Urlaubsabgeltung und Aufrechnung im Arbeitsverhältnis

17. Juni 2025 -

Hintergrund des Rechtsstreits

In dem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Köln – 9 Ca 658/25 ging es um den Anspruch eines Arbeitnehmers (Kläger) auf Urlaubsabgeltung, nachdem das Arbeitsverhältnis mit seinem Arbeitgeber (Beklagter) am 31. Januar 2025 beendet worden war. Der Kläger hatte seinen Urlaubsanspruch nicht mehr während der Beschäftigung konsumieren können, sodass er eine finanzielle Abgeltung für nicht genommenen Urlaub beanspruchte. In der Gehaltsabrechnung für Januar 2025 hatte der Beklagte eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 7.720,46 Euro netto berechnet, jedoch einen Teilbetrag von 3.938,97 Euro durch Aufrechnung mit einer Forderung im Zusammenhang mit der Gründung einer Steuerberatergesellschaft in Abzug gebracht. Der Kläger wehrte sich gegen diese Aufrechnung und verlangte die vollständige Auszahlung der Urlaubsabgeltung sowie eine Korrektur des Arbeitszeugnisses.

Rechtliche Würdigung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht Köln entschied in seinem Urteil, dass der Kläger Anspruch auf die vollständige Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.938,97 Euro netto habe. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ergab sich aus § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG), da der Urlaub aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden konnte. Der Anspruch wurde durch einen Vergleich aus dem Jahr 2024 bestätigt, der die Höhe der Urlaubsabgeltung festlegte.

Die zentrale Frage des Verfahrens war die rechtmäßige Aufrechnung des Beklagten. Das Gericht stellte fest, dass die Aufrechnung des Beklagten in der Gehaltsabrechnung vom Januar 2025 grundsätzlich zulässig war. Es bestätigte, dass eine Aufrechnung gemäß § 388 BGB einseitig und empfangsbedürftig erklärt werden kann, ohne eine spezielle Form zu erfordern. Wichtig war dabei, dass der Beklagte die Aufrechnung gegen den Nettolohnanspruch des Klägers und nicht gegen den Bruttolohn erklärte, was den Anforderungen des BGB entspricht.

Jedoch betonte das Gericht, dass über den Bestand der zur Aufrechnung gestellten Forderung, die mit der Gründung einer Steuerberatergesellschaft im Zusammenhang stand, nicht entschieden werden dürfe. Diese Forderung falle nicht in die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts, da es sich um eine „rechtswegfremde Forderung“ handele. Das Arbeitsgericht verneinte einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Urlaubsabgeltungsanspruch und der gesellschaftsrechtlichen Forderung. Diese Forderung könne nur vor den ordentlichen Gerichten verhandelt werden.

Das Vorbehaltsurteil

Das Arbeitsgericht entschied in einem sogenannten „Vorbehaltsurteil“, da der Rechtsstreit über die zur Aufrechnung gestellte Forderung nicht abschließend geklärt werden konnte. Ein Vorbehaltsurteil wird dann erlassen, wenn ein entscheidungsrelevantes Thema (hier die Aufrechnung) von einem anderen Gericht geprüft werden muss. Der Arbeitsgerichtshof verurteilte den Beklagten, den offenen Betrag von 3.938,97 Euro netto an den Kläger zu zahlen, wobei die endgültige Entscheidung über die Aufrechnung dem anderen Gericht vorbehalten blieb.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln stützt sich dabei auf die Grundsätze des § 2 Abs. 3 ArbGG, wonach Arbeitsgerichte nur dann zuständig sind, wenn der rechtliche oder wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Parteien im Rahmen des Arbeitsverhältnisses besteht. Hier war dies nicht der Fall, da der Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung und die Forderung des Beklagten im Zusammenhang mit der Gründung einer Steuerberatergesellschaft unterschiedliche rechtliche Grundlagen hatten und keiner „Zusammenhangszuständigkeit“ nach § 2 Abs. 3 ArbGG unterlagen.

Fazit und praktische Implikationen

Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln verdeutlicht mehrere wichtige Aspekte im Arbeitsrecht:

  1. Aufrechnung im Arbeitsverhältnis: Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich mit eigenen Forderungen gegen den Nettolohnanspruch eines Arbeitnehmers aufrechnen, jedoch nur dann, wenn keine rechtlichen Bedenken bestehen. Die Aufrechnung muss eindeutig erklärt werden und ist nicht formgebunden.
  2. Zuständigkeit der Arbeitsgerichte: Streitigkeiten über Aufrechnungsforderungen, die nicht aus dem Arbeitsverhältnis selbst resultieren, fallen grundsätzlich nicht in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, es sei denn, ein enger rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis besteht.
  3. Vorbehaltsurteile: Das Arbeitsgericht kann in Fällen, in denen eine Aufrechnung mit einer nicht arbeitsrechtlichen Forderung im Raum steht, ein Vorbehaltsurteil fällen, dessen Vollstreckbarkeit vom Ausgang des Verfahrens vor dem zuständigen Zivilgericht abhängt.

Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie im Falle einer Aufrechnung genau darauf achten müssen, dass die Forderung, gegen die sie aufrechnen wollen, in einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis steht. Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil, dass sie bei einer Aufrechnung von Forderungen, die nicht mit ihrem Arbeitsverhältnis zu tun haben, auf die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts achten sollten, um ihre Rechte auf Urlaubsabgeltung oder andere Ansprüche durchzusetzen.

Die Entscheidung unterstreicht auch die Bedeutung einer korrekten Gehaltsabrechnung und der Transparenz bei der Erklärung von Aufrechnungen, da Fehler in der Berechnung oder in der Aufrechnungserklärung zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen können.

Empfohlene Handlungsweise

Arbeitgeber sollten sich regelmäßig über die korrekte Handhabung von Aufrechnungen und der Gehaltsabrechnung informieren, um rechtlichen Konflikten vorzubeugen. Arbeitnehmer, die mit Aufrechnungen in Verbindung mit anderen Forderungen konfrontiert sind, sollten im Zweifelsfall rechtzeitig rechtlichen Rat einholen, um ihre Ansprüche auf Urlaubsabgeltung oder andere Leistungen durchzusetzen.