Was versteht man unter einer Versorgungsehe?
Als Versorgungsehe wird eine Ehe bezeichnet, die kurz vor dem Tod eines Ehepartners geschlossen wird und bei der man vermutet, dass sie hauptsächlich aus Versorgungsgründen geschlossen wurde. Das bedeutet, man unterstellt dem Ehepaar, nur wegen des absehbaren Todes noch geheiratet zu haben, damit der überlebende Partner eine Hinterbliebenenrente erhält. Diese Vermutung einer Versorgungsehe ist gesetzlich verankert: Seit 2002 gilt in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 46 Abs. 2a SGB VI) und in ähnlicher Form im Beamtenversorgungsrecht (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BeamtVG), dass Hinterbliebenenrente oder Witwengeld in der Regel nur gezahlt wird, wenn die Ehe mindestens ein Jahr gedauert hat. Besteht die Ehe weniger als ein Jahr bis zum Todesfall, geht der Versorgungsträger zunächst von einer Versorgungsehe aus.
Anders formuliert: Stirbt ein Ehepartner innerhalb des ersten Ehejahres, wird gesetzlich vermutet, dass die Heirat vor allem im Hinblick auf die finanzielle Absicherung des Witwers oder der Witwe erfolgte. In einem solchen Fall besteht dann kein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente. Diese Regelung soll Missbrauch vorbeugen und verhindern, dass Ehepaare nur zum Schein – quasi als „Rententrick“ – kurz vor dem Tod heiraten, um eine Versorgung zu erlangen. Die Rechtsprechung (z.B. das Bundessozialgericht) hat diese gesetzliche Vorgabe als verfassungsgemäß bestätigt, da es ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers sei, manipulierten Versorgungsansprüchen vorzubeugen.
Gesetzliche Vermutung und Beweislast
Die Annahme einer Versorgungsehe bei kurzer Ehedauer ist zwar gesetzlich vorgesehen, aber nur eine widerlegbare Vermutung. Das heißt, der/die Hinterbliebene kann beweisen, dass es sich nicht um eine Versorgungsehe handelte, sondern dass die Heiratsmotive andere als die Versorgungsabsicht waren. Rein rechtlich trägt der Hinterbliebene die Beweislast, einen anderen Zweck der Heirat darzutun – er oder sie muss also glaubhaft machen, dass die Ehe aus Liebe oder anderen nachvollziehbaren Gründen geschlossen wurde und nicht vorrangig wegen der Rente.
Wichtig ist: Alle zulässigen Beweismittel dürfen herangezogen werden, um die Vermutung zu widerlegen. Früher wurde diskutiert, ob nur äußere, objektiv erkennbare Umstände zählen – z.B. gemeinsame Kinder, ein langer vorheriger Zusammenwohnzeitraum, etc. – und subjektive Erklärungen der Witwe oder des Witwers unbeachtlich seien. Doch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat 2016 klargestellt, dass kein solcher Beweismittel-Ausschluss besteht. Auch Zeugenaussagen und Erklärungen zu den persönlichen Beweggründen der Heirat dürfen vom Gericht gewürdigt werden. Entscheidend ist eine umfassende Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles. Die Gerichte müssen also das Gesamtbild der Beziehung und der Motive betrachten – nicht nur die Ehedauer oder den Gesundheitszustand im Zeitpunkt der Heirat.
Besondere Umstände: Wann ist trotz kurzer Ehe eine Rente möglich?
Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe kann durch besondere Umstände des Falles entkräftet werden. „Besondere Umstände“ sind nach der Rechtsprechung solche Tatsachen, die auf einen anderen Heiratsgrund als den der Versorgung schließen lassen. Mit anderen Worten: Es muss erkennbar werden, dass nicht die Rentenabsicherung der Hauptzweck der Eheschließung war. Je offensichtlicher und lebensbedrohlicher eine Erkrankung zum Zeitpunkt der Heirat war, desto gewichtiger müssen allerdings die gegen eine Versorgungsehe sprechenden Gründe sein (so etwa das Bundessozialgericht in einem Urteil von 2009).
In der Praxis haben sich einige typische Fallkonstellationen herausgebildet, die als besondere Umstände anerkannt werden können, zum Beispiel:
- Plötzlicher, unvorhersehbarer Tod: Verstirbt der Ehepartner völlig unerwartet, etwa durch einen Unfall, kurz nach der Hochzeit, so spricht das gegen eine Versorgungsehe. Denn eine unvorhersehbare Tragödie kann man nicht planen – hier hatte das Paar offensichtlich nicht wegen des Todes geheiratet.
- Keine Kenntnis einer tödlichen Krankheit: Wenn bei der Eheschließung noch keine lebensbedrohliche Erkrankung bekannt war, kann eine Versorgungsehe-Vermutung oft entkräftet werden. Beispiel: Ein Partner heiratet und erfährt erst danach von einer schweren Krankheit – dann war die Heirat erkennbar nicht aus Todesahnung motiviert.
- Langjährige gefestigte Beziehung: Hatten die Ehegatten bereits lange vor der Heirat eine Lebensgemeinschaft, eventuell mit gemeinsamen Kindern oder gemeinsamen Investitionen (Hauskauf etc.), deutet das auf eine Lebenspartnerschaft aus Liebe hin, die schon lange Bestand hatte. Die Hochzeit kurz vor dem Tod erscheint dann eher als Krönung einer langjährigen Partnerschaft denn als Versorgungsehe.
- Frühzeitiger Heiratsentschluss, späte Umsetzung: Wurde der Entschluss zu heiraten schon lange vor einer Diagnose oder vor dem absehbaren Tod gefasst, die Heirat aber aus plausiblen Gründen aufgeschoben, kann dies ein besonderer Umstand sein. Beispielsweise konnten äußere Umstände – wie Auslandseinsätze, familiäre Schicksalsschläge oder andere Hindernisse – eine Eheschließung verzögert haben. Wichtig ist, dass der Heiratswille schon vor der finalen Krankheitsphase bestand.
- Fehlendes finanzielles Interesse des Hinterbliebenen: Wenn der überlebende Ehegatte finanziell unabhängig oder abgesichert ist und offenbar gar nicht auf die Hinterbliebenenrente angewiesen wäre, spricht das gegen eine Versorgungsehe. Insbesondere wenn sogar nicht bekannt war, dass ein Rentenanspruch entstehen würde, fehlt jeglicher Anhaltspunkt für eine Versorgungsabsicht.
Diese (und ähnliche) Umstände können – jeweils für sich oder in Kombination – geeignet sein, die strenge gesetzliche Vermutung zu erschüttern. Letztlich kommt es aber immer auf eine Würdigung des Einzelfalls an: Der Richter prüft, ob das Gesamtbild eher für eine Versorgungsheirat oder für eine „normale“ Heirat aus anderen Gründen spricht.
Der Fall OVG Greifswald: Witwengeld trotz nur vier Monaten Ehe
Einen aktuellen und vielbeachteten Fall zum Thema Versorgungsehe hat das Oberverwaltungsgericht Greifswald im Jahr 2025 entschieden (Urteil vom 12.05.2025, Az. 2 LB 557/22 OVG). Der Fall zeigt plastisch, wie besondere Umstände im konkreten Fall aussehen können:
Ein Polizeibeamter aus Mecklenburg-Vorpommern heiratete seine langjährige Lebensgefährtin – mit der er seit Mitte der 1990er-Jahre zusammenlebte – im Januar 2021. Das Paar hatte bereits einen gemeinsamen Sohn (27 Jahre alt) und lebte seit Jahrzehnten zusammen. Bereits im vierten Jahr ihrer Beziehung hatte der Mann seiner Partnerin einen Heiratsantrag gemacht, doch aus verschiedenen schwerwiegenden persönlichen Gründen (Erkrankungen in der Familie, Todesfälle, berufliche Abwesenheiten) wurde die Eheschließung immer wieder verschoben. Erst 18 Jahre nach dem Antrag fand die Hochzeit schließlich statt – just wenige Tage nachdem bei dem Mann ein Lungenkarzinom diagnostiziert worden war.
Tragischerweise verstarb der Polizist nur vier Monate und 24 Tage nach der Eheschließung an seinem Krebsleiden. Seine Witwe beantragte daraufhin Witwengeld (Hinterbliebenenbezüge) nach dem Beamtenversorgungsgesetz. Das Land Mecklenburg-Vorpommern lehnte die Zahlung jedoch ab und berief sich auf die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BeamtVG – die Ehe habe ja weniger als ein Jahr gedauert. Nach Auffassung des Landes sei angesichts der späten Heirat kurz vor dem absehbaren Tod hier von einer Versorgungsehe auszugehen, die Witwenrente somit ausgeschlossen.
Entscheidung: Warum das OVG keine Versorgungsehe annahm
Die Witwe klagte gegen die Ablehnung – mit Erfolg. Schon das Verwaltungsgericht Greifswald (erste Instanz) gab ihr Recht, und das OVG Greifswald bestätigte dieses Urteil im Mai 2025. Kern der Entscheidung: Trotz der sehr kurzen Ehedauer lag keine Versorgungsehe vor, weil im konkreten Fall besondere Umstände die gesetzliche Vermutung entkräfteten.
Das OVG stellte darauf ab, dass hier eine langjährige, gefestigte Partnerschaft vorlag: Das Paar hatte jahrzehntelang in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt, einen gemeinsamen Sohn großgezogen und sogar schon lange zuvor heiraten wollen. Die späte Eheschließung unmittelbar nach der Krebsdiagnose war nach Überzeugung des Gerichts nicht aus Versorgungsabsicht motiviert, sondern diente vor allem dazu, die jahrzehntelange Verbundenheit auch formal zu besiegeln und sich in der schweren Krankheitszeit gegenseitig beizustehen. Liebe und Fürsorge, nicht finanzielle Absicherung, standen im Vordergrund.
Besonders ausschlaggebend war für das Gericht zudem, dass die Witwe kein finanzielles Interesse an der Versorgung hatte: Sie war zum Zeitpunkt der Heirat finanziell abgesichert und wusste nach eigener Aussage gar nicht, dass ihr im Falle des Todes ein Witwengeld zustünde. Erst nach dem Tod ihres Mannes habe sie von dieser beamtenrechtlichen Versorgungsmöglichkeit erfahren. Dieser Umstand – den das Gericht der Frau glaubte – sprach klar dafür, dass Versorgungsüberlegungen keine Rolle beim Heiratsentschluss gespielt hatten.
Das OVG Greifswald betonte ausdrücklich die Gesamtwürdigung der Eheschließungsmotive. Weder die kurze Ehedauer für sich, noch der kritische Gesundheitszustand des Beamten alleine dürften isoliert ausschlaggebend sein. Vielmehr seien alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen – genau in diesem Sinne hatte auch bereits das Bundesverwaltungsgericht argumentiert. Eine lebensbedrohliche Erkrankung zum Zeitpunkt der Hochzeit begründet zwar normalerweise die Versorgungsehe-Vermutung, kann aber durch besondere Umstände widerlegt werden – etwa durch eine langjährige gefestigte Beziehung und das Fehlen eines finanziellen Versorgungsmotivs. Diese Voraussetzungen sah das Gericht hier als erfüllt an. Folglich hat die Witwe Anspruch auf Witwengeld nach § 19 Abs. 1 S. 1 BeamtVG, obwohl die Ehe weniger als ein Jahr dauerte.
Einordnung in die Rechtsprechung
Die Greifswalder Entscheidung reiht sich ein in die bestehende Rechtsprechung zur Versorgungsehe und bestätigt im Grunde die Linie der höchstrichterlichen Urteile der letzten Jahre. Bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte 2016 in einem Grundsatzurteil klargestellt, unter welchen Voraussetzungen die Versorgungsehe-Vermutung widerlegt werden kann. Das BVerwG führte aus, dass besondere Umstände alle Umstände sein können, die einen anderen Beweggrund der Heirat nahelegen als die Versorgungsabsicht. Insbesondere nannte es als Beispiel, dass ein bereits vor Bekanntwerden einer tödlichen Erkrankung gefasster Heiratsentschluss ein solcher besonderer Umstand sein kann – sofern die Hochzeit aus nachvollziehbaren Gründen nur aufgeschoben war. Genau dieses Szenario lag im Greifswalder Fall vor (Heiratsantrag viele Jahre vor der Erkrankung, Heirat wegen äußerer Umstände erst spät). Das OVG hat sich bei seiner Entscheidung explizit auf die Rechtsprechung des BVerwG gestützt und diese auf den eigenen Fall angewandt.
Auch Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) – zuständig für die gesetzliche Rentenversicherung – folgen diesem Kurs. Das BSG hat etwa 2009 betont, dass bei offensichtlicher Todesnähe zur Zeit der Heirat sehr gewichtige Gegengründe erforderlich sind, um die Versorgungsehe-Vermutung auszuräumen. Gleichzeitig sieht das BSG die Ein-Jahres-Grenze und die daran geknüpfte Vermutung nicht als starr an: Sie kann durch Nachweise besonderer Umstände durchbrochen werden, und diese Nachweise dürfen den Hinterbliebenen nicht übermäßig erschwert werden. Der Greifswalder Fall passt insoweit auch in die sozialgerichtliche Rechtsprechung, denn er demonstriert eine Konstellation, in der trotz Kenntnis einer schweren Erkrankung geheiratet wurde, aber auf Basis eines seit Langem bestehenden Heiratsentschlusses und einer gefestigten Lebensgemeinschaft – Faktoren, die sowohl BVerwG als auch BSG als potentielle Gegenindikatoren zur Versorgungsehe anerkennen.
Beachtenswert ist, dass andere Gerichte in früheren Fällen zum Teil strenger waren, wenn z.B. keinerlei nach außen erkennbare Hinweise auf andere Motive bestanden. So wurde etwa in einem Fall trotz 30-jährigen Zusammenlebens die Witwenrente versagt, weil der Ehemann erst auf dem Sterbebett – nach Scheidung von einer früheren Frau – geheiratet hatte, was stark auf eine rein nachträgliche Absicherungsabsicht hindeutete (Stichwort „Nottrauung“). Dort fehlten nachvollziehbare Gründe, warum die Heirat so lange aufgeschoben wurde, außer dem offensichtlichen Motiv, am Lebensende noch Versorgung zu ermöglichen. Die Gerichte unterscheiden also genau: War die späte Eheschließung „organisch“ in die Lebensplanung eingebettet oder wirkte sie wie eine spontane Reaktion auf die Todesdiagnose? Im Greifswalder Fall sprachen die Umstände für Ersteres.
Zusammenfassend bestätigt die neue Entscheidung des OVG Greifswald die bisherige Rechtsprechungslinie: Die Ein-Jahres-Regel bei Witwenrenten ist kein absolutes Verbot, sondern eine Vermutungsregel mit Ausnahmen. Wer glaubhaft machen kann, dass Liebe, langfristige Lebensplanung oder andere Motive und nicht primär die Rente ausschlaggebend für die Heirat waren, kann auch nach sehr kurzer Ehe eine Hinterbliebenenversorgung erhalten.
Praxistipp: Lehren für Betroffene in Beamten– und Versorgungsrecht
Für Betroffene und Ratsuchende – sei es im Beamtenversorgungsrecht oder in der gesetzlichen Rentenversicherung – lassen sich aus alledem einige wichtige Punkte mitnehmen:
- Ein-Jahres-Grenze kennen: Wenn eine Eheschließung in einer Situation erfolgt, in der ein Partner schwer krank ist oder ein hohes Risiko besteht, dass er/sie bald verstirbt, sollte man die Ein-Jahres-Regel im Hinterkopf haben. Das bedeutet nicht, dass man von einer Hochzeit abraten muss – aber man sollte wissen, dass im Fall des Falles zunächst kein Rentenanspruch besteht, bis man das Gegenteil beweist.
- Besondere Umstände dokumentieren: Ist die Ehe leider nur von kurzer Dauer gewesen, kommt es im Nachhinein darauf an, Belege für die echten Heiratsmotive zu liefern. Betroffene sollten alle Umstände dokumentieren und vortragen können, die zeigen, dass die Ehe aus anderen Gründen geschlossen wurde: etwa Fotos, Briefe oder Zeugenaussagen über einen lange gehegten Heiratswunsch, Beweise für die langjährige Lebensgemeinschaft (gemeinsamer Haushalt, Kinder, gemeinsam erworbener Besitz) und Ähnliches. Gerne kann man sich auch schon vorab beraten lassen, welche Nachweise im Ernstfall hilfreich sind.
- Nicht vorschnell aufgeben: Wenn der Versorgungsträger (z.B. die Rentenversicherung oder der Dienstherr) einen Antrag auf Witwen-/Witwerrente mit Hinweis auf eine vermeintliche Versorgungsehe ablehnt, sollten Betroffene Widerspruch einlegen und ggf. klagen, sofern sie überzeugt sind, dass ihre Ehe keine Versorgungsehe war. Die Gerichtsentscheidungen – wie die des OVG Greifswald – zeigen, dass es gute Chancen gibt, die Vermutung zu widerlegen, wenn die Fakten auf Ihrer Seite sind. Eine Ablehnung ist also nicht das Ende, sondern kann mit juristischer Hilfe überprüft werden.
- Bewusstsein bei Heiratswilligen: Für Paare, die in einer Lebensgemeinschaft ohne Trauschein leben, kann es unter Versorgungsaspekten sinnvoll sein, rechtzeitig über eine Heirat nachzudenken. Natürlich soll die Liebe im Vordergrund stehen – aber man sollte wissen: Wenn man erst heiratet, wenn eine tödliche Erkrankung bereits feststeht, gerät man automatisch in den Anwendungsbereich der Versorgungsehe-Vermutung. Hat man ohnehin die Absicht zu heiraten, kann es daher (auch im Interesse des Partners) klug sein, nicht zu lange zu warten, um späteren rechtlichen Hürden vorzubeugen. Umgekehrt gilt: Nur aus Angst vor der Ein-Jahres-Frist zu heiraten, obwohl man es sonst nicht tun würde, ist ebenfalls keine gute Idee – das würde nämlich genau eine Versorgungsehe bedeuten.
Die Witwen- oder Witwerrente nach kurzer Ehe ist ein komplexes Spannungsfeld zwischen Missbrauchsabwehr und Härtefallgerechtigkeit. Die Gerichte versuchen, echten Lebenspartnern gerecht zu werden, die aus ehrlichen Motiven geheiratet haben, auch wenn ihnen nur wenig gemeinsame Zeit als Ehepaar blieb. Das aktuelle Urteil aus Greifswald gibt Hinterbliebenen Mut: Wo eine Ehe auf wahrer Lebensgemeinschaft und Zuneigung gründet, können besondere Umstände anerkannt werden, die eine Versorgungsehe-Vermutung entkräften – selbst wenn die Ehe nur wenige Monate dauerte. Betroffene sollten sich davon ermutigen lassen, ihr Recht auf Hinterbliebenenversorgung notfalls gerichtlich durchzufechten, wenn ihre Ehe mehr war als nur eine Versorgungsehe. Denn letztlich zählt der erkennbare Lebenssachverhalt und die Glaubwürdigkeit der Motive – und nicht bloß der Kalender.