Vertragsverletzungsverfahren: Deutschland muss bei Entsorgung radioaktiver Abfälle, bei Aufenthaltstitel in Kartenform und beim Zugang zu Rechtsbeistand nachbessern

24. September 2021 -

In ihren Entscheidungen zu Vertragsverletzungsverfahren im Monat September hat die Europäische Kommissionam 23.09.2021 Deutschland aufgefordert, seinen Verpflichtungen bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle, beim Zugang zu einem Rechtsbeistand sowie bei der Ausstellung von Aufenthaltstiteln in Kartenform nachzukommen.

Aus EU-Aktuell vom 23.09.2021 ergibt sich:

Dazu hat sie Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland gestartet wegen der mangelnden Umsetzung bei der Einführung von Aufenthaltstiteln in Kartenform mit biometrischen Daten und dem Zugang zu einem Rechtsbeistand sowie dem Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug. In einem laufenden Verfahren zum Programm für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle übersendet die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahmen an Deutschland, die zweite Stufe in Vertragsverletzungsverfahren. Es ist Aufgabe der Europäische Kommission, die korrekte Anwendung von EU-Recht durch die EU-Mitgliedstaaten zu überwachen.

Radioaktive Abfälle: Kommission fordert Deutschland auf, ein nationales Programm für die Entsorgung radioaktiver Abfälle zu erlassen

Die Kommission hat heute beschlossen, mit Gründen versehene Stellungnahmen an Deutschland und Lettland zu richten, weil die von den beiden Ländern erlassenen Programme für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle nicht vollständig im Einklang mit der Richtlinie über abgebrannte Brennelemente und radioaktive Abfälle (Richtlinie 2011/70/Euratom des Rates) stehen. Radioaktiver Abfall entsteht bei der Stromerzeugung in Kernkraftwerken, aber auch durch andere Verwendungen radioaktiven Materials in Medizin, Forschung, Industrie und Landwirtschaft. Das bedeutet, dass in allen Mitgliedstaaten radioaktive Abfälle anfallen. Die Richtlinie liefert einen Gemeinschaftsrahmen für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, damit ein hohes Sicherheitsniveau gewährleistet ist und künftigen Generationen keine unangemessenen Lasten aufgebürdet werden. So sind die Mitgliedstaaten insbesondere verpflichtet, nationale Programme für die Entsorgung aller abgebrannten Brennelemente und radioaktiven Abfälle, die in ihrem Hoheitsgebiet von der Erzeugung bis zur Endlagerung anfallen, zu erstellen und durchführen. Ziel ist es, die Arbeitskräfte und die Bevölkerung vor den Gefahren ionisierender Strahlung zu schützen. Die von Deutschland und Lettland gemeldeten nationalen Programme stehen nicht im Einklang mit bestimmten Anforderungen der Richtlinie. Die fraglichen Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate, um die von der Kommission ermittelten Mängel zu beheben. Sollten sie keine zufriedenstellende Antwort geben, kann die Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen diese Länder einreichen.

Legale Migration: Kommission fordert Deutschland auf, das neue Kartenformat für Aufenthaltstitel von Drittstaatsangehörigen zu verwenden

Die Kommission übermittelt heute Aufforderungsschreiben an Bulgarien und Deutschland, weil sie das neue Kartenformat für Aufenthaltstitel von Drittstaatsangehörigen (Verordnung (EG) Nr. 1030/2002) nicht bzw. nicht ordnungsgemäß umgesetzt haben. Zur Verhinderung von Fälschungen wurde die Verordnung im Jahr 2017 geändert und Aufenthaltstitel in Kartenform mit verbesserten Sicherheitsmerkmalen eingeführt, die auf biometrischen Daten beruhen. Bulgarien stellt die neuen Aufenthaltstitel, die bis zum 10. Juli 2020 eingeführt werden mussten, derzeit nicht aus. Deutschland stellt in bestimmten Fällen noch immer Blaue Karten EU und Karten für unternehmensinterne Transfers in Aufkleberform aus, mit unbegrenzter Gültigkeit zur Vermeidung außergewöhnlicher Härten. Der Aufkleber enthält keine Gesichtserkennungs- oder Fingerabdruckdaten und erschwert die Überprüfung der Identität des Inhabers. Die beiden Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate Zeit, um auf die Argumente der Kommission zu reagieren. Andernfalls kann die Kommission beschließen, mit Gründen versehene Stellungnahmen zu übermitteln.

Rechte in Strafverfahren: Kommission fordert Deutschland zur ordnungsgemäßen Umsetzung der EU-Vorschriften über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand auf

Die Kommission hat heute beschlossen, Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien, Tschechien, Deutschland und Frankreich einzuleiten und Aufforderungsschreiben an diese Länder zu richten, weil sie die EU-Vorschriften über den Zugang zu einem Rechtsbeistand und das Recht auf Kommunikation bei Freiheitsentzug (Richtlinie (EU) 2013/48) nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt haben. Die Richtlinie ist Teil des EU-Rechtsrahmens für faire Verfahren, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Rechte von Verdächtigen und Beschuldigten ausreichend geschützt werden. Nach Auffassung der Kommission bleiben einige der von den vier Mitgliedstaaten gemeldeten nationalen Umsetzungsmaßnahme hinter den Anforderungen der Richtlinie zurück. So hat die Kommission insbesondere einige Mängel in Bezug auf mögliche Ausnahmen von dem Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand sowie von dem Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug festgestellt. Die Mitgliedstaaten müssen nun binnen zwei Monaten reagieren und die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der von der Kommission ermittelten Mängel ergreifen. Andernfalls kann die Kommission beschließen, den nächsten Schritt im Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten und mit Gründen versehene Stellungnahmen zu übermitteln. Weitere Einzelheiten zu dieser Richtlinie sind dem Infoblatt zu entnehmen.