Gesetzliche Grundlagen: Rente und Arbeitsverhältnis
In Deutschland besteht kein gesetzlicher Automatismus, der ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei Renteneintritt automatisch beendet. Weder das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters noch der Erhalt eines Rentenbescheids sind per se Beendigungsgründe im Arbeitsrecht. Nach § 33 SGB VI (Sozialgesetzbuch VI) gibt es verschiedene Rentenarten (z. B. Regelaltersrente, Altersrenten für langjährig Versicherte, Erwerbsminderungsrenten) – doch der Rentenbeginn und das Arbeitsverhältnis werden rechtlich getrennt betrachtet. § 15 TzBfG (Teilzeit– und Befristungsgesetz) bestimmt, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vereinbarten Zeit oder beim Eintritt einer vereinbarten Bedingung automatisch endet. Für ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gilt das jedoch nicht automatisch, sofern keine entsprechende Klausel im Vertrag steht. Vielmehr bedarf es zur Beendigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags grundsätzlich einer Kündigung oder eines Aufhebungsvertrags.
§ 41 SGB VI unterstreicht diese Trennung von Rentenbeginn und Kündigungsschutz ausdrücklich. Dort heißt es: „Der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters ist nicht als ein Grund anzusehen, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann.“. Eine Kündigung allein wegen des Renteneintritts wäre demnach unwirksam und verstößt im Zweifel auch gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach dem AGG. Arbeitnehmer sind also nicht automatisch „raus“, nur weil sie rentenberechtigt sind – und Arbeitgeber dürfen ein Arbeitsverhältnis nicht allein mit der Begründung beenden, der Arbeitnehmer sei nun finanziell abgesichert oder „alt genug“.
Kein automatisches Ende mit Renteneintritt: Häufige Missverständnisse
Ein weit verbreitetes Missverständnis ist die Annahme, mit Erreichen des Rentenalters oder dem Rentenbescheid ende das Arbeitsverhältnis von selbst. Dem ist nicht so: Weder der Rentenbescheid noch der Beginn der Rentenzahlung beendet automatisch den Arbeitsvertrag. Das gilt sowohl für Arbeitnehmer, die die Regelaltersgrenze erreichen, als auch für diejenigen, die eine vorgezogene Altersrente oder Erwerbsminderungsrente erhalten.
Beispiel: Ein Mitarbeiter erreicht die Regelaltersgrenze (z. B. 67 Jahre) – sein unbefristeter Arbeitsvertrag läuft ohne anderslautende Vereinbarung einfach weiter. Möchte er in Rente gehen, muss er selbst kündigen oder einen Aufhebungsvertrag schließen, da das Arbeitsverhältnis sonst bestehen bleibt. Umgekehrt kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht einfach wegen des Rentenalters kündigen. Eine Kündigung allein aufgrund des Alters wäre unwirksam.
Auch der Eingang des Rentenbescheids (etwa der schriftliche Bescheid der Deutschen Rentenversicherung über die Bewilligung der Rente) führt nicht automatisch zur Beendigung. Ohne vertragliche Regelung müsste der Arbeitnehmer also weiter arbeiten (oder der Arbeitgeber Gehalt zahlen), selbst wenn bereits eine Rente fließt. Praktisch würden Arbeitnehmer natürlich selten doppelt kassieren wollen; vielmehr kündigen sie in solchen Fällen meist selbst. Dennoch ist die Klarstellung wichtig: Ohne vertragliche oder tarifliche Rentenklausel endet ein Arbeitsverhältnis nicht allein durch Renteneintritt. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten also nicht irrtümlich „nichts tun“ – andernfalls besteht das Arbeitsverhältnis fort, was zu unerwünschten Rechtsfolgen (z. B. Gehaltsansprüche trotz Nichtarbeit oder Abmahnrisiken wegen unentschuldigten Fehlens) führen kann.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Kündigung oder vertragliche Klausel?
Grundsätzlich gilt: Soll ein unbefristetes Arbeitsverhältnis enden, bedarf es einer ordentlichen Kündigung oder eines Aufhebungsvertrags – es sei denn, es wurde vertraglich im Voraus ein Endzeitpunkt oder eine Bedingung vereinbart. Viele Arbeitsverträge (und auch manche Tarifverträge) enthalten tatsächlich eine Altersgrenzenklausel. Diese besagt typischerweise, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des Renteneintrittsalters ohne Kündigung automatisch endet. Fehlt eine solche Regelung, läuft das Arbeitsverhältnis unbefristet weiter. Dann müssen die Parteien aktiv werden, um es zu beenden: Der Arbeitnehmer durch Kündigung, wenn er in den Ruhestand gehen will – oder der Arbeitgeber durch betriebsbedingte oder personenbedingte Kündigung, wenn er das Ausscheiden herbeiführen möchte. Allerdings ist – wie oben erläutert – eine Kündigung allein wegen des Alters unzulässig. In der Praxis greifen Arbeitgeber ohne Altersklausel daher oft zu Aufhebungsverträgen: Man einigt sich einvernehmlich auf das Renteneintrittsdatum als Beendigungszeitpunkt, manchmal verbunden mit einer Abfindung oder einem gleitenden Übergang.
Gesetzlich verankert ist die automatische Beendigung nur im Bereich befristeter Verträge: Nach § 15 Abs. 1 TzBfG endet ein kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag mit Ablauf der vereinbarten Zeit. Und nach § 15 Abs. 2 TzBfG endet ein zweckbefristeter Vertrag mit Erreichen des Zwecks, z. B. dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Eine vertragliche Altersgrenzenklausel kann man sich als solche Zweckbefristung oder auflösende Bedingung vorstellen: Der „Zweck“ bzw. die Bedingung ist das Erreichen des Rentenalters (oder der Rentenberechtigung), woraufhin das Arbeitsverhältnis automatisch enden soll. Ist diese Klausel wirksam vereinbart, bedarf es keiner Kündigung durch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. Der Renteneintritt wird in diesem Fall quasi zum vertraglich vereinbarten Enddatum.
Wichtig: Solche Altersklauseln sind arbeitsrechtlich zulässig, sofern sie sich an der gesetzlichen Regelaltersgrenze orientieren. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält eine Befristung bis zum Erreichen der Regelaltersrente für sozial gerechtfertigt und nicht diskriminierend, weil zu diesem Zeitpunkt regelmäßig eine ausreichende soziale Absicherung des Arbeitnehmers durch die Rente besteht. Auch der Europäische Gerichtshof hat Altersgrenzen in Arbeits- oder Tarifverträgen – z. B. eine allgemeine Altersgrenze 65 – grundsätzlich gebilligt. Entsprechende Klauseln verstoßen nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, solange sie legitime Ziele (wie Personalplanung, generationenübergreifende Beschäftigungspolitik) verfolgen und der Arbeitnehmer durch die Rente abgesichert ist.
Beispiel für eine wirksame Altersklausel im Arbeitsvertrag: “Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das gesetzliche Rentenalter erreicht hat (derzeit Vollendung des 67. Lebensjahres), sofern er zu diesem Zeitpunkt eine Rente wegen Alters (§ 35 SGB VI) oder eine vergleichbare Altersversorgung beanspruchen kann.”. Diese Formulierung koppelt das Vertragsende an die Regelaltersgrenze und daran, dass der Mitarbeiter ab diesem Zeitpunkt auch tatsächlich eine Altersrente erhalten kann. Damit wird verhindert, dass jemand theoretisch aus dem Job ausscheidet, obwohl er mangels Beitragszeiten noch gar keine Rente bekäme.
Altersgrenze anheben oder hinauszögern
Seit der schrittweisen Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre (Übergangsphase 2012–2029) müssen ältere Arbeitsvertragsklauseln entsprechend ausgelegt werden. Ein Vertrag, der z. B. früher pauschal auf „65 Jahre“ abstellte, ist heute so zu verstehen, dass die Regelaltersgrenze gemeint ist – also faktisch 66 oder 67, je nach Jahrgang. Andernfalls würden Arbeitnehmer mit solchen Alt-Klauseln vor Erreichen der gesetzlichen Rente aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und schlimmstenfalls mit Rentenabschlägen oder einer rentenlosen Lücke dastehen. Die Gerichte stellen auf den Sinn und Zweck der Vereinbarung ab: Üblicherweise sollte mit „65“ die damals geltende Rentengrenze erfasst werden, daher gilt nun die neue Grenze.
Übrigens: Möchten Arbeitnehmer und Arbeitgeber trotz vereinbarter Altersgrenze über den Rentenbeginn hinaus weiter zusammenarbeiten, erlaubt § 41 SGB VI ausdrücklich, den Beendigungszeitpunkt gemeinsam hinauszuschieben. Diese Verlängerung kann während des laufenden Arbeitsverhältnisses vereinbart werden – und das sogar mehrfach hintereinander. Wichtig ist, dass eine solche Verlängerungsvereinbarung vor dem eigentlich vorgesehenen Ende getroffen wird, damit das bestehende Arbeitsverhältnis nahtlos fortgesetzt wird. Seit einer Gesetzesänderung genügt hierfür die Textform (z. B. schriftlicher Vertrag oder sogar E-Mail) – eine Erleichterung gegenüber dem sonst bei Befristungen geltenden Schriftformerfordernis. In der Praxis sollte man jedoch aus Beweisgründen einen unterschriebenen Zusatzvertrag aufsetzen.
Beispiel: Im obigen Muster endet der Vertrag regulär mit 67. Ein Jahr zuvor einigen sich beide Seiten schriftlich darauf, das Ende um ein Jahr auf das 68. Lebensjahr hinauszuschieben. Dadurch wird die ursprünglich vereinbarte Altersgrenze legal verlängert. Dieser Schritt kann bei Bedarf wiederholt werden. Arbeitgeber sollten hierbei den Betriebsrat einbinden (siehe unten) und sich der Planungssicherheit bewusst sein: Ohne Verlängerung wäre der Mitarbeiter raus, mit Verlängerung bleibt er unbefristet bis zum neuen Datum.
Regelaltersrente vs. vorgezogene Altersrente
Beim Regelrenteneintritt (derzeit 67 Jahre, abhängig vom Geburtsjahr) besteht oft die Vorstellung, der Arbeitnehmer „geht dann eben in Rente“. Wie gezeigt, endet das Arbeitsverhältnis aber nur automatisch, wenn eine entsprechende vertragliche Altersgrenze vereinbart ist. Andernfalls muss der Arbeitnehmer selbst kündigen, wenn er zum Erreichen der Altersgrenze aus dem Erwerbsleben ausscheiden will. Er kann dies natürlich tun – typischerweise unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Monatsende (sofern vertraglich nichts Abweichendes vereinbart ist). Kündigt der Arbeitnehmer nicht, läuft das Arbeitsverhältnis einfach weiter, auch wenn er längst 67 geworden ist. Arbeitgeber wiederum können einen Arbeitnehmer nicht zwingen, mit 67 auszuscheiden, solange keine Altersklausel greift. Eine Kündigung rein wegen des Erreichens der Altersgrenze wäre unwirksam – der Arbeitgeber müsste andere Kündigungsgründe haben (etwa gesundheitliche oder betriebsbedingte), die mit dem Alter nichts zu tun haben, was in der Praxis schwierig sein kann.
Beim Thema vorgezogene Altersrente (also Renteneintritt vor der Regelaltersgrenze) entstehen weitere Fragen. Seit einigen Jahren gibt es z. B. die Möglichkeit, nach 45 Versicherungsjahren schon mit 63 (abschlagsfrei für bestimmte Jahrgänge) oder mit Abschlägen auch mit 63/64 in Rente zu gehen. Wichtig: Auch hier gilt – ein Anspruch auf vorgezogene Altersrente berechtigt den Arbeitgeber nicht, das Arbeitsverhältnis einfach zu beenden. Selbst wenn ein Mitarbeiter mit 63 die Voraussetzungen erfüllt, früher in Rente zu gehen, muss er das nicht tun. Der Arbeitgeber kann ihn nicht gegen seinen Willen in den Ruhestand schicken. Dies wurde etwa 2014 anlässlich der “Rente mit 63”-Neuregelung klargestellt: Arbeitnehmer können, müssen aber nicht mit 63 aus dem Beruf ausscheiden. Sie genießen weiterhin Kündigungsschutz.
Möchte ein Arbeitnehmer selbst vorzeitig in Rente gehen, muss er entsprechend rechtzeitig kündigen oder einen Aufhebungsvertrag schließen, da auch hier kein automatisches Ende ohne vertragliche Klausel eintritt. Man sollte dabei die Kündigungsfrist im Auge behalten, um den Rentenbeginn nahtlos zum Austrittsdatum planen zu können. Gegebenenfalls ist ein Aufhebungsvertrag zu einem Wunschtermin sinnvoll, wenn die Fristen nicht exakt passen. Zudem ist ein Rentenantrag bei der Deutschen Rentenversicherung mindestens drei Monate vor dem gewünschten Rentenbeginn zu stellen, um nahtlos Rente zu erhalten – darauf sollten Arbeitnehmer achten (und Arbeitgeber können ihre Mitarbeiter darauf hinweisen).
Einige Arbeits- oder Tarifverträge könnten Klauseln enthalten, die bereits vor der Regelaltersgrenze anknüpfen, z. B. “das Arbeitsverhältnis endet mit Bezug einer Altersrente (auch einer vorgezogenen)”. Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Eine Vereinbarung, die eine automatische Beendigung vor Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, wird durch § 41 SGB VI rechtlich auf die Regelaltersgrenze geschoben, sofern sie nicht kurzfristig vor Rentenbeginn vereinbart oder bestätigt wurde. Das heißt, allgemeine Klauseln, die z. B. auf Rentenbeginn mit 63 abzielen, greifen im Zweifel erst mit 67. Nur wenn der Arbeitnehmer der vorzeitigen Beendigung in den letzten drei Jahren vor Rentenstart ausdrücklich zugestimmt hat (oder der Vertrag kurz vorher geschlossen wurde), ist die frühere Altersgrenze wirksam. Diese Regel soll Arbeitnehmer davor schützen, Jahrzehnte im Voraus zu einem vorzeitigen Ausscheiden verpflichtet zu werden. Praktisch: Wollen beide Seiten tatsächlich schon z. B. mit 63 trennen, kann man das immer noch per Aufhebungsvertrag tun – aber eine frühzeitige Befristung im Vertrag ist nur eingeschränkt durchsetzbar.
Zusammengefasst: Regelaltersrente (67) beendet ein Arbeitsverhältnis nur automatisch, wenn eine Vertragsklausel das vorsieht – andernfalls braucht es aktive Schritte. Vorgezogene Altersrente erfordert ohnehin immer aktive Schritte des Arbeitnehmers (Renteneintritt auf eigenen Wunsch mit Kündigung/Aufhebungsvertrag), da ein Arbeitgeber das nicht einseitig veranlassen kann. Arbeitnehmer können auch über die Altersgrenze hinaus weiterarbeiten, wenn sie und der Arbeitgeber dies möchten – entweder mangels Klausel ohnehin, oder trotz Klausel mittels Verlängerungsvereinbarung.
Erwerbsminderungsrente: Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag
Bei der Erwerbsminderungsrente (Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit) ist die Lage ähnlich: Auch hier endet ein Arbeitsverhältnis nicht automatisch, nur weil ein Arbeitnehmer eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung bezieht. Ohne spezielles Vertrags- oder Tarifrecht ruht das Arbeitsverhältnis in der Praxis oft, solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist, es sei denn, es wird aktiv beendet. Arbeitgeber können bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit zwar personenbedingt kündigen, müssen dabei aber die strengen Voraussetzungen der krankheitsbedingten Kündigung erfüllen. Der Bezug einer Erwerbsminderungsrente allein ist kein automatischer Kündigungsgrund.
Allerdings gibt es – insbesondere im öffentlichen Dienst und in manchen Tarifverträgen – häufig auflösende Bedingungen für den Fall der Erwerbsminderung. So kann im Arbeits- oder Tarifvertrag vereinbart sein, dass das Arbeitsverhältnis mit Zustellung des Rentenbescheids über eine volle Erwerbsminderungsrente endet. Das BAG hat solche Klauseln grundsätzlich gebilligt, aber mit wichtigen Einschränkungen: Eine automatische Beendigung ist nur gerechtfertigt, wenn es sich um eine dauerhafte volle Erwerbsminderung handelt. Dann nämlich ist der Mitarbeiter auf absehbare Zeit nicht mehr in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen, und durch die unbefristete Rente sozial abgesichert. Die automatische Beendigung dient in diesem Fall sowohl dem Schutz des Arbeitnehmers (der nicht mehr leistungsfähig ist), als auch dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers, einen dauerhaft arbeitsunfähigen Arbeitnehmer aus dem Vertrag zu entlassen.
Handelt es sich hingegen um eine zeitlich befristete Erwerbsminderungsrente, greift die automatische Auflösung nicht. Bei Renten auf Zeit muss mit einer möglichen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gerechnet werden. In solchen Fällen sieht z. B. der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD/TV-L) vor, dass das Arbeitsverhältnis nur ruht, aber nicht endet. Erst wenn eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt wird, tritt die Beendigung ein. Arbeitnehmer haben in diesem Prozess sogar ein Schutzrecht: Nehmen sie ihren Rentenantrag rechtzeitig zurück oder lassen sie ihn auf eine befristete Rente abändern, darf das Arbeitsverhältnis nicht enden. Das heißt, wer die automatische Beendigung vermeiden will, könnte – sofern Aussicht besteht, die Gesundheit wiederzuerlangen – einer unbefristeten Rentenbewilligung entgegentreten. Allerdings ist dies ein komplexer Schritt, der individuell gut überlegt sein will.
In der Praxis sollten Arbeitnehmer, die eine Erwerbsminderungsrente beantragen (oder erhalten), ihren Arbeitsvertrag prüfen: Gibt es eine Klausel, die das Arbeitsverhältnis bei Rentenbezug beendet? Falls ja, hängt vieles davon ab, ob die Rente befristet oder unbefristet ist. Ist keine solche Klausel vorhanden, bedeutet der Rentenbezug erst mal nur, dass man theoretisch parallel Rente beziehen und angestellt bleiben könnte. Oft wird jedoch – gerade bei voller Erwerbsminderung – eine einvernehmliche Lösung gesucht, etwa eine Beendigung durch Aufhebungsvertrag mit ggf. finanzieller Absicherung. Wichtig für Arbeitgeber: Auch bei festgestellter voller Erwerbsminderung bedarf es ohne wirksame Rentenklausel einer Kündigung oder Vereinbarung, um das Arbeitsverhältnis zu beenden. Andernfalls besteht es fort, auch wenn der Mitarbeiter praktisch nicht mehr arbeitet.
Zusammengefasst: Erwerbsminderungsrente beendet ein Arbeitsverhältnis nicht automatisch, es sei denn, es wurde vertraglich so vereinbart. Eine solche Vereinbarung ist wirksam, wenn sie sich auf dauerhafte volle Erwerbsminderung bezieht – bei zeitweiliger oder teilweiser Erwerbsminderung hingegen greift sie nicht automatisch. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten hier frühzeitig das Gespräch suchen. Gegebenenfalls kann das Arbeitsverhältnis ruhend gestellt werden, bis Klarheit über die weitere Leistungsfähigkeit besteht, oder man einigt sich auf eine Beendigung, falls keine Besserung zu erwarten ist.
Gestaltung von Verträgen: Altersklauseln & Mitbestimmung
Für Arbeitgeber, die planbar gestalten wollen, und Arbeitnehmer, die Klarheit über den Austritt haben möchten, bietet es sich an, bereits im Arbeitsvertrag eine Altersgrenze oder auflösende Bedingung zu vereinbaren. Die obige Beispielklausel zeigt, wie dies rechtssicher formuliert werden kann: Kopplung an die Regelaltersgrenze und den Rentenanspruch, ohne feste Jahreszahl (damit künftige Änderungen der Rentenaltersgrenze automatisch berücksichtigt werden). Eine solche Klausel sollte individuell vereinbart werden (am besten ausdrücklich im Vertragstext, nicht versteckt in allgemeinen Geschäftsbedingungen, um Transparenz zu wahren). Wichtig ist auch die Schriftform: Befristungen und auflösende Bedingungen müssen schriftlich vereinbart werden, da sonst ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Zwar lässt § 41 SGB VI für die Hinausschiebung der Altersgrenze Textform genügen, doch die anfängliche Vereinbarung sollte im Vertrag schriftlich fixiert sein (nach § 14 Abs. 4 TzBfG).
Tarifverträge: Existiert eine tarifliche Altersgrenzenregelung, gilt diese meist automatisch für tarifgebundene Arbeitnehmer, ohne dass es noch einer individuellen Klausel bedarf. In vielen Tarifverträgen (z. B. TVöD, viele Branchenverträge) ist festgeschrieben, dass mit Erreichen der Regelaltersrente das Arbeitsverhältnis endet. In einem solchen Fall dürfen Arbeitgeber auch keine abweichenden individuellen Vereinbarungen treffen, außer der Tarif lässt Spielraum. Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, ob ein Tarifvertrag auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet und was dieser vorsieht.
Mitbestimmung des Betriebsrats: Bei Einführung oder Anwendung von Altersgrenzen im Betrieb kann der Betriebsrat gefragt sein. Zwar ist die Gestaltung individueller Arbeitsverträge grundsätzlich Sache von Arbeitgeber und Arbeitnehmer und unterliegt nicht der Mitbestimmung. Aber wenn ein Betrieb einen generellen “Renten mit 67”-Standard einführen will, geschieht dies oft via Betriebsvereinbarung, was die Mitbestimmung auslöst. Außerdem hat das BAG entschieden, dass die Weiterbeschäftigung über eine vereinbarte Altersgrenze hinaus mitbestimmungspflichtig sein kann. Konkret betrachtet das BAG die einvernehmliche Verlängerung über die tarifliche oder vertragliche Altersgrenze als zustimmungspflichtige Neueinstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG. Das bedeutet: Will ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter trotz eigentlich erreichtem Rentenalter weiterbeschäftigen (sei es per Hinausschieben nach § 41 SGB VI oder durch Wiedereinstellung nach Renteneintritt), muss der Betriebsrat vorher zustimmen. Praktisch sollte der Arbeitgeber also den Betriebsrat frühzeitig informieren und dessen Zustimmung einholen, wenn ein Rentner weiter oder wieder beschäftigt werden soll.
Ebenso gilt: Ehemalige Mitarbeiter nach Renteneintritt neu einzustellen, ist betrieblich wie eine Neueinstellung zu behandeln – der Betriebsrat hat sein Mitbestimmungsrecht, und die allgemeinen Befristungsregeln sind zu beachten. So hat das BAG klargestellt, dass der bloße Status als Rentner kein Sachgrund für eine Befristung ist. Wenn also ein Rentner zurückgeholt wird, darf der Vertrag ohne Sachgrund max. 2 Jahre befristet werden (vorausgesetzt, es lag keine Vorbeschäftigung in den letzten 3 Jahren vor), oder es muss ein anerkannter Sachgrund (Projekt, Vertretung etc.) vorliegen. Andernfalls wäre der neue Vertrag unbefristet – was aus Arbeitgebersicht oft nicht gewünscht ist. Diese Feinheiten sollten Personalabteilungen bedenken, wenn sie von der Erfahrung ausgeschiedener Mitarbeiter weiterhin profitieren möchten.
Praktische Hinweise für Arbeitnehmer
- Arbeitsvertrag prüfen: Schauen Sie in Ihren Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag, ob eine Altersgrenzenklausel enthalten ist. Steht dort etwa „endet mit Erreichen des Rentenalters“ o. ä., dann wissen Sie, dass Ihr Vertrag automatisch zum gesetzlichen Rentenalter ausläuft. Ist nichts dergleichen vereinbart, können Sie grundsätzlich auch über die Altersgrenze hinaus weiterarbeiten. In jedem Fall lohnt es sich, frühzeitig mit dem Arbeitgeber über Ihre Rentenpläne zu sprechen.
- Renteneintritt planen: Wenn Sie beabsichtigen, mit Erreichen der (Regel-)Altersgrenze auszuscheiden, und keine automatische Klausel existiert, müssen Sie selbst kündigen. Beachten Sie die Kündigungsfrist (oft 4 Wochen zum Monatsende, sofern nichts anderes vereinbart). Planen Sie so, dass Ihr letzter Arbeitstag mit dem Rentenbeginn harmoniert – meist bietet sich der Monatsletzte an, da die Rente regelmäßig ab dem ersten des Folgemonats gezahlt wird. Stellen Sie Ihren Rentenantrag rechtzeitig, mindestens 3 Monate vor Rentenbeginn. So vermeiden Sie finanzielle Lücken.
- Vorgezogene Rente: Wollen Sie vorzeitig in Rente gehen (z. B. mit 63), gilt das oben Gesagte erst recht – es sei denn, Ihr Arbeitsvertrag hat eine seltene Klausel, die jede Altersrente (auch vorgezogene) erfasst. Normalerweise müssen Sie auch hier aktiv kündigen. Lassen Sie sich ggf. beraten, ob Abschläge anfallen und wie Sie krankenversichert sind. Während des Kündigungsschutzes kann der Arbeitgeber Sie nicht drängen, vorzeitig zu gehen – die Entscheidung liegt bei Ihnen.
- Weiterarbeiten über die Altersgrenze: Haben Sie Interesse, über die Regelaltersgrenze hinaus zu arbeiten (sei es aus Freude an der Arbeit, wegen zusätzlichem Einkommen oder aus anderen Gründen), treten Sie früh mit Ihrem Arbeitgeber in Kontakt. Ohne Altersklausel können Sie ohnehin bleiben; mit Altersklausel kann eine Hinausschiebungsvereinbarung nach § 41 SGB VI geschlossen werden. Erklären Sie Ihrem Arbeitgeber Ihren Wunsch; viele Unternehmen schätzen erfahrene Kräfte. Bedenken Sie aber sozialversicherungsrechtliche Aspekte: Ab Erreichen der Regelaltersrente können Sie unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass Ihre Rente gekürzt wird. Sie können auf Ihren Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung verzichten, wenn Sie keine weitere Erhöhung Ihrer Rente anstreben. Kranken- und Pflegeversicherung laufen für Rentner weiter (i.d.R. als pflichtversicherter Rentner). Informieren Sie sich, ob Sie weiter arbeitslosenversichert sein wollen/müssen – ab Regelrente entfällt die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Diese Details können Sie mit der Deutschen Rentenversicherung und Ihrer Krankenkasse klären.
- Erwerbsminderungsrente: Sollten Sie wegen Krankheit eine Erwerbsminderungsrente beantragen oder beziehen, informieren Sie Ihren Arbeitgeber frühzeitig offen über die Situation. Prüfen Sie auch hier Ihren Vertrag auf Klauseln. Bei befristeter Rente: klären Sie mit dem Arbeitgeber, ob das Arbeitsverhältnis ruhen kann. Bei unbefristeter voller Rente: Überlegen Sie, ob eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses für Sie in Frage kommt. Falls Sie Hoffnung auf Genesung haben, können Sie erwägen, den Rentenantrag zunächst befristet zu stellen, damit Ihr Job erhalten bleibt. Das ist jedoch ein komplexer Schritt – ziehen Sie dazu rechtlichen Rat und die Rentenberatung hinzu. Generell haben Sie im Fall der dauerhaften Erwerbsminderung durch die Rente finanzielle Sicherheit, sodass eine Beendigung zwar schmerzlich, aber abgesichert ist.
Praktische Hinweise für Arbeitgeber
- Belegschaft im Blick: Behalten Sie Mitarbeiter im Auge, die sich dem Rentenalter nähern. Prüfen Sie die Arbeitsverträge: Enthalten sie Altersgrenzenklauseln? Falls nicht, und Sie möchten dennoch, dass Mitarbeiter regulär mit 67 ausscheiden, sollten Sie das Gespräch suchen. Planen Sie rechtzeitig, ob eine einvernehmliche Lösung (z. B. Aufhebungsvertrag zum Rentendatum) sinnvoll ist. Sie können etwa Unterstützung beim Rentenantrag anbieten oder eine kleine Abfindung, um den Übergang attraktiv zu machen. Ohne Vertragsklausel können Sie einen Arbeitnehmer nicht zwingen zu gehen, außer Sie hätten einen sachlichen Kündigungsgrund – was beim bloßen Alter kaum gegeben ist.
- Vertragsgestaltung: Überlegen Sie bei Neueinstellungen, ob Sie eine Altersbefristung aufnehmen wollen. Eine sauber formulierte Klausel (siehe oben) sorgt für Planungssicherheit und verhindert Unklarheiten beim Renteneintritt. Beachten Sie aber, dass eine solche Klausel nicht dazu dienen darf, Arbeitnehmer vor der Regelaltersgrenze auszusortieren – das wäre unwirksam. Ziel muss die geregelte Pensionierung zum gesetzlichen Rentenalter sein. Achten Sie auf Schriftform bei Befristungen (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Falls Sie bestehende Verträge ohne Altersklausel haben, können Sie im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer Nachträge vereinbaren, jedoch wird dieser ohne Gegenleistung kaum zustimmen.
- Flexibler Renteneintritt: Die heutige Gesetzeslage ermöglicht flexible Übergänge (Flexirente). Signalisieren Sie wertgeschätzten älteren Mitarbeitern, dass eine Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze möglich ist, wenn es beiderseits gewünscht wird. Haben Sie eine Altersklausel im Vertrag oder Tarif, können Sie mit dem Mitarbeiter rechtzeitig eine Hinausschiebung des Enddatums vereinbaren. Dies erfordert lediglich Textform, sollte aber aus Transparenzgründen schriftlich erfolgen. Binden Sie den Betriebsrat bei solchen Vorhaben unbedingt ein, da er der Weiterbeschäftigung über die Grenze hinaus zustimmen muss.
- Wissenstransfer und Teilrente: Nutzen Sie Modelle wie Teilrente oder Altersteilzeit, um einen gleitenden Übergang zu ermöglichen. Ein Mitarbeiter könnte z. B. ab 63 in Teilzeit weiterarbeiten und eine Teil-Altersrente beziehen. Solche Absprachen erfordern zwar keinen speziellen Rechtsakt, sollten aber schriftlich fixiert werden (Änderungsvertrag auf Teilzeit). Das Know-how bleibt Ihnen so länger erhalten, und der Mitarbeiter kann langsam in den Ruhestand wechseln. Beachten Sie: Seit 2023 gibt es keine Hinzuverdienstgrenzen mehr bei vorgezogenen Altersrenten, d.h. auch ein unter der Regelaltersgrenze stehender Rentner darf inzwischen unbegrenzt hinzuverdienen. Das eröffnet Ihnen Spielraum, Rentner in Teilzeit oder Minijob weiter zu beschäftigen, ohne dass diese Rentenkürzungen fürchten müssen.
- Erwerbsminderungsfälle managen: Wenn ein Mitarbeiter länger erkrankt ist und evtl. eine Erwerbsminderungsrente beantragt, prüfen Sie Ihren Tarif/Vertrag. Ist eine auflösende Bedingung bei Rentenbewilligung vereinbart, folgen Sie den dortigen Vorgaben (ggf. Beendigung bei unbefristeter Rente, Ruhen bei befristeter Rente). Wenn keine Klausel existiert, entscheiden Sie strategisch: Möchten Sie das Arbeitsverhältnis beenden? Dann ist ggf. eine personenbedingte Kündigung aus Krankheitsgründen möglich, allerdings nur unter den strengen Voraussetzungen der Rechtsprechung (negative Gesundheitsprognose, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen, Interessenabwägung). Alternativ können Sie einen Aufhebungsvertrag anbieten – oft sind Arbeitnehmer in solchen Situationen einverstanden, vorzeitig auszuscheiden, wenn die Rente gesichert ist. Möchten Sie dem Mitarbeiter die Chance lassen zurückzukehren (z. B. bei vorübergehender Erwerbsminderung), können Sie das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen ruhend stellen. Das gibt Planungssicherheit, ohne gleich kündigen zu müssen.
- Kommunikation und Dokumentation: Egal ob Renteneintritt regulär oder vorzeitig – halten Sie die Kommunikation mit Ihren Beschäftigten offen. Klären Sie frühzeitig die Absichten beider Seiten. Lassen Sie Rentenübergänge möglichst nicht auf den letzten Drücker kommen. Wenn Vereinbarungen getroffen werden (Beendigung, Verlängerung, Teilzeit etc.), dokumentieren Sie diese schriftlich. Gerade Verlängerungen über die Altersgrenze sollten schriftlich fixiert und vom Mitarbeiter bestätigt werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Behördliche Meldungen: In vielen Fällen informiert die Deutsche Rentenversicherung den Arbeitgeber automatisch, sobald ein Arbeitnehmer einen Rentenantrag gestellt hat. Dennoch sollten Sie sich nicht ausschließlich darauf verlassen. Fordern Sie Ihre Mitarbeiter auf, Ihnen den geplanten Renteneintritt mitzuteilen. Sie müssen ggf. Entgeltmeldungen an die Sozialversicherung anpassen (Statuswechsel vom Pflichtversicherten zum Rentner) und Urlaubsansprüche berechnen. Eine klare Absprache verhindert Fehlplanung – z. B. dass jemand Urlaub über das Rentenbeginn hinaus beantragt, ohne offiziell gekündigt zu haben.
Rentenbeginn und Arbeitsvertragsende sind zwei getrennte Paar Schuhe. Arbeitgeber und Arbeitnehmer tun gut daran, diese Trennung aktiv zu überbrücken, indem sie rechtzeitig vertragliche Klarheit schaffen. Ob durch kluge Vertragsklauseln oder durch einvernehmliche Absprachen – wichtig ist, Missverständnisse zu vermeiden. Ein Arbeitsverhältnis endet nicht „von selbst“ durch den Rentenbescheid. Beide Seiten sollten daher frühzeitig handeln, um den Übergang in den Ruhestand oder die Weiterbeschäftigung rechtssicher und reibungslos zu gestalten. So lässt sich gewährleisten, dass weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber böse Überraschungen erleben, sondern der Renteneintritt wunschgemäß und rechtlich sauber vollzogen wird.