeit im Sinne des MTV handele, weil sie ansonsten unter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG ohne Sachgrund schlechter behandelt würde als ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg.

Der Klägerin steht der streitgegenständliche Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge nicht zu. Es kann dahinstehen, welche Methodik für die Prüfung, ob Teilzeitbeschäftigte hinsichtlich des Entgelts benachteiligt werden, anzuwenden und ob in einem ersten Schritt vorliegend von einer Ungleichbehandlung von Teilzeit– und Vollzeitbeschäftigten bei der Leistung von Zuschlägen für Mehrarbeit auszugehen ist. Denn jedenfalls liegt vorliegend ein sachlicher Grund für eine anzunehmende Ungleichbehandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1TzBfG vor. Leistungszweck der Zuschläge für Mehrarbeit nach § 7a MTV ist der Ausgleich einer besonderen Belastung und nach Möglichkeit ihre Vermeidung. Eine Überschreitung der Vollzeittätigkeit von 37,5 Wochenstunden allein führt noch nicht zu einer Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Zuschlag zu bezahlen. Erst wenn die Arbeitszeit über 40 Stunden hinausgeht, wird der Zuschlag ausgelöst, ab der 40. Stunde ein Zuschlag von 25 % und ab der 45. Stunde ein Zuschlag von 50 %. § 7aMTV enthält eine ausdrückliche Regelung, nach der Mehrarbeit nach Möglichkeit zu vermeiden ist. Die Tarifvertragsparteiengingen ersichtlich davon aus, dass das Überschreiten der Arbeitszeit ab der 40. bzw. der 45. Stunde unter Berücksichtigung der sich seit Jahrzehnten im deutschen Arbeitsleben tarif- und einzelvertraglich herausgebildeten Gepflogenheiten eine so erhebliche Inanspruchnahme des Arbeitnehmers darstellt, dass sie eine Honorierung bzw. einen Ausgleich zu erfahren hat und gleichzeitig einen nicht unerheblichen finanziellen Anreiz für den Arbeitgeber gibt, diese Inanspruchnahme nach Möglichkeit zu vermeiden. Wenn aber der Leistungszweck der Mehrarbeitszuschläge nach dem MTV die Vermeidung bzw. Honorierung einer bestimmten Gesamtbelastung des Arbeitnehmers ist, fehlt es bei Teilzeitkräften an einer Anspruchsgrundlage, weil die vom Tarifvertrag missbilligte Gesamtbelastung nicht erreicht wird.

Auch die von der Klägerin angeführte mittelbare Benachteiligung als Frau begründet ihren Anspruch nicht. Selbst wenn man davon ausginge, was vorliegend nicht feststellbar ist, dass Vollzeitbeschäftigte die genannte Belastung mit dem Überschreitender zuschlagsfrei abzuleistenden 2,5 Stunden in nennenswertem Umfang häufiger erfahren sollten, als Teilzeitbeschäftigte wie die Klägerin, wäre ihr der Zuschlag weder mittelbar noch unmittelbar wegen des geringeren Umfangs ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und ihres Geschlechts verwehrt, genauso wenig, wie etwa ein Erschwerniszuschlag für länger andauernde Arbeiten bei erheblichem Lärm und Staub geringfügig Teilzeitbeschäftigte diskriminiert, die diesem Ungemach nur kurzzeitig und weniger gesundheitsschädlich und deshalb nicht zuschlagpflichtig ausgesetzt sind.