Stellenabbau bei der Nürnberger Presse – Rechte der Arbeitnehmer und erste Orientierung

06. August 2025 -

Überblick: 200 Stellenabbau bis 2027 beim Traditionsverlag

Die Verlagsgruppe Nürnberger Presse – bekannt durch „Nürnberger Nachrichten“ und „Nürnberger Zeitung“ – plant bis Ende 2027 den Abbau von rund 200 Arbeitsplätzen, was etwa einem Viertel der Belegschaft entspricht. Dieses drastische Sparprogramm begründet das familiengeführte Traditionshaus mit einer Neuausrichtung auf digitale Angebote und dem allgemeinen Strukturwandel in der Medienbranche. Der Stellenabbau soll laut Geschäftsführung „möglichst sozialverträglich“ erfolgen, zum Beispiel durch natürliche Fluktuation (freiwillige Abgänge) und Altersteilzeit für ältere Mitarbeiter. Konkret ist vorgesehen, etwa 90 Stellen über Altersteilzeitregelungen und weitere 50 Stellen mit Inbetriebnahme einer neuen Druckerei Ende 2026 abzubauen; zusätzlich sollen ca. 15 redaktionelle Stellen gestrichen werden.

Der Betriebsrat des Verlags zeigte sich über diese Ankündigungen erschüttert und alarmiert. In einer Belegschaftsversammlung betonte der Betriebsratsvorsitzende, man werde die Verhandlungen mit der Geschäftsführung kritisch begleiten und insbesondere auf Angebote zu Fortbildungen und Umschulungen drängen. Gleichzeitig wies der Betriebsrat jedoch darauf hin, dass in einem Medienunternehmen als „Tendenzbetrieb“ gewisse Mitbestimmungsrechte eingeschränkt sind. Nichtsdestotrotz gilt auch hier: Für die betroffenen Arbeitnehmer greifen umfassende arbeitsrechtliche Schutzvorschriften. Im Folgenden geben wir einen Überblick über Ihre Rechte und wichtige Punkte – von Kündigungsschutz über Sozialplan und Abfindung bis hin zur Rolle des Betriebsrats und der möglichen Transfergesellschaft.

Rechte der betroffenen Arbeitnehmer

Auch wenn ein Unternehmen Stellen abbaut, sind Arbeitnehmer nicht schutzlos gestellt. In Deutschland gelten im Kündigungsfall – vor allem in größeren Betrieben wie der Nürnberger Presse – verschiedene Gesetze und Regeln, die für einen fairen Ablauf sorgen sollen. Wichtig ist zunächst das Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Es greift, wenn der Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt und das Arbeitsverhältnis des Betroffenen länger als 6 Monate besteht. Dann darf eine Kündigung nur erfolgen, wenn sie sozial gerechtfertigt ist, das heißt es muss ein Kündigungsgrund vorliegen. Gesetzlich zulässig sind dabei nur drei Kategorien von Gründen: personenbedingte Gründe (z. B. dauernde Krankheit oder fehlende Qualifikation), verhaltensbedingte Gründe (Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers) oder dringende betriebliche Gründe (wie etwa Arbeitsplatzwegfall durch Umstrukturierung). Gerade im Falle betriebsbedingter Kündigungen – wie sie bei der Nürnberger Presse geplant wären – bedeutet das: Die Kündigungen müssen durch nachvollziehbare unternehmerische Erfordernisse bedingt sein und als letztes Mittel erfolgen. Der Arbeitgeber muss also vorher prüfen, ob nicht mildere Maßnahmen (etwa Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz oder Qualifizierung für neue Aufgaben) eine Entlassung vermeiden könnten. Eine Kündigung, die ohne einen solchen Ultima-Ratio-Vergleich und ohne tragfähigen Grund ausgesprochen wird, gilt als sozial ungerechtfertigt und kann vor dem Arbeitsgericht erfolgreich angefochten werden.

Darüber hinaus haben Beschäftigte weitere zentrale Rechte im Kündigungsprozess. Form und Frist: Jede Kündigung muss schriftlich erfolgen und die geltenden Kündigungsfristen einhalten. In der Kündigung selbst muss zwar kein Grund genannt sein; der Arbeitnehmer kann aber verlangen, dass der Arbeitgeber ihm den Kündigungsgrund mitteilt, um die Kündigung auf Rechtmäßigkeit prüfen zu können. Anhörung des Betriebsrats: Vor jeder Kündigung muss der Betriebsrat angehört werden (§ 102 BetrVG); unterbleibt diese Anhörung oder wird sie nicht ordnungsgemäß durchgeführt, ist die Kündigung unwirksam. Kündigungsschutzklage: Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, gegen eine erhaltene Kündigung gerichtlich vorzugehen. Wichtig ist die Drei-Wochen-Frist – innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung muss eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Wird diese Frist versäumt, gilt die Kündigung – selbst wenn sie eigentlich unwirksam wäre – als von Anfang an rechtswirksam. Betroffene sollten diese Frist also unbedingt beachten und im Zweifel sofort rechtlichen Rat einholen.

Zudem greift für bestimmte Personengruppen ein besonderer Kündigungsschutz, der über den allgemeinen Kündigungsschutz hinausgeht. Auf diesen Sonderkündigungsschutz sowie auf das Verfahren der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen gehen wir im nächsten Abschnitt detailliert ein. Außerdem erläutern wir, welche Ansprüche auf Abfindung bestehen können, was ein Sozialplan regelt, welche Rolle der Betriebsrat in dieser Situation spielt und was es mit einer Transfergesellschaft als Auffanglösung auf sich hat.

Kündigungsschutz: Allgemeiner Schutz, besondere Gruppen und Sozialauswahl

Allgemeiner Kündigungsschutz nach dem KSchG

Wie erwähnt steht der allgemeine Kündigungsschutz gemäß Kündigungsschutzgesetz (KSchG) allen Arbeitnehmern zu, die länger als 6 Monate im Unternehmen sind und in Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten arbeiten. Im Fall der Nürnberger Presse – mit rund 790 Mitarbeitern – ist diese Voraussetzung offensichtlich erfüllt. Unter diesem gesetzlichen Schutz kann eine ordentliche Kündigung nur wirksam sein, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Das bedeutet: Der Arbeitgeber muss einen der gesetzlich anerkannten Gründe nachweisen können – persönliches Fehlverhalten, Gründe in der Person oder dringende betriebliche Erfordernisse.

Gerade bei betriebsbedingten Kündigungen (etwa wegen Stellenabbaus) stellt das KSchG hohe Anforderungen: Eine Entlassung ist hier nur zulässig, wenn der Arbeitsplatz nachvollziehbar wegfällt und keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen besteht. Der Arbeitgeber muss also vor einer Kündigung sorgfältig prüfen, ob der Mitarbeiter nicht an anderer Stelle weiterbeschäftigt werden kann – notfalls nach zumutbarer Umschulung oder unter geänderten Arbeitsbedingungen. Kündigungen sollen immer ultima ratio sein, also das letzte Mittel, wenn alle anderen milderen Mittel ausgeschöpft sind. Dieses Prinzip ist zentral: Sobald die Chance besteht, einen Arbeitnehmer beispielsweise auf einem freien anderen Posten weiterzubeschäftigen, muss der Arbeitgeber diese Möglichkeit ergreifen. Unterlässt er das und kündigt dennoch, ist die Kündigung unwirksam.

Zudem verlangt der allgemeine Kündigungsschutz bei betriebsbedingten Gründen eine korrekte Sozialauswahl (dazu gleich mehr) und die Einhaltung der formellen Vorgaben (Schriftform, Anhörung des Betriebsrats, Fristen etc.). Hält der Arbeitgeber all dies nicht ein, können sich Betroffene vor Gericht erfolgreich wehren. Tipp: Lassen Sie eine Kündigung im Zweifel von einer sachkundigen Stelle (Betriebsrat oder Fachanwalt) überprüfen. Häufig lohnt sich der Gang zum Arbeitsgericht, denn viele Kündigungen großer Personalabbauprojekte weisen Fehler auf oder es lassen sich im Rahmen einer Klage Abfindungen aushandeln.

Besonderer Kündigungsschutz für schutzbedürftige Personengruppen

Neben dem allgemeinen KSchG-Schutz genießen einige Arbeitnehmer einen zusätzlichen besonderen Kündigungsschutz. Das bedeutet, dass ihnen gar nicht oder nur unter sehr strengen Voraussetzungen gekündigt werden darf. Zu diesen besonders geschützten Gruppen zählen unter anderem:

  • Schwangere und frischgebackene Mütter: Werdende Mütter und Frauen bis 4 Monate nach der Entbindung dürfen überhaupt nicht gekündigt werden (§ 17 Mutterschutzgesetz). Jede während der Schwangerschaft oder binnen 4 Monaten nach der Geburt ausgesprochene Kündigung ist unwirksam, sofern der Arbeitgeber von der Schwangerschaft wusste – oder wenn er innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung darüber informiert wird. Dieser Schutz gilt auch in der Elternzeit: Vom Zeitpunkt der Beantragung (spätestens 8 Wochen vor Beginn) bis zum Ende der Elternzeit ist eine Kündigung unzulässig (§ 18 BEEG).
  • Schwerbehinderte Menschen: Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 (bzw. Gleichgestellte ab GdB 30) haben einen besonderen Kündigungsschutz nach §§ 168 ff. SGB IX. Eine ordentliche Kündigung ist hier nur mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes (Inklusionsamtes) zulässig. Zudem gilt eine verlängerte Mindestkündigungsfrist von 4 Wochen. Ohne Zustimmung der Behörde ist die Kündigung rechtlich unwirksam. (Hinweis: Dieser besondere Schutz greift erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit und nicht in Kleinbetrieben unter 10 Mitarbeitern, was hier aber keine Rolle spielt.)
  • Betriebsratsmitglieder und andere Arbeitnehmervertreter: Mitglieder des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie Wahlvorstandsmitglieder oder Wahlkandidaten sind durch § 15 KSchG besonders geschützt. Ordentliche Kündigungen (also Kündigungen mit Frist) sind für Betriebsratsmitglieder rechtlich ausgeschlossen – sie sind de facto unkündbar, solange nicht der gesamte Betrieb stillgelegt wird. Außerordentliche Kündigungen (fristlos aus wichtigem Grund) sind nur in extremen Ausnahmefällen möglich und erfordern die Zustimmung des Betriebsrats selbst oder den Ersatz dieser Zustimmung durch das Arbeitsgericht. Dieser Schutz besteht während der Amtszeit und bis zu ein Jahr nach Ausscheiden aus dem Betriebsrat. Dadurch soll sichergestellt sein, dass Arbeitnehmervertreter ihre Aufgaben ohne Angst vor Repression erfüllen können.
  • Weitere Fälle: Darüber hinaus genießen z. B. Auszubildende nach der Probezeit einen besonderen Schutz (Kündigung nur aus wichtigem Grund, § 22 BBiG). Ebenso sind etwa Arbeitnehmer in Pflegezeit oder Datenschutzbeauftragte und einige andere Personengruppen speziell vor Kündigungen geschützt. Im Zweifel lohnt es sich zu prüfen, ob ein besonderer Status vorliegt, der Kündigungen erschwert oder ausschließt.

Wichtig: Gehören Sie zu einer der genannten Gruppen, sollten Sie dies umgehend Ihrem Arbeitgeber und dem Betriebsrat mitteilen, falls ein Stellenabbau bevorsteht. Oft müssen Arbeitgeber für Kündigungen in solchen Fällen behördliche Genehmigungen einholen oder sie sind gänzlich verboten – Ihr Sonderstatus verschafft Ihnen also zunächst zusätzliche Sicherheit.

Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung

Wenn betriebsbedingte Kündigungen trotz allem unvermeidlich sind, schreibt das Kündigungsschutzgesetz eine Sozialauswahl vor. Das bedeutet, der Arbeitgeber darf bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter nicht frei schalten und walten, sondern muss soziale Gesichtspunkte berücksichtigen. Entlassungen sollen sozial gerecht verteilt werden, indem vor allem diejenigen gehen müssen, die am wenigsten schutzwürdig sind. Konkret verlangt das Gesetz die Berücksichtigung von vier Kriterien:

  • Betriebszugehörigkeit: Beschäftigte, die sehr lange im Unternehmen sind, genießen erhöhten sozialen Schutz. Jemand mit 25 Dienstjahren ist sozial schutzwürdiger als jemand mit 2 Jahren Betriebszugehörigkeit.
  • Lebensalter: Ältere Arbeitnehmer haben es auf dem Arbeitsmarkt erfahrungsgemäß schwerer und sollen daher bevorzugt im Unternehmen verbleiben. Jüngere Mitarbeiter mit noch langen Erwerbsaussichten sind sozial weniger schutzbedürftig.
  • Unterhaltspflichten: Arbeitnehmer mit Familien- oder Unterhaltspflichten (z. B. mit Kindern oder unterhaltsberechtigtem Ehepartner) sind stärker auf das Einkommen angewiesen. Sie werden in der Sozialauswahl tendenziell geschont gegenüber Alleinstehenden ohne Unterhaltspflichten.
  • Schwerbehinderung: Liegt eine anerkannte Schwerbehinderung vor, erhöht auch dies die Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers im Rahmen der Sozialauswahl. Schwerbehinderte sollen wegen ihrer potentiell schwierigeren Arbeitsmarktsituation zuletzt gekündigt werden.

Der Arbeitgeber muss alle vergleichbaren Arbeitnehmer einer betroffenen Kündigungsgruppe nach diesen Kriterien bewerten und diejenigen entlassen, die am wenigsten soziale Schutzkriterien erfüllen. In der Praxis wird dafür häufig ein Punkteschema verwendet, das z. B. pro Jahr Betriebszugehörigkeit und pro Lebensjahr bestimmte Punkte vergibt. Wichtig ist: Es gibt keine festen Quoten für ein Kriterium – alle Faktoren müssen im Einzelfall ausgewogen abgewogen werden. Kein einzelnes Kriterium darf pauschal dominieren. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass etwa nicht automatisch die Dauer der Betriebszugehörigkeit alle anderen Faktoren übertrumpfen darf, sondern eine Gesamtschau erfolgen muss.

Allerdings lässt das Gesetz dem Arbeitgeber begrenzten Spielraum, bestimmte Arbeitnehmer trotz höherer Sozialpunkte im Unternehmen zu halten, wenn betriebliche Gründe dies rechtfertigen. So dürfen zum Beispiel unverzichtbare Leistungsträger mit speziellen Kenntnissen oder Schlüsselpositionen von der Sozialauswahl ausgenommen werden, damit der Betrieb funktionsfähig bleibt. Diese Ausnahme („Leistungsträger-Klausel“) muss der Arbeitgeber jedoch dringend begründen können – ein Missbrauch zu Lasten sozial schutzwürdiger Kollegen ist unzulässig und gerichtlich überprüfbar. Im Rahmen der Sozialauswahl arbeitet die Personalabteilung häufig eng mit dem Betriebsrat zusammen; letzterer hat ein Mitberatungsrecht (§ 1 Abs. 5 KSchG) und kann bei groben Fehlern in der Sozialauswahl der Kündigung widersprechen. Fehlerhafte Sozialauswahl ist ein häufiger Angriffspunkt in Kündigungsschutzklagen und kann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

Zusammengefasst: Betriebsbedingte Kündigungen müssen nach klaren sozialen Maßstäben verteilt werden. Fragen Sie im Zweifel nach, wie die Auswahl begründet wurde. Wenn Sie den Eindruck haben, weniger schutzwürdigere Kollegen blieben verschont, lassen Sie die Kündigung prüfen. Das Gericht kontrolliert, ob der Arbeitgeber die Sozialauswahl ausreichend beachtet hat – und kann eine Kündigung aufheben, wenn diese Auswahl sozial ungerechtfertigt war.

Sozialplan – Auffangnetz bei Stellenabbau

Stehen in einem Unternehmen größere Umstrukturierungen oder Personalabbau an, kommt oft ein Sozialplan ins Spiel. Ein Sozialplan ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat, die dazu dient, wirtschaftliche Nachteile auszugleichen oder abzumildern, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen. Einfach ausgedrückt: Der Sozialplan ist das Auffangnetz, das festlegt, welche Kompensation oder Hilfsmaßnahmen die von Kündigungen betroffenen Mitarbeiter erhalten. Im Falle der Nürnberger Presse ist – aufgrund der Größenordnung von 200 Stellen – ein Sozialplan sehr wahrscheinlich: Das Betriebsverfassungsgesetz verpflichtet Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern, den Betriebsrat bei erheblichen Betriebsänderungen (wie Massenentlassungen) rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und über einen Sozialplan zu verhandeln. Der Betriebsrat kann einen solchen Sozialplan zur Not auch in einer Einigungsstelle erzwingen, falls keine Einigung mit dem Arbeitgeber zustande kommt.

Was regelt ein Sozialplan konkret? Gesetzlich (§ 112 BetrVG) ist vorgegeben, dass ein Sozialplan wie eine Betriebsvereinbarung bindend ist und den Ausgleich oder die Milderung der entstehenden Nachteile zum Ziel hat. In der Praxis enthalten Sozialpläne vor allem ** finanzielle Abfederungen** für die Gekündigten. Regelmäßig werden Abfindungszahlungen vereinbart, sodass ein Sozialplan für die Beschäftigten häufig einen gesicherten Abfindungsanspruch bedeutet – eine der wenigen Konstellationen, in denen Arbeitnehmer überhaupt einen Rechtsanspruch auf Abfindung haben. Die Höhe der Abfindung wird dabei üblicherweise nach einem Schema berechnet, das Betriebszugehörigkeit und Gehalt berücksichtigt. In vielen Branchen hat sich als Faustformel etwa 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr eingebürgert. Aber je nach Verhandlungsmacht können auch höhere Faktoren vereinbart werden – es gibt Sozialpläne, die Abfindungen von einem vollen Monatsgehalt pro Jahr oder sogar mehr vorsehen. Wichtig: Eine gesetzliche Mindesthöhe für Abfindungen gibt es nicht; die Beträge orientieren sich an der jeweiligen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und den Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber.

Neben Abfindungen können Sozialpläne noch weitere Leistungen und Hilfen vorsehen. Häufige Bestandteile sind z. B.:

  • Weiterbeschäftigungs- oder Wiedereinstellungszusagen: etwa ein Vorrang, falls in einigen Jahren wieder Stellen besetzt werden.
  • Fortbildungs- und Umschulungsangebote oder Zuschüsse zu Qualifizierungsmaßnahmen, um den Übergang in neue Jobs zu erleichtern.
  • Transfermaßnahmen: Dies kann die Gründung einer Transfergesellschaft sein (dazu später mehr) oder Vermittlungsunterstützung durch Dritte.
  • Finanzielle Zuschüsse: etwa Überbrückungszahlungen bis zum Renteneintritt (Vorruhestandsregelungen), Altersteilzeit-Programme, Mobilitätshilfen (Fahrgeldzuschüsse oder Umzugskostenübernahme, falls man für einen neuen Job umziehen muss) oder Sozialversicherungszuschüsse (um Einbußen bei Rentenansprüchen auszugleichen).
  • Freistellungen: z. B. sofortige unwiderrufliche Freistellung unter Fortzahlung des Gehalts, damit die Betroffenen Zeit für Bewerbungen haben, ohne im Betrieb weiterarbeiten zu müssen.

Welche Regelungen im konkreten Sozialplan der Nürnberger Presse stehen werden, ist Verhandlungssache und hängt von der wirtschaftlichen Lage des Verlags sowie der Verhandlungskraft des Betriebsrats ab. Klar ist: Ein Sozialplan kommt allen Kündigungsopfern zugute – er sorgt dafür, dass niemand völlig leer ausgeht. Tipp: Informieren Sie sich bei Ihrem Betriebsrat über den Stand der Sozialplan-Verhandlungen. Sobald ein Entwurf vorliegt, haben Sie ein Recht zu erfahren, welche Leistungen für Sie vorgesehen sind. Der Sozialplan ist verbindlich; Sie können die dort zugesagten Ansprüche (z. B. Abfindung) notfalls auch gerichtlich durchsetzen.

(Hinweis: Vom Sozialplan zu unterscheiden ist der Interessenausgleich – eine freiwillige Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über das „Ob und Wie“ der Betriebsänderung. Während ein Interessenausgleich die Gestaltung der Maßnahmen betrifft und nicht erzwingbar ist, regelt der Sozialplan die Folgen für die Arbeitnehmer und ist erzwingbar. Kommt kein Interessenausgleich zustande oder hält sich der Arbeitgeber nicht daran, können betroffene Mitarbeiter unter Umständen einen Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG einklagen. Das würde bedeuten, dass das Arbeitsgericht ihnen eine Abfindung zuspricht, um die Nachteile des fehlenden Interessenausgleichs abzumildern. Dieses Szenario ist jedoch nur relevant, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat völlig übergeht – in der Regel wird man im Zuge der Verhandlungen sowohl einen Interessenausgleich als auch einen Sozialplan anstreben.)

Abfindung – habe ich einen Anspruch und wie viel ist drin?

Das Wort „Abfindung“ sorgt in Kündigungssituationen immer für viele Fragen. Viele Arbeitnehmer glauben, bei einer Entlassung stünde ihnen automatisch eine Abfindungszahlung zu – doch das ist ein Irrtum. Einen generellen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung gibt es nicht. In Deutschland muss ein Arbeitgeber nur in bestimmten Ausnahmefällen eine Abfindung zahlen. Grundsätzlich ist eine Kündigung auch ohne Abfindungsangebot rechtmäßig möglich. Trotzdem erhalten in der Praxis viele Arbeitnehmer eine Abfindung – warum ist das so?

Die typischen Konstellationen, in denen Abfindungen gezahlt werden, sind folgende:

  • Sozialplan-Abfindung: Wie oben erläutert, begründet ein Sozialplan regelmäßig Ansprüche auf Abfindungen. Wenn – wie bei der Nürnberger Presse zu erwarten – ein Sozialplan existiert, wird darin meist exakt festgelegt, welche Abfindung jedem gekündigten Mitarbeiter zusteht (meist abhängig von Betriebszugehörigkeit, Alter etc.). In diesem Fall haben Sie also de facto einen Anspruch, allerdings nicht direkt aus dem Gesetz, sondern aus dem Sozialplan (der kraft Betriebsvereinbarung wirkt). Beispiel: Hat der Sozialplan die Formel „0,5 Monatsgehälter pro Jahr Betriebszugehörigkeit“ und Sie waren 10 Jahre im Verlag, bekämen Sie 5 Monatsgehälter als Abfindung.
  • Kündigung mit Abfindungsangebot (§ 1a KSchG): Das Kündigungsschutzgesetz kennt in § 1a eine Situation, die einem gesetzlichen Abfindungsanspruch nahekommt. Kündigt der Arbeitgeber betriebsbedingt und bietet er im Kündigungsschreiben ausdrücklich eine Abfindung dafür an, dass der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt, entsteht ein verbindlicher Anspruch, sobald die Klagefrist von 3 Wochen verstreicht. Die gesetzlich vorgesehene Abfindung beträgt dann 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr. Wichtig: Dieses § 1a-Angebot muss schriftlich im Kündigungsschreiben stehen. Erhebt der Arbeitnehmer dann keine Klage, kann er die angebotene Abfindung einfordern. In der betrieblichen Praxis wird diese Möglichkeit genutzt, um den Personalabbau ohne Prozesse zu bewältigen. Sollte die Nürnberger Presse diesen Weg wählen, stünde dies in Ihrem Kündigungsschreiben – andernfalls besteht kein automatischer Anspruch in dieser Höhe.
  • Prozessuale Abfindung (Vergleich oder Urteil): Falls ein Arbeitnehmer gegen eine Kündigung klagt, enden viele Verfahren mit einem gerichtlichen Vergleich, in dem eine Abfindung vereinbart wird. Dies ist kein Rechtsanspruch, sondern Verhandlungssache – aber Arbeitgeber sind oft zu einer Zahlung bereit, um einen langen Rechtsstreit zu vermeiden und sich vom Mitarbeiter zu trennen. Das Arbeitsgericht wirkt häufig auf einen solchen Vergleich hin. In seltenen Fällen spricht auch das Gericht per Urteil eine Abfindung zu (§§ 9, 10 KSchG), nämlich dann, wenn zwar die Kündigung unwirksam war, dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aber nicht zugemutet werden kann. Das Gericht löst dann das Arbeitsverhältnis auf und setzt eine Abfindung fest, die je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit bis zu 12 (bzw. 15 oder 18) Monatsverdienste erreichen kann. Das ist allerdings die Ausnahme und meist nur bei sehr schwerwiegenden Zerwürfnissen der Fall.
  • Abfindung per Aufhebungsvertrag: Häufig bieten Arbeitgeber Mitarbeitern einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung an, um eine Kündigungsschutzklage zu vermeiden oder um den Abbau schnell umzusetzen. Ein Aufhebungsvertrag ist eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses – er wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer freiwillig geschlossen, meist gegen eine Abfindungszahlung. Einen Rechtsanspruch auf ein solches Angebot gibt es nicht, und die Höhe der Abfindung ist Verhandlungssache. Typischerweise orientieren sich die Beträge aber ebenfalls an der „0,5 Monatsgehälter pro Jahr“‑Formel oder liegen etwas darüber, wenn der Arbeitgeber die freiwillige Zustimmung des Arbeitnehmers sicherstellen will. Achtung: Bevor Sie einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, sollten Sie sich unbedingt beraten lassen. Zum einen beendet ein Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis ohne Kündigungsschutzverfahren – man gibt damit seine Rechte aus dem KSchG auf. Zum anderen kann ein Aufhebungsvertrag negative Folgen beim Arbeitslosengeld haben. Die Bundesagentur für Arbeit betrachtet eine solche freiwillige Auflösung oft als selbst herbeigeführte Arbeitslosigkeit und verhängt eine Sperrzeit von 12 Wochen beim Arbeitslosengeld I. Das bedeutet, Ihr ALG I läuft drei Monate lang nicht, und die Bezugsdauer verkürzt sich entsprechend. Zwar gibt es Ausnahmen – etwa wenn ein Arbeitgeber ohnehin betriebsbedingt gekündigt hätte und die Abfindung nicht höher als 0,5 Gehälter/Jahr ausfällt, kann die Sperrzeit entfallen. Aber diese Regeln sind kompliziert und werden im Einzelfall geprüft. Daher gilt: Einen Aufhebungsvertrag nie vorschnell unterschreiben! Holen Sie Rat beim Betriebsrat, bei der Gewerkschaft oder einem Anwalt ein. Möglicherweise ist es klüger, die Kündigung abzuwarten und per Klage eine Abfindung zu erstreiten, statt eine Sperrzeit zu riskieren.

Zusammengefasst: Ein automatisches „Recht auf Abfindung“ gibt es nicht, wohl aber zahlreiche Wege, wie Abfindungen zustande kommen können. Im Kontext des Stellenabbaus bei der Nürnberger Presse dürfte der Sozialplan der wichtigste Hebel sein – er wird vermutlich für viele (wenn nicht alle) Betroffene eine Abfindung vorsehen. Ergänzend kann jeder Gekündigte individuell überlegen, ob er per Klage mehr herausholen kann. Wichtig ist, die Fristen zu beachten und keine vorschnellen Vereinbarungen zu treffen. Eine Abfindung kann finanziell sehr hilfreich sein, ersetzt aber nicht auf Dauer das Einkommen – und sie ist steuerpflichtig (wenn auch ohne Sozialabgaben). Lassen Sie sich im Zweifel beraten, wie Sie Ihre Position am besten wahren.

Rolle des Betriebsrats – Mitbestimmung und Unterstützung

In einer Situation wie dem geplanten Stellenabbau ist der Betriebsrat ein ganz zentraler Akteur zum Schutz der Arbeitnehmerinteressen. Gesetzlich hat der Betriebsrat bei betriebsbedingten Kündigungen und Betriebsänderungen weitreichende Informations-, Beratungs- und Mitbestimmungsrechte. Konkret bedeutet das:

Frühe Einbindung und Verhandlungen: Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat zeitnah und umfassend über die geplanten Änderungen informieren (§ 111 BetrVG). Bei einer Massenentlassung wie hier tritt die Pflicht ein, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich (also das „Ob, Wann, Wie“ der Maßnahme) und einen Sozialplan zu verhandeln. Die Verlegerinnen der Nürnberger Presse haben den Betriebsrat offenbar bereits in Kenntnis gesetzt und angekündigt, ab Mitte August Verhandlungen aufzunehmen. In diesen Verhandlungen wird der Betriebsrat versuchen, Einschränkungen oder Alternativen zum Abbau zu erreichen (z. B. freiwillige Programme, reduzierte Zahl von Kündigungen, längere Übergangsfristen) sowie einen möglichst vorteilhaften Sozialplan auszuhandeln. Zwar kann der Betriebsrat einen betriebsbedingten Stellenabbau nicht vollständig verhindern, wenn die unternehmerische Entscheidung feststeht – aber er kann erheblichen Einfluss darauf nehmen, wie der Abbau umgesetzt wird und welche Absicherungen die Mitarbeiter erhalten. Kommt es zu keiner Einigung, kann er die Einigungsstelle anrufen, die einen Sozialplan festsetzen kann (Interessenausgleich bleibt hingegen freiwillig). Für die Firma besteht also ein hoher Druck, sich gütlich zu einigen, da sonst ein neutraler Spruch die Konditionen bestimmt.

Mitbestimmung im Ablauf: Auch während des Kündigungsprozesses selbst hat der Betriebsrat wichtige Rechte. Jede einzelne Kündigung muss dem Betriebsrat vorher zur Anhörung vorgelegt werden (§ 102 BetrVG). Der Betriebsrat kann einer Kündigung widersprechen, z. B. wenn er der Meinung ist, dass die Sozialauswahl unfair war, ein Weiterbeschäftigungsplatz im Unternehmen verfügbar wäre oder formale Fehler vorliegen. Ein Widerspruch des Betriebsrats zwingt den Arbeitgeber zwar nicht, die Kündigung zurückzunehmen; aber er muss den Widerspruch im Kündigungsschreiben angeben und der Arbeitnehmer hat dadurch im Prozess bessere Karten (z. B. Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Verfahrens gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG). Der Betriebsrat achtet also darauf, dass jede einzelne Kündigung korrekt und fair abläuft.

Unterstützung und Beratung der Beschäftigten: Ein guter Betriebsrat steht den von Kündigung bedrohten Kollegen auch beratend zur Seite. Arbeitnehmer können sich an den Betriebsrat wenden, um Informationen über ihre Rechte zu erhalten, die Situation im Unternehmen besser einschätzen zu können oder sich bei Verhandlungen begleiten zu lassen. Gerade bei Angeboten wie Aufhebungsverträgen oder Wechsel in eine Transfergesellschaft (siehe nächster Abschnitt) kann der Betriebsrat wertvolle Tipps geben und vor Fallstricken warnen. In vielen Fällen arbeitet der Betriebsrat eng mit der Gewerkschaft (hier ver.di) zusammen, die ggf. rechtlichen Beistand leistet oder mit zum Arbeitgeber verhandelt. Der Betriebsrat kann auch Betriebsversammlungen einberufen, um alle Mitarbeiter zu informieren und gemeinsame Strategien zu besprechen.

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten: Abseits der direkten Kündigungen hat der Betriebsrat bei den Folgeproblemen ein Mitspracherecht – etwa bei der Einführung einer Transfergesellschaft (weil das Ausarbeiten der Kriterien, wer dorthin wechselt, mitbestimmungspflichtig ist) oder bei Versetzungen, Arbeitszeitänderungen etc., die im Zuge der Umstrukturierung auftreten. Der Betriebsrat kann z.B. darauf dringen, dass interne Stellenausschreibungen erfolgen, um Kündigungen zu vermeiden, oder er kann Sozialplan-Verteilungsfragen mitgestalten.

Im konkreten Fall der Nürnberger Presse ist zu beachten, dass das Unternehmen ein Tendenzbetrieb (Presseunternehmen) ist. Das bedeutet: In journalistisch-redaktionellen Angelegenheiten hat der Betriebsrat von Gesetzes wegen eingeschränkte Mitbestimmungsrechte (damit die inhaltliche Unabhängigkeit gewahrt bleibt). Der Betriebsratsvorsitzende wies selbst darauf hin, dass hier gewisse Grenzen bestehen. Wichtig: Diese Einschränkungen betreffen hauptsächlich inhaltliche und personelle Entscheidungen in der Redaktion (z. B. Einstellung oder Versetzung von Redakteuren aus publizistischen Gründen). Bei einem Stellenabbau und Sozialplan gelten die üblichen Mitbestimmungsrechte dennoch vollumfänglich – es geht ja um wirtschaftliche und personelle Maßnahmen, nicht um die inhaltliche Ausrichtung der Zeitung. Insofern kann der Betriebsrat der Nürnberger Presse seine gesetzlichen Instrumente nutzen, um für alle Mitarbeiter – ob in Redaktion, Druck oder Verwaltung – das Beste herauszuholen.

Der Betriebsrat ist Ihre Interessenvertretung. Nutzen Sie dieses Sprachrohr: Sprechen Sie frühzeitig mit dem Betriebsrat, lassen Sie sich auf dem Laufenden halten (z. B. welche Kriterien für die Kündigungen geplant sind, wie der Sozialplan aussieht, ob eine Transfergesellschaft angeboten wird). Der Betriebsrat hat nicht nur Rechte, sondern auch Erfahrung aus früheren Restrukturierungen (bei der Nürnberger Presse gab es ja bereits 2019/2020 Personalabbau). Er kann individuell oder kollektiv tätig werden – vom persönlichen Rat bis zum Aushandeln einer Transferquote oder Ähnlichem. In unsicheren Zeiten gilt: Zusammen mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft sind Sie deutlich stärker, als wenn Sie isoliert agieren.

Transfergesellschaft – Chancen, Risiken und Ablauf

Im Zusammenhang mit größeren Stellenabbauprojekten fällt häufig der Begriff Transfergesellschaft. Auch bei der Nürnberger Presse könnte dies ein Thema werden, zumal der Betriebsrat explizit Fortbildungen und Umschulungen für die Betroffenen forderte. Doch was ist eine Transfergesellschaft, und was bedeutet es für Sie als Arbeitnehmer, in eine solche zu wechseln?

Ziel und Konzept: Eine Transfergesellschaft ist ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, das von der Bundesagentur für Arbeit gefördert wird. Sie dient dazu, Massenentlassungen zu vermeiden oder abzumildern, indem von Kündigung bedrohte Mitarbeiter in ein befristetes neues Arbeitsverhältnis überführt werden. Anstatt direkt arbeitslos zu werden, wechselt der Arbeitnehmer freiwillig in die Transfergesellschaft – einen eigenständigen Arbeitgeber (oft eine GmbH) – und bleibt dort für eine gewisse Zeit (häufig 6 bis 12 Monate) angestellt. In dieser Zeit erhält er zwar keine reguläre Beschäftigung im bisherigen Sinne, aber er kann sich voll auf die berufliche Neuorientierung konzentrieren: Die Transfergesellschaft bietet meist Qualifizierungsmaßnahmen, Bewerbertrainings und Vermittlungshilfe an. Finanziell überbrückt sie die Zeit durch ein reduziertes Gehalt, das wesentlich aus der Arbeitsagentur-Förderung stammt.

Funktionsweise und Finanzierung: Der Wechsel in die Transfergesellschaft erfolgt über einen dreiseitigen Vertrag zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und der Transfergesellschaft. Praktisch läuft es so: Sie schließen mit Ihrem bisherigen Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, der Ihr altes Arbeitsverhältnis beendet, und zeitgleich erhalten Sie einen befristeten Arbeitsvertrag bei der Transfergesellschaft. Für diesen Wechsel ist Ihre Zustimmung erforderlich – es handelt sich um eine freiwillige Maßnahme für den Arbeitnehmer. Wer nicht in die Transfergesellschaft wechseln will, wird in der Regel ordentlich gekündigt (sofern die Voraussetzungen für eine Kündigung vorliegen). Die Transfergesellschaft erhält Fördermittel, insbesondere das Transferkurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit, um einen Teil der Gehälter zu zahlen. Dieses Transferkurzarbeitergeld beträgt etwa 60 % des letzten Nettolohns (bzw. 67 % für Arbeitnehmer mit unterhaltsberechtigten Kindern) und wird maximal für 12 Monate gewährt. Oft stockt der ehemalige Arbeitgeber dieses Entgelt noch etwas auf – z. B. auf 75 % oder 80 % des letzten Nettoeinkommens –, sodass die Mitarbeiter in der Transferzeit finanziell zumindest ungefähr so gestellt sind, wie wenn sie Arbeitslosengeld I beziehen würden. Während der Transfergesellschaft sind Sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt und sammeln weiter Rentenansprüche etc..

Chancen/Vorteile: Für Arbeitnehmer bietet die Transfergesellschaft mehrere Vorteile:

  • Sie vermeiden zunächst die Arbeitslosigkeit und den damit verbundenen Bruch im Lebenslauf. Statt „arbeitslos“ sind Sie „in Transfergesellschaft“ – was für zukünftige Bewerbungen oft besser aussieht und psychologisch den Einschnitt abfedert.
  • Sie haben Zeit und professionelle Unterstützung, um sich neu zu orientieren. Innerhalb der Transfergesellschaft können Sie an Weiterbildungen teilnehmen, neue Qualifikationen erwerben oder Praktika machen, die Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.
  • Die finanzielle Situation ist in der Transferphase meist etwas besser abgesichert als bei sofortiger Arbeitslosigkeit. Durch die Aufstockung erhalten viele etwa 80 % ihres letzten Nettolohns weiter. Wichtig: Die Dauer der Transferphase zählt nicht als Bezugszeit von Arbeitslosengeld, da Sie ja beschäftigt sind – Ihre Ansprüche auf Arbeitslosengeld I bleiben erhalten und können nach Ende der Transfergesellschaft voll genutzt werden.
  • Oft werden in Sozialplänen Wechselprämien vereinbart, die den Gang in die Transfergesellschaft attraktiver machen (z. B. ein Teil der Abfindung wird nur bei Wechsel ausgezahlt). Außerdem ist man in der Transfergesellschaft unter „Leidensgenossen“, was den Austausch und das Networking fördern kann.

Risiken/Nachteile: Natürlich hat das Konzept auch mögliche Nachteile oder Punkte zum Abwägen:

  • Der Wechsel in die Transfergesellschaft erfolgt via Aufhebungsvertrag, was – wie oben beschrieben – eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld nach sich ziehen kann. Allerdings gibt es bei betrieblichen Gründen meist keine Sperre, sofern die Konditionen angemessen sind. Bei Zweifeln sollte man vorab eine Klärung mit der Agentur für Arbeit suchen oder sich bestätigen lassen, dass keine Sperrzeit eintritt.
  • Die Beschäftigung in der Transfergesellschaft ist befristet und endet in aller Regel spätestens nach 12 Monaten. Findet man in der Zeit keinen neuen Job, steht man danach doch vor der Arbeitslosigkeit (dann aber mit noch vollem ALG I-Anspruch). Die Transferzeit sollte man also wirklich aktiv nutzen.
  • Geringeres Einkommen: 60 %–80 % des letzten Nettos bedeutet eben auch 20 %–40 % Einkommenseinbuße in der Transferphase. Man muss finanziell haushalten, zumal Abfindungszahlungen – falls man eine bekommt – u.U. erst nach Ende der Transfergesellschaft ausgezahlt werden (je nach Sozialplan).
  • Kein Kündigungsschutzverfahren mehr: Durch den Aufhebungsvertrag geben Sie Ihr Recht auf, gegen die Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses zu klagen. Wenn die Transfergesellschaft endet, haben Sie kein Rückkehrrecht in den alten Betrieb. Wer also die Chance auf eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage (mit Weiterbeschäftigung oder hoher Abfindung) wittert, verzichtet mit dem Transfer-Wechsel auf diese Option. Das muss individuell abgewogen werden.
  • Verpflichtungen: In der Transfergesellschaft sind Sie angehalten, an den angebotenen Maßnahmen aktiv teilzunehmen und sich um neue Stellen zu bemühen. Wer sich „ausruhen“ will, ist dort fehl am Platz – man muss ähnlich wie beim Bezug von Arbeitslosengeld Eigeninitiative zeigen, sonst kann es Sanktionen geben.

Ablauf in der Praxis: Sollte bei der Nürnberger Presse eine Transfergesellschaft eingerichtet werden, würde das vermutlich im Sozialplan vereinbart. Üblicherweise bekämen die betroffenen Mitarbeiter ein Angebot zum Wechsel. Sie müssten sich innerhalb einer bestimmten Frist entscheiden, ob sie daran teilnehmen. Bei Zustimmung wird dann der Aufhebungsvertrag geschlossen (oft zum selben Termin für alle Teilnehmer, z. B. zum Ende eines Quartals) und nahtlos der Eintritt in die Transfergesellschaft vollzogen. Die Dauer der Transfermaßnahme kann je nach Verhandlung variieren – häufig 6 Monate, 9 Monate oder 12 Monate, abhängig auch von Ihrem Lebensalter und der Betriebszugehörigkeit (denn die Transfergesellschaft soll meist mindestens so lang laufen, wie Ihre normale Kündigungsfrist wäre). Während der Zeit bemühen sich interne oder externe Transferberater um Stellen für Sie, und Sie selbst bewerben sich aktiv. Findet man einen neuen Job, kann man vorzeitig aus der Transfergesellschaft austreten – der Vertrag dort wird dann beendet, meistens ohne Nachteile (manchmal gibt es sogar einen Vermittlungsbonus als Anreiz für eine schnelle Eigenkündigung aus der Transfergesellschaft). Nach Abschluss der Transferphase – sofern man bis dahin keine neue Stelle hat – meldet man sich arbeitslos und bezieht sein Arbeitslosengeld. Da man nun einige Monate später arbeitslos wird als ohne Transfer, hat man zumindest Zeit gewonnen. Im Idealfall gelingt der Übergang direkt in eine neue Beschäftigung, sodass eine Arbeitslosigkeit vermieden wird.

Eine Transfergesellschaft kann eine lohnenswerte Brücke in den nächsten Job sein – sie bietet qualitative Chancen (Beratung, Qualifizierung) und zeitliche finanzielle Puffer. Sie ist jedoch freiwillig; niemand kann gezwungen werden, dieses Angebot anzunehmen. Man sollte die Entscheidung pro oder contra Transfergesellschaft von der eigenen Situation abhängig machen: Ältere Beschäftigte etwa, die es schwerer am Arbeitsmarkt haben, profitieren oft von der intensiven Betreuung und der Möglichkeit, die Zeit bis zur Rente zu überbrücken. Jüngere, sehr gefragte Fachkräfte dagegen finden vielleicht schneller selbst etwas Neues und könnten eine Abfindung auf direktem Weg bevorzugen. Wichtig ist, sich beraten zu lassen – vom Betriebsrat, der Gewerkschaft oder einem Anwalt – um die für sich beste Wahl zu treffen. Wenn eine Transfergesellschaft angeboten wird, lassen Sie sich die Konditionen (Dauer, Höhe des Transfergehalts, Auswirkungen auf Abfindung) genau erklären und vergleichen Sie: Was würde es bedeuten, nicht teilzunehmen (dann Abfindung X, sofortige Kündigung, ALG I nach Ablauf der Kündigungsfrist) versus Teilnahme (dann Aufhebungsvertrag, Transfergehalt Y für Z Monate, ggf. andere Abfindungsregelung)?

Abschließend sei gesagt: Stellenabbau ist für alle Beteiligten eine schwierige Situation. Doch gerade in Deutschland gibt es zahlreiche Schutzmechanismen für Arbeitnehmer. Nutzen Sie diese Mechanismen! Bleiben Sie nicht passiv: Informieren Sie sich, fragen Sie bei Betriebsrat und Kollegen nach, machen Sie von Ihren Rechten Gebrauch (z. B. auf Einsicht in die Sozialplanregelungen oder auf Anhörung beim Arbeitsamt). Und scheuen Sie sich nicht, bei Unsicherheiten professionellen Rat einzuholen – sei es bei Ihrer Gewerkschaft oder bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Ein früher Rat kann oft helfen, Fehler (wie etwa Fristversäumnisse oder unkluge Vertragsunterschriften) zu vermeiden. Mit dem Wissen um Kündigungsschutz, Sozialplan, Abfindung, Betriebsratsarbeit und Transfergesellschaft sind Sie jedenfalls schon deutlich besser gewappnet, um die richtigen Entscheidungen für Ihre berufliche Zukunft zu treffen. Sie haben Rechte – nutzen Sie sie zu Ihrem Vorteil!