Privatnutzung von Dienstwagen bei Freistellung: Bundesarbeitsgericht stärkt Arbeitnehmerrechte

11. Juni 2025 -

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 12. Februar 2025  – 5 AZR 171/24 eine praxisrelevante Entscheidung zur Rückgabe von Dienstwagen bei Freistellung gefällt. Demnach ist die sofortige Entziehung der privaten Dienstwagennutzung während einer Kündigungsfrist nicht ohne Weiteres zulässig – vor allem dann nicht, wenn sie zu steuerlichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führt. Arbeitgeber müssen bei Widerrufsvorbehalten künftig stärker auf Billigkeit und den Zeitpunkt der Rückgabe achten.

Kläger forderte Nutzungsausfallentschädigung

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, dem vertraglich ein Dienstwagen zur Verfügung stand, den er auch privat nutzen durfte. Als der Arbeitgeber – ein Träger eines Seniorenzentrums – ihm im Mai 2023 betriebsbedingt kündigte, wurde der Kläger unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Noch im selben Monat forderte der Arbeitgeber die Rückgabe des Fahrzeugs. Der Kläger kam dieser Aufforderung nach, verlangte jedoch für den restlichen Mai sowie für die folgenden Monate bis zum Vertragsende im August eine Nutzungsausfallentschädigung – insgesamt rund 1.500 Euro netto.

ArbG und LAG wiesen Klage ab – BAG gibt teilweise Recht

Sowohl das Arbeitsgericht Köln als auch das Landesarbeitsgericht Köln wiesen die Klage zunächst ab. Erst das Bundesarbeitsgericht hob die Urteile auf und sprach dem Kläger einen Teilbetrag von 137,10 Euro brutto für die Nutzungstage vom 23. bis 31. Mai 2023 zu. Die Erfurter Richter stellten klar: Der vertraglich vereinbarte Widerruf der Privatnutzung war zwar grundsätzlich zulässig, aber die konkrete Ausübung des Widerrufsrechts verletzte das Gebot des billigen Ermessens.

Steuerrechtlich volle Monatsversteuerung – trotz vorzeitiger Rückgabe

Der Knackpunkt lag im Detail: Die private Nutzung des Dienstwagens wurde pauschal nach der sogenannten 1-%-Regelung versteuert – und das jeweils für den vollen Kalendermonat, unabhängig davon, wann der Wagen tatsächlich genutzt wurde. Indem der Kläger den Dienstwagen bereits am 23. Mai zurückgeben musste, musste er den gesamten Monat steuerlich versteuern, ohne ihn tatsächlich vollständig nutzen zu können. Dies wertete das BAG als unzumutbare Benachteiligung.

Widerruf zum Monatsende wäre zumutbar gewesen

Nach Ansicht der höchsten deutschen Arbeitsrichter hätte der Arbeitgeber die Rückgabe frühestens zum Monatsende anordnen dürfen. Andernfalls sei eine anteilige Nutzungsausfallentschädigung geschuldet. Der Arbeitgeber hätte zwar grundsätzlich das Recht, die private Nutzung eines Dienstwagens bei Freistellung zu widerrufen – allerdings nur im Rahmen billigen Ermessens (§ 315 BGB). Genau daran fehlte es hier.

Auswirkungen auf Vertragsgestaltung und Personalpraxis

Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil, dass sie Widerrufsklauseln in Arbeitsverträgen künftig nicht nur rechtlich sauber formulieren, sondern auch im Einzelfall mit Augenmaß anwenden müssen. Wer eine Rückgabe mitten im Monat anordnet, sollte entweder steuerliche Nachteile ausgleichen oder den Wagen bis zum Monatsende belassen.

Für Arbeitnehmer wiederum bedeutet die Entscheidung eine Stärkung ihrer Rechte: Auch während einer Freistellung behalten sie Anspruch auf vereinbarte geldwerte Vorteile – zumindest anteilig – sofern deren Entziehung unbillig erfolgt.

Mit dem Urteil 5 AZR 171/24 schafft das Bundesarbeitsgericht Klarheit im Umgang mit der privaten Dienstwagennutzung bei Freistellung. Die Entscheidung zeigt, dass Arbeitgeber bei vertraglichen Widerrufsmöglichkeiten nicht nur formal, sondern auch materiell gerecht handeln müssen. Für viele Beschäftigte mit Dienstwagen dürfte dieses Urteil erhebliche Bedeutung haben – nicht nur steuerlich, sondern auch hinsichtlich ihres verbleibenden Vergütungsanspruchs nach einer Kündigung.


Hintergrund:
Das Urteil knüpft an frühere Entscheidungen zur Zulässigkeit von Widerrufsklauseln bei geldwerten Vorteilen an, betont aber stärker als bisher den steuerlichen Kontext und das Erfordernis billigen Ermessens in der praktischen Umsetzung. Damit ist es richtungsweisend für alle Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden privat nutzbare Dienstwagen zur Verfügung stellen.