Unwirksame Kündigung nach Kündigungsschutzklage – Folgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

06. November 2025 -

Gründe für eine unwirksame Kündigung

Nicht jede Kündigung beendet ein Arbeitsverhältnis wirksam. Eine Kündigung ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber beim Ausspruch gegen wichtige gesetzliche Vorgaben verstößt. Typische Beispiele sind Formfehler oder fehlende Kündigungsgründe:

  • Formmängel: Eine Kündigung muss schriftlich auf Papier mit Original-Unterschrift erfolgen (§ 623 BGB). Kündigungen per E-Mail, Fax oder mündlich sind nichtig. Auch muss der richtige Vertretungsberechtigte (z. B. Geschäftsführer bei einer GmbH) unterschreiben – eine falsche Unterschrift macht die Kündigung unwirksam.
  • Verfahrensfehler: In Betrieben mit Betriebsrat ist dieser vor jeder Kündigung anzuhören (§ 102 BetrVG). Unterlässt der Arbeitgeber die Anhörung, ist die Kündigung rechtlich unwirksam.
  • Kein Kündigungsgrund nach KSchG: Greift das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) – also in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern und bei Beschäftigung länger als 6 Monate – muss jede ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt sein (§ 1 KSchG). Fehlt ein ausreichender Kündigungsgrund (betriebs-, verhaltens- oder personenbedingt), ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam. In Kleinbetrieben (bis 10 Mitarbeiter) oder während der ersten 6 Monate findet das KSchG zwar keine Anwendung, doch auch hier darf eine Kündigung nicht willkürlich oder diskriminierend erfolgen.
  • Sonderkündigungsschutz: Bestimmte Arbeitnehmer genießen besonderen Schutz. Beispielsweise sind Kündigungen gegenüber Schwangeren oder Schwerbehinderten ohne behördliche Zustimmung unzulässig. Verstößt der Arbeitgeber gegen ein solches Kündigungsverbot, ist die Kündigung anfechtbar oder nichtig.

Verstößt die Kündigung gegen Formvorschriften oder gesetzliche Vorgaben, hat sie „keinen Bestand“ – das heißt, sie entfaltet keine Beendigungswirkung. In der Praxis scheitern tatsächlich viele Kündigungen an solchen Fehlern. Doch was passiert, wenn eine Kündigung unwirksam ist und der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt?

Kündigungsschutzklage und Weiterbeschäftigung

Hat ein Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erhoben, prüft das Arbeitsgericht die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Wichtig: Der Arbeitnehmer muss diese Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung einreichen (§ 4 KSchG). Sonst gilt die Kündigung trotz aller Fehler als wirksam (§ 7 KSchG) – selbst wenn sie eigentlich rechtswidrig war. Hält der Arbeitnehmer die Frist ein, kommt es zum Gerichtsverfahren.

Stellt das Gericht fest, dass die Kündigung unwirksam war, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen. Der Arbeitnehmer behält seinen Arbeitsplatz – juristisch wird so getan, als hätte es die Kündigung nie gegeben. Die ausgesprochenen Kündigung wird durch das Urteil „beseitigt“. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen das Arbeitsverhältnis fortsetzen, als wäre keine Unterbrechung erfolgt. Der Arbeitnehmer darf also grundsätzlich an seinen Arbeitsplatz zurückkehren und hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung im bisherigen Umfang.

In manchen Fällen ist die Rückkehr für eine Seite aber unzumutbar – etwa wegen tiefgreifender Zerwürfnisse. Für solche Fälle sieht das KSchG die Möglichkeit eines Auflösungsantrags vor: Auf Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers kann das Gericht trotz unwirksamer Kündigung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung aussprechen (§§ 9, 10 KSchG). Diese gerichtliche Auflösung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wirklich unzumutbar erscheint. Andernfalls gilt der Grundsatz, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz behält (Ziel des Kündigungsschutzes ist gerade der Erhalt des Arbeitsplatzes, nicht bloß eine Abfindungszahlung).

Lohnansprüche bei unwirksamer Kündigung (Annahmeverzug)

Ist eine Kündigung unwirksam und das Arbeitsverhältnis besteht fort, stellt sich die Lohnfrage: Schließlich hat der Arbeitnehmer zwischenzeitlich nicht gearbeitet, oft weil der Arbeitgeber ihn nach der Kündigung nicht mehr beschäftigt hat. Grundsatz: War die Kündigung unwirksam, muss der Arbeitgeber so gestellt werden, als hätte er den Mitarbeiter durchgehend weiterbeschäftigt. Der Arbeitgeber gerät mit Ausspruch der unwirksamen Kündigung in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB). Das bedeutet, er nimmt die Arbeitsleistung nicht an, obwohl der Arbeitnehmer weiterhin zur Arbeit bereit wäre. Rechtsfolge: Der Lohn muss nachgezahlt werden (§ 615 Satz 1 BGB).

Diese Lohnnachzahlung für die Zeit zwischen Kündigung und Urteil nennt man Annahmeverzugslohn. Alle vertraglichen Vergütungsbestandteile (Grundgehalt, Zulagen, Boni etc.) sind für den Zeitraum der Nichtbeschäftigung nachzuzahlen. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer in der Zeit auch tatsächlich arbeitsfähig und -willig war (§ 297 BGB) – d. h. er hätte arbeiten können, wenn man ihn gelassen hätte.

Allerdings muss sich der Arbeitnehmer auf diesen Lohnnachzahlungsanspruch anrechnen lassen, was er in der Zwischenzeit anderweitig verdient oder böswillig zu verdienen unterlassen hat (§ 11 KSchG). Das Gesetz will verhindern, dass Arbeitnehmer während des Prozesses untätig bleiben und doppelt verdienen. Konkret regelt § 11 KSchG, dass vom Annahmeverzugslohn abgezogen wird:

Anderer Verdienst: Alles, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Arbeit in der Zwischenzeit tatsächlich verdient hat.

Böswillig unterlassener Verdienst: Ein Verdienst, den der Arbeitnehmer hätte erzielen können, wenn er nicht böswillig (= vorsätzlich ohne gute Gründe) eine zumutbare andere Arbeit abgelehnt oder unterlassen hätte. Im Klartext: Gekündigte dürfen nicht einfach untätig bleiben, um volle Nachzahlung zu kassieren. Sie müssen sich zumindest bemühen, eine andere zumutbare Beschäftigung zu finden. Tun sie das nicht, kann das Gericht einen fiktiven Lohn abziehen.

Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit: Arbeitslosengeld oder andere Leistungen, die wegen der Arbeitslosigkeit bezogen wurden, werden ebenfalls angerechnet. Wichtig: Der Arbeitgeber muss in diesem Fall den Wert der erhaltenen Leistungen an die jeweilige Kasse (z. B. Bundesagentur für Arbeit) erstatten, da der Arbeitnehmer ja im Nachhinein seinen Lohn erhält.

In vielen Fällen führt die Unwirksamkeit der Kündigung also dazu, dass der Arbeitgeber Lohnnachzahlungen für mehrere Monate leisten muss. Dieses Risiko sollten Arbeitgeber nicht unterschätzen. Für Arbeitnehmer bedeutet der erfolgreiche Kündigungsschutzprozess finanziell, dass sie so gestellt werden, als hätten sie die ganze Zeit gearbeitet – aber nur, wenn sie sich auch bemüht haben, den Schaden gering zu halten.

Praxisnahe Hinweise für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Für Arbeitnehmer: Im Falle einer Kündigung gilt es, schnell zu handeln. Erheben Sie innerhalb von 3 Wochen Kündigungsschutzklage, wenn Sie die Kündigung für unwirksam halten – sonst wird selbst eine rechtswidrige Kündigung gültig. Melden Sie sich frühzeitig bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend (spätestens 3 Tage nach Erhalt der Kündigung), um Sperrzeiten oder Kürzungen beim Arbeitslosengeld zu vermeiden. Zudem dient dies dem Nachweis, dass Sie sich um Arbeit bemühen. Dokumentieren Sie Ihre Bewerbungsbemühungen während des Kündigungsschutzprozesses, damit man Ihnen kein böswilliges Unterlassen vorwerfen kann. Im Prozess können Sie Weiterbeschäftigung verlangen, wenn Sie obsiegen – überlegen Sie jedoch, ob eine Rückkehr zum alten Arbeitgeber für Sie sinnvoll ist oder ob Sie ggf. auf Abfindung spielen. Lassen Sie sich von einem Fachanwalt beraten, um die Vor- und Nachteile einer Weiterarbeit versus Abfindungsvergleich in Ihrem konkreten Fall abzuwägen.

Für Arbeitgeber: Prüfen Sie Kündigungen sorgfältig auf Form und Verfahren, bevor Sie sie aussprechen. Stellen Sie sicher, dass die Kündigung schriftlich mit Original-Unterschrift erfolgt und alle erforderlichen Anhörungen (Betriebsrat, ggf. Zustimmung der Behörde bei geschützten Personen) erfolgt sind. Gerade fristlose Kündigungen sind fehleranfällig – dokumentieren Sie den Kündigungsgrund penibel und prüfen Sie mildere Mittel (Abmahnung, Versetzung), da Gerichte im Zweifel eher gegen die Wirksamkeit der Kündigung entscheiden. Bedenken Sie, dass Sie bei einer unwirksamen Kündigung nachträglich Lohn zahlen müssen und der Arbeitnehmer im Zweifel zurück an den Arbeitsplatz kommt. Tipp: Wenn sich im Prozess abzeichnet, dass die Kündigung kippt, können Sie erwägen, frühzeitig einen Vergleich (mit Beendigung und Abfindung) anzustreben, um Planungssicherheit zu erhalten. Eine einvernehmliche Lösung wie ein Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag kann oft kostengünstiger und schneller sein als ein langer Prozess. Lassen Sie sich auch hierbei anwaltlich beraten, um Fallstricke – etwa bei Abfindungshöhe, Zeugnis oder Sperrzeit-Problematik – zu vermeiden.

Eine unwirksame Kündigung bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Hat der Arbeitnehmer rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben, wird er so gestellt, als hätte es die Kündigung nie gegeben – mit allen Rechten auf Lohnzahlung. Für Arbeitnehmer ist dies eine existenzsichernde Chance, ihren Job oder zumindest eine Abfindung zu retten. Arbeitgeber hingegen müssen die strengen Kündigungsvorschriften kennen und einhalten, um teure Überraschungen zu vermeiden. Im Zweifel sollte frühzeitig fachkundiger Rat eingeholt werden, damit beide Seiten eine pragmatische und rechtssichere Lösung finden. So lassen sich die Risiken einer unwirksamen Kündigung und eines langen Kündigungsschutzprozesses minimieren.