Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bei Unterlassungsklage gegen Online-Bewertungen eines ehemaligen Arbeitnehmers

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.11.2021 (I-16 W 45/21)

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit seinem Beschluss vom 25. November 2021 (Az. I-16 W 45/21) Klarheit zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bei Streitigkeiten um Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit Äußerungen ehemaliger Arbeitnehmer in Online-Bewertungen geschaffen. Insbesondere ging es um die Frage, ob der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig ist oder ob die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig sind.

Diese Entscheidung ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer relevant, die sich mit den rechtlichen Grenzen der Meinungsäußerung in Bewertungsportalen und der Einordnung von Rechtsstreitigkeiten zwischen ihnen auseinandersetzen müssen.

Sachverhalt

Der Kläger, Inhaber eines mittelgroßen Architekturbüros, verklagte seinen Bruder, den Beklagten, der bei ihm bis Ende November 2020 als Bauleiter tätig war, auf Unterlassung bestimmter negativer Internetbewertungen. Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger hinterließ der Beklagte mehrere negative Rezensionen zu seinem früheren Arbeitgeber auf Google und einem Arbeitgeber-Bewertungsportal.

In den Rezensionen wurden schwerwiegende Vorwürfe erhoben, u.a. Respektlosigkeit gegenüber älteren Kollegen, persönliche Angriffe gegen den Inhaber und Offenlegung interner Geschäftsvorgänge, etwa zur Abwicklung bestimmter Leistungsphasen des Architekturbüros. Der Kläger sah darin eine Verletzung der vertraglichen Geheimhaltungspflichten sowie eine geschäftsschädigende Beeinträchtigung seines Unternehmens.

Das Landgericht Mönchengladbach erklärte zunächst den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig, da der Kläger seine Ansprüche hauptsächlich aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB geltend machte (unerlaubte Handlung, Unterlassungsanspruch).

Der Beklagte rügte diese Entscheidung mit der Beschwerde und argumentierte, dass die Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG zuständig seien, da es sich um eine Streitigkeit aus unerlaubter Handlung in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis handle.

Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf hat die sofortige Beschwerde des Beklagten stattgegeben und den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt. Die Klage wurde an das Arbeitsgericht Mönchengladbach verwiesen.

Wesentliche Gründe:

  • Exklusive Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG
    Die Arbeitsgerichte sind ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus unerlaubten Handlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, soweit diese im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen.
  • Weite Auslegung des Begriffs „unerlaubte Handlung“
    Der Begriff umfasst nicht nur Schadensersatzansprüche, sondern auch Unterlassungsansprüche, wie hier bei der Klage gegen die Bewertungsäußerungen.
  • Innere Beziehung zur Arbeitsverhältnis notwendig, aber nicht auf Schadensersatz beschränkt
    Eine unerlaubte Handlung steht in innerer Beziehung zum Arbeitsverhältnis, wenn sie ihre Ursache in der Eigenart des Arbeitsverhältnisses hat und typische Reibungspunkte des Arbeitsverhältnisses betrifft.
    Die Äußerungen des Beklagten wurden in engem zeitlichem Zusammenhang zur Kündigung abgegeben und bezogen sich auf interne Betriebsabläufe und das Arbeitsverhältnis selbst.
  • Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich
    Der Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bleibt auch dann bestehen, wenn die unerlaubte Handlung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt, solange sie darauf zurückzuführen ist.
  • Kein überwiegender Bezug zu einer anderen Beziehung
    Die familiären Spannungen zwischen den Brüdern konnten den arbeitsrechtlichen Bezug der Streitigkeit nicht überlagern.
  • Örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Mönchengladbach
    Nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 32 ZPO wurde der Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht verwiesen.

Bedeutung des Urteils für die Praxis

Klärung der Zuständigkeit bei arbeitsrechtlich geprägten Unterlassungsansprüchen

Das OLG Düsseldorf bestätigt die – oft umstrittene – Ansicht, dass Unterlassungsansprüche aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen eines Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bei innerem Bezug zum Arbeitsverhältnis in den Zuständigkeitsbereich der Arbeitsgerichte fallen. Dies gilt auch, wenn die Äußerungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt sind.

Weite Definition des inneren Zusammenhangs

Der Beschluss verdeutlicht, dass eine unerlaubte Handlung auch dann noch arbeitsrechtlichen Bezug haben kann, wenn der Streitgegenstand einer Äußerung in der Reaktion auf die Kündigung liegt und intern betriebliches Wissen zum Inhalt hat.

Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten

Die Entscheidung weist darauf hin, dass auch bei gemischten Rechtsgrundlagen (Arbeitsvertragliche Pflichten und allgemeines Deliktsrecht) der arbeitsgerichtliche Rechtsweg Vorrang hat.

Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Arbeitgeber sollten wissen, dass der Rechtsweg in Streitigkeiten mit ehemaligen Arbeitnehmern über negative Bewertungen, die das Arbeitsverhältnis betreffen, in der Regel bei den Arbeitsgerichten liegt. Arbeitnehmer wiederum können sich auf die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte berufen, was in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten oft günstiger ist.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf vom 25.11.2021 (I-16 W 45/21) ist eine wichtige Entscheidung zur Rechtswegzuständigkeit bei Unterlassungsklagen aus Äußerungen ehemaliger Arbeitnehmer im Internet. Er bestätigt die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für arbeitsrechtlich geprägte unerlaubte Handlungen und verdeutlicht die breite Auslegung des inneren Bezugs zum Arbeitsverhältnis.

Für die arbeitsrechtliche Praxis bedeutet dies, dass entsprechende Streitigkeiten konsequent vor den Arbeitsgerichten ausgetragen werden müssen, was die Verfahrensführung und Rechtswegentscheidung klarer und planbarer macht.