Stellenabbau bei der FilamentFactory Bad Hersfeld – Rechte und Handlungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer

22. Juli 2025 -

Das Traditionsunternehmen FilamentFactory in Bad Hersfeld – ehemals Teil von Hoechst/Performance Fibers – hat angekündigt, rund 100 der 235 Stellen abzubauen. Dies ist ein drastischer Einschnitt: Von derzeit 235 Beschäftigten sollen künftig nur noch 132 in Bad Hersfeld arbeiten, ein Abbau von über 100 Jobs. Ein Teil der Stellenstreichungen soll zwar über natürliche Fluktuation erfolgen, doch rechnet die Geschäftsführung immer noch mit bis zu 70 betriebsbedingten Kündigungen. Als Gründe nennt das Unternehmen weltwirtschaftliche Schwierigkeiten, Insolvenzen wichtiger Kunden und gestiegene Energiekosten. Die Belegschaft wurde bereits am 16. Juli in einer Betriebsversammlung über die Pläne informiert, und erste Gespräche mit dem Betriebsrat haben begonnen.

Eine solche Nachricht sorgt verständlicherweise für Verunsicherung und viele Fragen bei den Beschäftigten und ihren Familien. Was bedeutet diese Ankündigung rechtlich? Welche Rechte haben Sie als Arbeitnehmer in dieser Situation und welche Schritte stehen nun bevor? Im Folgenden geben wir einen ausführlichen, gut gegliederten Rechtstipp – empathisch unterstützt und fachlich fundiert – der Sie über die arbeitsrechtlichen Auswirkungen aufklärt und Handlungsmöglichkeiten aufzeigt. Sie erfahren, was eine solche Ankündigung juristisch bedeutet, wie ein Verfahren bei betriebsbedingten Kündigungen abläuft, welche Rolle der Betriebsrat spielt, was es mit der Sozialauswahl auf sich hat und was im Hinblick auf Abfindung, Transfergesellschaft oder Arbeitslosengeld wichtig ist. Außerdem weisen wir auf Fristen und Pflichten hin, die betroffene Arbeitnehmer unbedingt beachten müssen. Dabei stützen wir uns auf seriöse arbeitsrechtliche Quellen und möchten Ihnen damit Orientierung und Unterstützung in dieser schwierigen Lage bieten.

Rechtliche Bedeutung der Ankündigung eines Stellenabbaus

Eine bloße Ankündigung von Stellenabbau ist noch keine Kündigung. Rechtlich bedeutet sie zunächst, dass der Arbeitgeber eine beabsichtigte Betriebsänderung mitteilt – in diesem Fall eine erhebliche Personalreduzierung. Noch haben die Beschäftigten ihre Arbeitsplätze; die Ankündigung signalisiert aber, dass ein formales Verfahren folgen wird. Insbesondere bei einem so umfangreichen Abbau greift das Arbeitsrecht besondere Schutzmechanismen. Im Raum steht hier eine Massenentlassung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes.

  • Nach § 17 KSchG muss ein Arbeitgeber Massenentlassungen vorab der Agentur für Arbeit anzeigen, wenn eine bestimmte Anzahl von Kündigungen relativ zur Betriebsgröße geplant ist. Im Betrieb der FilamentFactory (rund 235 Beschäftigte) ist diese Schwelle überschritten, da mehr als 10 % der Belegschaft bzw. über 25 Mitarbeiter von Kündigung betroffen sein sollen. Eine solche Ankündigung bedeutet daher formal, dass der Arbeitgeber eine Massenentlassungsanzeige vorbereiten muss. Er ist gesetzlich verpflichtet, die Arbeitsagentur zu informieren, bevor Kündigungen ausgesprochen werden.
  • Schutz durch Vorlaufzeit: Kündigungen können bei einer Massenentlassung nicht sofort wirksam werden. Vom Zeitpunkt der Anzeige bei der Arbeitsagentur an läuft in der Regel eine Sperrfrist von mindestens einem Monat, bevor Kündigungen wirksam werden dürfen. Die Ankündigung gibt also einen Vorlauf – es besteht nicht die Gefahr, dass von heute auf morgen alle 100 Beschäftigten entlassen sind. Vielmehr folgt nun ein geordnetes Verfahren.
  • Betriebsänderung nach BetrVG: Ein Stellenabbau dieser Größenordnung gilt zudem als Betriebsänderung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Bei Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Mitarbeitern (wie hier) muss der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend informieren und beraten, wenn einschneidende Änderungen anstehen (§ 111 BetrVG). Die Ankündigung bedeutet also, dass jetzt Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan beginnen (dazu unten mehr). Sie als Arbeitnehmer haben dadurch indirekt Rechte: Der Betriebsrat vertritt Ihre Interessen in diesen Gesprächen.

Kurz gesagt: Die Ankündigung eines großen Stellenabbaus setzt bestimmte rechtliche Verfahren in Gang, die dem Schutz der Arbeitnehmer dienen. Noch ist nichts endgültig – es besteht Zeit und Gelegenheit, sozialverträgliche Lösungen auszuhandeln, Alternativen zu prüfen und für die Betroffenen Unterstützung zu organisieren. Wichtig ist jedoch, von Anfang an aufmerksam zu bleiben und seine Rechte zu kennen.

Rechte der Arbeitnehmer bei Stellenabbau

Wenn ein Unternehmen Stellen abbaut – insbesondere in Form betriebsbedingter Kündigungen – genießen Arbeitnehmer in Deutschland umfangreiche Schutzrechte. Diese sollen sicherstellen, dass ein Personalabbau fair, transparent und sozial abgefedert abläuft. Hier sind die wichtigsten Rechte betroffener Arbeitnehmer im Überblick:

  • Kündigungsschutz nach KSchG: Beschäftigte, die länger als 6 Monate im Betrieb sind und in einem Unternehmen mit mehr als 10 Arbeitnehmern arbeiten, fallen unter das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dieses verlangt, dass eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss. Bei betriebsbedingten Kündigungen bedeutet das: Es muss ein dringender betrieblich bedingter Grund vorliegen (z.B. Stellenwegfall aus wirtschaftlichen Gründen) und der Arbeitgeber muss eine korrekte Sozialauswahl durchführen (siehe unten). Ohne sozialen Rechtfertigungsgrund ist die Kündigung unwirksam.
  • Anhörung durch den Betriebsrat: Vor jeder Kündigung muss der Betriebsrat angehört werden (§ 102 BetrVG). Der Betriebsrat kann zwar eine Kündigung nicht einseitig verhindern, aber er kann Bedenken oder Widerspruch anmelden. Eine ohne Betriebsratsanhörung ausgesprochene Kündigung wäre rechtlich unwirksam. Gerade bei einem großen Stellenabbau hat der Betriebsrat das Recht, nach § 17 KSchG schon vor der Massenentlassungsanzeige umfassend informiert und konsultiert zu werden. Der Arbeitgeber darf den Betriebsrat nicht vor vollendete Tatsachen stellen, sondern muss mit ihm beraten, ob Entlassungen vermieden oder sozialverträglicher gestaltet werden können.
  • Schutz durch Sozialplan und Interessenausgleich: In Betrieben mit Betriebsrat und >20 Mitarbeitern besteht ein Anspruch auf Verhandlungen über einen Sozialplan. Der Sozialplan ist eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, die finanzielle Ausgleiche und Hilfsmaßnahmen für die von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter regelt (z.B. Abfindungszahlungen, Transfermaßnahmen). Arbeitnehmer haben ein Recht darauf, dass der Betriebsrat einen Sozialplan durchsetzt – notfalls kann dieser in der Einigungsstelle erzwungen werden. Zudem wird häufig ein Interessenausgleich verhandelt, der den Umfang und Ablauf der Betriebsänderung festlegt (z.B. wie viele Stellen, in welchen Bereichen, zu welchem Zeitpunkt). Zwar kann der Interessenausgleich nicht erzwungen werden, aber er dient dazu, die Maßnahmen abzustimmen und ggf. Alternativen zu prüfen.
  • Informationsrechte: Sie haben das Recht, über anstehende Veränderungen informiert zu werden. Üblicherweise erfolgen Betriebsversammlungen (wie bereits geschehen) und regelmäßige Updates. Der Betriebsrat kann Einblick in die Planungen fordern. Im Rahmen der Massenentlassung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat schriftlich die Gründe, Zahl und Berufsgruppen der Betroffenen, den Zeitraum der Kündigungen, Kriterien der Auswahl und ggf. Abfindungskriterien mitteilen. Diese Informationen müssen auch der Agentur für Arbeit vorgelegt werden – es gibt also eine gewisse Transparenz, die Ihnen indirekt zugutekommt.
  • Kündigungsfristen & Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf: Sollte es tatsächlich zu Kündigungen kommen, gilt: Arbeitnehmer haben Anspruch auf Einhaltung der Kündigungsfristen. Die gesetzliche Grundkündigungsfrist beträgt 4 Wochen zum 15. oder Monatsende; je nach Betriebszugehörigkeit verlängern sich die Fristen deutlich (bis zu sieben Monate zum Monatsende bei über 20 Jahren Betriebszugehörigkeit, § 622 BGB). Während der Kündigungsfrist bleibt das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten bestehen – man erhält also weiterhin Gehalt bis zum letzten Tag. In vielen Fällen bedeutet dies auch, dass einige Betroffene womöglich erst gegen Ende des Jahres oder später tatsächlich aus dem Betrieb ausscheiden, je nach individueller Kündigungsfrist.
  • Anspruch auf Abfindung (unter bestimmten Voraussetzungen): Entgegen einer verbreiteten Annahme besteht kein automatischer gesetzlicher Anspruch auf eine Abfindung bei Kündigung. Allerdings gibt es in der Praxis oft Abfindungen – entweder aufgrund eines Sozialplans, durch individuelle Vereinbarung oder vor Gericht als Vergleich. Ein Rechtsanspruch auf Abfindung besteht insbesondere dann, wenn im Rahmen einer Betriebsänderung ein Sozialplan Abfindungen vorsieht (möglich nur in Betrieben mit Betriebsrat und >20 Beschäftigten). Auch wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung schließen, wird dieser Anspruch vertraglich begründet. Ferner kann der Arbeitgeber in einem betriebsbedingten Kündigungsschreiben eine Abfindung nach § 1a KSchG anbieten (üblich sind 0,5 Monatsgehälter pro Jahr Betriebszugehörigkeit) – nimmt der Arbeitnehmer das Angebot an und erhebt keine Kündigungsschutzklage, entsteht ein Anspruch auf diese Abfindung. Schließlich kann das Arbeitsgericht ausnahmsweise eine Abfindung zusprechen, wenn es die Kündigung zwar für unwirksam hält, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer aber unzumutbar ist (§ 9 KSchG).
  • Schutz besonderer Personengruppen: Sollten unter den Betroffenen z.B. Schwerbehinderte, Schwangere oder Beschäftigte in Elternzeit sein, greifen zusätzliche Sonderkündigungsschutz-Regelungen. Eine Kündigung Schwerbehinderter bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Schwangere und Mütter im Mutterschutz sowie Personen in Elternzeit dürfen grundsätzlich nicht gekündigt werden (bzw. nur in absoluten Ausnahmefällen mit behördlicher Zustimmung). Diese Personen wären in der Sozialauswahl zwar mitzuzählen, aber praktisch zunächst vor Kündigung geschützt. (Hinweis: Ein 2016 ergangenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellte klar, dass Arbeitnehmer in Elternzeit bei einer Massenentlassung nicht benachteiligt werden dürfen – sie zählen für den Schwellenwert mit, und eine Kündigung kann erst zum Ende der Elternzeit ausgesprochen werden, gilt aber als Teil der gleichzeitigen Entlassungswelle.)
  • Recht auf Arbeitszeugnis: Am Ende des Arbeitsverhältnisses – sei es durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag – haben Arbeitnehmer Anspruch auf ein schriftliches Arbeitszeugnis, das wohlwollend formuliert sein muss. Dies ist wichtig für die Stellensuche.

Zusammengefasst: Arbeitnehmer sind im Falle eines Stellenabbaus nicht rechtlos ausgeliefert. Das Kündigungsschutzgesetz und das Betriebsverfassungsrecht sorgen dafür, dass betriebsbedingte Kündigungen nur unter engen Voraussetzungen wirksam sind. Gleichzeitig stehen Instrumente wie Sozialplan und Abfindungen zur Verfügung, um finanzielle Nachteile abzumildern. Im nächsten Abschnitt schauen wir uns an, wie genau ein solches Verfahren bei betriebsbedingten Kündigungen abläuft.

Betriebsbedingte Kündigungen – Ablauf und Voraussetzungen des Verfahrens

Ein Personalabbau aus betrieblichen Gründen durchläuft mehrere Stufen, die teils gesetzlich vorgeschrieben sind. Hier ist ein typischer Ablauf, wie er auch bei der FilamentFactory zu erwarten ist, sofern tatsächlich betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden müssen:

  • Planung und Begründung durch den Arbeitgeber: Zuerst muss der Arbeitgeber die betrieblichen Gründe darlegen, die den Stellenabbau notwendig machen. Bei FilamentFactory wurden als Gründe z.B. Überkapazitäten am Standort, Kostenprobleme und Auftragsrückgänge genannt. Wichtig: Ein bloßer Umsatzrückgang oder allgemeine Kostensparpläne reichen nicht automatisch für Kündigungen. Es muss ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegen, z.B. der dauerhafte Wegfall von Arbeitsplätzen (weil bestimmte Produktionslinien eingestellt oder verlagert werden). Diese unternehmerische Entscheidung darf der Arbeitgeber grundsätzlich treffen. Die Gerichte überprüfen im Kündigungsschutzprozess vor allem, ob die Prognose plausibel ist und tatsächlich Stellen wegfallen. In unserem Fall kündigt die Firma z.B. an, nicht mehr alle Produkte in Bad Hersfeld zu fertigen und einen Teil der Produktion auszulagern – das spricht für einen echten Wegfall von Arbeit in bestimmten Bereichen.
  • Beteiligung des Betriebsrats (Konsultation): Steht der Entschluss für den Abbau fest, muss der Arbeitgeber frühzeitig den Betriebsrat schriftlich informieren (§ 17 Abs.2 KSchG). Dabei sind detaillierte Angaben zu machen: Grund der Entlassungen, Zahl und Berufsgruppen der zu Kündigenden und der insgesamt Beschäftigten, Zeitraum der Kündigungen, Kriterien für die Auswahl und für berechnete Abfindungen. Mindestens 2 Wochen vor der Anzeige an die Arbeitsagentur muss der Betriebsrat diese Infos haben. Dann findet eine Beratung mit dem Betriebsrat statt, um Alternativen zu prüfen (z.B. Kurzarbeit, Versetzungen, freiwillige Aufhebungsverträge) und die sozialen Folgen zu diskutieren. In der Praxis wird in dieser Phase meist auch über den Interessenausgleich (Ob, Wann, Wie des Abbaus) und den Sozialplan (Ausgleichsmaßnahmen) verhandelt. Für die Arbeitnehmer heißt das: Ihre Interessen werden hier kollektiv eingebracht. Der Betriebsrat kann vorschlagen, Kündigungen durch andere Maßnahmen zu vermeiden, oder zumindest Kriterien für sozialverträgliche Auswahl und Abfindungen festzurren.
  • Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit: Liegt das Konzept fest und sind voraussichtlich so viele Kündigungen geplant, dass § 17 KSchG greift (wie hier der Fall, da >25 Personen bzw. >10 % der Belegschaft betroffen), muss der Arbeitgeber schriftlich Anzeige bei der zuständigen Arbeitsagentur erstatten. Diese Anzeige enthält im Kern die gleichen Informationen, die auch dem Betriebsrat mitgeteilt wurden (Gründe, Zahlen, Auswahlkriterien usw.). Wichtig: Der Arbeitgeber muss der Agentur auch nachweisen, dass der Betriebsrat konsultiert wurde – entweder durch Stellungnahme des Betriebsrats oder zumindest durch Ablauf der 2-Wochen-Frist mit Bericht über den Beratungsstand. Ohne diese Anzeige darf kein Kündigungsschreiben ausgehändigt werden. Wird die Agentur nicht oder fehlerhaft informiert, sind später ausgesprochene Kündigungen unwirksam. Die Agentur bestätigt den Eingang der Anzeige und wacht über die einzuhaltende Wartefrist (i.d.R. 1 Monat ab Eingang, § 17 Abs.3 KSchG). Während dieser Frist kann sie schon beginnen, den Betroffenen bei der Stellensuche zu helfen, und der Arbeitgeber darf Kündigungen zwar aussprechen, aber wirksam werden diese frühestens nach Ablauf der Frist.
  • Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter (Sozialauswahl): Parallel zu den oben genannten Schritten – meist in Abstimmung mit dem Betriebsrat – trifft der Arbeitgeber die Entscheidung, welche konkreten Arbeitnehmer die Kündigung erhalten sollen. Dies muss im Rahmen der Sozialauswahl geschehen (dazu im nächsten Abschnitt ausführlich). Kurz gesagt: Der Arbeitgeber muss aus dem Kreis vergleichbarer Mitarbeiter diejenigen auswählen, für die die Entlassung sozial am wenigsten hart wäre, basierend auf Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Beispielsweise wird man eher einen jüngeren, unverheirateten Mitarbeiter ohne Kinder kündigen als eine langjährige ältere Mitarbeiterin mit Familie – sofern beide auf ähnlichen Positionen austauschbar sind. Die getroffene Auswahl wird oft in einer Namensliste festgehalten, insbesondere wenn ein Interessenausgleich vereinbart wird. Steht ein Arbeitnehmer auf einer von Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbarten Namensliste, wird vor Gericht vermutet, dass die Auswahl korrekt war – sie kann dann nur auf „grob fehlerhafte“ Entscheidungen überprüft werden. Das reduziert die Klagemöglichkeiten der Betroffenen erheblich. (Mehr dazu im Abschnitt Sozialauswahl.)
  • Kündigungsschreiben und Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG: Für jeden Arbeitnehmer, dem gekündigt werden soll, muss nochmals formal der Betriebsrat angehört werden. Dieser erhält eine Liste der Namen und die Gründe für die Auswahl. Er kann Bedenken äußern oder Widerspruch einlegen (etwa wenn er die Sozialauswahl für falsch hält oder einen anderen freien Arbeitsplatz für den Betroffenen sieht). Dennoch kann der Arbeitgeber anschließend die Kündigung aussprechen – er muss dem Arbeitnehmer lediglich den Widerspruch des Betriebsrats mitteilen, falls erfolgt. Die Kündigung selbst muss schriftlich erfolgen, mit Originalunterschrift, und dem Arbeitnehmer zugehen (§ 623 BGB). Mündliche oder elektronische Kündigungen sind unwirksam. Im Kündigungsschreiben muss kein ausführlicher Grund stehen (außer bei besonderen Fällen wie Schwangeren mit behördlicher Zustimmung); oft enthält das Schreiben aber Hinweise, z.B. ob eine Abfindung gemäß § 1a KSchG angeboten wird.
  • Reaktion der Arbeitnehmer – Annahme, Widerspruch, Kündigungsschutzklage: Erhält ein Arbeitnehmer die Kündigung, beginnt eine wichtige Frist zu laufen: Binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung muss eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben werden, falls man sich gegen die Kündigung wehren will (§ 4 KSchG). Tut man dies nicht, gilt die Kündigung – selbst wenn sie sozial ungerechtfertigt oder formal fehlerhaft war – als von Anfang an rechtswirksam. Daher ist es entscheidend, schnell zu handeln, sich ggf. rechtlich beraten zu lassen und die Klage rechtzeitig einzureichen. In der Praxis wenden sich viele Betroffene an ihre Gewerkschaft (z.B. IG Metall, IG BCE) oder einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, um die Erfolgsaussichten abzuwägen. Alternativ kann man die Kündigung akzeptieren und z.B. eine angebotene Abfindung nehmen. Manche Arbeitnehmer legen auch innerhalb von 1 Woche schriftlich beim Arbeitgeber Widerspruch gegen die Kündigung ein (das ist nicht zwingend, aber bei manchen Tarifverträgen für bestimmte Ansprüche relevant). Wichtig zu wissen: Die Kündigungsschutzklage ist das Mittel der Wahl, um die Kündigung gerichtlich prüfen zu lassen – entweder mit dem Ziel, den Job zu behalten, oder um eine verbesserte Abfindung auszuhandeln.
  • Verhandlung vor dem Arbeitsgericht / Güteverhandlung: Nach Klageerhebung kommt es meist rasch (oft innerhalb weniger Wochen) zu einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht. Dort wird häufig über einen Vergleich verhandelt. In vielen Fällen einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine Abfindung, um den Streit beizulegen – insbesondere wenn die Sozialauswahl zweifelhaft war oder formale Fehler passiert sind, die Kündigung also anfechtbar wäre. Wenn ein Sozialplan bereits Abfindungen vorsieht, wird dieser Anspruch dadurch nicht berührt – ein Vergleich führt oft nur zu zusätzlichen Leistungen oder einer Bestätigung der Konditionen. Kommt kein Vergleich zustande, folgt ein Kammertermin, und das Gericht entscheidet über die Wirksamkeit der Kündigung.
  • Beendigung des Arbeitsverhältnisses / Übergang in Transfergesellschaft: Ist die Kündigung rechtswirksam (durch Klageverzicht, Vergleich oder Gerichtsentscheidung) und die Kündigungsfrist abgelaufen, endet das Arbeitsverhältnis. Zu diesem Zeitpunkt greifen dann ggf. die im Sozialplan vereinbarten Leistungen: Auszahlung der Abfindung, Angebot einer Transfergesellschaft (falls vorgesehen), Freistellung von der Arbeit in der Restzeit etc. Falls eine Transfergesellschaft eingerichtet wurde, wechseln die betreffenden Mitarbeiter nahtlos in diese über (siehe unten). Andernfalls melden sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos und können Arbeitslosengeld I beantragen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.

Dieser grobe Ablauf kann je nach Einzelfall variieren. Mitunter bieten Arbeitgeber den Mitarbeitern auch freiwillige Aufhebungsverträge mit Abfindung an, um Kündigungen zu vermeiden – wer freiwillig geht, entlastet die Sozialauswahl. Auch Versetzungen in andere Standorte oder Qualifizierungsangebote können Teil der Lösung sein. Für Sie als betroffener Arbeitnehmer ist wichtig: Behalten Sie den Überblick über jede Stufe des Prozesses, nutzen Sie die Zeit, um sich ggf. beraten zu lassen, und wahren Sie Ihre Fristen (dazu später mehr). Als nächstes beleuchten wir die Rolle des Betriebsrats – Ihres wichtigsten Verbündeten im betrieblichen Krisenfall.

Die Rolle des Betriebsrats beim Stellenabbau

In einer Situation wie bei FilamentFactory – einem großen Stellenabbau – kommt dem Betriebsrat eine zentrale Rolle zu. Er ist die gewählte Vertretung der Belegschaft und hat nach dem Betriebsverfassungsgesetz weitreichende Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, um die Interessen der Arbeitnehmer zu wahren. Was bedeutet das konkret?

  • Information und Beratung: Zunächst muss der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend informieren, sobald die Planung eines Stellenabbaus konkret wird. Wie oben dargestellt, erhält der Betriebsrat alle relevanten Angaben (Gründe, Zahlen, Kriterien) schriftlich. Er hat dann das Recht, mit dem Arbeitgeber alle Möglichkeiten zu erörtern, um Entlassungen zu verhindern oder zu begrenzen. Der Betriebsrat kann Alternativvorschläge machen – etwa Kurzarbeit, interne Versetzungen, freiwillige Abfindungsprogramme, Einstellungsstopp etc. Der Arbeitgeber muss diese Vorschläge mit ihm beraten. Wichtig: Versäumt der Arbeitgeber diese ordnungsgemäße Konsultation, sind spätere Kündigungen unwirksam. Als Arbeitnehmer profitieren Sie indirekt davon, denn Ihr Betriebsrat achtet auf die Einhaltung der Regeln und kann notfalls rechtlich dagegen vorgehen.
  • Interessenausgleich verhandeln: Der Betriebsrat wird in aller Regel versuchen, einen Interessenausgleich mit dem Arbeitgeber auszuhandeln. Darin wird festgelegt, ob die Betriebsänderung durchgeführt wird, wann und wie genau (z.B. welcher Standortbereich wie viele Stellen abbaut). Der Interessenausgleich ist quasi ein „Fahrplan“ der Restrukturierung. Obwohl er freiwillig ist und keine individuellen Ansprüche der Arbeitnehmer begründet, ist er für beide Seiten wichtig: Der Arbeitgeber vermeidet dadurch Streit über die Notwendigkeit der Maßnahme, und der Betriebsrat kann die Modalitäten beeinflussen (z.B. phasenweise Umsetzung, Freiwilligenprogramme zuerst etc.). Tipp: Ist ein Interessenausgleich mit Namensliste der zu kündigenden Personen Bestandteil, sollten betroffene Mitarbeiter wissen, dass damit ihre Chance, gegen die Kündigung zu klagen, geringer wird – das Gericht prüft die Auswahl dann nur noch auf grobe Fehler. Der Betriebsrat wird solche Namenslisten daher sorgfältig prüfen.
  • Sozialplan durchsetzen: Noch wichtiger aus Arbeitnehmersicht ist der Sozialplan. Hier verhandelt der Betriebsrat über Abfederungsmaßnahmen: insbesondere Abfindungen, aber auch Transfersozialplan (Transfergesellschaft), Qualifizierungsangebote, Verlängerung von Kündigungsfristen, Zuschüsse zu Umzugskosten falls Versetzung, Altersteilzeit oder Vorruhestand für ältere Jahrgänge etc.. Der Betriebsrat hat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht beim Sozialplan (§ 112 BetrVG) – das heißt, wenn man sich mit dem Arbeitgeber nicht einigt, kann eine Einigungsstelle (eine Art Schlichtungsgremium mit neutralem Vorsitzenden) einen Sozialplan festlegen. Dies gibt dem Betriebsrat ein starkes Druckmittel. In der Praxis einigt man sich aber häufig so, da ein Sozialplan im Interesse beider Seiten ist. Für die Arbeitnehmer bedeutet ein Sozialplan verbindliche Ansprüche, etwa auf Abfindungszahlungen. Ein Sozialplan muss vom Arbeitgeber erfüllt werden und ist vor Gericht einklagbar.
  • Mitbestimmung bei Auswahlkriterien: Der Betriebsrat wirkt oft mit bei der Festlegung der Sozialauswahl-Kriterien. Zwar schreibt das Gesetz die Grundkriterien vor (Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhalt, Schwerbehinderung), doch in der Praxis werden oft Punktesysteme vereinbart. Der Betriebsrat achtet darauf, dass diese Kriterien fair angewandt werden. Er kann z.B. fordern, dass besondere Härten berücksichtigt werden – etwa Pflege von Angehörigen, Alleinerziehende etc., obwohl solche Faktoren nicht ausdrücklich im Gesetz stehen. Der Betriebsrat kann zudem darüber wachen, dass bestimmte Know-how-Träger nicht willkürlich verschont oder ausgenommen werden. (Das Gesetz erlaubt dem Arbeitgeber zwar, sog. Leistungsträger oder für den Betrieb unverzichtbare Spezialisten von der Sozialauswahl auszunehmen, § 1 Abs.3 KSchG – aber das darf nicht missbräuchlich erfolgen. Hier hat der Betriebsrat ein Auge drauf.)
  • Widerspruchsrecht nach § 102 BetrVG: Wenn es zur konkreten Kündigung kommt, hat der Betriebsrat das Recht, Widerspruch einzulegen, etwa wenn er der Meinung ist, die Kündigung verstößt gegen die Sozialauswahl oder es gäbe einen anderen freien Arbeitsplatz für den Mitarbeiter. Ein solcher Widerspruch muss schriftlich begründet werden. Für den Arbeitnehmer hat er den Vorteil, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess ggf. eine Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Verfahrens gewähren oder zumindest anbieten muss. Praktisch erhöht ein Widerspruch den Druck auf den Arbeitgeber, sich ggf. gütlich zu einigen. Allerdings kann der Arbeitgeber trotz Widerspruch kündigen – der Widerspruch zeigt seine Wirkung erst vor Gericht.
  • Nachteilsausgleich (§ 113 BetrVG): Falls der Arbeitgeber eine Betriebsänderung (wie den Stellenabbau) ohne Beteiligung des Betriebsrats oder vor Abschluss der Verhandlungen durchführt, können Arbeitnehmer unter Umständen einen Nachteilsausgleich verlangen. Dieser Anspruch kann z.B. ein zusätzliches Schadenersatz in Form von Abfindungen (bis zu 12 Monatsverdienste) sein. In unserer Situation, da die Firma Gespräche führt, ist das eher ein Szenario, das vermieden wird – aber das Wissen um dieses Recht erhöht die Verhandlungsbereitschaft des Arbeitgebers. Man hat es in der Hand, entweder einen Sozialplan zu vereinbaren oder andernfalls riskiert der Arbeitgeber teure Nachteilsausgleichsansprüche. Auch das ist ein indirekter Schutz für die Arbeitnehmer.

Kurzum: Der Betriebsrat ist Ihr Sprachrohr und Verteidiger in dieser Lage. Er handelt Sozialplan und Interessenausgleich aus und wacht darüber, dass die gesetzlichen Regeln eingehalten werden. Bleiben Sie mit dem Betriebsrat in Kontakt – etwa über Betriebsversammlungen oder Sprechstunden. Er kann zwar den Stellenabbau an sich meist nicht verhindern, aber maßgeblich mitgestalten, wie er umgesetzt wird. Die Präsenz eines engagierten Betriebsrats ist eine der besten Garantien dafür, dass Sie am Ende fair behandelt werden.

Sozialauswahl – wer verliert den Arbeitsplatz?

Bei betriebsbedingten Kündigungen ist der Arbeitgeber nicht völlig frei darin, wen er kündigt. Er muss eine Sozialauswahl durchführen (§ 1 Abs.3 KSchG). Dieses Prinzip soll sicherstellen, dass – wenn schon Entlassungen unvermeidbar sind – sie diejenigen treffen, die sozial am wenigsten schutzbedürftig sind. Für betroffene Arbeitnehmer ist es wichtig zu verstehen, wie diese Auswahl funktioniert:

  • Die vier gesetzlichen Kriterien: Das Kündigungsschutzgesetz nennt ausdrücklich Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung als Kriterien. Oft kommen im Detail noch weitere Faktoren ins Spiel (z.B. Schwerbehinderungsgrad, Zahl der Kinder, eventuell besondere familiäre Umstände). Diese Kriterien werden im Betrieb verglichen: Jedem Mitarbeiter in der Vergleichsgruppe wird sozusagen ein sozialer Status beigemessen. Häufig erfolgt das mittels Punktesystemen, bei denen z.B. pro Dienstjahr Punkte vergeben werden, pro Lebensjahr, pro Kind, für eine Schwerbehinderung usw.. Ein Beispiel: 1 Punkt pro Jahr Betriebszugehörigkeit, 1 Punkt pro Lebensjahr, 5 Punkte für Schwerbehinderung, 4 Punkte pro Kind, etc. – je nach Vereinbarung. Wer weniger Punkte hat, gilt als sozial weniger schutzwürdig und wird tendenziell zuerst gekündigt. Umgekehrt: hohe Punktzahl bedeutet hohe soziale Schutzbedürftigkeit (lange Betriebszugehörigkeit, hohes Alter, viele Kinder, evtl. schwerbehindert) – diese Mitarbeiter sollen nach Gesetz möglichst im Betrieb verbleiben. Typischerweise sind es also eher jüngere, ledige Arbeitnehmer ohne Unterhaltspflichten und mit kurzer Firmenzugehörigkeit, die als erste gekündigt werden.
  • Bildung von Vergleichsgruppen: Nicht alle Mitarbeiter werden untereinander verglichen, sondern nur vergleichbare. Vergleichbar sind in der Regel solche Arbeitnehmer, die austauschbar sind, d.h. ähnlich eingruppiert, mit ähnlichen Qualifikationen oder auf Positionen, die der Arbeitgeber für gleichwertig ansieht. Die Sozialauswahl findet innerhalb solcher Gruppen statt. Beispiel: Alle Sachbearbeiter in Abteilung X oder alle Maschinenführer in Schicht Y. Ein Arbeitgeber kann nämlich nicht jemanden aus der Buchhaltung mit jemand in der Produktion vergleichen – das sind unterschiedliche Funktionen. Daher ist immer erst zu prüfen: Welche Funktionen/Stellen fallen weg, und welche anderen Mitarbeiter könnten theoretisch auf diesen Stellen eingesetzt werden? Der Kreis dieser potenziell austauschbaren Mitarbeiter ist die Auswahlmasse.
  • Ausnahmen („Leistungsträger“ bzw. berechtigte betriebliche Bedürfnisse): Das Gesetz erlaubt es dem Arbeitgeber, einzelne Mitarbeiter trotz geringerer Sozialdaten aus der Auswahl herauszunehmen, wenn betriebliche Interessen dies rechtfertigen. Gemeint sind v.a. Schlüsselkräfte – also z.B. Spezialisten, deren Erhalt für die Zukunft des Restbetriebs wichtig ist, oder Führungskräfte, deren Austausch das Unternehmen gefährden würde. Diese sogenannte „Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers“ ist aber eng auszulegen. Oft werden hierzu in Sozialplänen Kriterien vereinbart, welche Funktionen als unentbehrlich gelten dürfen. Der Betriebsrat wird darauf achten, dass hier kein Missbrauch stattfindet (etwa dass willkürlich Lieblingsmitarbeiter geschont werden). In einem möglichen Prozess müsste der Arbeitgeber darlegen, warum ausgerechnet dieser Mitarbeiter unentbehrlich war.
  • Namenslisten in Interessenausgleichen: Wie oben erwähnt, kann es sein, dass Betriebsrat und Arbeitgeber im Interessenausgleich bereits eine konkrete Namensliste der zu Kündigenden erstellen. Das wäre quasi das Ergebnis der Sozialauswahl in Listenform. Steht Ihr Name auf so einer Liste, bedeutet das: Im Kündigungsschutzprozess wird vermutet, dass Ihre Kündigung durch dringende Gründe gedeckt und die Sozialauswahl korrekt war. Das Gericht prüft dann die Sozialauswahl nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit. Ein grober Fehler wäre z.B., wenn offensichtlich ein deutlich jüngerer Kollege mit viel kürzerer Betriebszugehörigkeit behalten wurde, obwohl Sie in allem vergleichbar sind. Die Hürden sind hoch – in der Regel hat man bei Vorliegen einer Namensliste weniger Chancen, die Kündigung abzuwenden. Deshalb sind Namenslisten zweischneidig: Für die Planung bringen sie Klarheit, aber für die Betroffenen schränken sie Klagerechte ein. Allerdings können auch bei einer Namensliste andere Unwirksamkeitsgründe einer Kündigung geprüft werden (z.B. Formfehler, fehlende Anzeige bei der Agentur, etc.).
  • Sozialauswahl als häufiger Streitpunkt: In vielen Kündigungsschutzklagen drehen die Argumente sich um die Sozialauswahl. Falls Sie das Gefühl haben, Sie seien sozial stärker schutzwürdig als jemand, der bleiben durfte, lohnt es sich, das von einem Experten prüfen zu lassen. Die Sozialauswahl muss allerdings betrieblich betrachtet werden: Man kann sich nicht mit jemand aus ganz anderer Abteilung vergleichen, nur weil dessen persönliche Daten „weniger schutzwürdig“ wirken. Es kommt immer auf die Vergleichsgruppe an. Daher ist es ratsam, Informationen darüber einzuholen, nach welchen Kriterien und Gruppen die Auswahl getroffen wurde – der Betriebsrat kann dazu Auskunft geben.

Zusammengefasst zwingt die Sozialauswahl den Arbeitgeber zu einem fairen, nachvollziehbaren Auswahlprozess. Sie als Arbeitnehmer können darauf vertrauen, dass Alter, Betriebstreue, Familienstand und soziale Umstände berücksichtigt werden müssen – nicht etwa Leistungskriterien oder Beliebtheit. Sollten Sie dennoch Zweifel an der richtigen Umsetzung haben, können Sie im Rahmen einer Kündigungsschutzklage genau dies rügen. Das Unternehmen muss dann darlegen, wie die Sozialauswahl ablief. Wichtig: Wenn Sie Mitglied eines besonderen Personenkreises sind (z.B. Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat selbst, etc.), genießen Sie ggf. Sonderkündigungsschutz; diese werden gar nicht erst in die Auswahl einbezogen.

Sozialplan, Abfindung, Transfergesellschaft – was bedeutet das für mich?

Ein zentraler Begriff bei größeren Stellenstreichungen ist der Sozialplan. Gerade die FilamentFactory als Traditionsbetrieb mit Betriebsrat wird aller Voraussicht nach einen Sozialplan für den Stellenabbau aufstellen. Hier erklären wir, was ein Sozialplan ist und welche Instrumente – insbesondere Abfindungen, Transfergesellschaften und Ansprüche auf Arbeitslosengeld – typischerweise dazugehören.

Sozialplan: Abfederung der wirtschaftlichen Nachteile

Ein Sozialplan ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die das Ziel hat, wirtschaftliche Nachteile der Arbeitnehmer auszugleichen oder zu mildern, die durch die Betriebsänderung entstehen. Konkret geht es meist um den Verlust des Arbeitsplatzes – das lässt sich nicht verhindern, aber man kann finanzielle Hilfen vereinbaren. Klassischerweise regelt ein Sozialplan vor allem Abfindungen für die ausscheidenden Mitarbeiter. Daneben können viele weitere Punkte vereinbart werden: z.B. Versetzungen auf andere Arbeitsplätze, Übernahme in Transfergesellschaft, Finanzierung von Weiterbildungen, Zuschüsse zum Umzug, Verlängerung der Kündigungsfristen oder besondere Hilfen für ältere Mitarbeiter (Vorruhestand, Altersteilzeit).

Wichtig: Ein Sozialplan ist rechtlich bindend – was darin zugesagt wird, können die Arbeitnehmer notfalls einklagen. Er hat quasi die Wirkung einer Betriebsvereinbarung mit Gesetzesrang im Betrieb. Wenn also im Sozialplan z.B. steht „Jeder gekündigte Arbeitnehmer erhält eine Abfindung von 0,6 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr“, dann können Sie diesen Anspruch verlangen, sobald die Voraussetzungen erfüllt sind (hier: betriebsbedingte Kündigung aufgrund der Betriebsänderung).

In unserem Fall ist damit zu rechnen, dass der Sozialplan bei FilamentFactory die Abfindungshöhen und Modalitäten festlegt, möglicherweise gestaffelt nach Betriebszugehörigkeit oder Alter, und eventuell auch die Einrichtung einer Transfergesellschaft beinhaltet (das wäre typisch, um den Abbau sozialverträglicher zu gestalten).

Für Arbeitnehmer hat der Sozialplan folgenden Nutzen: Er schafft Planungssicherheit und Rechtssicherheit. Sie wissen, mit welcher finanziellen Unterstützung Sie im Falle der Kündigung rechnen können, und welche sonstigen Hilfsangebote es gibt. Der Sozialplan wird häufig erst zum Abschluss der Verhandlungen feststehen – behalten Sie daher entsprechende Ankündigungen vom Betriebsrat im Auge. Sobald er steht, müssen Sie die Regelungen nicht individuell aushandeln; sie gelten automatisch für alle, die unter seinen Geltungsbereich fallen (meist „alle Arbeitnehmer, die aufgrund der Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren oder wechseln müssen“).

Noch ein Hinweis: Abfindungen aus Sozialplänen sind steuerpflichtig, aber sozialversicherungsfrei (kein Abzug von Renten-/Krankenversicherungsbeiträgen). Die Steuerlast lässt sich oft durch die sog. Fünftelungsregelung etwas reduzieren (Verteilung der Steuer über 5 Jahre). Dies nur als Tipp fürs Finanzielle.

Abfindungen – freiwillig, Sozialplan, oder Kündigungsschutzklage?

Abfindung bedeutet eine einmalige Entschädigungszahlung des Arbeitgebers, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Wie oben schon erläutert, gibt es mehrere Konstellationen, die zu einem Abfindungsanspruch führen können:

  • Sozialplan-Abfindung: Im Rahmen eines Sozialplans haben Sie meist automatisch Anspruch auf eine Abfindung, sofern Sie zu der betroffenen Personengruppe gehören (z.B. „gekündigte Arbeitnehmer“). Diese Abfindung wird in der Regel nach einer festen Formel berechnet, die im Sozialplan steht (z.B. X Monatsgehälter pro Jahr Betriebszugehörigkeit, evtl. multipliziert mit einem Altersfaktor oder gekappt auf einen Höchstbetrag). Beispiel: Viele Sozialpläne nutzen 0,5 Monatsverdienste pro Jahr Betriebszugehörigkeit als groben Richtwert – das kann aber variieren. Sozialplan-Abfindungen müssen vom Arbeitgeber gezahlt werden, sobald das Arbeitsverhältnis endet (oder wie im Plan vorgesehen). Man muss dafür nicht auf Klagen verzichten – der Anspruch besteht unabhängig davon. Achtung: In seltenen Fällen enthalten Sozialpläne Klauseln, dass Abfindungen gekürzt werden, falls der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt und anschließend doch ausscheidet. Solche Klauseln sind rechtlich umstritten; meistens gibt es sie nicht oder nur in Form von Bonusabfindungen für den Verzicht auf Klage. Standard ist: Sozialplanabfindung bekommt jeder Gekündigte, und wer per Klage doch im Betrieb bleibt, erhält natürlich keine Abfindung (weil er den Arbeitsplatz nicht verloren hat).
  • Abfindung nach Kündigungsschreiben (§ 1a KSchG): Falls der Arbeitgeber – was vorkommt – in Ihrem individuellen Kündigungsschreiben bereits eine Abfindung anbietet, nach § 1a KSchG, dann steht darin etwa: „Die Kündigung erfolgt betriebsbedingt. Sollte der Arbeitnehmer die Klagefrist verstreichen lassen, zahlt die Firma eine Abfindung in Höhe von … (0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr).“ Wenn Sie dieses Angebot annehmen wollen, müssen Sie keine Erklärung abgeben, sondern einfach die Klagefrist verstreichen lassen. Mit Ablauf der 3 Wochen wird die Kündigung wirksam und der Abfindungsanspruch entsteht von selbst. Beachten Sie: Dieses Angebot macht der Arbeitgeber freiwillig, um Rechtssicherheit zu bekommen. Überlegen Sie gut, ob die Höhe angemessen ist – oft sind Sozialplan oder Gericht am Ende großzügiger. Nehmen Sie aber an, Sie hätten z.B. sowieso nicht vor zu klagen, dann wäre es eine sichere Abfindung. Wichtig: Wenn sowohl ein Sozialplanabfindung als auch § 1a-Abfindung angeboten wurden, kann man normalerweise nicht beides kumulativ bekommen – der Arbeitgeber will mit dem § 1a-Angebot ja gerade Klagen vermeiden. Hier sollten Sie genau hinschauen oder Beratung in Anspruch nehmen, was für Sie günstiger ist.
  • Abfindung durch Vergleich vor dem Arbeitsgericht: Der häufigste Weg zu einer Abfindung ohne Rechtsanspruch ist ein gerichtlicher Vergleich im Kündigungsschutzprozess. Wenn Sie Klage erheben und die Erfolgsaussichten ungewiss sind (für beide Seiten), einigt man sich oft auf einen Betrag und Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Faustformel „0,5 Monatsgehälter pro Jahr“ dient da als grober Maßstab, aber es kann je nach Prozessrisiko mehr oder weniger werden. Vorteil: Man kann u.U. eine höhere Summe aushandeln als im Sozialplan, insbesondere wenn Zweifel an der Sozialauswahl oder Fehler im Verfahren dem Arbeitgeber Sorgen machen. Nachteil: Es dauert ein paar Monate und ist unsicher. Tipp: Ein bestehender Sozialplan legt oft die Untergrenze fest – d.h. unter der Sozialplan-Abfindung wird kaum jemand einen Vergleich akzeptieren. Man verhandelt dann eher, ob es on top eine Zulage gibt (etwa als Ausgleich für den Verzicht auf Klage).
  • Abfindung per Aufhebungsvertrag: In manchen Fällen bietet der Arbeitgeber einzelnen Mitarbeitern einen Aufhebungsvertrag an – das heißt, man einigt sich einvernehmlich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, zu einem bestimmten Termin, meist mit Abfindungszahlung. Dies kann beispielsweise älteren Mitarbeitern oder solchen, die freiwillig gehen möchten, angeboten werden. Wenn Sie einen solchen Vorschlag bekommen, haben Sie Verhandlungsspielraum hinsichtlich der Höhe. Achtung: Unterschreiben Sie nicht übereilt – ein Aufhebungsvertrag kann eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld nach sich ziehen (siehe Abschnitt Arbeitslosengeld). Außerdem verzichten Sie damit auf Kündigungsschutzklage. Solche Verträge sollten immer fair gestaltet sein. Vorteil: Sie können ggf. eine bessere Abfindung herausholen als der Sozialplan vorsieht, weil Sie dem Arbeitgeber ja einen Gefallen tun (verzicht auf formelles Verfahren, er kann Sie früher gehen lassen usw.). Aber lassen Sie sich unbedingt anwaltlich oder von der Gewerkschaft beraten, bevor Sie unterschreiben.

Zum Schluss: Verfallfristen beachten! Falls Ihr Arbeitsvertrag oder ein anwendbarer Tarifvertrag sog. Ausschlussfristen enthält (z.B. „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen binnen 3 Monaten schriftlich geltend gemacht werden“), kann das auch Abfindungsansprüche betreffen. Sozialplan-Ansprüche verfallen zwar meist nicht so schnell (sie sind oft davon ausgenommen), aber Sicherheitshalber: sobald Ihr Anspruch entsteht (z.B. mit Ende des Arbeitsverhältnisses), machen Sie ihn schriftlich geltend, falls er nicht ohnehin automatisch ausgezahlt wird. In vielen Betrieben zahlt man die Sozialplan-Abfindung ohne weiteres aus. Aber gerade bei Insolvenzrisiken etc. ist schnelles Handeln ratsam.

Transfergesellschaft – überbrückter Übergang statt Arbeitslosigkeit

Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang häufig fällt, ist Transfergesellschaft. Bei größeren Personalabbaumaßnahmen greifen Unternehmen gerne auf dieses Instrument zurück, weil es sowohl für die Arbeitnehmer wie für den Arbeitgeber Vorteile bietet. Auch für die FilamentFactory ist eine Transfergesellschaft denkbar, zumal in der Presse von „Auslagerung an einen strategischen Partner“ gesprochen wurde, was eine Restrukturierung mit Personalabbau nahelegt.

Was ist eine Transfergesellschaft? Vereinfacht gesagt wechselt ein Teil der von Kündigung bedrohten Arbeitnehmer freiwillig und befristet in ein neues Beschäftigungsverhältnis bei einem speziellen Träger – der Transfergesellschaft – statt direkt arbeitslos zu werden. Das alte Arbeitsverhältnis wird einvernehmlich beendet (oft früher, als die Kündigungsfrist wäre), und nahtlos beginnt ein neues (meist auf maximal 12 Monate befristetes) Arbeitsverhältnis bei der Transfergesellschaft. Ziel: Die Mitarbeiter erhalten für diese Zeit weiter Einkommen und Unterstützung bei der Arbeitssuche (Bewerbungstrainings, Qualifizierung), ohne in der Arbeitslosigkeit zu sein. Die Transfergesellschaft fungiert also als Auffang- und Qualifizierungseinrichtung.

Für die Arbeitnehmer ist der Wechsel in die Transfergesellschaft eine Alternative zur sofortigen Arbeitslosigkeit. Man bleibt zunächst beschäftigt, sammelt weiter Rentenansprüche und bezieht Transfer-Kurzarbeitergeld anstelle von Arbeitslosengeld. Dieses Transfer-Kurzarbeitergeld wird von der Agentur für Arbeit gezahlt und beträgt etwa 60 % des letzten Nettos (67 % mit Kind) – ähnlich wie normales Kurzarbeitergeld. Viele Arbeitgeber stocken diesen Betrag aber auf, oft auf 80–85 % des bisherigen Nettos, um den Wechsel attraktiv zu machen. Die Finanzierung teilen sich Arbeitgeber und Arbeitsagentur: Die Agentur trägt via Kurzarbeitergeld einen Großteil, der Arbeitgeber bringt Mittel ein, teils indem er die ersparten Gehälter der gekündigten Mitarbeiter dafür nutzt.

Vorteile für Arbeitnehmer: Sie haben weiter ein regelmäßiges Einkommen (wenn auch reduziert), und vor allem mehr Zeit und professionelle Hilfe, um einen neuen Job zu finden. Man bewirbt sich aus einer Anstellung heraus, was psychologisch und praktisch oft besser ist. Außerdem wird die Zeit in der Transfergesellschaft nicht auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes angerechnet – das ALG I wird quasi „aufgeschoben“. Wenn man nach z.B. 6 Monaten Transfergesellschaft immer noch keinen Job hat, kann man anschließend noch volle 12 Monate (oder je nach Anspruchsalter länger) Arbeitslosengeld beziehen. Auch rentenversicherungsrechtlich ist es positiv, da keine Lücke entsteht. Zusätzlich bieten Transfergesellschaften Qualifizierungen an, um die Vermittlungschancen zu erhöhen.

Vorteile für Arbeitgeber: Aus Arbeitgebersicht ist eine Transfergesellschaft ein Mittel für einen „sauberen“ Personalabbau. Die Mitarbeiter, die wechseln, unterschreiben ja einen Aufhebungsvertrag (meist mittels dreiseitigem Vertrag: Arbeitnehmer, alter Arbeitgeber, Transfergesellschaft). Damit entfallen Kündigungsschutzklagen – das Prozessrisiko ist weg. Gerade wenn die Sozialauswahl schwierig wäre, nutzt man eine Transfergesellschaft, um juristische Unsicherheiten zu umgehen. Zudem kann der Abbau schneller gehen: Oft vereinbaren die Parteien, dass die Mitarbeiter bereits vor Ablauf der normalen Kündigungsfrist in die Transfergesellschaft wechseln – der Arbeitgeber „spart“ sich dann die Gehälter bis zum eigentlich späteren Kündigungstermin und steckt diese Mittel in die Transfergesellschaft. Für den Arbeitgeber rechnet sich das, wenn er dadurch hohe Abfindungen oder langwierige Verfahren vermeidet.

Abfindung und Transfergesellschaft: Häufig stellt sich die Frage, ob man trotz Transfergesellschaft eine Abfindung erhält. Grundsätzlich schließen sich die Dinge nicht aus – sie dienen unterschiedlichen Zwecken. In vielen Sozialplänen wird es so gehandhabt, dass Mitarbeiter, die in die Transfergesellschaft wechseln, ebenfalls eine Abfindung bekommen, allerdings teils reduziert. Denn ein Teil des Budgets fließt ja in die Transfermaßnahmen. Beispielsweise könnte im Sozialplan stehen: „Abfindung für alle ausscheidenden Mitarbeiter laut Formel X; Mitarbeiter, die in die Transfergesellschaft wechseln, erhalten davon 50 % sofort. Die restlichen 50 % werden verwendet, um die Transfergesellschaft zu finanzieren. Sollten am Ende der Transferlaufzeit Mittel übrigbleiben (z.B. weil jemand früher einen Job findet), werden diese anteilig nachgezahlt.“ So oder ähnlich sind Modelle, oft verbunden mit einer Sprinterprämie: Wer während der Transfergesellschaft eine neue Stelle findet und vorzeitig ausscheidet, erhält einen Bonus (z.B. einen Teil der nicht ausgeschöpften Abfindung). Wichtig: Lehnen Arbeitnehmer das Angebot Transfergesellschaft ab, dürfen sie im Sozialplan meist nicht von jeglicher Abfindung ausgeschlossen werden – das wäre unwirksam. In der Regel steht jedem die Sozialplan-Abfindung zu. Allerdings kalkuliert man oft so, dass es für den Einzelnen finanziell nicht nachteilhaft ist, in die Transfergesellschaft zu gehen. Denn man bekommt ja weiterhin (Transfer-)Gehalt und eventuell einen Teilabfindung; wer das ablehnt, bekäme nur die volle Abfindung, aber wäre sofort arbeitslos.

Keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld: Wichtig zu wissen: Obwohl man einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, um in die Transfergesellschaft zu wechseln (theoretisch freiwilliges Ausscheiden), verhängt die Bundesagentur für Arbeit keine Sperrzeit fürs Arbeitslosengeld, wenn man aus einer Transfergesellschaft heraus später arbeitslos wird. Denn der Wechsel erfolgt im beiderseitigen Interesse zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit, was sozialrechtlich anerkannt ist. Man muss aber bestimmte Formalien beachten, u.a. an einem Profiling teilnehmen (einer Einschätzung der Vermittlungschancen vorab). Diese Beratung des Arbeitnehmers mit der Agentur sollte idealerweise schon während der Sozialplanverhandlungen stattfinden (der Betriebsrat und Arbeitgeber beraten mit der Agentur über die Förderung). Solange alles regelkonform ist, hat ein Transfer-Mitarbeiter keine Nachteile bei späterem ALG I.

Transfergesellschaft: Wenn eine Transfergesellschaft angeboten wird, ist sie für viele Beschäftigte eine lohnenswerte Option. Sie überbrückt die Zeit mit Einkommenssicherheit (wenn auch reduziert), bietet professionelle Hilfe und wahrt Ansprüche. Sie eignet sich besonders, wenn man optimistisch ist, innerhalb von 12 Monaten wieder etwas Neues zu finden, oder wenn man die Zeit für Weiterbildung nutzen will. Wer allerdings direkt einen anderen Job hat oder sich schnell einen sucht, kann überlegen, stattdessen die „normale“ Abfindung zu nehmen und sofort zu wechseln – ggf. winkt dann sogar die Sprinterprämie. In jedem Fall sollte man sich individuell beraten lassen, was im eigenen Fall besser ist. Gewerkschaften (z.B. die IG Metall oder IG BCE) haben Erfahrung mit solchen Modellen und können Mitglieder hierzu beraten.

Arbeitslosengeld und Meldungspflichten

Unabhängig von Abfindung oder Transfer: Spätestens mit Ende des Arbeitsverhältnisses stellt sich die Frage nach dem Arbeitslosengeld I (ALG I). Hier gibt es für Arbeitnehmer wichtige Fristen und Pflichten, um keine Nachteile zu erleiden:

  • „Arbeitssuchend“-Meldung spätestens 3 Monate vorher: Sobald feststeht, dass Ihr Arbeitsplatz enden wird (durch Kündigung, befristetes Vertragsende oder Aufhebungsvertrag), sind Sie verpflichtet, sich frühzeitig bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden (§ 38 SGB III). Konkret: Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungsdatums und diesem Datum mehr als 3 Monate, müssen Sie sich spätestens 3 Monate vorher melden. Erfahren Sie erst später von Ihrem Jobende (z.B. Kündigungsfrist < 3 Monate), dann innerhalb von 3 Kalendertagen nach Erhalt der Kündigung. In unserem Fall: Wenn Sie z.B. am 1. Oktober die Kündigung zum 31. Dezember bekämen, müssten Sie sich bis 4. Oktober arbeitssuchend melden. Diese Meldung kann telefonisch oder online zunächst erfolgen, erfordert später aber einen persönlichen Termin. Wer die Frist versäumt, riskiert eine 1-wöchige Sperre beim Arbeitslosengeld als Sanktion. Das heißt, das ALG I wird um eine Woche gekürzt. Daher: Gleich nach Erhalt einer Kündigung – oder schon bei Ankündigung eines konkreten Endes – den Gang (oder Anruf) zur Agentur erledigen.
  • Arbeitslosmeldung am ersten Tag ohne Beschäftigung: Die Arbeitssuchend-Meldung dient der frühzeitigen Stellensuche. Zusätzlich müssen Sie sich arbeitslos melden, um ALG I zu beantragen, nämlich spätestens am ersten Tag der tatsächlichen Arbeitslosigkeit. Beispiel: Wenn Ihr Vertrag am 31.12. endet, müssen Sie sich am 2.1. (da 1.1. Feiertag) persönlich arbeitslos melden. Diese Meldung kann nicht telefonisch oder online ersetzt werden – man muss persönlich erscheinen (Ausnahme während man in Transfergesellschaft ist, denn dann ist man ja nicht arbeitslos). Versäumt man die Arbeitslosmeldung komplett, kann das gravierende Folgen haben: Im schlimmsten Fall geht der ALG I-Anspruch verloren und man fällt ins ALG II (Bürgergeld). Aber so weit kommt es selten, wenn man die obigen Fristen beachtet.
  • Sperrzeit bei Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag: Für unsere Situation relevant: Wenn Sie selbst kündigen oder einen Aufhebungsvertrag schließen, verhängt die Agentur in der Regel eine Sperrzeit von 12 Wochen beim ALG I, wegen „versicherungswidrigem Verhalten“ (freiwillige Beschäftigungslosigkeit). Das heißt, drei Monate kein Geld und Verkürzung der Anspruchsdauer. Deshalb: Nicht selbst kündigen, solange nicht alles geklärt ist, und bei Aufhebungsverträgen unbedingt darauf achten, dass idealerweise keine Sperrzeit eintritt. Es gibt Ausnahmen – z.B. wenn ein Aufhebungsvertrag mit Abfindung zur Vermeidung einer ansonsten unvermeidbaren Kündigung geschlossen wird und die Kündigungsfrist eingehalten ist, kann die Sperrzeit entfallen. Hierzu sollte man aber unbedingt vorab mit der Agentur oder einem Rechtsberater sprechen. Im Kontext einer Transfergesellschaft gilt, wie erwähnt, i.d.R. keine Sperrzeit, da dies als massenvermittelnde Maßnahme anerkannt ist. Bei reinen Abfindungsaufhebungsverträgen ohne Transfer sollte man hingegen vorsichtig sein.
  • Höhe und Dauer des ALG I: Wenn Sie arbeitslos werden, haben Sie Anspruch auf ALG I, sofern Sie in den letzten 30 Monaten mindestens 12 Monate Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt haben. Die Höhe beträgt ca. 60 % des letzten Nettogehalts (67 % mit Kind). Die Bezugsdauer hängt vom Alter und der Beschäftigungsdauer ab: unter 50 Jahren max. 12 Monate; 50–54 Jahre 15 Monate; 55–57 Jahre 18 Monate; ab 58 Jahre 24 Monate (sofern jeweils lange genug eingezahlt wurde). Abfindungen beeinflussen das ALG I grundsätzlich nicht in der Höhe oder Dauer, solange das Arbeitsverhältnis bis zum regulären Kündigungsfristende lief. Wenn allerdings per Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wurde und eine Abfindung gezahlt wurde, kann eine Ruhenszeit eintreten – d.h. das ALG I ruht für die Zeit, die man eigentlich noch hätte angestellt sein müssen. Dies wird aber in einem Sozialplan-Setting meist vermieden, indem Kündigungsfristen eingehalten oder berücksichtigt werden.
  • Unterstützung durch die Agentur: Melden Sie sich rechtzeitig arbeitssuchend, haben Sie Anspruch auf Vermittlungsunterstützung. Nutzen Sie das – reichen Sie Ihr Profil ein, schalten Sie ggf. die Jobbörse frei, lassen Sie sich beraten. Gerade in einer strukturell schwierigen Region oder wenn sehr viele gleichzeitig arbeitslos werden, ist es sinnvoll, früh aktiv zu werden. Die Arbeitsagentur bietet auch Workshops und Bewerbungstrainings an – parallel zu eventuell vorhandenen Angeboten einer Transfergesellschaft.

Noch ein Rat: Bewahren Sie alle Dokumente und Nachweise gut auf. Kündigungsschreiben, Sozialplan, Berechnung der Abfindung, alles kann später relevant sein (für Arbeitsagentur, Rentenversicherung, Steuerberater etc.). Und: Bleiben Sie nicht allein. Sprechen Sie mit Kollegen, dem Betriebsrat, Vertrauensleuten der Gewerkschaft oder Anwälten, um alle Ihre Optionen auszuloten. Jeder Fall hat Besonderheiten – etwa gesundheitliche Aspekte (Schwerbehinderung?), Alter, private Pläne usw. – die man berücksichtigen sollte.

Wichtige Fristen und Pflichten für Arbeitnehmer im Überblick

Abschließend fassen wir die essentiellen Fristen und Pflichten zusammen, die Sie als betroffener Arbeitnehmer unbedingt im Blick haben müssen, um Ihre Rechte voll wahrzunehmen:

  • Kündigungsschutzklage – 3 Wochen Frist: Ab Zugang eines Kündigungsschreibens haben Sie nur 3 Wochen Zeit, beim Arbeitsgericht Klage auf Kündigungsschutz einzureichen (§ 4 KSchG). Verpassen Sie diese Frist, können Sie sich in der Regel nicht mehr gegen die Kündigung wehren, selbst wenn sie rechtswidrig war. Also: Notieren Sie das Enddatum der Frist (z.B. Kündigung erhalten am 1.10., Fristablauf am 22.10.) und suchen Sie sofort Rat, wenn Sie erwägen zu klagen. Tipp: Eine Klage können Sie zur Fristwahrung zunächst auch selbst formlos beim Arbeitsgericht zu Protokoll geben und später begründen – doch meist ist es besser, gleich fachkundige Hilfe (Gewerkschaft/Rechtsanwalt) hinzuzuziehen.
  • Arbeitssuchend-Meldung – 3 Tage / 3 Monate Regel: Sobald Sie Kenntnis haben, dass Ihr Arbeitsverhältnis enden wird (z.B. durch Kündigung oder Mitteilung über geplante Kündigung zu einem bestimmten Termin), informieren Sie innerhalb von 3 Tagen die Agentur für Arbeit – sofern der Beendigungszeitpunkt in weniger als 3 Monaten liegt. Liegt er weiter in der Zukunft (>3 Monate), melden Sie sich spätestens 3 Monate vor Ende arbeitssuchend. Diese Meldung geht auch telefonisch oder online, erfordert aber später einen persönlichen Termin. Halten Sie diese Frist ein, um eine einwöchige ALG-Sperre zu vermeiden.
  • Arbeitslosmeldung – am Tag nach dem letzten Arbeitstag: Spätestens am ersten Tag nach Ende Ihres Arbeitsverhältnisses müssen Sie persönlich zur Agentur und sich arbeitslos melden, damit Ihr ALG I-Antrag wirksam gestellt ist. Sie können das bereits bis zu 3 Monate vorher erledigen, aber nicht später. Beispiel: letzter Arbeitstag 31.12., also am 2.1. zur Agentur gehen (bzw. am 3.1., falls der 2.1. noch Feiertag wäre). Die Arbeitslosmeldung ist unbedingt nötig, sonst riskieren Sie den Verlust oder die Minderung von Leistungsansprüchen.
  • Pflichten während Kündigungsfrist / Transfer: Sofern Sie freigestellt sind, kommen Sie Ihren Mitwirkungspflichten nach – nehmen Sie zumutbare Vermittlungsangebote wahr, erscheinen Sie zu Vermittlungsgesprächen etc. Während einer laufenden Kündigungsfrist sind Sie formal noch angestellt, aber Sie dürfen (und sollen) sich natürlich trotzdem bewerben. Falls Sie eine Nebentätigkeit aufnehmen möchten, sprechen Sie das lieber mit dem Arbeitgeber ab, um keine Vertragsverstöße zu riskieren. In einer Transfergesellschaft gelten die Pflichten aus dem neuen Vertrag – meist erwartet man aktive Teilnahme an Qualifizierungen und Bewerbungsbemühungen.
  • Fristen aus Sozialplan und Vertrag: Prüfen Sie, ob es Fristen gibt, innerhalb derer Sie sich z.B. für die Transfergesellschaft entscheiden müssen. Oft heißt es: „Mitarbeiter können bis zum XX.XX. verbindlich erklären, ob sie in die Transfergesellschaft wechseln.“ Verpassen Sie solche Fristen nicht, sonst verspielen Sie Möglichkeiten. Ebenso: Wenn der Sozialplan Angebote wie Vorruhestand oder interne Versetzung vorsieht, müssen Interessenten sich vielleicht melden. Halten Sie Rücksprache mit dem Betriebsrat, um nichts zu verpassen.
  • Ausschlussfristen für Ansprüche: Wie erwähnt, achten Sie auf etwaige Ausschlussfristen im Arbeits- oder Tarifvertrag für finanzielle Ansprüche. Sollte etwa eine Abfindung nicht automatisch gezahlt werden, wäre es sicherheitshalber ratsam, diese schriftlich anzufordern, bevor eine dreimonatige Frist (häufige Dauer in Tarifverträgen) abläuft, um keinen Anspruch zu verlieren. Bei Zweifeln hilft ein Anwalt oder die Gewerkschaft weiter.
  • Widerspruch gegen Betriebsübergang? Hier zwar nicht explizit Thema, aber am Rande: Da erwähnt wurde, ein Teil der Produktion werde an einen Partner ausgelagert, könnte für einige Mitarbeiter ein Betriebsübergang (§ 613a BGB) anstehen statt Kündigung. In so einem Fall hätten Sie ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses zum neuen Inhaber (Frist 1 Monat nach Unterrichtung). Dies würde dann eine Kündigung nach sich ziehen. Falls das im Raum steht, lassen Sie sich separat beraten.
  • Gewerkschaftseintritt / Rechtsschutz: Sollten Sie bislang kein Gewerkschaftsmitglied sein, kann es sinnvoll sein, jetzt beizutreten. Mitglieder der IG Metall bzw. der für die FilamentFactory zuständigen Gewerkschaft (möglicherweise IG BCE, je nach Branche) erhalten kostenlose Rechtsberatung und -schutz in Arbeitsrechtsfragen. Gerade bei Kündigungsschutzklagen kann das finanziell sehr entlastend sein, da die Gewerkschaft die Kosten übernimmt – vorausgesetzt, der Streit entsteht nach Eintritt. Zögern Sie nicht, diese Möglichkeit zu nutzen; Gewerkschaften bieten auch Erfahrung im Aushandeln von Sozialplänen und können kollektiv Druck machen.

Ausblick

Ein angekündigter Stellenabbau wie bei der FilamentFactory ist ohne Zweifel ein schwerer Schlag für die Belegschaft. Doch Sie sind nicht ohne Rechte und Hilfe. Das deutsche Arbeitsrecht bietet einen robusten Rahmen, um sicherzustellen, dass betriebsbedingte Kündigungen nur als letztes Mittel und auf sozial gerechte Weise erfolgen. Von der Beteiligung des Betriebsrats, über die Pflicht zur Sozialauswahl, bis hin zu Abfindungen und Transferangeboten gibt es zahlreiche Schutzmechanismen, die jetzt greifen. Auch die Agentur für Arbeit steht bereit, um Betroffene frühzeitig zu unterstützen.

Für Sie persönlich kommt es jetzt darauf an, gut informiert zu bleiben und aktiv Ihre Möglichkeiten zu nutzen. Nehmen Sie an Mitarbeiterversammlungen teil, sprechen Sie mit dem Betriebsrat, ziehen Sie bei Bedarf einen Fachanwalt oder die Gewerkschaft hinzu. Tauschen Sie sich auch mit Kollegen aus – oft sind viele in der gleichen Lage, und gemeinsam lässt sich besser Druck ausüben oder Rat finden.

Bleiben Sie vor allem fristenbewusst: Melden Sie sich rechtzeitig arbeitssuchend, und entscheiden Sie innerhalb der gegebenen Fristen, ob Sie z.B. ein Transferangebot annehmen oder rechtlich gegen eine Kündigung vorgehen möchten. Empathie und Unterstützung finden Sie bei Ihren Kollegen und Interessenvertretern – lassen Sie sich von der Situation nicht entmutigen. Viele Arbeitgeber legen Wert darauf, den Abbau sozialverträglich zu gestalten, und mit einem starken Betriebsrat im Rücken ist die Chance groß, dass tragbare Lösungen (z.B. großzügige Abfindungen, Transfers) erreicht werden.

Abschließend sei gesagt: Jede Kündigung ist individuell. Prüfen Sie Ihr Kündigungsschreiben genau – stimmen alle Formalia? Wurde der Betriebsrat angehört? War die Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß? Schon formale Fehler können eine Kündigung unwirksam machen. Haben Sie das Gefühl, es lief nicht alles mit rechten Dingen ab, zögern Sie nicht, rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Gerichte stellen hohe Anforderungen an Arbeitgeber bei Massenentlassungen, und Versäumnisse (fehlende Anzeige, zu späte Betriebsratsanhörung etc.) führen dazu, dass Kündigungen vor Gericht keinen Bestand haben. Dieses Wissen gibt Ihnen Verhandlungsmacht – viele Arbeitgeber schließen daher lieber fair beiderseitige Vereinbarungen.