Zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses gilt: Probezeit und gesetzliche Wartezeit sind verschiedene Dinge. Die Probezeit ist eine vertragliche Vereinbarung (maximal sechs Monate), innerhalb derer meist eine verkürzte Kündigungsfrist – oft nur zwei Wochen – gilt. Die Wartezeit ist dagegen gesetzlich geregelt (§ 1 Abs. 1 KSchG) und besagt, dass der allgemeine Kündigungsschutz erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit greift. Anders formuliert: Ohne gesonderten Vertrag fällt die Probezeit weg – die sechsmonatige Wartezeit bleibt aber bestehen.
Probezeit im Arbeitsvertrag vs. gesetzliche Wartezeit
- Probezeit (vertraglich): Wird im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart (häufig 3 oder 6 Monate), gelten innerhalb dieser Zeit verkürzte Kündigungsfristen (z.B. zwei Wochen). Erreicht die Probezeit sechs Monate, endet sie automatisch.
- Wartezeit (§ 1 KSchG): Gesetzlich vorgesehene Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit (i.d.R. sechs Monate), bevor der allgemeine Kündigungsschutz überhaupt greift. Voraussetzung ist zudem ein Betrieb mit mehr als zehn Beschäftigten.
Die Probezeit wirkt sich also nur auf die Länge der Kündigungsfrist aus (vgl. § 622 BGB). Die Wartezeit hingegen bestimmt, ab wann das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet. Beide Begriffe dürfen daher nicht gleichgesetzt werden. Beispiel: Wurde eine 3-monatige Probezeit vereinbart, kann der Arbeitgeber auch noch im 5. Beschäftigungsmonat ohne Kündigungsgrund kündigen – weil die sechsmonatige Wartezeit noch nicht erfüllt ist.
Verzicht auf Probezeit: Folgen für Kündigungsfristen
Verzichtet der Arbeitsvertrag auf eine Probezeit (etwa: „Es wird keine Probezeit vereinbart“), bedeutet das zunächst nur einen Wegfall der verkürzten Kündigungsfrist. Es gilt stattdessen von Beginn an die längere Grundkündigungsfrist (§ 622 Abs. 1 BGB: vier Wochen zum 15. oder Monatsende). Wurde keine Probezeit vereinbart, kann also beispielsweise schon am ersten Tag mit vierwöchiger Frist gekündigt werden – und nicht nur mit zwei Wochen wie in der Probezeit üblich.
Wichtig: Der Verzicht auf eine Probezeit verzichtet nicht auf die Wartezeit. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat klargestellt: Wer keine Probezeit vereinbart, muss trotzdem die sechsmonatige Wartezeit abwarten, bis das KSchG gilt. Für Arbeitgeber bedeutet das im Ergebnis, dass auch ohne Probezeit die ersten sechs Monate wie eine „gesetzliche Probezeit“ funktionieren. Solange die Wartezeit nicht vorbei ist, kann ordentlich gekündigt werden, ohne Gründe nach dem KSchG darzulegen.
Gesetzlicher Kündigungsschutz greift erst nach sechs Monaten
In der Praxis merken viele neu eingestellte Arbeitnehmer oft zu spät: Kündigungsschutz gibt es auch bei Verzicht auf Probezeit erst nach sechs Monaten. Vor Ablauf dieser Wartezeit finden die strengen sozialen Kriterien des Kündigungsschutzgesetzes noch keine Anwendung. Das bedeutet:
- Vor Ablauf von sechs Monaten: Eine ordentliche Kündigung ist grundsätzlich möglich, auch ohne Kündigungsgrund. Der Arbeitgeber muss lediglich die vertraglich oder gesetzlich vereinbarte Kündigungsfrist einhalten.
- Nach sechs Monaten: Sofern im Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter arbeiten, greift der allgemeine Kündigungsschutz. Eine spätere Kündigung bedarf dann einer sozialen Rechtfertigung (personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt).
Dies gilt unabhängig davon, ob vorher eine Probezeit vereinbart war oder nicht. Selbst wenn der Arbeitsvertrag ausdrücklich besagt „keine Probezeit“, bleibt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf von sechs Monaten „nur eingeschränkt geschützt“. Nur Ausnahmen wie Schwangerschaft, Diskriminierungsverbote oder andere spezielle Schutzrechte verhindern eine Kündigung schon zuvor.
Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer beachten sollten
- Vertragsgestaltung: Arbeitgeber sollten wissen, dass das Weglassen der Probezeit keine vorzeitige Anwendung des KSchG ermöglicht. Arbeitnehmer müssen prüfen, ob im Vertrag zusätzlich ein Kündigungsschutz ab dem ersten Tag vereinbart wurde. Solche Klauseln gibt es selten, denn normalerweise gilt die Wartezeit.
- Vereinbarung einer sofortigen Schutzwirkung: Theoretisch können die Parteien im Vertrag vereinbaren, dass § 1 KSchG ab dem ersten Tag gilt. In der Praxis kommt das jedoch kaum vor – und bedarf klarer ausdrücklicher Formulierungen.
- Betriebsgröße beachten: Kündigungsschutz greift in Kleinbetrieben (<11 Mitarbeiter) ohnehin erst gar nicht. Ein Wegfall der Wartezeit in Kleinstbetrieben ist ohnehin unerheblich.
- Kündigungsfrist: Ohne vereinbarte Probezeit gilt die normale Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 1 BGB) von vier Wochen. Diese Frist kann jedoch vertraglich verlängert werden (mit einer Mindestfrist von einem Monat), nicht aber weiter verkürzt.
- Sozialchutz trotz Wartezeit: Auch während der Wartezeit/ „Probezeit“ gelten Grundsätze wie das Maßregelungsverbot und das Benachteiligungsverbot (z.B. AGG). Eine Kündigung muss fair sein und darf nicht etwa diskriminierende Gründe haben.
Praxis-Tipp: Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten die Begriffe im Vertrag genau verstehen. Ein schlichtes „keine Probezeit“ bedeutet nicht, dass der Arbeitnehmer sofort vollen Kündigungsschutz genießt. Für vollumfänglichen Schutz ab Beginn müsste dies explizit vereinbart werden. Im Zweifel kann es hilfreich sein, sich frühzeitig juristischen Rat zu holen.
Das Kündigungsschutzgesetz und die vertraglich vereinbarte Probezeit sind zwei unterschiedliche Regelungsbereiche. Ohne Probezeit greift der allgemeine Kündigungsschutz erst nach den üblichen sechs Monaten der Betriebszugehörigkeit – auch dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine Probezeit verzichten. Bis dahin können Sie sich als Arbeitnehmer nicht automatisch auf das KSchG berufen, und als Arbeitgeber dürfen Sie während dieser gesetzlichen Wartezeit kündigen (natürlich unter Beachtung von Diskriminierungsverboten und Kündigungsfristen).