Überlange Dauer des Ermittlungsverfahrens gegen Leiterin des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat am 26.06.2020 zum Aktenzeichen 17 EK 2/19 und 17 EK 3/19 entschieden, dass die Dauer des gegen die Leiterin des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) Marit Hansen und einen Mitarbeiter des ULD geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Kiel unangemessen lang gewesen ist.

Aus der Pressemitteilung des OLG SH Nr. 6/2020 vom 26.06.2020 ergibt sich:

Die Leiterin und ein Mitarbeiter des ULD begehren gegenüber dem Land Schleswig-Holstein die Feststellung einer unangemessen langen Verfahrensdauer und eine geldwerte Entschädigung. Hintergrund der Klagen auf Wiedergutmachung ist ein gegen beide gerichtetes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Kiel, das den Verdacht des Betruges bei der Abrechnung von Förderprojekten zum Gegenstand hatte. Das Ermittlungsverfahren wurde nach drei Jahren und acht Monaten im Juni 2019 wegen geringer Schuld und mangelnden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt. Zu einer Rückforderung von Fördergeldern kam es nicht.

Das OLG Schleswig hat festgestellt, dass dieses gegen beide Kläger geführte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren unangemessen lange gedauert hat.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das Ermittlungsverfahren sowohl zeitlich als auch nach seiner inhaltlichen Ausgestaltung in mehrfacher Hinsicht unangemessen lang. Dies verletze die Kläger in ihrem Anspruch auf eine effektive und der Unschuldsvermutung gerecht werdende Verfahrensgestaltung. Schon die Dauer des Verfahrens von drei Jahren und acht Monaten sei nach Art und Umfang der Vorwürfe eine deutliche Überschreitung dessen, was zeitlich noch eine als rechtsstaatlich anzusehende Verfahrensdauer darstelle. Zudem fehlte es an einer frühzeitigen und zielgerichteten Planung des Verfahrens, die sich am Nachweis strafbaren Verhaltens orientierte. Dadurch sei es zu absehbaren Verzögerungen gekommen, obwohl das Verfahren aufgrund der frühzeitig erfolgten Durchsuchung zu beschleunigen war. Gerade eine „prioritäre“ Behandlung hatte die Behördenleitung nach der ersten Verzögerungsrüge auch zugesagt. Auch haben organisatorische Mängel in Form wiederholter Wechsel der zuständigen Staatsanwälte jedenfalls ab dem Jahr 2018 zu weiteren vermeidbaren zeitlichen Verzögerungen geführt. Es sei davon auszugehen, dass das Ermittlungsverfahren bei planvoller und effektiver Ausgestaltung und mit dem erforderlichen Personaleinsatz bis Ende 2017 hätte abgeschlossen werden können.

Mit der gerichtlichen Feststellung der überlangen Verfahrensdauer und dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht hat die Leiterin des ULD hinreichende Genugtuung erfahren. Sie konnte dort sowie im Vor- und Nachgang ihr Anliegen angemessen und medial beachtet darstellen. Anders liege es im Fall des Mitarbeiters des ULD, dem aufgrund erlittener und noch andauernder beruflicher Nachteile zusätzlich eine Entschädigung von 1.800 Euro zu gewähren war.

Klarstellung der Pressestelle v. 26.06.2020:

In der Darstellung des Sachverhalts bedarf die Formulierung „Das Ermittlungsverfahren wurde … wegen geringer Schuld und mangelnden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt.“ folgender Klarstellung: Nach § 153 Abs. 1 StPO kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Mit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO verbindet sich daher kein Schuldnachweis.