Verweigerte Terminverlegung trotz Todesfall – OLG Frankfurt sieht Befangenheit

13. Dezember 2025 -

Wenn ein Gericht eine beantragte Terminsverlegung verweigert, obwohl die Anwältin wegen eines Todesfalls im engsten Familienkreis kurzfristig ausfällt, kann das die Besorgnis der Befangenheit des Richters begründen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem aktuellen Beschluss vom 12.11.2025 (Az. 26 W 15/25) entschieden. Das Gericht kritisierte die starre Terminierung und den unzulässigen Druck, den die Vorsitzende Richterin im konkreten Fall ausgeübt hatte.

Hintergrund: Todesfall kurz vor Verhandlungstermin

In dem zugrunde liegenden Verfahren – einem deutsch-spanischen Handelsvertreterprozess – vertrat eine spanischsprachige Einzelanwältin die in Spanien ansässige Beklagte. Für den 19.05.2025 war eine Güte- und mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt anberaumt. Kurz vorher verstarb der Vater der Anwältin, wodurch diese unverschuldet daran gehindert war, den Termin wahrzunehmen. Noch am Abend des 15.05.2025 beantragte die Anwältin daher eine Terminsverlegung und schilderte ihre außergewöhnliche Ausnahmesituation eingehend. Sie erläuterte die anstehenden organisatorischen Schritte (Termin beim Bestatter, bevorstehende Beerdigung und weitere notwendige Absprachen) und wies darauf hin, dass kein “beliebiger Unterbevollmächtigter“ als Vertreter einspringen könne, da wegen der Mandantin in Spanien Spanischkenntnisse erforderlich seien.

Die Vorsitzende Richterin lehnte den Verlegungsantrag jedoch – innerhalb eines Tages gleich zweimal – ab. Zur Begründung verwies sie zunächst auf eine angeblich fehlende Glaubhaftmachung der Verhinderung und schlug vor, die Beklagte könne einen anderen Anwalt als Vertreter zum Termin schicken. Außerdem habe der Klägervertreter seine Reise bereits gebucht, sodass bei Ausfall des Termins Kosten entstehen würden. Zugleich verknüpfte die Richterin die Aussicht auf Verlegung mit einer Bedingung: Der Termin werde nur aufgehoben, wenn die Beklagte die erste Stufe der Stufenklage anerkenne (also den Auskunftsanspruch zugestehe).

Daraufhin stellte die Beklagtenseite am 18.05.2025 ein Ablehnungsgesuch (Befangenheitsantrag) gegen die Richterin. Dennoch hielt das Landgericht am 19.05.2025 die Verhandlung ohne die Beklagtenvertreterin ab und erließ ein Teil-Versäumnisurteil gegen die Beklagte. Das Landgericht wies den Befangenheitsantrag anschließend als unbegründet zurück. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hatte jedoch Erfolg: Das OLG Frankfurt hob die Entscheidung des Landgerichts auf und erklärte das Ablehnungsgesuch für begründet.

Besorgnis der Befangenheit bei verweigerter Terminsverlegung

Nach § 42 Abs. 2 ZPO ist entscheidend, ob aus Sicht einer vernünftigen Partei objektive Gründe vorliegen, die Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters rechtfertigen. Nach gefestigter Rechtsprechung – auch des Bundesgerichtshofs – kann die Ablehnung einer Terminsverlegung ausnahmsweise einen Befangenheitsgrund darstellen, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • Zwingende Verlegungsgründe: Es liegen erhebliche Gründe im Sinne von § 227 ZPO vor, die eine Verlegung des Termins offensichtlich erforderlich machen (z.B. ein unvorhergesehener Todesfall in der Familie der Prozessbevollmächtigten).
  • Unzumutbarkeit der Ablehnung: Die Zurückweisung des Verlegungsantrags wäre für die betroffene Partei schlechthin unzumutbar, sodass ihr Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verletzt würde. Insbesondere darf nicht der Eindruck entstehen, das Festhalten am Termin diene der sachfremden Benachteiligung einer Seite.

Im vorliegenden Fall sah das OLG Frankfurt diese Voraussetzungen eindeutig als erfüllt an. Aus der Perspektive der betroffenen Beklagten konnte das Verhalten der Richterin das Vertrauen in deren Unparteilichkeit erschüttern. Die Verweigerung der Verlegung trotz erkennbar gravierender Gründe ließ befürchten, dass das Gericht die Belange der Beklagten nicht fair berücksichtigen würde.

Unzumutbare Härte: Warum die Ablehnung hier nicht tragbar war

Das OLG stellte heraus, dass der Tod des Vaters der Anwältin einen „zwingenden Verlegungsgrund“ darstellte. Die Rechtsanwältin hatte nachvollziehbar dargelegt, dass sie wegen der kurzfristigen Trauerfall-Abwicklung zeitlich verhindert war – sie musste innerhalb weniger Tage die Beerdigung organisieren – und zudem in der Ausnahmesituation emotional stark belastet war. Die gegenteilige Einschätzung der Richterin, es sei „keine Verhinderung für Montagvormittag dargetan“, bezeichnete das OLG als offensichtlich verfehlt. Nur 20 Stunden nach dem Todesfall ihres Vaters konnte von der Anwältin weder erwartet werden, den umfangreichen Verhandlungstermin sachgerecht vorzubereiten, noch spontan einen detaillierten „Belegplan“ aller anstehenden Termine vorzulegen – zumal ein Teil der Absprachen (etwa mit Pfarrer oder Friedhof) erst nach dem Wochenende konkret vereinbart werden konnte.

Hinzu kam im konkreten Fall, dass besondere Anforderungen an die Mandatsbeziehung bestanden. Die Beklagte hatte ihre Prozessbevollmächtigte auch deshalb gewählt, weil diese Spanisch spricht und die Verständigung mit der in Spanien ansässigen Mandantin gewährleistet war. Angesichts des als Güteverhandlung angesetzten Termins – bei dem Vergleichsgespräche unter persönlicher Anwesenheit der Parteien stattfinden sollten – hatte die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran, gerade von ihrer eingeweihten Vertrauensanwältin vertreten zu werden. Ein zufällig verfügbarer Unterbevollmächtigter ohne entsprechende Sprach- und Sachkenntnisse wäre kein zumutbarer Ersatz gewesen. Diese Besonderheiten hat die Richterin bei ihrer Entscheidung offenkundig unberücksichtigt gelassen.

Auch sonst ergab sich kein legitimer Grund, an dem Termin um jeden Preis festzuhalten. Weder drohte eine Verfahrensverzögerung von erheblichem Ausmaß, noch gab es Anzeichen dafür, dass die Beklagte den Prozess durch den Verlegungsantrag verschleppen wollte. Die OLG-Richter kritisierten, dass die Vorsitzende nicht einmal erkennbar prüfte, wann ein Ausweichtermin möglich gewesen wäre, sondern von vornherein strikt an der Durchführung am 19.05. festhielt. Die pauschale Berufung auf bereits gebuchte Reisen der Gegenseite rechtfertigte es jedenfalls nicht, der Beklagten den Anspruch auf ihr Gehör zu versagen.

Unzulässiger Druck: Verlegung gegen Anerkenntnis gefordert

Besonders befremdlich war aus Sicht des OLG, dass die Richterin die Aussicht auf eine Terminverlegung von einem prozessualen Entgegenkommen der Beklagten abhängig machte. Konkret stellte sie in Aussicht, den Termin nur bei einem Teil-Anerkenntnis (Erfüllung der ersten Klagestufe) aufzuheben. Eine vernünftige Partei kann ein solches Verhalten nur als „prozessual unzulässigen Druck“ verstehen, so das OLG. Der Beklagten sollte faktisch nahegelegt werden, einen wesentlichen Teil ihrer Rechtsposition preiszugeben, nur um eine faire Behandlung (Vertagung des Termins) zu erhalten.

Die Frankfurter Oberlandesrichter hoben hervor, dass ein Gericht in einer Situation wie dieser sogar gesteigerte Fürsorgepflichten hat. Wenn eine Anwältin am Tag nach dem Todesfall eines Elternteils unter Tränen um Terminverschiebung bittet, gebietet es der Anstand und das Gebot des rechtlichen Gehörs, hierauf einzugehen. Stattdessen habe die Vorsitzende – ohne erkennbare Ermessensabwägung – allein auf eine zügige Verfahrensführung und die vermeintlichen Kosteninteressen der Gegenseite abgestellt. Dieses Verhalten war nicht nur sozial inadäquat, sondern geeignet, bei der Beklagten den Eindruck einer einseitigen Parteinahme zu erwecken.

Der Beschluss des OLG Frankfurt verdeutlicht, dass Gerichte Terminverlegungen aus gravierenden Gründen nicht unzumutbar verweigern dürfen. Eine starre Terminplanung trotz tragischer Umstände kann das Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzen und Misstrauen in die Unparteilichkeit des Gerichts begründen. Für Anwältinnen und Anwälte bedeutet dies: In echten Not- und Härtefällen sollte unbedingt ein ausführlich begründeter Terminsverlegungsantrag gestellt werden – Gerichte sind in solchen Ausnahmesituationen verpflichtet, dem gerecht zu werden. Andernfalls droht nicht nur ein späterer Verfahrensfehler, sondern sogar ein erfolgreicher Befangenheitsantrag, wie der vorliegende Fall eindrucksvoll zeigt. Gerade auch im Interesse der Rechtspflege sollten Richter*innen vermeiden, durch unnötige Härte oder Bedingungen (etwa „Verlegung nur gegen Anerkenntnis“) den Anschein von Befangenheit zu erwecken. Letztlich genießt das faire Verfahren Vorrang vor Terminstrenge – die Wahrung des rechtlichen Gehörs und des Vertrauens in die Justiz müssen an erster Stelle stehen.