Personaldienstleister und die Teilnahme am Sozialkassenverfahren

24. April 2022 -

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.12.2021 zum Aktenzeichen 10 AZR 101/20 entschieden, dass wenn ein Leiharbeitnehmer vom Entleiher, der keinen Baubetrieb i.S.v. § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes unterhält, mit baulichen Tätigkeiten beschäftigt wird, der Verleiher nach § 8 Abs. 3 AEntG aF in Bezug auf diesen Leiharbeitnehmer am Urlaubskassenverfahren teilnimmt. Der Verleiher ist nicht nur verpflichtet, Sozialkassenbeiträge an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft zu leisten, sondern kann auch die Erstattung von an den Leiharbeitnehmer gezahltem Urlaubsentgelt verlangen.

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft von der Beklagten, einer Personaldienstleisterin, einziehen kann und im Rahmen einer Widerklage darüber, ob der Kläger Urlaubsentgelt an die Beklagte erstatten muss. Von Januar bis Juni 2015 überließ die Beklagte einen gewerblichen Arbeitnehmer an eine GmbH, die keinen Baubetrieb unterhält, und zahlte an ihn Urlaubsentgelt. Bei der GmbH führte der überlassene Arbeitnehmer Tiefbauarbeiten aus. Der Kläger fordert für den überlassenen Arbeitnehmer Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft von der Beklagten. Für den Fall einer bestehenden Beitragspflicht verlangt die Beklagte, dass der Kläger ihr ausgezahltes Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung erstattet. Die Parteien stützen ihre Ansprüche auf § 8 Abs. 3 AEntG a.F. i.V.m. dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV 2014). Der VTV 2014 wurde am 06.07.2015 für allgemeinverbindlich erklärt. Das ArbG hat der Beitragsklage stattgegeben und die auf Erstattung von Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung gerichtete Widerklage abgewiesen. Das LAG hat die Stattgabe der Klage bestätigt und die Widerklage in Bezug auf die begehrte Erstattung von Urlaubsentgelt für begründet angesehen. Die hiergegen erhobene Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch aus § 8 Abs. 3 AEntG a.F. i.V.m. § 12 Abs. 1 und 2 VTV 2014 auf Erstattung von Urlaubsentgelt, das sie an den entliehenen Arbeitnehmer gezahlt hat. Wird ein Leiharbeitnehmer vom Entleiher, der keinen Baubetrieb i.S.v. § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes unterhält, mit baulichen Tätigkeiten beschäftigt, nimmt der Verleiher in Bezug auf diesen Leiharbeitnehmer am Urlaubskassenverfahren teil (§ 8 Abs. 3 AEntG aF). Er muss Sozialkassenbeiträge leisten und kann die Erstattung von an den Leiharbeitnehmer gezahltem Urlaubsentgelt verlangen. Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse ist auch dann verpflichtet, dem Leiharbeitgeber das an den mit baulichen Tätigkeiten beschäftigten Leiharbeitnehmer ausgezahlte Urlaubsentgelt zu erstatten, wenn der Entleiher keinen Betrieb des Baugewerbes unterhält. Das ergibt die Auslegung von § 8 Abs. 3 AEntG a.F. durch den 10. Senat nach Wortlaut, systematischem Zusammenhang, Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte. Gemeinsame Einrichtungen stehen regelmäßig in einer Beitragsbeziehung zu den verpflichteten Arbeitgebern und in einer Leistungsbeziehung zu den begünstigten Arbeitnehmern. In die Leistungsbeziehung zwischen der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft
und den begünstigten Arbeitnehmern ist hinsichtlich des Urlaubsentgelts der jeweilige Arbeitgeber als Zahlstelle „zwischengeschaltet“. Der Gesetzgeber war nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen daran gehindert, § 8 Abs. 3 AEntG aF auf Fallgestaltungen zu erstrecken, in denen der Betrieb des Entleihers nicht in den fachlichen Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags oder der Rechtsverordnung fällt. § 8 Abs. 3 AEntG a.F. verletzt weder das allgemeine Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG noch das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit.

Eine ausnahmsweise zulässige Klageänderung in der Revisionsinstanz erfordert grundsätzlich, dass der Kläger Rechtsmittelführer ist. Allein die Einlegung der Revision oder Anschlussrevision eröffnet den Parteien die Möglichkeit, Sachanträge zu stellen. Wer nicht selbst Rechtsmittelführer ist und auch kein Anschlussrechtsmittel eingelegt hat, ist auf die Abwehr des Rechtsmittels beschränkt, ohne eine Änderung des angegriffenen Urteils zu seinen Gunsten erreichen zu können.