Rechtsanwälte aus Sozietät dürfen verschiedene Beschuldigte als Pflichtverteidiger vertreten

Das Landgericht Osnabrück hat mit Beschluss vom 21.12.2020 zum Aktenzeichen 12 Qs/720 Js 2366/20 – 33/20 entscheiden, dass ein Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt werden kann, auch wenn ein anderer Rechtsanwalt der Sozietät einen anderen Beschuldigten vertritt.

Eine Verteidigerbestellung von Anwälten aus derselben Kanzlei für Mitbeschuldigte ist nicht generell unzulässig. Die bloße Möglichkeit einer Interessenkollision stellt hierbei keinen wichtigen Grund dar, um von einer Pflichtverteidigerbestellung abzusehen. Es sind vielmehr konkrete Hinweise auf einen Interessenkonflikt notwendig, die nicht per se in einer kollegialen Verbundenheit der Rechtsanwälte oder einer gemeinsamen Nutzung von kanzleiinternen Ressourcen besteht.

Eine Begrenzung auf die bloße Möglichkeit einer Interessenkollision wäre zu weitreichend und würde in unverhältnismäßigem Maße einer zunehmenden Spezialisierung im Anwaltsberuf und damit einer verstärkten Ausübung in Form von überörtlichen Sozietäten entgegenstehen.

Im Übrigen obliegt die Beurteilung, ob Umstände vorliegen, die die Ablehnung eines Pflichtverteidigers wegen einer Interessenkollision begründen können, dem zuständigen Gerichtsvorsitzenden, welchem hierbei ein gewisser Beurteilungsspielraum zukommt, der nicht der umfassenden Nachprüfung des Rechtsmittelgerichts unterliegt.

Konkrete Anhaltspunkte für einen bereits bestehenden oder absehbaren Interessenkonflikt sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht bereits aus dem Verdacht einer gemeinsamen Tatbegehung. Ein diesbezüglicher Verdacht wird bei gemeinsamer Verfolgung mehrerer Beschuldigter in einem Verfahren regelmäßig zugrunde liegen und ebenso regelmäßig wird dies für die jeweiligen Beschuldigten die Frage aufwerfen, ob im Interesse eigener Entlastung andere Beschuldigte hinsichtlich ihrer Tatbeiträge belastet werden sollen oder aber – ggf. eigeninteressenwidrig – geschwiegen werden soll. Allerdings bleibt die dadurch aufgeworfene Frage, ob die jeweilige Verteidigungsstrategie den eigenen Interessen entspricht oder zuwiderläuft, rein hypothetisch, solange die einzelnen Tatbeiträge nicht objektiviert werden können; die Annahme eines konkreten Interessenkonflikts kann darauf nicht gestützt werden. Zudem würde, ließe man allein die gemeinsame Verfolgung mehrerer Beschuldigter bereits für die Annahme einer konkreten Interessenkollision genügen, das Postulat der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Verteidigung durch kollegial verbundene Rechtsanwälte weitgehend aufgehoben.

Schließlich folgt ein konkreter Interessenkonflikt auch nicht aus dem bisherigen Einlassungsverhalten der Beschuldigten; der Beschuldigte A wie auch der Beschuldigte B haben bislang keine Einlassung zur Sache abgegeben. Allein aber aus dem jeweiligen Recht der Beschuldigten, eine solche Einlassung zur Sache abzugeben oder von ihrem Recht zu Schweigen Gebrauch zu machen, kann nicht per se auf einen Interessenkonflikt geschlossen werden. Auf die jeweilige Sozietätszugehörigkeit der einzelnen Verteidiger kommt es hierbei nicht an. Ferner können vom Einlassungsverhalten weiterer Mitbeschuldigter, die nicht von Verteidigern derselben Sozietät verteidigt werden, im derzeitigen Verfahrensstadium keine Anhaltspunkte für einen konkreten abgeleitet werden.